Wunderbarer Kurzpass! Ich liebe einfach das Beobachten junger Talente, die noch eher unbekannt sind. Man geht da immer sehr unbefangen ran und freut sich ein neues Talent entdeckt zu haben. Das Erstellen von Top-Listen ist dann noch mal schwerer, da man am liebsten alle Talente nennen würde, die man kennt und nur ungerne Spieler herausstreicht, die man schon lange beobachtet hat. Hinzu kommt, dass man junge Spieler sehr ins Herzen schließt, wenn sie man von Beginn ihrer Karriere an verfolgt. Das Voraussagen von Talenten ist aber auch unheimlich schwer, da es so viele Faktoren gibt, die stimmen müssen, um sich auf dem absoluten Top-Level durchzusetzen.
Ähnlich wie den Jungs von Cavanis Friseur hat es mir vor allem der 99er-Jahrgang Portugals angetan, wohl auch weil ich das U19-EM-Finale live im Stadion sehen konnte. Dabei ragte, wie auch schon im gesamten Turnier, Jota heraus. Er strahlte eine unfassbare Spielfreude und Leichtigkeit aus. Es ist schwer zu beschreiben, aber bei ihm erhielt man sofort das Gefühl, einen angehenden Weltklassespieler zu sehen. Zusätzlich sind aus dem Jahrgang noch Ruben Vinagre, Domingos Quina und Diogo Leite zu nennen. Leite ist auch in der „Cavanis 110“ vertreten. Er hat die U19-EM verpasst, um die Vorbereitung mit Porto zu bestreiten. Insgesamt ist es beeindruckend, dass beim U19-Titel noch viele Talente, die wohl zur Startelf gehört hätten, nicht mit dabei waren (Joao Felix, Rafael Leao, Diogo Dalot, Gedson Fernandes). Dies zeigt auch die Breite dieses starken Jahrgangs. Vinagre spielte als Linksverteidiger und glänzte im Zusammenspiel mit Jota. Er verfügt über ein hohes Tempo und guten Antritt, ist sehr trickreich und schlägt genaue Flanken. Diese Saison bekam er schon einige Einsatzminuten bei den Wolves. Ebenfalls in der Premier League spielt Quina, der vor der Saison für nur 1 Millionen Euro von West Ham zu Watford wechselte. Auch er durfte aufgrund von Verletzungen schon zu Premier-League-Minuten kommen und überzeugte dabei sehr. Er ist technisch sehr gut ausgebildet. Seine offensichtlichste Stärke sind seine Fernschüsse. Trotz seines jungen Alters sind bereits einige großartige Fernschusstore von ihm zu finden.
Neben den schon genannten Talenten muss ich selber noch ein paar interessante Talente nennen, die mich im Jahrgang 1999 oder jünger beeindrucken: Schaut man nochmal zurück auf die U19-EM und besonders den Finalgegner Portugals, fallen direkt ein paar italienische Talente ins Auge. Dazu gehört natürlich zuerst Nicolo Zaniolo, der sich ja in die Startelf Romas gespielt hat und mittlerweile durch seinen CL-Doppelpack auch bekannt sein sollte. Noch größeres Potenzial rechne ich aber Sandro Tonali zu, der erst 2000 geboren wurde. Aufgrund seines Spielstils und der ähnlichen Frisur erinnert er sehr an Andrea Pirlo. Er kontrolliert das Spiel von der Sechs und kann auch den finalen Pass spielen. Tonali kommt aus der Brescia-Jugend und spielt dort aktuell als Stammspieler in der 2. Italienischen Liga. Bei Brescia wurde er zum Spieler des Jahres 2018 gewählt und dürfte bald auch zu einem größeren Verein wechseln. Im vergangenen November wurde er folgerichtig zum ersten Mal in die Nationalelf berufen, kam aber nicht zum Einsatz. Mit Moise Kean hat man ein weiteres Ausnahmetalent auf der Stürmerposition (auch erst 200 geboren), der bereits mit 16 Jahren zu seinem Ligadebüt kam. Leider spielt er bei Juve, wo er in dieser Saison auf nur 2 Einsatzminuten kam. Für seine Entwicklung wäre eine Leihe mit Sicherheit hilfreich.
