Insgesamt eine spannende Folge, auch wenn das Thema Schalke nach den Trainerwechsel für mich jegliche Spannung verloren hat. Ist ein bisschen, wie beim Jenga spielen, solange der Turm noch steht wenn auch wacklig, finde ich es spannend zu schauen, mit welchen Zügen wieder Stabilität zurück gebracht werden könnte und welche Steine die Schieflage nur noch verschlimmern würden. Aber auf den Trümmerhaufen zu blicken und dann Captain-Hindsight-mäßig erzählt zu bekommen, was hätte anders gemacht werden sollen, verliert bei der Häufigkeit an Trainerwechseln schnell den Reiz. (Wofür der Rasenfunk natürlich nichts kann.)
Zumal die Diagnose immer die Gleiche ist. Kramer hat auch genau den Fußball spielen lassen, den man erwarten konnte und wurde fürs unansehnliche Spiel bei ausbleibendem Erfolg gefeuert. Genauso Grammozis davor. Immer wieder fehlt Geduld, fehlt Geld, fehlt Glück und schließlich wird der Trainer rausgeschmissen, in der Hoffnung, dass der nächste aus den selben schlechten Voraussetzungen irgendwie mehr rausholt.
Hierbei würde ich aber anmerken, dass sich das von Max gebrachte Argument, dass Schalke nur mal einen anderen Trainertypen probieren müsste, beim Blick in die Vergangenheit schnell entkräftet. Schalke hatte zB einen Konzepttrainer, der sich im Ausland einen Namen gemacht hat. Wo außerdem eine klare Strategie verfolgt und massiv auf Jugendspieler gesetzt wurde - und Schalke hat sogar lange durch eine sportliche Krise an ihm festgehalten. Der versprochene Erfolg blieb natürlich trotzdem aus…
Aber eigentlich wollte ich schreiben, weil ich den negativen Blick auf die Knappenschmiede nicht teile. Knäbel (2018 als Direktor des NLZ verpflichtet) hat da glaube ich echt viel angestoßen, erste Resultate sind auch schon sichtbar, aber es liegt halt in der Natur der Sache, dass sich verbesserte Nachwuchsarbeit erst nach einigen Jahren auszahlt. (Und durch die Veröffentlichung des Sportkonzepts bekommt man sogar einen vergleichsweise guten Einblick von außen.)
Aber fangen wir mal mit drei Punkten an, die die Ergebnisse trüben, selbst wenn gute Arbeit geleistet wird (und die von euch nicht angesprochen wurden):
- Corona. Die Saison 2023/24 wird die erste unverkürzte Saison für die U19 seit fünf Jahren sein. Es würde mich stark wundern, wenn man in ein paar Jahren nicht deutschlandweit einen Knick bei den entsprechenden Jahrgängen (ca. 2001 bis 2004) im Profifußball finden wird.
- DFB. Das NLZ-System hat einige großartige Jahrgänge hervorgebracht, unter denen zahlreiche Schalker waren, die zu Weltstars wurden. Inzwischen ist der DFB in einer ausgeprägten Nachwuchskrise und die geht auch an diesem Verein nicht vorbei.
- Misserfolg der Profis. Durch die Abstiege steht weniger Geld für die Knappenschmiede zur Verfügung. In nicht funktionierenden Mannschaften können sich Jugendspieler nicht gut weiterentwickeln. Talente kann man in der 2. Liga nicht mehr so lange halten, wie noch zu CL-Zeiten. Usw.
Beispielhaft sind vielleicht die Verkäufe von Kehrer (2018) und Thiaw (2022). Thiaws letzte U19-Saison wurde abgebrochen, er spielte sein erstes Jahr in der Abstiegsmannschaft (Sieglosserie, 5 Trainer etc.), sein zweites in der 2. Bundesliga. Nach nur zwei Profijahren musste Schalke ihn, beim ersten ordentlichen Angebot ziehen lassen. Beide Spieler wurden nach einer starken dritten Profisaison deutsche Nationalspieler, nur wurde Kehrer erst nach dieser Saison verkauft, Thiaw musste man schon davor abgeben. Mit entsprechend niedrigerem Gewinn. Aber ist dafür die schlechtere Nachwuchsarbeit verantwortlich? Wohl kaum.
