#31 - Euer Input für Schlusskonferenz 222

BVB - S04

Schalke macht einige Dinge recht gut, die meisten Dinge aber ähnlich wie sonst. Es kommt einem eher wie ein Spiel der Mannschaft aus 2017/18 vor. Kaum Ballbesitz, sehr passiv und vor allem “vorne wird schon ein Standard reinfallen”. Und genau das passiert. Sie bekommen ein wunderschön rausgespieltes Gegentor und wenn dann nicht der Elfmeter gepfiffen wird, ist zu vermuten, dass es den üblichen, in dieser Saison mehrfach gesehenen Gang geht.

Nur dann fallen zwei Standards ins Dortmunder Tor. Das 2:3 der Dortmunder zeigte, wie überlegen der BVB -beachte: 2 Spieler weniger- fußballerisch diese Saison ist. Ohne die Aktion von Reus, befürchte ich, geht das Spiel für S04 verloren.

Zum BVB: Sicherlich schwaches Spiel des BVB, aber ich glaube, es hätte dennoch für einen Sieg des BVB gereicht, wenn es nicht zu den roten Karten gekommen wäre. Wir werden es jedoch nie erfahren.

Ich halte wenig von der Rivalität zwischen den beiden Vereinen, was aber auch daran liegen mag, dass ich nicht aus dem Ruhrgebiet komme. Mir als Schalke Fan wäre es lieber gewesen, man hätte die Punkte vorher geholt und dann jetzt halt 3 Punkte nach Dortmund geschickt, um die einschläfernden Meisterfeiern in München dieses Jahr mal zu verhindern.

Zusammenfassend: Das Schalke der letzten Saison gewinnt dank Dortmunder Unkonzentriertheiten sowie vor allem einer Aktion von Reus, die er in dem Moment, als er zur Grätsche ansetzt, sicherlich auch schon bereut hat.

Außerdem mir ein Anliegen: Meiner Meinung nach unaufgeregte, souveräne und fehlerfreie Spielleitung durch den Schiri Zwayer. Schiedsrichter haben einen unfassbar schweren Job, vor allem in derartigen Spielen. In Anbetracht dessen ein Lob für derartige Leistungen auszusprechen, kommt mir regelmäßig viel zu kurz.

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Ich glaub ich will hier nochmals eine Lanze für Tedesco brechen. Also folgendes:

Den Kader der Saison 17/18 hat man nach dem heidel’schen Umbruch im Sommer 2016 nur punktuell ergänzt. Es kamen Flügelspieler Harit, Linksverteidiger Oczipka und Innenverteidiger Insua. Außerdem schaffte McKennie den Sprung aus der U19 in den Profikader. Tedesco bekam einen aufbereiteten Weinzierl-Kader zur Verfügung gestellt. Entsprechend musste er seine Spielidee anpassen - und tat das ein Jahr lang ziemlich erfolgreich.
Jetzt kommen wir zur Saison 18/19 und Schalke - trotz sportlichem Erfolg aufgrund des “unansehnlichen” Spielstils andauernd kritisiert - schreibt sich frühzeitig auf die Fahnen, ein Ballbesitzspiel aufzubauen und zu etablieren. Und Tedesco darf diesmal den Kader aktiver mitgestalten. Mit Mascarell wird früh ein spielaufbauender Sechser verpflichtet und als Mitte August das Angebot für Kehrer in unablehnbare Höhe steigt, wird er abgegeben und dafür Tedescos Wunschspieler Rudy - ebenfalls ein spielstarker Sechser - und Linksverteidiger Mendyl verpflichtet.
Funktioniert hat das Alles, wie man an den fünf Auftaktniederlagen unschwer erkennen kann, nicht. Die Frage ist jetzt nur warum. Wurden beim Scouting der verpflichteten Spieler Fehler gemacht, so dass man ihnen Qualitäten zuschrieb, die sie nicht besitzen? Wurde der Kader insgesamt falsch zusammengestellt? Taugt die Ballbesitz-Spielidee des Trainers nichts?

