Eure Fragen zum SV Darmstadt 98 (Rasenfunk Royal III)

Auch in dieser Sommerpause widmen wir uns allen 18 Vereinen ganz ausführlich. Welche Fragen habt ihr an unseren Gast für den Rasenfunk Royal? Schießt los!

Ich sehe den höchst wahrscheinlichen Abgang von Sandro Wagner für die Lilien ziemlich kritisch.

Natürlich lässt sich argumentieren, dass Darmstadt über das Kollektiv und nicht über Einzelspieler kommt und das Schuster sicherlich auf dem Transfermarkt einen neuen Stürmer (Rudnevs…) verpflichten wird, oder auch das mit Felix Platte ein talentierter Spieler in den eigenen Reihen ist.

Ich weiß aber nicht. Ich fand das Wagner in mehreren Rollen wichtig war für Darmstadt (Abnehmer für lange Bälle, Torschütze…) und das er mit seiner doch anscheinend vorhandenen Klasse in diesem Kollektiv auffiel. Ich stelle mir das nächste Saison schwierig vor.

Wie siehst du das?

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Das sehe ich genauso. Ist ein solcher Kraftakt nochmals machbar und werden die Gegner die Spielweise nicht antizipieren und anders gegen Darmstadt, Ingolstadt und weitere Nachfolger dieses Fußballs spielen?

Darmstadt ist aufgezeichnet.

Hier mal meine Meinung zu den von euch aufgeworfenen Problemen, bin mal gespannt, ob der Gast im Royale das genauso sieht:

Prinzipiell spricht erst einmal alles gegen Darmstadt: Wagner geht weg, Mathenia geht weg, Rausch ist weg, über Gondorf, Heller und Sulu sind zumindest mehr oder weniger fundierte Gerüchte im Umlauf. Wenn das alles zutreffen würde, dann wäre die Mannschaft entkernt. Allerdings: Das war sie, zu einem gewissen Teil, beim Aufstieg auch. Da gingen Bregerie, Behrens und Balogun, das waren drei von fünf Leuten aus der Defensive (wenn man Behrens als DM zur Defensive dazurechnet, was man beim SVD in diesem System tun sollte), die das Prunkstück der Aufstiegsmannschaft gewesen war. Was passierte dann? Es kamen Niemeyer, Caldirola und Rajkovic, und die haben die Abgänge zum Teil mehr als kompensiert.

So etwas kann natürlich nicht immer klappen. Es hat sehr viel mit Schuster und seinem Team zu tun, es hat aber auch, und da wiederhole ich abermals meine Theorie vom “Böllenfalltoreffekt”, meiner Ansicht nach sehr, sehr viel damit zu tun, dass Darmstadt zwar einerseits einen gewissen Typus Spieler sucht (“abgehalfterter/erfolgloser Ex-Talent, der es nochmal wissen möchte und von seinem aktuellen Club quasi umsonst abgegeben wird”), der im Grunde ein komplettes Totalrisiko ist (“Wenn der aktuelle Club ihn schon nicht mehr will?!?”), aber durch die besonderen Darmstädter Umstände eher eingegrenzt wird: Wer nämlich bereit ist für geringeres Gehalt in einem veralteten Umfeld mit schlechten Trainingsbedingungen bei einem Club anzuheuern, dem keine Chancen ausgerechnet werden - der will. Der hat bewiesen, dass er will. Und genau das war bei Wagner, Niemeyer und den anderen der Fall. Mangelnden Einsatz konnte man den “Gescheiterten” nie vorwerfen (auch wenn Rausch ziemlich inkonsistent in seinen Leisungen war). Ich glaube, beziehungsweise ich hoffe, dass das das große Plus auch weiterhin sein wird, auch in der kommenden Saison.

Der zweite Punkt ist der Trainer. Ich glaube, Schuster wird unterschätzt, weil er reduziert wird auf “Defensivbollwerk” und “stumpfsinniges, altmodisches Spielen”. Das ist zum Teil eine Illusion, die er selbst kreiert. Schuster hat im Laufe der vergangenen Saison einige sehr feine Spielanpassungen gemacht, wie man sogar auf Spielverlagerung.de nachlesen kann. Er hat häufig gegen Ende nochmal Offensivleute reingeschmissen und alles andere als “bis auf die Knochen verteidigt”. Darmstadt hat, wenn wir von Wagner Jubel-Gelb in Berlin absehen, keine einzige Gelb-Rote-Karte kassiert, geschweige denn eine Rote. Für eine “Treter- und Schauspielertruppe” ist das ziemlich bemerkenswert und weist darauf hin, dass Schuster seine Jungs ganz gut im Griff hat. Ich glaube, wenn Schuster ginge, dann kracht hier wirklich alles zusammen, und man kann nur hoffen, dass sich dann gewisse Strukturen soweit etabliert und gefestigt haben, dass der SVD sich in der Zweiten Liga halten kann. Die Stadt Darmstadt hat sich leider in den vergangenen Monaten (und auch Jahren) nicht gerade als wirklich solider Partner gezeigt, die Stadionplanungen stocken ja schon wieder mal.