Aber jetzt zum aktuellen Stand in Knappenschmiede-Arbeit. Ouedraogo ist nicht der einzige Jugendspieler im Kader. Je nachdem, wie eng man die Definition nimmt, hätte mindestens Topp mitgezählt werden müssen. Darüber hinaus kamen Matriciani, Kozuki und Idrizi (sowie Heekeren und Müller) aus der U23. Und natürlich sind Fährmann und Latza auch einst aus der Knappenschmiede gekommen. (Darüber hinaus hat Schalke diesen Sommer eigene Jugendspieler abgegeben/abgeben müssen: Bozdogan, Aydin, Calhanoglu, Sané, Hansen, Boujellab (U19) und Flick (U23).)
Der Ist-Zustand ist also nicht ganz so grau, wie er dargestellt wurde. Die letzten zwei Jahre hat die Schalker U17 mit einigen Erfolgen auf sich aufmerksam gemacht (und führt auch gerade wieder deutlich die Tabelle an). Trainer Cinel wurde inzwischen von Liefering abgeworben, mit Ouedraogo steht ein erster Spieler auch bereits im Profiteam. (Obwohl ein solch schneller Karriereverlauf eher unüblich ist, er war als nomineller U16-Spieler bereits in der U17, als nomineller U17- Spieler in der U19 und nun ist er bei den Profis, obwohl er noch zwei Jahre in der U19 spielen könnte…) Für die kommenden Jugendjahrgänge besteht also Hoffnung.
Das Bemühen, Spieler zu entwickeln, statt auf Ergebnisse abzuzielen kann dabei ebenfalls erkannt werden. Zum Beispiel hat Schalke im Jahrgang 2005 zwei Torwarttalente und versucht sichtbar beide zu fördern. Podlech und Yusufu teilten sich die Einsatzzeiten in den vergangenen beiden Jahren (fast) 50:50. Anfang dieser Saison war Yusufu verletzt, daher sind die Spielanteile unausgeglichen.
[Spekulationen:] Heekeren sollte nach seiner Kreuzbandverletzung bis zum Winter in der U23 Spielpraxis sammeln und dann möglichst dauerhaft im Profiteam Fuß fassen. Den freien Platz in der U23 hätte dann einer der beiden Jugendtorhüter frühzeitig besetzen können, wodurch beide als Stammspieler ihrer Mannschaften die Möglichkeit bekommen hätten auf sich aufmerksam zu machen. Die Verletzungen von Müller und Fährmann erschweren aber gerade die geplante Aufbauarbeit im Hintergrund: Heekeren will man nicht bei den Profis reinschmeißen, weil er nach der Verletzung erst 4 Spiele hatte, muss ihn dann aber zumindest für die Bank mitnehmen. Wodurch es natürlich nicht mehr Einsätze werden…
Auch den von Max kritisierten späten Jugendtransfers in der U23 würde ich etwas entgegensetzen. Schalke scheint dort explizit nach Spielern zu suchen, die im deutschen Nachwuchsfußball durchs Raster gefallen sind. Die beiden momentanen Top-Torschützen der U23 Castelle und Pöpperl etwa hat Schalke aus der Landesliga Westfalen 4 und von einem Absteiger der Hessenliga geholt. Auch die oben genannten Matriciani und Heekeren haben den Sprung zur U17 bzw U19 im jeweiligen NLZ nicht geschafft und sich über die Jugendmannschaften von Regionalligisten etabliert.
Also klar kann man es so sehen, dass, wenn man innerhalb des NLZ-Systems gut arbeitet, man keine Transfers zur U23 mehr brauchen sollte - nur zeigt es wie gesagt inzwischen deutliche Risse. Da finde ich es eigentlich einen guten Ansatz, explizit noch übersehenen Talenten zu suchen. Oder auch es auszunutzen, dass einige Bundesligisten ihre U23 aus Kostengründen abgeschafft haben und Spielern bei Schalke eine Chance geben, denen dort der direkte Sprung zu den Profis nicht zugetraut wurde. Würde das Ganze also eher als gezieltes besetzen einer Marktnische sehen.
Natürlich ließe sich schlussendlich trotzdem diskutieren, wie gut die Schalker Nachwuchsarbeit theoretisch ist (nochmal der Verweis aufs Sportkonzept) und wie gut das Ganze auch wirklich umgesetzt wird.