Jetzt erstmal ein kurzer Exkurs, was für mich die fürs Ballbesitzspiel wichtigen Qualitäten eines Defensivspielers sind.

  1. Freilaufverhalten
  2. saubere, schnelle Ballverarbeitung
  3. Auge für den “freien Mitspieler”
  4. gutes Passspiel

Da man aber manchmal auch in ungünstigen Situationen angespielt wird, der Gegner aggressiv draufgeht und tiefe Ballverluste schlicht brandgefährlich sind, kommt außer dem Ball-gut-weiterleiten noch eine weitere wichtige Stärke dazu.

  1. Pressingresistenz

Jetzt hab ich da eine Liste an individuellen fußballerischen Qualitäten aufgestellt. Klingt doch, als sollte ein Spieler die einsetzen können, egal wo er spielt. Und bei einigen der Punkte würde ich das auch so sehen. Eine saubere Ballan- und -mitnahme und ein präzises Passspiel funktionieren in etwa gleich, egal ob der Fußballer jetzt in der Bundesliga oder der Oberliga aufm Platz steht. Und auch in Sachen Pressingresistenz werden Spieler auch nach einem Wechsel innerhalb einer Liga - wie bei Mascarell und Rudy ja der Fall war - vor vergleichbare Aufgaben gestellt.
Aber Freilaufverhalten des Spielers selbst und Auge für den freien Mitspieler sind nunmal grundsätzlich gruppentaktisch geprägt. Du kannst es noch so sehr versuchen dich freizulaufen, wenn dein Mitspieler nicht den getimten Pass auf dich spielt, ist all die Mühe vergebens. Genauso kannst du noch so ein gutes Zuspiel im Fuß haben, wenn sich kein Mitspieler in die entsprechenden Räume bewegt, kannst du den Ball nicht erfolgreich weitergeben. Und hier sehe ich die Probleme für Schalke zum Anfang dieser Saison.

Monatelang wurde von allen Schalker Offiziellen gekundet, dass zur neuen Saison ein Ballbesitzspiel entwickelt werden soll. Die Verpflichtungen von Pokalsieger Mascarell und Meister Rudy sind keinem Fußballinteressierten entgangen. Rudy wird sogar möglichst öffentlichkeitswirksam als der Wunschspieler Tedescos angepriesen. Kurzum Jedermann und seine Oma wussten, wie wichtig es ist, auf das Schalker Ballbesitzspiel Antworten zu finden und welche Schalker dafür essenziell werden und aus dem Spiel genommen werden müssen.
Vorhang auf, zweiter Spieltag. Schalke war gegen Wolfsburg engagiert in die Saison gestartet, jedoch ohne Mascarell oder Rudy. Ersterer hatte sich in der Vorbereitung verletzt, Zweiterer war erst kurz zuvor gewechselt und noch nicht einsatzbereit. Und man hatte trotz vielversprechender Leistung verloren, auch dank zwei unglücklichen VAR-Entscheidungen, die dafür sorgten, dass Nastasics Gelbe zur Roten und Weghorst Rote zur Gelben wurden. Gegen Berlin nun erstmals Rudy zum Einsatz. Und Dardai war vorbereitet und stellte ihm Duda auf die Füße.
Für Rudy als spielaufbauender Sechser bedeutete dies nun, dass er sich nur mühsam freilaufen konnte. Plan A hätten einstudierte Laufwege und Passmechanismen sein können, wodurch Rudy trotz Bedrängnis noch spielbestimmend mitwirken könnte, doch fehlte dafür das gegenseitige Spielverständnis, der Mann war ja erst frisch zu Schalke gewechselt. Es musste also ein Plan B her.
Aus der Vorsaison war ein spielbestimmender Sechser - Max Meyer - bereits bekannt und wenn dieser exzessiv gedeckt wurde, sprangen oftmals die spielstarken Innenverteidiger ein und konnten den zusätzlichen Raum, der aus der drastischen Manndeckung eines Akteurs folgen kann, sinnvoll bespielen. Allen voran Kehrer. Der wäre mit seinen herausragenden offensiven Qualitäten zwar genau der Richtige, hatte ja aber kurz zuvor den Verein verlassen. Sein frühzeitig verpflichteter Ersatz Sané musste als Reaktion auf die Sperre Nastasics auf Links verteidigen. Zusätzlich dazu, dass er nicht ganz die Stärke eines Kehrers hat und ebenfalls erst im Sommer gewechselt war, wurde er gegen Berlin also auch noch auf seinen schwächeren linken Fuß gezwungen, stellte also auch keine Lösung dar. Bliebe noch Stambouli, der ebenfalls einiges im Spielaufbau zu leisten im Stande wäre, doch der war verletzt. Und ein Nastasic, der vieleicht nicht immer die beste Entscheidungsfindung für sein Passspiel hat, dafür aber einiges an Präzision und Schärfe in den Ball zu geben weiß, war ja rotgesperrt. Neben Naldo spielte der positionsfremde McKennie in der Dreierkette.
Sämtliche Alternativen aus der Verteidigung das Spiel zu gestalten fielen also flach. Und so konnte weder Rudy die für ihn vorgesehene Rolle spielen, noch aus seiner Manndeckung wirklich Profit geschlagen werden. Und trotzdem hatte man erneut Chancen auf den Sieg. Doch Caligiuri vergab erstmals einen Elfmeter, im Gegenzug fiel das 0-1 und als Schalke erneut in der Schlussphase ins Risiko ging um ein entscheidendes Tor zu erzielen, fing man sich stattdessen einen Gegentreffer ein und sah erneut eine rote Karte.
Null aus Zwei wäre noch kein riesiges Problem, doch folgten mit Gladbach und Bayern zwei der drei stärksten Hinrundenteams. Tedesco musste seinen geplanten spielerischen Umbruch zurücknehmen, die schlechten Ergebnisse zwangen ihn schlicht dazu. Durch die Dreifachbelastung blieb außerdem wenig Möglichkeit im Training Neues einzustudieren. Und obendrein verletzten sich im Verlauf der Hinserie reihenweise die Stürmer. Und nach erfolgreichem Rückrundenstart brechen erneut Schlüsselspieler weg.

