Borussia Mönchengladbach

Gladbach hat ein neues Präsidium. Vielleicht ein Hoffnungsschimmer am Horizont…

Vorweg: Ich habe jetzt (außer Saarbrücken) länger keine Spiele komplett gesehen (nur Berichte gesehen/gelesen oder Audio-Übertragungen gehört) und meine Eindrücke von den Fans kommen nur von Social Media und wie ich es empfinde.

Die Entwicklung ist da!
Es ist eine deutliche Entwicklung zu sehen. Die ist unglaublich negativ. Seit dem Stuttgart-Spiel lässt Gladbach jede Idee vermissen, wie man nach vorne kommt oder Tore erzielen kann. Hinten ziehen sich individuelle Fehler und mangelnde Qualität durch und es wirkt als würden ab dem zweiten Drittel Automatismen fehlen, um nach vorne zu kommen. Wenn man aber nicht mehr vors Tor kommt und der Gegner zumindest in Teilen Ideen oder Qualität hat, um gefährlich zu werden (und viele Mannschaften scheinen da diese Saison mindestens passable systematische Ansätze zu haben), dann muss man die Spiele im Schnitt einfach verlieren. Eine vielleicht mittelmäßige Abwehr (die aktuell eher noch schlechter spielt) bekommt statistisch nunmal jedes Spiel ein Tor - wenn man dann selber keines schießt, reiht sich Niederlage an Niederlage.
Die ‚Sekundärtugenden‘ Einsatz und Teamgeist, die wenigstens das Publikum entzünden konnten und in der Hinrunde noch manchen Punkt gewonnen haben, scheinen erloschen. Seoanes Rotation sind größtenteils nicht mehr verständlich. Netz, Scally, Reitz (wobei das ein bisschen früh ist), Ngoumou, Honorat stagnieren seit Monaten in ihrer Entwicklung. Elvedi spielt wieder wie unter Farke, Itakura kann nicht an die guten Momente der letzten Saison anknüpfen, Jordan hat jede Torgefahr eingebüßt (allerdings kommt Gladbach nicht in die gefährlichen Bereiche, also kann man ihn eigentlich nicht bewerten). Neuhaus hat keinen Schritt nach vorne gemacht in der Defensivarbeit und wirkt offensiv glücklos, Koné hat die Verbesserungen Ende des letzten Jahres nicht in Konstanz ummünzen können und spielt jetzt wieder defensiv schwach und ist offensiv zu eigensinnig und ebenfalls glücklos. Weigl ist okay, manchmal überfordert (auch weil die Mitspieler Böcke schießen) und stagniert bestenfalls. Hack hat sich im Laufe der Saison gesteigert, aber man kann immer noch sehen, warum er Zweitligaspieler war. Pléa war lange verletzt, Cvancara auch und Wöber kann nicht links spielen und ist solide, aber nicht mehr (wobei der Einsatz meistens passte).

Seoane
Mag sein, dass er nur ein Berater- und Nottransfer war, aber das ist egal. Ende der letzten Saison war das Plädoyer im Rasenfunk einen Trainer zu holen, der sich die Stärken des Kaders anschaut und mit dieser Basis arbeitet, sich ein System und eine Taktik überlegt, die zu den Spielern passt. Seoane ist genau damit angetreten und in meinen Augen war das auch der richtige Ansatz. Die Umsetzung funktioniert halt nicht, weil er keine Idee gefunden hat. Ich sehe aktuell keine PKs und bekomme nur Aussagen nach dem Spiel mit, aber da wirkt er seit ein paar Wochen nur noch ratlos. Gleichzeitig hat man keine Automatismen und das ist eindeutig sein Job. Über Einwechslungen hat er diese Saison durchaus mal positiv auf das Spiel eingewirkt, aber das funktioniert auch nicht mehr und Coaching jenseits von Halbzeitpause und Wechseln scheint entweder nicht zu funktionieren oder er macht es nicht (zum richtigen Zeitpunkt).
Die Aufstellungen sind teilweise undurchsichtig. Koné hat Spiele bekommen, obwohl Reitz bessere Spiele gemacht hat - die Belastungssteuerung finde ich grundsätzlich richtig, aber das erklärt nicht, warum er mehrere Spiele nur noch von der Bank kommt. Friedrich hatte eine gute Phase und wurde aber nicht mit konstanten Startelfaufstellungen belohnt. Niemand weiß, warum Omlin spielt - immerhin hat Nicolas eine hervorragende Entwicklung hingelegt; da wäre zumindest ein Kampf um die Torwartposition angebracht gewesen. Warum Honorat immer spielt (er gehört noch zu den besseren, aber es gab Gegner da hätte ich gerne Ngoumous Schnelligkeit gesehen, um den Gegner mürbe zu spielen), weiß ich nicht.
Eine Sache muss ich allerdings zu Seoanes Rettung sagen: Nicht alle Ansätze sind Mist. Tatsächlich sind die Überlegungen teilweise gut oder zumindest bei der Personalsituation legitim gewesen. Nur mangelt es teilweise an Qualität, Automatismen, EInsatz und Führungsspielern auf dem Platz, um die Taktik sinnvoll umzusetzen.