Die Niederlande stellen eine Vielzahl interessanter Talente, von denen viele noch später als 1999 geboren wurden. Natürlich ragt hier Ajax hervor. Im Jahrgang 2001 sind hier die Timber-Zwillinge zu nennen. Beide sind Defensivallrounder und können sowohl in der Innenverteidigung, auf der Rechtsverteidigerposition sowie auf der Sechs spielen. Jurrien Timber ist Kapitän der U19 und spielte zumeist in der Innenverteidigung, während Quinten Timber zumeist als Sechser agierte. Mich beeindruckt vor allem Quinten Timber, der sehr intelligent verteidigt und selber nur schwer vom Ball zu trennen ist. Der Jahrgang 2002 bringt Ryan Gravenberch und Brian Brobbey als nennenswerte Talente. Gravenberch ist ein typischer Box-to-Box-Spieler, der eine hohe Dynamik und gute Physis hat, aber gleichzeitig sehr gut mit dem Ball umgehen kann. Sein Passspiel ist überdurchschnittlich. Brobbey ist ein Stürmer, der sehr über seine Physis kommt. Bei Jugendspielern, die über ihre Physis kommen, muss man generell immer aufpassen, da sich die physische Überlegenheit nicht zwingend so einfach in den Profibereich umwandeln lässt. Brobbey ist aber auch technisch stark und verfügt über einen guten Abschluss. Mit Naci Ünüvar hat man noch ein großes Talent aus dem 2003er-Jahrgang. Er kommt über die Flügel und besticht durch seine Technik.
Im 1999er-Jahrgang ist PSV wohl die bestimmende Mannschaft, vor allem die beiden Flügelspieler Cody Gakpo und Donyell Malen. Malen durfte diese Saison schon 20 Mal für die Profis ran, wenn auch fast immer als Einwechselspieler. Beide sind Flügelspieler, die über ihr hohes Tempo kommen. Größtes Talent der PSV-Akademie ist aber erneut ein Spieler aus dem Jahrgang 2002, Mohammed Ihattaren. Van Bommel verhalf dem Zehner diese Saison schon zu seinem Profidebüt und es dürften weitere Einsätze folgen.
Der niederländische 2002er-Jahrgang wird noch aufgewertet von Ki-Jana Hoever, der vor dieser Saison aus der Ajax-Jugend zu Liverpool wechselte. Der Innenverteidiger durfte im FA-Cup bereits Profiminuten absolvieren. Physisch ist er schon sehr weit, aber auch mental ist er schon auf hohem Level. Er hat eine herausragende Antizipation und eine intelligente Zweikampfführung. Gerne trägt er den Ball auch selber nach vorne.
Schaut man auf England allgemein, fällt eine sehr hohe Talentdichte auf. Die wenigsten davon bekommen aber konstant Spielzeit. Bekannteste Beispiele hierfür sind wohl ManCitys Phil Foden, ManUtds Angel Gomes und Chelseas Callum Hudson-Odoi. Das Potenzial haben sie definitiv und auch mit ihrem aktuellen Leistungsvermögen würden sie in vielen Mannschaften der Top-5-Ligen Stammspieler sein. Dies zeigte vor allem das Zusammenspiel von Sancho, Foden, Hudson-Odoi und Morgan Gibbs-White (von den Wolves) bei der U17-WM vor 1,5 Jahren, bei der sie die gegnerischen Defensiven mit einer unglaublichen Leichtigkeit terrorisierten. Erstaunlich ist, wie viele Talente aus den Jahrgängen 2000 und 2001 jetzt schon nachrücken und bereits für einen großen Konkurrenzdruck in den U-Mannschaften sorgt. Besonders ManUtd (u.A. Tatith Chong, Aiden Barlow und vor allem Mason Greenwood) sowie Tottenham (Oliver Skipp, Timothy Eyoma, Tashan Oakley-Boothe) stechen hier hervor. Im Folgenden soll der Fokus mal auf vier Talent gelegt werden, die schon viel Spielpraxis bekommen haben.