Natürlich ist hier einiges vereinfacht dargestellt. Was ich aber aufzeigen wollte, ist, dass ich Tedesco prinzipiell für einen Ballbesitzfußball-fähigen Trainer halte, der in dieser Saison nur lächerlich viel Unvorhersehbarkeiten mit navigieren musste. Es waren ja nicht nur die vielversprechenden Ansätze in den ersten beiden Spielen. Man überstand die CL-Vorrunde - zwar in einer schwachen Gruppe, aber dennoch hochverdient. Man holte mit 14 Punkten aus den auf die Fünferserie folgenden acht Ligaspielen nicht gerade wenig.
Doch das Spiel der Schalker verarmte mit den Ausfällen wichtiger Stützen zunehmend im immer verzweifelder werdenden Kampf um Punkte. Anfangs spielte man vielleicht noch erfolglos trotz vielversprechender Leistung, aber bald griff das Escher’sche “Die Leistung passt sich auf Dauer den Ergebnissen an.” Und irgendwann kommt auch der einfallreichste Coach an seine Grenzen und seine Ideen werden weniger und ob des zurückliegenden Misserfolgs vom Team nicht mehr vollends angenommen.

Also was hätte geholfen - Hindsight ist ja bekanntlich 20/20.

  • Tedesco schon zur Vorbereitung einen Co-Trainer an die Seite zu stellen, der sowohl Dreifachbelastung kennt, als auch etwas von der Vermittelung von Ballbesitzfußball versteht.

  • Eine bessere Kaderplanung. Nicht in Kehrer den besten mitspielenden Verteidiger abgeben. Denn Rudy hatte mit Vogt und Süle bei Hoffenheim immer spielstarke Männer hinter sich, bei Bayern natürlich auch. Und selbst ein Mascarell konnte bei der Eintracht auf Hase B zurückgreifen (und zurückspielen).
    Und wenn man das Angebot für Kehrer schon nicht ablehnen kann, muss zumindest ein entsprechender Ersatz her. Der hätte zwar auch Eingewöhnungszeit gebraucht, aber man hätte nicht am zweiten Spieltag schon blank da gestanden.