Führung
Was mich zur Führung bringt. Schmadtke fällt mir zu wenig auf, wenn er was sagt, wirkt das okay. Ist aber egal: Virkus trifft Aussagen, die immer wieder daneben wirken. Die Außendarstellung ist grottig und gleichzeitig verwechseln die Entscheidungen teilweise lange Anwesenheit im Verein mit Verdiensten und frühere Leistungen mit zukünftigen - ich weiß nciht, warum man mit Elvedi verlängert hat. Gleichzeitig bin ich mir nicht sicher, ob Itakura, Koné oder Omlin nicht auch deshalb spielen, weil die sportliche Führung Marktwerterhaltung betreiben möchte. Das ist jedenfalls mein Eindruck und da Seoane zunehmend unter Druck steht, hat er entweder nicht den Spielraum oder nicht die Einsicht, um voll nach Leistung aufzustellen.

Kuscheligkeit
Es ist nicht kuschelig und gleichzeitig ist das Familiäre auch kein Problem an sich. Gladbach war mit diesem Ansatz lange erfolgreich, in Leverkusen mögen sich auch gerade alle und Werder hat sich auch mit viel internem Wissen und ‚eigenem Saft‘ mittlerweile wieder stabilisiert. Diese ‚internen Lösungen‘ und das sportliche Geschäftsgebaren sind also nicht per se das Problem. Es ist vielmehr so, dass man in Gladbach nicht mehr offen ist und sich trotzdem wehtut. Nicolas, Friedrich, Reitz finden sich auf der Bank wieder und man weiß nicht warum. Mit Spielern (Elvedi, Kramer, Neuhaus) wird verlängert, weil man glaubt, dass das gut für die Marke ist. Da wird aber keine sportliche Idee mit verfolgt oder warum verlängert man mit Neuhaus und dann gibt es keinen Platz für ihn im Kader? Gleichzeitig verlangt man immer nur Einsatz oder dass die Spieler ‚was zeigen sollen‘, aber immer zu spät und vorher äußert man sich zu wenig und zu unklar zur Entwicklung (auch als sie positiv war). Ob der Vorstand zufrieden ist, weiß ich nicht, aber Virkus Aussagen wirken seit Amtsantritt wie an der Schnur aufgezogen: Ich muss das sagen, weil die Position das verlangt und dann imitiere ich bessere Originale.

Saarbrücken-Spiel
Virkus trifft Aussagen, die eine gewisse Arroganz an den Tag legen. Der Anfang ist okay, man fängt mal wieder ein Tor, wackelt und stabilisiert sich aber zur zweiten Hälfte. Da war ein eigentlich sinnvoller Seoane-Plan: Man hatte von Bayern und Frankfurt gelernt, die Spielkontrolle übernommen und Saarbrücken aus dem Spiel genommen und müde gespielt (wurde von Saarbrückern hinterher auch so gesagt). Nur hätte man dann in den letzten zwanzig Minuten den Druck erhöhen müssen und zu mehr Chancen kommen und das hat man null hingekriegt - so kann Saarbrücken einmal kontern und gewinnt. Das war die Saison im Kleinen: Alles halbgar gewürzt mit mangelnder Qualität und Entscheidungsfindung.
EDIT: Das Spiel war dann auch einfach der Punkt, an dem die Geduld der Fans aufgebraucht war. Dabei war das nicht das schlimmste Gladbach-Spiel diese Saison (oder auch davor). Aber die zweite Hälfte wirkte einfach als Tiefpunkt, weil von einer Verbesserung nichts zu sehen war und die Spielweise dann auch noch nicht geeignet war, um die Ränge zu entzünden. Das wäre egal gewesen, wenn man gewonnen hätte. Aber man hat einfach seit Jahresbeginn den Fans zu wenig gegeben (und gibt immer noch zu wenig) und jetzt ist der ganze Wille der Fans (am verheerendsten der Ultras), geduldig zu sein, aufgebraucht.