Declan Rice hat mit 20 Jahren laut CIES bereits einen Marktwert von 56 Millionen Euro. Er kommt bereits auf über 50 Einsätze für West Ham und ist diese Saison neben Torwart Lukasz Fabianski der beste Spieler. Er absolvierte bereits 3 Länderspiele für Irland, allerdings keine Pflichtspiele. Gestern gab er dann bekannt, künftig für England spielen zu wollen. In England und Irland war dies ein ziemlich großes Thema und wurde auch schon über Monate diskutiert. Rice wurde als Innenverteidiger ausgebildet, spielt nun aber als Sechser. Defensiv ist er großartig. Er überzeugt in nahezu allen Disziplinen: Stellungsspiel, Timing im Zweikampf, intelligente Balleroberungen, Ballsicherung, Physis. Mit dem Ball am Fuß ist er sehr ruhig und auch pressingresistent. Nur sein Passspiel ist noch verbesserungswürdig. Nur selten schafft er es, Linien zu überspielen. Deswegen erscheint es auch wahrscheinlich, dass er im Laufe seiner Karriere auf die Innenverteidigerposition zurückgezogen wird.
Die Championship bietet derweil eine gute Möglichkeit für junge Spieler, um sich weiterzuentwickeln. Aktuell nimmt Mason Mount diese bei Derby County wahr. Ich kann mich noch erinnern, wie er bei der U19-EM 2019 die deutsche Abwehr mit drei Assists in einem Spiel alleinhändig komplett auseinandernahm. Anschließend wurde er von Chelsea zu Vitesse Arnheim verliehen, bei denen er sich hervorragend weiterentwickelte und ins Team des Jahres der Eredivisie gewählt wurde. Er verfügt über eine hohe Spielintelligenz. Er positioniert sich klug und ist ein Experte für den finalen Pass. Seine Technik, sowohl im Passspiel als auch beim Abschluss, ist überdurchschnittlich. Dies macht ihn auch zu einem gefährlichen Standardschützen.
Neben Mount gefallen mir in der Championship besonders Norwichs Rechtverteidiger Max Aarons und Leeds Uniteds Flügelspieler Jack Clarke. Aarons hat ein hohes Tempo und eine hohe offensive Kontribution. Dafür sprechen 2 Tore und 4 Vorlagen in 26 Spielen für den 19-Jährigen. Am beeindruckendsten ist seine Pressingresistenz, defensiv zeigt er ein kluge Zweikampfverhalten. Clarke bekommt unter Marcelo Bielsa immer mehr Einsatzzeit. Er ist ein typisch englischer Flügelspieler, also schnell, dynamisch und sehr direkt. Er geht immer wieder ins Tempo und liebt es, flache, scharfe Flanken an den Fünfmeterraum zu bringen.
Von den deutschen Talenten bin ich aktuell eher wenig überzeugt, wobei 2 Spieler dabei eine schöne Ausnahme bilden. Dies sind Tobias Raschl und Angelo Stiller. Beide sind Spielgestalter von der Sechs. Raschl spielt bei Dortmund, sein Vertrag läuft jedoch im Sommer aus. Er fühlt sich sehr wohl in verengten Räumen, läuft gerne mit dem Ball und ist nur sehr schwer vom Ball zu trennen. Stiller ist ein Jahr jünger und Teil der Bayern-Jugend (Jahrgang 2001). Er ist nicht ganz so dynamisch wie Raschl, seine größte Qualität ist sein akkurates Passspiel auf jegliche Distanz. Sein linker Fuß ist technisch sehr stark, weswegen er auch viel Standards tritt.
Abschließend noch eine kurze Bemerkung zu transfermarkt.de: Die Seite eignet sich sehr gut, um schnell oberflächliche Daten zu erhalten, wie Einsatzzeiten und Torbeteiligungen. Besonders in der Bewertung der Marktwerte, gefällt mir die Seite aber mittlerweile überhaupt nicht mehr. Besonders bei Spielern kleinerer Ligen liegen die Marktwerteinschätzungen transfermarkts oft weit daneben. Genauso ist es ein Problem, dass die Marktwerte nicht regelmäßig genug geupdatet werden. Dies führt häufig dazu, dass bei einem Wechsel der Marktwert zu Rate gezogen wird und folgend davon berichtet wird, dass ein Spieler über seinem Marktwert verpflichtet wurde, wenn tatsächlich der Marktwert von transfermarkt einfach nicht akkurat war. Die Marktwerte des CIES sind da meiner Ansicht akkurater und vor allem wissenschaftlich berechnet.