  • Das Scouting der spielerischen Fähigkeiten bei Rudy und Mascarell hat meiner Meinung nach gestimmt. Aber einerseits wäre ein zwingender Verweis auf die aufbaustarken Verteidiger, vor denen sie spielten und ihre Leistung brachten, unabdingbar. Ob es den gegeben hat, kann ich nicht einschätzen.
    Bei der Beurteilung der mentalen Fähigkeiten bei beiden Spieler unterliefen aber möglicherweise gravierende Fehler. Zu einer falschen Einschätzung kann man zwar leicht kommen, wenn Rudy der auffallend einsatzbereite Spieler Deutschlands bei der sonst komplett missratenen WM war und Mascarell aus der kämpferischsten Mannschaft der Liga zu uns kam. Aber diese möglicherweise vorhandene Potential konnte beide bisher zu keiner Zeit hier beweisen.

Und nun?
Tatsächlich bin ich überzeugt davon, das Tedesco der richtige Trainer war. Ob er das jetzt noch ist und im Sommer zurückkehren könnte oder ob im Misserfolg zu viel kaputt gegangen ist, kann ich nicht sagen. Ein direktes Comeback würde mich aber sehr freuen.
Der neue Trainer wird wieder den Vorteil haben, in seiner ersten Saison kein internationales Geschäft mit bewältigen zu müssen. Und Rudy und Mascarell werden nach einer kompletten Vorbereitung auch deutlich mehr zeigen können. Beide sind ja bis jetzt nicht wirklich ins Team eingebaut. Aber vielleicht wird der wütenden Fanmenge auch Tribut gezollt und die vermeintlichen Fehleinkäufe werden weiterverkauft. Fände ich aber schade.
Und ich erwarte dass spätestens 2021 dann reihenweise überraschte Kommentare kommen, wenn Tedesco gezeigt hat, dass er doch Ballbesitzfußball spielen lassen kann. Was für eine Überraschung :roll_eyes:

Und dann kommen direkt wieder die Kommentare, dass das Problem nicht der Trainer war, sondern der Verein Schalke. Und damit hätten sie in den meisten Fällen auch recht! (Wenn ich demnächst Zeit finde, werde ich auch dazu mal einen ausführlichen Kommentar verfassen. Im verlinkten Text wird schon einiges angesprochen und “Mut in der Führungsetage” gehört auch irgendwo dazu. Meine Meinung zur mutlosen und bequemen Trainerentscheidung Schneiders hab ich ja schon geschrieben. Und zum Aufsichtsrat hab ich ja auch schon eine Kleinigkeit verfasst.) Aber im vorliegenden Fall halte ich die gezeigte Verkettung unglücklicher Zustände und die genannten Fehler im Vereinsmanagement für ursächlich.

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So komisch die Frage jetzt vielleicht klingt, aber hat RB Leipzig zum Saisonstart die Meisterschaft verspielt? :open_mouth:

Das habe ich schon verstanden, aber das ist glaube ich nicht das was die meisten Menschen als “spielerisches Mittel” beschreiben würden

Favre würde ich am liebsten manchmal echt schütteln für sein Zaudern, das Gerede von “Spiel für Spiel” und nun dem Abschenken der Meisterschaft…
So nah dran, so eine Gelegenheit, die auch weiterhin besteht.
Aber ohne Winner-Gen, das ihm offensichtlich abgeht, wird man eben nicht Meister.
Betrüblich!

Mal ganz ehrlich, ich werde immer noch von Tag zu Tag besser in meinem Beruf und bin drei Jahre älter als Tedesco. Ich finde man sieht an Labbadia gerade schön, dass viele Trainer viel zu früh anhand ihrer ersten Meriten abgeschrieben werden. Vielleicht gehört Tedesco in 10 Jahren zur absoluten Elite der Welt, gut vorstellbar, aber macht das deswegen die Schalker Entscheidung weniger nachvollziehbar?

