Permanenter Totalumbruch ist genau das Rezept, was Schalke in die aktuelle Lage gebracht hat. Finanziell am Abgrund, trotzdem noch mit dem sechshöchsten Personalaufwand, aber einem Kader der höchstens Bundesliga-Mittelmaß ist.
Seit 2002 hat kein Trainer die Chance bekommen, auf Schalke über zwei Saisons etwas aufzubauen. Und das zeigt sich. Das Schalker Spiel hat kaum Tiefe, weil immer nur eine Saisonvorbereitung mit dem aktuellen Trainer nicht viel mehr zulässt.
Das heißt nicht, dass Wagner nicht auch seine Schwächen hat - das ingame coaching ist mir oft zu wenig, zu spät - und sich selbst hinterfragen muss und im Sommer die nötigen Veränderungen einzuleiten hat. (Und wenn er sich dazu nicht bereit zeigt, muss wirklich ein neuer Trainer her.)
Aber wenn Schalke ihm einen Kader bereit stellt, der zB nach Goalimpact selbst in der besten Saisonphase nur Rang 11 in der Liga ist, und der zu über einem Drittel (10/28) aus U21-Spielern besteht - mit allen Leistungsschwankungen, die damit zu erwarten sind - dann ist am Ende der Saison kaum mehr als Platz 12 drin.
Wenn dann ab Winter wirklich alle Spieler (außer Oczipka), die auch nur annähernd wichtig sind, zwischenzeitlich bzw. komplett ausfallen und der Kader so ausgedünnt ist, dass die gerissenen Lücken mit wenigen Tagen Vorlauf durch Jugendspieler gestopft werden müssen, dann kommt so eine Rückrunde zusammen. (Darüber wie unterfinanziert die Knappenschmiede, aus der diese Jungs kommen sollen, seit Jahren ist, gibt das Tribünengespräch mit Elgert einigen Aufschluss. Also nur falls Tabellenplatz 6 in der U19-Bundesliga-West trotz Rekordtransfers nicht schon genug sagt.)
Die ganze Teamleistung ist nicht mehr bundesligareif, (wie auch das Team selbst, dass einen Goalimpact auf Drittliganiveau hat,) und dann zeigt die Defensive im letzten Saisondrittel eine geradezu absurde Underperformance. Ab Spieltag 23 fängt Schalke 31 Gegentore bei nichtmal 16 xGA (nach Metrik von betweentheposts.net). Zum Glück hatte Schalke schon mit dem ersten Spieltag der Rückrunde genügend Punkte für den Klassenerhalt.
Europäischer Wettbewerb ist mit diesen Voraussetzungen auch in den nächsten Jahren nicht drin. Besonders wenn unsere Konkurrenz aus 50+1-Ausnahmen (Wolfsburg, Hoffenheim) und der neureichen Hertha besteht und Schalke selbst finanziell aufm Zahnfleisch kriecht.
Da hilft auch der „große Name“ Schalke 04 nichts mit allen Erwartungen und abgedroschenen Metaphern vom „schlafenden Riesen“. Aufm Platz steht ein Bundesliga-Mittelfeld-Team. Vor einem Publikum, dass zurecht unzufrieden mit der Vereinsführung ist, aber zuunrecht so schnell die eigene Mannschaft auspfeift, wie kaum ein anderes. Ob nun weil ein Angriff abgebrochen und neu aufgebaut wird, weil er wenig Erfolgsaussichten hatte. Oder weil ein Spieler den Sprung zu einem größeren Verein gewagt hat, also die bodenlose Frechheit besitzt, Entscheidungen zu treffen, die seine eigene Karriere voranbringen (können), statt diesem Chaosverein gegenüber willenlos loyal zu sein. Welcher andere Verein nimmt dem Kapitän im Abstiegkampf demonstrativ die Binde weg und zerfleischt das eigene Team Woche für Woche nach dem Spiel vor der Fankurve?!
Soviel Selbstkritik müssen wir Fans von Schalke und seine Mitglieder schon auch üben. Der Umgang mit wechselwilligen Spielern und unerfolgreichem Fußball ist schlicht toxisch. Und Tönnies stand alle drei Jahre zur Wahl und hat stets die Mehrheit auf der JHV erlangt.
Schalke muss endlich aufhören finanziellen Raubbau an der eigenen Zukunft zu betreiben und die Vereinsführung, die seit Jahrzehnten dafür steht, rausschmeißen. Aber Schalke muss auch lernen, sich realistische Saisonziele zu stecken und Geduld mit Spielern und Trainern entwickeln. Es gibt einfach keine nachhaltige Alternative mehr dazu.