Rasenfunk Royal: Die Saison von Werder Bremen

Friends, es ist mal wieder Zeit für den Rasenfunk Royal. Mit Abpfiff des 34. Spieltags werden alle Aufnahmesessions zu jedem Verein geplant und dann in einer Sonderfolge auf die Saison aller Teams zurückgeblickt.

Für diese Aufnahmen freue ich mich noch mehr über Input als eh schon - denn die Vorbereitung auf alle 18 Teams ist eine echte Herausforderung. Das heißt ich nehme an dieser Stelle nicht nur sehr gerne jede Frage entgegen, sondern auch Input anderer Art. Statistiken, Dinge die euch aufgefallen sind, Gedanken die ihr zum jeweiligen Verein habt.

Inhaltlich will ich vor allem über die Gründe sprechen, warum die Saisonziele erreicht oder verfehlt wurden. Welche Personalien wichtig waren, auf besondere Spiele eingehen. Zudem interessiert mich natürlich die Stimmung im Umfeld sowie die Hausaufgaben mit Blick auf die Saison 17/18.

Macht mit!

Experte wird Marc Hagedorn vom Weser-Kurier sein.

Was sagt ihr zu dieser Statistik?

  • Werder Bremen hat die beste Chancenverwertung der Liga. 21,3% ihrer Torschüsse gingen ins Tor!

Erstmal finde ich es extrem cool das du den Herrn Hagedorn als Gast gewinnen konntest.

Zunächst stellt sich die Frage ob es jemals so eine zwiegespaltene Saisonleistung einer Mannschaft gab und ist diese Werder Saison das perfekte Beispiel dafür wie wichtig eine ruhige, saubere Vorbereitung sein kann.

Vor der Hinrunde lief scheinbar nichts zusammen, extrem viele Verletzungen, ein Trainer der schon vor dem ersten Spiel auf einem wackeligen Stuhl saß, kein wirkliches System, ein komplett fehlgeschlagenes Fitnessprogramm und dann noch viele Transfers die alle ein gewisses Risiko mit sich brachten.

Die Vorbereitung auf die Rückrunde war dagegen das komplette Spiegelbild. Sie lief ruhig ab, wenig Verletzte, Nouri saß für die gegebene Situation sicher im Sattel und hatte mit der Dreierkette ein genaues taktisches Bild im Kopf sodass sie lange Zeit hatte sich einzuspielen und mit Thomas Delaney kam ein Spieler der direkt eingeschlagen ist.

Zum Abschluss also noch die Frage, war das einfach eine außerordentliche Saison oder ist jetzt wieder mit Werder in der oberen Tabellenhälfte zu rechnen ?

Zwischenzeitlich war Bremen zwar auf keinem guten Weg, aber am Ende haben sie nochmal alles rausgehauen, um den Titel “schlechteste Abwehr der Liga” nach einem Jahr Pause wieder zurück an die Weser zu holen. Lässt sich dieser Erfolg über Personalien oder über die Taktik erklären (gerade auch im Hinblick auf die sehr schwankenden Leistungen)?