Meine These ist ja eher gegehn Frankfurt und Augsburg in der Rückrunde, aber eingentlich gehüpft wie…

Ich hätte ja gerne ne Prognose zum Meisterschaftskampf von allen drei Beteiligten anhand des Restprogramms. Halte das vom FCB ja für das schwierigere.

Nein, es macht die Entscheidung für mich nicht weniger nachvollziehbar. Vor allem aber, weil ich den Trainerwechsel weitestgehend für Aktionismus seitens Schneider halte.

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Ich möchte noch mal kurz anmerken wie wunderbar absurd dieser Spieltag war. 2. Liga inklusive…

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Hallo zusammen,

mich persönlich interessieren, warum Bayern München mit Thomas Müller zentral offensiv deutlich besser ist als mit ihm auf dem Flügel.
Ich sehe drei mögliche Ursachen dafür und würde mich über eure Einschätzung freuen.

  1. Er hat auf dem Flügel einen direkten Gegenspieler hat und kann seine “Raumdeuterfähigkeiten” nicht entsprechend einbringen.
  2. Durch seine Läufe in zentrale Positionen verweist der rechte Flügel und der rechte Aussenverteidiger ist einer (je nach Gegner) dauerhaften Überzahl ausgesetzt, was die Möglichkeiten zu kurzen Kombinationen einschränkt und zu vermehrten Flanken, überhasteten Abspielen, Rückpässen und Ballverlusten führt.
  3. Robert Lewandowski wird ohne TM in der zentralen Position zum Einzelkämpfer und muss sich deutlich öfter mit zwei IV’s beschäftigen, was sowohl seine Offensivleistung als auch seine Defensivleistung einschränkt.
    Wahrscheinlich ist es eine Kombination aus den drei genannten und weiteren Gründen (die mir einfach entgangen sind) aber ich würde mich über eure Einschätzung freuen.

MfG
HeFl

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FCA-B04
Bosz hat es nach den drei, zum Teil unglücklichen, Niederlagen in Folge wieder geschafft, die Defensive zu stabilisieren. Dass er in der Offensive sein System anpassen musste, geschah bereits beim ersten Ausfall von Karim Bellarabi gegen Düsseldorf. Mittlerweile agiert die Mannschaft im Ballbesitz in einem 3-6-1 System, wobei hinten Tah, Bender und Wendell (der eines seiner besseren Spiele gemacht hat) verbleiben, während Weiser die rechte Seite allein beackert. Auf der anderen Seite spielte diesmal Kevin Volland, der aufgrund der Bailey-Verletzung von der Mittelstürmer abgezogen worden ist und in diesem Spiel seine Sache äußerst gut machte. Havertz zieht es wiederum nach innen, sodass das System sehr zentrumslastig ist. Lediglich im Pressing ist es wieder das typische 4-3-3 von Bosz. Das Opfer dieses Systems ist Lars Bender. Bosz traut dem Kapitän offenbar nicht zu, die rechte Seite offensiv und defensiv auf hohem Niveau zu bespielen. Somit hat Weiser wohl bis zum Saisonende einen Vorsprung. Auch auf der 6er Position, die ja zu Beginn der Rückrunde noch von Charles Aranguiz besetzt worden ist, setzt Bosz nicht auf Bender. Dort ist mittlerweile Julian Baumgartlinger gesetzt. Er macht seine Sache unaufgeregt und konzentriert sich auf seine Defensivaufgaben. Die Aufgaben des Strategen übernimmt weiterhin Aranguiz, das Gehirn der Mannschaft.
Momentan wird bei den Fans noch kritisiert, dass Bosz wenig und spät wechselt und somit auch Paulinho keine wirkliche Chance gibt. Zu Beginn der Saison mit dem Rucksack von knapp 18 Millionen Euro Ablöse gekommen, bestand sein längster Bundesligaeinsatz aus den 45 Minuten der Zweiten Halbzeit gegen Bremen. Dies dürfte mit seinem Verteidigungsverhalten zutun haben. Paulinho scheint das Pressing noch nicht verinnerlicht zu haben. Offensiv kann er durchaus Schwung hineinbringen und dürfte in der kommenden Saison eine ernsthaftere Option sein. Lukas Hradecky hat gegenüber dem kicker auch gesagt, dass Paulinho durchaus bereit ist, aber Peter Bosz sieht das anders. Ohnehin hat man den Eindruck, dass Spieler, die erstmal außen vor waren, nur durch eine Verletzung eines anderen Spielers von Bosz wieder in die Startelf gebracht werden. Gute Trainingsleistungen bringen einen bei Bosz nur selten in die erste Elf. Die späten Wechsel dürften damit zu tun haben, dass der Kader in der zweiten Reihe nicht zum Fußball des Trainers passt, weshalb diese auch wenig berücksichtigt werden. Hier dürfte Sommer der ein oder andere Spieler den Verein verlassen.

