Die Hertha-Saison lässt aus 2 diametral entgegengesetzten Blickwinkeln betrachten.
Man kann die Saison über die gewonnen Spiele zu entscheidenden Zeitpunkten definieren. Hertha war nie wirklich in Abstiegsgefahr:
#10: 2:1 gegen den HSV
#16: 3:1 gegen Hannover
#22: 2:0 in Leverkusen
#27: 2:1 in Hamburg
Man kann die Saison auch über die enttäuschenden Spiele definieren, zu den Zeitpunkten, wenn Hertha die europäischen Plätze hätte angreifen können.
#18: 0:1 in Stuttgart (unter Wolf)
#23: 0:2 gegen Mainz
#26: 0:0 gegen Freiburg
#30: 0:0 gegen Wolfsburg
#32: 2:2 gegen Augsburg
Man kann Hertha mit Köln vergleichen, die genauso Europa League spielten und vor der Saison einen wichtigen Spieler verloren (Modeste/Brooks). Köln hatte mehr Verletzungen, verlor Erfolgs-Trainer und -Manager und stieg aus der Liga ab.
Man kann Hertha unter derselben Prämisse aber auch mit Hoffenheim vergleichen, die Rudy und Süle abgaben. Hoffenheim entwickelte sich nach dem Aus in Europa spielerisch deutlich weiter und nimmt in der nächsten Saison wieder an einem internationalen Wettbewerb teil.
Herthas Saison bewegt sich zwischen diesen beiden Polen. Man kann von Stabilität sprechen. Oder auch von Stagnation. Hertha hat junge Spieler an die Startelf herangeführt (Rekik, Torunarigha, Maier, Lazaro, Selke), aber sich spielerisch nicht weiter entwickelt.
Die entscheidende Frage für die nächste Saison und die Zukunft von Dardai wird sein, ob es einen Spieler gibt, der die Vakanz im zentralen offensiven Mittelfeld beheben kann und Dardais Anforderungen entspricht. Oder verhindert die Ausrichtung des Trainers ein offensiveres Spiel? Alle bisherigen Spieler sind während Dardais Amtszeit auf dieser Position aus diversen Gründen durchgefallen (Duda, Stocker, Baumjohann, Ronny). Am erfolgreichsten spielten noch Darida mit seiner Laufstärke und Lazaro mit seinem Anlaufverhalten im Pressing. Beide sind aber eigentlich auf anderen Positionen eingeplant. Im Immerhertha-Podcast wurde diese mittelmäßige Saison als positiv bewertet, weil die Mannschaft einen kreativen Mittelfeldspieler davon entfernt sei, eine Mannschaft für die obere Tabellenhälfte zu sein. Das wird die nächste Saison und Transferphase zeigen müssen.
Das Verhältnis von Fans und Vereinsführung ist mies. Die Digitalstrategie kommt nicht gut an. Digital-Vorstand Paul Keuter ist als Feindbild ausgemacht. Hertha hatte von allen Vereinen den mit Abstand größten Zuschauerrückgang zu verzeichnen. Meine These dazu ist, dass ein gewichtiger Teil davon zugezogene Berliner sind, die ihre Mannschaft einmal im Jahr auswärts im Olympiastadion gesehen haben. Damit bekäme Hertha den allgemeinen Trend nur stärker zu spüren, weil sie zuvor von überproportional vielen Auswärtsfans auf neutralen Sitzplätzen profitiert haben. Diese Gelegenheitszuschauer kommen jetzt seltener oder gar nicht.
Zusammengefasst ist Hertha ohne Frage der Janitor von Scrubs: Er war vor dir hier und wird noch da sein, wenn du wieder weg bist. Er ist nicht besonder hübsch anzuschauen und ein bisschen altmodisch. Er nervt und man übersieht ihn ganz gerne. Aber dann denkt er sich die krudesten Dinge aus, um deine Aufmerksamkeit zu erlangen, weil er eigentlich einfach nur geliebt werden will.