Steigt Gladbach ab?
Wahrscheinlich nicht direkt. Köln und Mainz werden Schwierigkeiten haben an Gladbach vorbeizukommen. Aber: Der Relegationsplatz ist aktuell wahrscheinlich!
Wolfsburg, Dortmund, Hoffenheim, Union, Bremen, Frankfurt, Stuttgart sind die letzten Gegner und in der Form wird man kaum gegen einen der Vereine einen Stich sehen und dazu sind die ‚leichteren Gegner‘ (außer Union) alle auswärts. D.h. die Chance ist verdammt hoch, dass man in sieben Spielen nur noch 0-2 Punkte holt. Dann muss Mainz nur 10 Punkte holen und man ist gleichauf (Köln 11) - das ist machbar für die, wenn auch schwer. Der Unterschied zwischen Gladbach und den meisten anderen da unten ist: Man hat weder den Trainer entlassen noch wirkt man, als hätte man den Abstiegskampf ‚angenommen‘ und gleichzeitig macht man sich gerade Stück für Stück die Tordifferenz kaputt. Konkret: Aktuell hat man in meinen Augen eine 80% Chance auf die Relegation und eine 20% Chance direkt runterzugehen.

Was tun?
Seoane entlassen und Polanski installieren. Mit Virkus die Saison zu Ende machen und jetzt jemand neues suchen - das ist sein Kader und sein Trainer und während man den Qualitätsverlust angesichts des Geldes nicht als Vorwurf anführen sollte, muss man zwei Jahre sportliche Rückschritte und Vollbremsungen in der individuellen Entwicklung der Spieler sehr wohl zum Vorwurf machen. Vor allem muss sich der Vorstand aber überlegen, wen man holen kann und wohin die sportliche Entwicklung gehen soll. Der Weg mit den drei Säulen ist grundsätzlich okay (wenn auch oft gesehen in der Bundesliga), aber die Umsetzung funktioniert null. Im Übrigen ist dann auch die Frage, ob Steffen Korrell weiter Kaderplaner sein sollte.

2 „Gefällt mir“

Meine Punkte vom 2.April sind weiterhin valide; ich baue da einfach nochmal ein bisschen oben drauf:

Der HSV könnte bald wieder in die Bundesliga zurückkehren, denn Gladbach hat gute Chancen auf den Relegationsplatz und wenn man in die Relegation geht, dann wird man die wahrscheinlich verlieren. Der Sieg in Wolfsburg kam zum schlechtesten Zeitpunkt, weil man sich wieder in Sicherheit wiegen konnte und Verantwortliche deshalb nach Dortmund wieder mit Phrasen à la ‚hat leider am Ende nicht gereicht‘ (oder ähnliche Formulierungen), ‚aber Dortmund ist ja sooo gut‘ und ‚Verletzte hat man am Niederrhein ja auch wieder etc.‘ um die Ecke kommen können.

Es sieht stark danach aus, dass man mit 34 Punkten vor dem Relegationsplatz landet (mit 35 ist man wahrscheinlich wirklich sicher), aber ich sehe nicht gegen wen man drei Punkte holen will.
Es kommen noch drei formschwache Gegner, Union, wie es immer hätte sein sollen, aber erst diese Saison ist (die sind aber nicht formschwach gerade) und dann noch Stuttgart. Dabei sind Hoffenheim und Bremen auswärts und angesichts von fast 2 Gegentoren pro Spiel kann man nicht mal darauf hoffen, dass es da zwei hässliche 0:0 gibt. Wahrscheinlicher ist es, dass man Aufbaugegner sein wird. Der einzige Mutmacher für das Hoffenheimspiel ist, dass Hoffenheim es mittlerweile geschafft hat mehr Gegentore als Gladbach zu kassieren und in einem genauso schlechten Zustand zu sein scheint wie Gladbach.

Vielleicht ist es nur an mir vorbeigegangen, aber niemand in Gladbach scheint von Abstiegskampf zu reden und das verstehe ich nicht nur nicht, sondern halte es für unglaublich gefährlich. Wenn man die Situation realistisch einschätzt, müsste man jetzt die Fans hinter sich bringen und voll auf Kampf umschalten. Das scheint gerade wieder mal keine Stärke der Mannschaft zu sein, aber eigentlich haben die Spieler diese Saison sehr wohl bewiesen, dass sie das können (wenn auch manchmal unnötig).