Zum Spiel:
Augsburg war die ersten 15min besser in der Partie, während Leverkusen Startschwierigkeiten hatte. Folgerichtig gingen die Fuggerstädter durch Kevin Danso in Führung. Das Verteidigen von Standards ist seit Roger Schmidt immer ein Kritikpunkt bei den Fans. Heiko Herrlich konnte es zeitweise beheben und man war selbst noch gefährlich. Momentan ist defensiv aber wieder der Schlendrian drin, offensiv ist das aber ganz gut, wenn man die Ecken ausklammert (da sind einige komische Varianten dabei, die gar nicht zu Toren führen können). Mit dem Gegentor ist Leverkusen dann so richtig ausgewacht. Havertz presste Torschütze Danzo in der 15. Minute sehr gut und sehr früh auf Höhe der 5-Linie an der linken Strafraumkante und sorgte so für einen unpräzisen hohen Ball, der von Sven Bender abgefangen und von Julian Brandt kontrolliert werden konnte. Charles Aranguiz sorgte dann mit einem sehenswerten Pass auf Volland dafür, dass dieser recht frei und wuchtig ins Tor treffen konnte.

Nur wenige Minuten später spielte Sven Bender (ich wusste gar nicht, dass er zu solche einem Ball in der Lage ist; im Team würde ich das am ehesten Dragovic zutrauen) einen herrlichen langen Ball auf Mitchell Weiser der auf Lucas Alario querlegte, der einnetzte. Leider war Weiser Zentimeter im Abseits. Die kalibrierte Linie des VAR sorgte dafür, dass der Treffer aberkannt worden ist. Der hohe Ball von Bender hätte es verdient gehabt, mit einem Tor belohnt zu werden. In dem Spiel streute die Mannschaft immer wieder lange Bälle ein und verließ sich damit nicht nur auf das Kurzpassspiel. Weiser konnte dadurch mehr als einmal in eine günstige Position gelangen.

Es war interessant zu sehen, dass Leverkusen sich von dem aberkannten Tor nicht aus der Fassung bringen ließ. Sie machten einfach weiter. In der ersten Hälfte sind aber nur noch wenige zwingende Chancen erspielt worden, Alario setzte noch einen gut herausgespielten Ball an die Latte. Interessant war noch die Chancen von Brandt und Havertz im Sechzehner, wobei keiner von beiden Schießen wollte. Dies ist auch in den vorherigen Spielen aufgefallen, nicht nur bei den beiden Spielern, sondern unter anderem auch bei Leon Bailey: Die Spieler wollen den Ball ins Tor tragen und scheuen sich davor, außerhalb des Sechzehners oder mit dem falschen Fuß zu schießen. Lieber wird noch einmal quergepasst, was die Situation meistens zunichte macht. Leverkusen sorgte aber mit Ballbesitz und sicherem Kurzpassspiel dafür, dass sich auch Augsburg dem Tor nicht mehr gefährlich nähern konnte.

