Ich will noch ein paar Gedanken zum Anschlag formulieren, der ist in meinen Augen nicht ernst genug zu bewerten.
Es war ein Anschlag, aber drei Bomben. Ich hab eben nochmal ein wenig gegooglet:
Bei dem Attentat unterlief dem Verdächtigen jedoch ein entscheidender Fehler: Während die erste und dritte Bombe wohl planmäßig umsetzten, war der zweite und wichtigste Sprengsatz einen Meter über dem Boden und damit zu hoch platziert worden. Die Ladung verfehlte ihr Ziel und schoss über den Bus hinweg.
Die Bomben waren nach offiziellen Angaben mit Metallstiften versehen, ihre zerstörerische Kraft hätte Hunderte Meter weit gereicht. Einer der Splitter, etwa 70 Millimeter lang und 15 Gramm schwer, verfehlte die Businsassen und bohrte sich in die Kopfstütze eines Sitzes.
Die Bomben sollten töten. Das steckt man als Betroffener nicht einfach weg, das geht nicht. Da rebelliert jede Faser Selbsterhaltungstrieb gegen, das Hirn lehnt sich komplett gegen die Formulierung „zu hoch platziert“ auf.
Traumata werden vom Menschen bevorzugt ritualisiert verarbeitet. Zu den Vorteilen gehört u.a. dass jeder anders damit umgeht und das Ritual mag den einen langweilen aber jemand anderes erhält dazu den dringend benötigten Schutz um das Gesicht zu wahren, Zeit zu bekommen oder Schwäche zeigen zu dürfen. Das Ereignis erhält durch das Ritual einen Sonderstatus außerhalb des normalen Lebens.
Das Ritual wurde verweigert. Die Wertschätzung der Spieler wurde verweigert. Alles möglich war wichtiger als die Spieler.
Laut dem Ticker war schon um 20:58 (also keine 3 Stunden später) der Termin fest
Das kann man nicht bringen. Kein Vorwurf an Watzke der ist von den Ereignissen auch nur überrollt worden, ich kenne auch andere, die einfach weitermachen würden als die beste Option bezeichnen würden.
Aber es ist falsch.
Es funktioniert nicht.
Soldaten die aus der rosigen Zivilisation gerissen werden kommen ruiniert zurück; nicht nur ihrer Taten wegen, sondern insbesondere weil sie realisieren dass alles was sie bisher kannten, alles was sie für wichtig hielten - Schall und Rauch ist. Man kann es Erdung nennen.
Auch ohne Nahtoterfahrung läuft das so, bei FightClub heisst es: „Nach einem Kampf ist alles andere im Leben leiser gedreht… Man wird mit allem fertig!“
Und jetzt stelle man sich vor, wie ein Bartra (nach dem Splitter in der Hand, nach dem Krankenhausaufenthalt) auf irgendwelche Kritik aus den Reihen der BVB-Fans reagiert.
Der reagiert nach erfolgter Erdung eindeutig: leck.mich.doch.
Man wird widerspensig, widerborstig, lässt sich nichts mehr sagen von Leuten die den Kopf noch in den Wolken (und keine Ahnung vom wahren Leben®) haben.
Man wird aggressiv, ohne dass man es unterfüttern könnte, weil man sich im selben Moment vielleicht doch nur zusammenrollen will.
Beim AuffeOhren-Podcast wurde mal das Bild der geprügelten Hunde bemüht um die Reaktion der Mannschaft auf das 4:4 zu verbildlichen. Das Bild passt hier auch.
Der öffentliche Umgang mit dem Anschlag ist größtenteils „Och…wann war das?“, man verweigert dem Ereignis einen Sonderstatus. Aber wenn dass das normale Leben sein soll, warum sollte ein Spieler mit ein wenig Resthirn nicht einfach quittieren und sich mit der ein oder anderen Million in die Karibik absetzen? Er riskiert ja schon täglich seine Gesundheit und hält die Knochen hin - jetzt soll er auch noch sein Leben setzen? Wovon träumt ihr nachts, das soll kein Sonderstatus sein? Die Reaktion: leck.mich.doch.
Dann könnte man noch betrachten, was passiert wenn ein Riss durch die Mannschaft geht zwischen Spielern die das Ritual gebraucht hätten, aber es nicht bekamen und Spielern die es nicht brauchten, oder das glauben.
die Mannschaft wirkt nicht mehr wie eine eingeschworene Truppe sondern wie ein Grüppchenhaufen.
Das wundert dann überhaupt nicht. Dazu eine Trennung von Tuchel, der nach dem Anschlag die richtige Entscheidung einforderte. Das ist ein fetter Finger an die Spieler der Mannschaft, die Hilfe gebraucht hätten und deren Fürsprecher gegangen wurde.
Da mag es andere Gründe gegeben haben, aber angesichts der erfolgten Erdung ist ja eh alles unwichtig, entscheidend ist, wer in dem Moment wo es wirklich, wirklich drauf ankam, die richtige Entscheidung traf: Tuchel.
Ich fürchte, auch Schmelzer mit seine aggressiven Nachspielansage ist entweder im leckmich-Modus oder provoziert auch wieder nur leckmich-Reaktionen in der Mannschaft.
Von außen scheint mir das alles ein übler Clusterfuck, ich hab auch keine gute Lösung, da wird’s hoffentlich gute Psychologen geben.
Und da lese ich
Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass denen jetzt erst auffällt dass die Jungs in psychologische Behandlung gehören.
Aber bei so einem Artikel schwillt mir der Hals. Nach 7 Monaten kommt sowas.