Stichwort Nachhaltigkeit: Wagners Weggang war eingepreist, von vorneherein. Anders wäre er nicht gekommen. Er wird jetzt vermutlich ein paar Millionen in die Kasse spülen (noch mehr, wenn er nach England geht), das ist unglaublich viel Geld für den SVD (genauso wie die TV-Millionen durch den Klassenerhalt). Ich hoffe, sie setzen es weise ein und legen es zurück für schlechtere Zeiten. Insofern ist der Weggang Wagners, bei aller Wichtigkeit für das Spielsystem, nur logisch und konsequent. Es wird auch im neuen Jahr wieder Spieler geben, die nur deswegen nach Darmstadt kommen, weil sie sich dort ins Schaufenster stellen können. Das ist anders aktuell gar nicht machbar, und letztlich ein fairer Deal: Ihr haut euch voll für den Verein rein, und der Verein hat dafür die Chance auf den Klassenerhalt.

Was das System und die Ausrechenbarkeit angeht: Der Rasenfunk hat ja ein wunderschönes Tribünengespräch zur Geschichte der Taktik gemacht, das man sich mal anhören und dabei “Darmstadt” im Hinterkopf haben kann. Darmstadt hat keinerlei “neue” Taktik erfunden. Aber sie haben eine im Großen und Ganzen ziemlich biedere Bundesliga vor unlösbare Probleme gestellt, weil sie ein System gespielt haben, auf das viele nicht vorbereitet waren. Darin sind sie den “Taktik-Revolutionen” nicht ganz unähnlich. Viele Clubs der Bundesliga setzen viel zu sehr auf Pressing. Nimmt man ihnen die Möglichkeit zu pressen (weil man den Ball schnell weghaut), dann stehen sie etwas ratlos da. Konnte man immer wieder sehr schön beobachten. Mannschaften, die klug das Spiel aufgebaut haben, mit Ballbesitz etwas anfangen konnten, und die Zweikämpfe angenommen haben, konnten Darmstadt knacken. Gerade Spielaufbau und Ballbesitz trainieren aber scheinbar sehr wenige Teams, und ich weiß nicht, ob sich daran in der kommenden Saison sehr viel ändern wird. Es hilft ja nichts, mal kurz vor dem Spiel den Spielern zu sagen: “Jungs, wir machen das jetzt alles ganz anders, vergesst alle Automatismen, die wir zuletzt eintrainiert haben.” Außerdem wird Darmstadt, wie in der vergangenen Saison, abermals der Club sein, bei dem die Heimfans sofort zu pfeifen anfangen, wenn man nicht zur Pause schon 2:0 führt. Das ist ja mit ein Grund für die starke Auswärtsbilanz. Da ist dann eben Fußball doch wieder voll und ganz Psychologie, davon bin ich überzeugt.

Darmstadt trat diese Saison an gegen Schachspieler, indem sie einfach Mühle gespielt haben. Und dann haben sich die Schachspieler aufgeregt, dass Darmstadt gar nicht das richtige Spiel spielt, wussten aber nicht, wie Mühle geht. Mag sein, dass ich das ändert, ich bin mir da ehrlich gesagt aber gar nicht so sicher, zumal ja zum Teil auch wieder andere Trainer zu Werke gehen werden.

Letztlich ist natürlich klar: Sie werden auch dieses Mal wieder die krassen Außenseiter sein. Na und? Als die Lilien in die 2. Bundesliga aufgestiegen sind, hat mir ein guter Freund, der KSC-Fan ist, gesagt. “Viel Spaß euch bei diesem einen Jahr Zweite Liga. Mehr schafft ihr nicht.” (Er sollte recht behalten, aber ganz anders, als er dachte.). Diese Story mit “Beinahe vierte Liga” wird ständig wiederholt, aber ich glaube, es ist nicht jedem so ganz klar, was das wirklich bedeutet: Jedes. Einzelne. Jahr. Galt Darmstadt als krassester aller krassen Außenseiter überhaupt. Alle haben immer gelacht und gesagt: “Jaja, viel Spaß euch.” Seit drei Jahren leben die Lilien ganz gut damit. Insofern habe ich gar kein Problem damit, wenn Darmstadt jetzt wieder die Sprüche um die Ohren fliegen mit “Das zweite Jahr ist immer das schwerste” und “nochmal schafft ihr das aber nicht!!!”

Ich hätte nur in einem Fall ein Problem:

Wenn Dirk Schuster geht.

Ich hab den Rasenfunk Royale noch immer nicht gehört (bin grad in den letzten Zügen des Tribüengesprächs für TV-Rechte; wie zum Teufel schafft Max es eigentlich, schneller aufzunehmen, als man hören kann?), aber im Nachhinein klingt mein Beitrag natürlich wie „berühmte letzte Worte“. Das mit Schuster sollte eigentlich ein Beispiel für positive Gelassenheit sein und ist jetzt seit seinem Wunsch nach Weggang zum krassen Gegenteil geworden.

Wer’s ausführlich möchte:

Wie zum Teufel schaffst Du das, schneller zu schreiben, als ich lesen kann? (setzt bookmark) (schließt tab)