Zu Beginn der zweiten Hälfte wollte Augsburg Druck erzeugen, nur schaffte es Leverkusen, den Ball schnell im Tor unterzubringen. Havertz hat in der 48. Minute den Ball mit dem rechten Außenrist sehenswert ins Tor gelupft, wobei man ihm da eher keine Absicht unterstellen sollte, da die Flanke von Volland sehr scharf hineingeschossen worden war. Von da an war Augsburg kaum noch präsent, auch weil Leverkusen den Ball sehr gut in den eigenen Reihen halten konnte. Diese Spielweise war auch gegen Düsseldorf und Freiburg effektiv. Auch diese Mannschaften wollten aus einer gut gestaffelten Defensive kontern, aber da sie den Ball fast gar nicht bekamen und Leverkusen eine gute Konterabsicherung hatte, konnten sie sich auch nur wenige Chancen erspielen. Auch nachdem ein weiteres Tor vom VAR aberkannt worden ist (Bereits der vierte Treffer, der in dieser Saison aberkannt worden ist, Ligahöchstwert; Danso hätte ein Eigentor erzielt, doch war sein Gegenspieler Tah wieder knapp im Abseits und griff in die Situation ein), machte Leverkusen unbeirrt weiter. Ein von Kobel abgeklatschter Freistoß Brandts wurde nun von Tah selbst verwertet, der das 3:1 erzielte. Tah, der trotz 1,94m ungemein kopfballschwach ist, erzielte eines seiner seltenen Tore mit dem Fuß. Für ihn war es ein toller Tahg. Von Augsburg kam nicht mehr viel. Das 4:1 erzielte schließlich Brandt (zu dem Zeitpunkt Mittelstürmer, da Alario für Kohr ausgewechselt worden ist) nach einem Konter, weil Dominik Kohr, der Ex-Augsburger, den Ball nicht richtig traf.

Unterm Strich war der Sieg hochverdient und man hat nach langer Zeit mal wieder eine rundum überzeugende Leistung der Werkself sehen können. Leverkusen hat sich mit jedem Sieg in der Leistung gesteigert: Während der Sieg gegen Stuttgart noch aus einem Elfer resultierte und sonst eher wenig Chancen kreiert worden sind, agierte man gegen Nürnberg deutlich besser und schlug sie auch verdient. Gegen Augsburg, die auch mit einem gesunden Selbstbewusstsein infolge der beiden Siege gegen Frankfurt und Stuttgart angetreten sind, konnte man die Leistung wiederum nochmals steigern.
Leverkusen brachte laut Opta 867 Pässe an den Mann, was der vierthöchste Saisonwert war (der höchste dürfte Leverkusens Spiel gegen Düsseldorf gewesen sein, indem man knapp 1000 Pässe spielt). Das entspricht einer Passgenauigkeit von 91% bei einem Ballbesitz von 75%. bundesliga.de hingegen sagt, es waren lediglich 70% Ballbesitz, was natürlich immer noch ausgesprochen hoch ist. Aber auch in diesem Spiel, in dem man durch den Ballbesitz eigentlich kräfteschonender agieren könnte, ist Leverkusen wieder ca. 119km gelaufen. Dies ist zwar weniger als in anderen derart dominanten Spielen, doch die Mannschaft zeigt auch diesmal, dass diese Weisheit nicht für jede Ballbesitzmannschaft gilt.

Dieses Spiel war aber wieder ein typisches Leverkusen-Spiel gegen die Mannschaften der unteren Tabellenhälfte. Leverkusen hat unter Bosz bislang gegen jedes Team ab Platz 10 abwärts gewonnen. Die fünf Niederlagen resultierten allesamt aus den Spielen gegen die Kontrahenten um Europa (Dortmund, Leipzig, Gladbach, Hoffenheim, Bremen). Die Pflicht eines Topteams beherrscht Leverkusen also, nur kriegt man die Kür nicht hin (außer gegen Bayern und Wolfsburg). Leverkusen dürfte der Gewinner des Spieltags sein. Nächste Woche wird die Partie gegen Frankfurt aufgrund der für Leverkusen überaus günstigen Ergebnisse dieses Spieltags zu einem Schlüsselspiel. Dort kann die Mannschaft ein letztes Mal zeigen, dass sie ihr Spiel auch gegen Teams der oberen Tabellenhälfte aufziehen kann. Ein Vorteil für Leverkusen dürfte die Europacupbelastung Frankfurts sein.

Danke euch für all den Input! Super Diskussionen und Anmerkungen hier.