Verliert man die nächsten beiden Spiele, dann kann es sein, dass man weniger als einen Sieg Abstand auf den Relegationsplatz hat und es scheint kein Plan erkennbar, was man dann tut. Wirft man Polanski dann für drei Spiele (+ mögliche Relegation) rein? Das wäre dann eine selbstverschuldete Hypothek, die man ihm mitgibt - die nicht nötig gewesen wäre, wenn man ihn vor Wolfsburg installiert hätte. Dabei gilt er als Trainer-Talent und trotz einer schwierigen Saison der U23 hat er dort mittlerweile anscheinend eine leichte Stabilisierung hinbekommen.

Um aber nochmal auf den Ist-Zustand zurückzukommen: Mir ist unklar, was Seoane eigentlich gemacht hat seit Amtsantritt. Seit Januar sieht man keine erfolgsversprechenden Ansätze oder Verbesserungen bzw. wenn man mal ein paar Ansätze sieht, dann werden die nicht für 90 Minuten durchgehalten und schon gar nicht für zwei Spiele. Gleichzeitig hat man ständig Verletzte und einen Haufen stagnierender Spieler (siehe letzter Beitrag). Die Defensive wurde zwar leicht verbessert (20 Gegentore in 12 Spielen zu 36 in 17 Spielen in der Hinrunde), aber das hat man anscheinend nur dadurch erreicht, dass man deutlich an Gefährlichkeit eingebüßt hat (16 Tore in 12 Spielen zu 34 in 17 Spielen in der Hinrunde). Man kann diesen stärkeren Fokus auf die Defensive auch in den Spielen sehen (oder wie ich oft hören), aber es funktioniert nicht, weil für wirkliche defensive Stabilität entweder die Qualität fehlt oder die Abläufe oder aber die Konzentration/Form. Die Qualität ist nicht überragend, aber wenn ich mir einige der wenigen guten defensiven Leistungen der letzten Jahre angucke, dann habe ich schon den Eindruck, dass man mit guten oder sehr guten Leistungen eine solide (wenn auch keine gute) Defensive auf den Platz stellen kann. Nur gibt es die quasi nie, weil seit gefühlten Ewigkeiten immer ein, zwei Spieler einen schlechten Tag haben und dazu das systematische Verteidigen fast nie 100% erreicht (soll heißen mangelnde Abläufe, falsche Positionierungen aus der Taktik heraus, falsche Einstellung auf den Gegner, etc. sind ständig zu sehen).

Ein Ausblick zum Schluss: Laut Transfergerüchten will man verstärkt bei Zweitligisten wildern und ansonsten weiter auf die Jugend setzen. Das ist angesichts der Finanzlage und der Qualität des Kaders eigentlich eine sinnvolle Anpassung. Jedoch hat man diese Saison außer Reitz niemanden an die Mannschaft herangeführt und Netz hat man zwar (mit all seinen Fehlern, die ich ihm angesichts des Alters verzeihen würde) integriert, aber eigentlich auch ein bisschen allein gelassen, weil man keinen Back-Up für ihn hatte. Ansonsten steht man aber vor den Scherben der Transferpolitik seit 2020. Honorat und Hack waren im Rahmen ihrer Ausgangssituation gute Transfers, Netz und Scally sind es grundsätzlich auch. Mit Neuhaus, Elvedi und Friedrich hat man drei Spieler bei denen die Qualität fraglich ist bzw. unklar ist, welche Rolle sie eigentlich spielen sollen. Wöber ist ein passabler Transfer. Weigl auch, aber ein wirklicher Stabilisator ist er nicht. Cvancara und Jordan waren ständig verletzt (und zumindest bei Jordan deutete sich das ja bereits bei Union an). Chiarodia hat man nicht integriert bekommen, Ranos spielt keine Rolle. Itakura kann großartig sein (bei Japan spielt er wirklich gut), aber auch er stabilisiert die Mannschaft nicht. Omlin gilt auch als verletzungsanfällig und man hat jetzt ein Torwartproblem, weil man zu viele potenzielle Stammtorhüter hat (wobei die alle tatsächlich gar nicht schlecht sind, aber ich habe das Gefühl man hat sich nicht überlegt, was man macht, wenn sich die zweite Reihe weiterentwickelt und Omlin unter Druck setzt). Koné hat sich seit Jahren nicht weiterentwickelt. Kramer ist immer noch da und keiner weiß warum. Ngoumou hat immer noch nicht gezeigt, dass er sich in der Bundesliga durchsetzen kann. Pléa spielt diese Saison viel zu oft zu weit vorne (wo er in meinen Augen verschwendet ist).