Ich schicke mal vorweg, dass ich nicht weiß, welche Spielräume das aktuelle Genossenschafts- oder auch das Vereinsrecht tatsächlich lassen. Allerdings sind Gesetze auch nicht in Stein gemeißelt. Insofern weist hier der Fußball im Kleinen mal wieder auch auf die Gesamtgesellschaft im Großen zurück (s.u.).
In irgendeiner Form wird man immer delegieren müssen, wenn man nicht vollkommen ineffizient sein will. Die Frage ist halt, wie man delegiert und darum geht es mir: Man kann es, wie heute machen und einfach jemanden wählen, der dann ziemlich frei entscheiden kann. Man könnte aber auch, das schlage ich vor, den Prozess demokratischer gestalten.
Dann gestaltet man alle Ämter mit einem imperativen Mandat, also der Möglichkeit einer jederzeitigen Abwahl durch die Mitglieder (ohne MV, per Mitgliederbefragung bzw. über die Basisstrukturen). Parallel geben die Mitglieder den Delegierten so weit es geht bindende Aufträge, gegen die sie nicht verstoßen dürfen und die Mitglieder bekommen ein Initiativrecht. Dazu maximiert man Informationspflichten der Beauftragten und die Bestimmungsrechte der Mitglieder. Einerseits in dem man festlegt, dass die zentralen Entscheidungen nur über bindende Mitgliederbefragungen getroffen werden können (d.h. strategische Fragen wie Investoreneinstiege, Mitgliedschaft im Dachverband (hier halt DFL oder bald eine EFL), etc.). Andererseits indem man ein etwaiges Zustimmungsgremium (heute ist das eben zumeist der Aufsichtsrat) an die Basis koppelt, indem das nicht nur zu 100% aus Delegierten besteht, sondern die ebenfalls an die Aufträge der Basis gebunden sind. Dafür muss man allerdings auch die Basis dauerhaft und regelmäßig in einer sinnvollen Einteilung organisieren (klassisch sind das lokale Gruppen, aber ich habe jetzt kein Konzept für einen Fußballverein erarbeitet, d.h. evtl. findet man ja eine bessere Organisationsform). Die hätte dann die Möglichkeit sich auch an der Basis mit den mittelfristigen Fragen des operativen Geschäfts zu beschäftigen und ihre Aufträge an die Delegierten im Zustimmungsgremine anzupassen. Die wirklich zeitkritischen Entscheidungen kann man halt kaum mit festen Aufträgen festlegen, aber auf alles andere kann man Einfluss nehmen.
Um das mal an drei Beispielen zu machen:
- Verkauf von Anteilen. Das ist eine strategische Entscheidung und wenn der Vorstand z.Bsp. ein Mandat bekommen hat den Markt dafür zu sondieren, dann kann er losziehen und suchen. Wenn er dann jemanden gefunden hat, dann geht das nicht nur an den Aufsichtsrat, sondern muss von den Mitgliedern abgesegnet werden - bei voller Offenlegung der Vertragsdetails (dann müssten wir hier auch nicht spekulieren.
).
- Transfers etc. Wenn man nicht wettbewerbsunfähig sein will, dann kann man schlecht jeden Vertrag abstimmen lassen. Aber was man machen kann, ist, den Rahmen festzulegen. Z.Bsp. nur deutschsprachige Spieler (Grüße gehen an Baumgart), Maximalsummen für einzelne Transfers oder Maximalsummen für alle Transfers oder z.Bsp. eine Begründungspflicht, warum man nicht stattdessen einen Jugendspieler hochholt etc. Das sind halt Themen, die man, wenn man sich gut informieren kann, auch soweit an der Basis diskutieren kann, dass man den Auftrag z.Bsp. anpassen kann, wenn sich über die Saison hinweg zeigt, dass der Rahmen nicht passt oder verändert werden muss. Das ließe auch immer noch die Tür für Ausnahmen zu: Stürmer X erleidet im Dezember einen Kreuzbandriss. Der Auftrag besagt, dass man dann (in einem gewissen Rahmen Ersatz holen kann, wenn es keine Jugendspieleroption gibt).
- Aufstellungen, Trainerentlassungen, alles rund um den Spieltag. Das sind Dinge, die im Großen und Ganzen nicht durch die Basis beeinflusst werden können. Nicht nur, weil da äußere Faktoren dazu kommen, sondern auch einfach, weil es nicht wirklich notwendig und im Interesse der Mitglieder ist am Samstag noch schnell darüber abzustimmen, wie heute der Einlass geregelt wird oder ähnliches. Aber z.Bsp. eine Pflicht zum Zulassen von Choreos oder die Designieren der X-Kurve als Sammelbecken der Organisierten (das ist dann wieder langfristig) könnte man auch von unten initiativ festschreiben.
