Nt195: hun - sui 1:3, esp - cro 3:0, ita - alb 2:1

Wir sprechen über die Spiele Ungarn - Schweiz, Spanien - Kroatien und Italien - Albanien mit Christian Bernhard (freier Sportjournalist, u.a. Experte bei DAZN). Wie hat euch die Sendung gefallen?

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Zu der Verwirrung um die Gelbe Karte beim Strafstoß im Spanien-Spiel: Christian hat Recht, es gibt nur Gelb wegen der Strafraum-Regel. Es ist die Vereitelung einer offensichtlichen Torchance (DOGSO). Da gibt es außerhalb des Strafraums natürlich immer Rot (klassische Notbremse), im Strafraum wird da seit ein paar Jahren differenziert. Erfolgt das Foul beim Versuch, den Ball zu spielen („ballorientiert“), oder (seit einem Jahr neu) im Rahmen eines Zweikampfs (im Englischen „Challenge“, nicht „duell“, also weit zu verstehen) um den Ball, gibt es nur Gelb. Beim Handspiel wird seit dieser EM ebenfalls differenziert, ein klar absichtliches Handspiel (Suarez) führt zu glattrot, ist es die unnatürliche Vergrößerung der Körperfläche, gibt es höchstens gelb, selbst wenn das Vergehen auf der Torlinie war.
Es wird dabei auch nicht weiter unterschieden, ob es die Vereitelung einer offensichtlichen Torchance oder eines klaren Tores ist. Sobald das Vergehen ein Zweikampf um den Ball ist, bleibt es bei Gelb. Nur die Notbremsen, bei denen es überhaupt nicht mehr um den Ball, sondern nur noch um das Foul geht, sind im Strafraum rotwürdig, also vor allem Haltevergehen - und natürlich weiterhin Foulspiele, die von der Intensität her rotwürdig sind, die Anschaffung bzw. Einschränkung der vermeintlichen Doppelbestrafung bezieht sich nur auf Notbremsen (und deren kleinen Bruder, das Vereiteln eines aussichtsreichen Angriffs).
In der konkreten Szene hat Rodri zwar eher geringe Chancen auf den Ball, aber trotzdem ist der Ball noch ein Bezugsobjekt seines Zweikampfs. Das reicht, um es zur Challenge for the ball zu machen, sodass es zur Reduzierung der persönlichen Strafe kommt.

In dieser konkreten Szene kommt einem Gelb zu wenig vor, weil die Chance besser ist als die klassische Notbremse. Trotzdem finde ich es aus regulatorischer Sicht sinnvoll, dass es so geregelt ist, wie es aktuell ist. Jede Regelung, die noch einmal unterscheidet, ob offensichtliche Torchance oder nahezu sicheres Tor, führt zu großen Problemen im Graubereich. Ab wann soll es denn immer rotwürdig sein? Auch vor dem leeren Tor können Stürmer noch vergeben - Schöne Grüße an Mario Gomez - und jede Grenze wäre ein Stück weit willkürlich. Ist die Torchance ab 0,7 xG (also größere Chance als der Strafstoß) groß genug? Oder ab 0,9 xG? Oder ab 0,98? Das wären dann objektivierbare Werte, aber in der Praxis natürlich nicht umsetzbar, weil die Schiedsrichter keine wandelnde xG-Datenbank sind. Also immer rot, wenn das Tor unbewacht ist? Aber wäre das hier schon unbewacht? Bzw wie viel näher müsste der spanische Torhüter sein, damit das Tor unbewacht wäre? Andere Kriterien hätten entsprechende Nachteile.
Und deshalb glaube ich, eine solche Regeländerung wäre eine Verschlimmbesserung. Problematisch ist es ja in den Szenen, in denen ein quasi sicheres Tor durch einen Zweikampf um den Ball mit niedrigen Erfolgschancen verhindert wird und der anschließende Strafstoß verschossen wird. Die Kombination kommt vielleicht ein-, zweimal im Jahr im Spitzenfußball vor. Und dafür so ein weiteres Kriterium mit entsprechender Grauzone einzubauen, macht die Regeln mE nicht besser, sondern schlechter. Da ist es das geringere Übel, mit diesen wenigen ungerechten Einzelszenen zu leben, zumal das Verschießen des Strafstoßes dann auch eigenes Versagen des anderen Teams ist.