Die Saison 16/17 war Werder in a nutshel.
Der Start mit Skripnik war zum Scheitern verurteilt. Die Sommervorbereitung, der DFB-Pokal und mindestens 3 eingeplante Punkte wurden leichtfertig verschenkt. Die Filterblase “Werder-Familie” hat den Verantwortlichen (v.a. Marco Bode, Baumann hatte eher wenig echten Einfluss) den Blick verklärt. Baumann hat überraschend schnell Konsequenzen gezogen. Hätten ihm die wenigsten zugetraut.
Dazwischen lag aber eine Transferperiode, in der ironischerweise die “Werder-Familie” im weitesten Sinne als unique selling point fungierte. Serge Gnabry und Max Kruse haben die Aussicht auf ein ruhiges, familiäres Umfeld und die Perspektive auf viel Spielzeit einem größeren Schritt vorgezogen.
Der Rest der Hinrunde war eine Energieleistung. Alex Nouri war hierfür genau der Richtige: er hat in dieser Phase vor allem seine Qualitäten als Motivator, als Entfacher unter Beweis gestellt. Werder war am Leben, hatte aber noch keinen Plan für das eigene Spiel entwickelt. Hinten sicher stehen und vorne auf Gnabry setzen. Das war Bundesliga-Mainstream und hat ganz okay funktioniert, trotzdem heißt die Realität im Winter Abstiegskampf. Dann kam Kruse zurück, Delaney aus Kopenhagen und die Fünferkette.
Die Konstellation war klar: Für Werder geht es ums überleben, Nouri hatte genau einen Versuch, eine Vorbereitung Zeit, das Team nach seinen Vorstellungen auszurichten. Unter dieser Prämisse wurde der Vertrag bewusst nur bis Sommer verlängert.
Er hat es geschafft, der Mannschaft eine ihr entsprechende Idee mitzugeben. Das 5-3-2, das zunächst als 5-4-1 gestaltet war hat die Schwächen auf den AV-Positionen gut versteckt, das vorhandene Tempo im nach vorne durch vertikale, einstudierte Konterabläufe kanalisiert.
Die Geschichte der Rückrunde ist dann schnell erzählt: Bis auf 2 Ausrutscher (Das 0:1 gegen Gladbach/ das 3:5 gegen Hoffenheim) hat Werder die eigenen Stärken dominant auf den Platz gebracht ohne das Spiel aktiv zu gestalten. Räume wurden durch unterschiedlich hohes Pressing je nach Gegner vorbereitet und genutzt. Die insgesamt schwankenden Ergebnisse (Die Serie mit 9 Siegen aus 11 Spielen ohne Niederlage gerahmt von jeweils 3 Niederlagen zu Beginn und zum Abschluss der Rückrunde) stehen nicht wirklich in einem Zusammenhang mit den Leistungen (vorne konstant gut und hinten Bundesligadurchschnitt mit zwischenzeitlichen Aussetzern), die einigermaßen gleichbleibend waren und zwischen den beiden Ergebnis-Extremen anzusiedeln sind.
Müsste man ein Schlüsselspiel hervorheben wäre es das 1:1 in Leverkusen (24.Spieltag), das zum einen emotional mit dem gehaltenen Elfer in der 96. Minute wichtig war und Kräfte freisetzte, zum anderen taktisch mit der Rückkehr zur Dreier-/Fünferkette nach 3 eher schwachen Spielen, die aber alle gewonnen wurden, die Weichen für das Fortbestehen der begonnenen Serie stellte.
Den ersten Entwicklungsschritt hat Nouri für viele Beobachter überraschend gut geschafft. Die Mannschaft bring eine Idee auf den Platz, die nicht weit vom Mainstream entfernt ist, dafür aber konsequent umgesetzt wird und im Konter besondere Möglichkeiten bietet.
Die Konstellation ohne Europa League führt dazu, dass Werder eine unglaublich priviligierte Situation mit einer Vorbereitung ohne großen Umbruch, mit personeller & strategischer Basis bevorsteht - ohne Doppelbelastung.
Für Nouri geht es darum, Abläufe zu stabilisieren noch flexibler zu gestalten. Es geht um den zweiten Schritt einer im Winter begonnenen Entwicklung. Dieser muss mit Blick auf die Veränderung der Konkurrenzsituation (Gladbach, Schalke, Leverkusen & Wolfsburg ohne Doppelbelastung, Hannover und Stuttgart statt Darmstadt und Ingolstadt) keineswegs ins internationale Geschäft führen. Vielmehr geht es darum, das eigene Profil auf dem Platz zu schärfen und sich im Ligamittelfeld zu stabilisieren.
Das erste Mal seit vielen Jahren darf man in Bremen wirklich optimistisch in eine neue Saison starten.

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