Mein Hinweis auf die Genossenschaft war ja damit verbunden, dass man grundsätzlich auch die Vereinsstrukturen anders gestalten könnte und wie ich oben schon geschrieben habe, geht es mir nicht primär darum, wie Genossenschaften (oder Vereine) heute ausgestaltet werden dürfen, sondern darum, wie man ein demokratischeres Modell ausgestalten könnte. Allerdings würde ich dir trotzdem widersprechen: Historisch gab es ja eigentlich zwei in der Ausrichtung unterschiedliche Formen von Genossenschaften, die aber trotzdem beide an den wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder ausgerichtet waren/sind. Einmal diejenigen, die von vornherein auf Expansion und eine Verbesserung ihrer Marktposition als Kapitalisten ausgerichtet sind, Edeka bspw. Dann diejenigen, die erstmal gar nicht auf Expansion ausgerichtet sind, sondern die Absicherung der Mitglieder sicherstellen sollten, vor allem Wohnungsbaugenossenschaften. Bei letzteren war das Ziel primär, dass die Mitglieder ein Dach über dem Kopf haben. Da das in dieser Gesellschaft eben nur über wirtschaftliche Aktivität geht, mussten die eben auch wirtschaften, um dieses Ziel zu erreichen, aber die greifen in das eigentliche Wirtschaftsleben der Mieter nur sehr begrenzt ein. Dass einige dieser Genossenschaften mit der Zeit auch zur Expansion übergegangen sind und agieren wie die meisten anderen Unternehmen, liegt halt daran, dass die eben nicht raus sind aus der Gesamtgesellschaft und mit der Zeit (aus unterschiedlichen Gründen) dem Marktdruck folgen. Das ändert aber nichts daran, dass diese zweite Variante sehr wohl eine Variante für Fußballfans wäre: Deren vornehmstes Interesse ist, den Club zu erhalten und das könnte man sehr wohl durch gemeinschaftliches Wirtschaften erreichen. Soweit ich weiß, kann die dann auch sehr wohl Anteile an einem Betrieb (einer ausgegliederten Profiabteilung?) halten.
Ich habe oben (im ersten Beitrag) ja schon gesagt, dass man sich keine Illusionen über heutige Genossenschaften etc. machen sollte, aber dein Beitrag führt noch mal auf die unterschiedlichen Gründe zurück, warum sich dem Marktdruck gebeugt wird (und die Grenzen der demokratischen Entscheidungsfindung bestehen).
Du hast natürlich Recht, dass umso mehr Mitglieder auch umso mehr Aufwand, Diskussion und Partikularinteressen bedeutet. Umso größer der Laden ist, umso größer ist die Verfügungsmasse und umso unübersichtlicher sind die Verhältnisse. Unter diesen Voraussetzungen werden Verantwortliche zunehmend darauf abzielen, dass sie ihren Anteil am Kuchen möglichst vergrößern und Mitglieder, die von der Situation profitieren und Mittel und Zeit haben, um ihre Position zu verbessern, werden auch genau danach streben. Beide zusammen haben dann kein Interesse daran Strukturen zu schaffen, die alle mitnehmen, informieren und beteiligen - solche, wie ich sie oben beschrieben habe. Gleichzeitig entwickeln die aktuellen Teilhaber, wenn das Primärbedürfnis erfüllt wird und Gewinne ausgeschüttet werden, ein zunehmendes Interesse daran diese zusätzlichen Gewinne abzusichern, den Expansionskurs mitzutragen und Neuankömmlinge bspw. auszuschließen. Die Spiegel KG, die keine Genossenschaft ist, aber auch ein Modell der gemeinschaftlichen Mitbestimmung, ist ein gutes Beispiel dafür. Man kann so gut es geht dem entgegenwirken, indem man schon die Grundstruktur so demokratisch wie möglich gestaltet. Allerdings heißt das nicht, dass das immer reibungslos funktioniert oder diese Struktur nicht angepasst werden muss. Nur heute sind die Strukturen selten sonderlich demokratisch.
Man sollte sich keinen Illusionen hingeben: Unter den heutigen Bedingungen muss auch jede Genossenschaft weiter expandieren und auch die Mitglieder können falsch oder schädlich entscheiden. Externe Investoren oder Kapitalisten innerhalb einer Vereinsgenossenschaft haben gegenüber dem regulären Mitglied (wie im Verein) immer noch Vorteile und werden versuchen diese auszuspielen, um ihren Einfluss zu steigern und die Eigentumsstruktur zu ihren Gunsten zu ändern. Der Durchschnittsfamilienvater kann keine Werbeagentur anheuern oder Mitarbeiter beschäftigen, die die Verträge etc. nach Loopholes o.ä. durchforsten. Die Masse der Mitglieder kann (medial) manipuliert werden und irgendwelchen Trugbildern hinterrennen oder zu viel auf einmal wollen. Verantwortliche können auch einfach die Satzung brechen und dem Verein unumkehrbare Steine ans Bein binden. Eine demokratischere Grundstruktur gibt den Mitgliedern aber wenigstens tatsächlichen Einfluss und zumindest prinzipiell Mittel an die Hand, um sich in der Breite zu organisieren und sich dagegen zu wehren oder für sie negative Entscheidungen zurückzunehmen.
Das wäre in meinen Augen jedenfalls eine bessere Ausgangslage für die Fans als die heutige Situation.