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Für mich ist die Elfmeterszene das beste Beispiel, wie tiefgehend der Videobeweis das Spiel verändert hat – Stichwort „Kontakt“!

Wenn ich mir die Szene anschaue, dann sehe ich kein Foul, sondern einen Spieler, der merkt, dass er leicht berührt worden ist und sich darum hinfallen lässt. Nicht der sogenannte Kontakt ist ursächlich für das Fallen, sondern das Wissen, dass in Zeiten des Videobeweises jede noch so kleine Berührung reicht, um einen Elfmeter zu bekommen.

Statt sich fallen zu lassen (meine Interpretation), hätte er den Ball auch ins leere Tor schießen können. Ich glaube, es ist mittlerweile so tief in den Spielerköpfen drin, dass man sich sogar instinktiv bei jeder kleinen Berührung fallen lässt, selbst wenn ein Weiterspielen sinnvoller wäre.

Mich hat die Szene an Marvin Ducksch im Heimspiel gegen Darmstadt erinnert. Dort ging der Spieler in aussichtsreicher Position auch zu Boden, weil er meinte, einen „Kontakt gespürt zu haben“.

Ich finde diese Entwicklung traurig und nicht im Sinne des Spiels, wohl wissend, dass ich damit mittlerweile ziemlich alleine dastehe, wenn über die Elfmeterentscheidung an sich von euch noch nicht mal gesprochen wird.

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Die Regelauslegung ist doch ohnehin problematisch. Die Konstellation DOGSO + keine Ballorientierung kommt ja so gut wie nie zur Anwendung. Oft werden nicht ballgerichtete Schubser von Verteidigern nicht geahndet, weil die Konsequenz eines Elfmeterpfiffs rot wäre, weswegen viele Schiedsrichter oft gar keinen Elfmeter geben. Das wird im Fernsehkommentar weitgehend ausgeblendet und unter „zu wenig“ oder „clever vom Verteidiger“ abgetan. Aus meiner Sicht ist die Regel gut gemeint, führt aber aufgrund der (für mich zurecht) drastischen Strafe in der Praxis zu dem Paradox, dass die Eingriffsschwelle bei nicht ballgerichteten Aktionen höher ist als bei ballgerichteten Aktionen. War sicher so nicht gedacht, aber ich hätte auch kein Problem mit einer konsequenteren Umsetzung.

Ich kenne die Regel, sehe hier aber keine Ballorientierung.

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Daran, dass Du die Regel kennst, habe ich keine Zweifel, im Gegenteil - von den (nicht-schiedsrichterzentrierten) Fußballmedien in meiner Bubble ist der Rasenfunk mit Abstand das regelkompetenteste. Bitte entschuldige, wenn ich mich dahingehend missverständlich oder sogar falsch ausgedrückt habe!
Die fehlende Ballorientierung kann ich gut nachvollziehen und eigentlich will ich für eine solche Szene auch Rot sehen. Wenn ich mir das Erklärvideo zur Regeländerung vom vergangenen Sommer anschaue, bin ich mir aber ziemlich sicher, dass die Szene als richtig entschieden bewertet wird („hier wird nur reduziert, wenn es sich nicht um ein Halten, Ziehen oder Stoßen handelt“ und bei der Beispielszene sehe ich nicht mehr Ballorientierung als bei der Szene gestern).

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Ich hoffe hier weiß einer warum, aber warum hat sich der VAR beim Foul von Carvajal an Majer im 16er nicht eingeschaltet?