Nationalmannschaft - Geplauder

Anlässlich der aktuellen Länderspielpause dachte ich mir, dass hierzu ein Thema passend wäre.

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Ich habe einen interessanten Artikel gefunden. https://www.nzz.ch/sport/deutschland-bundestrainer-flicks-bonus-bei-der-sportpresse-ld.1649732

In dem Artikel wird Hansi Flick als grosser Moderator gelobt. Ihm gelingt es sogar ein rumpeliges 2:1 gegen Rumänien zu verkaufen.
Das fand ich einen interessanten Blickwinkel.

Gestern hat die Nationalmannschaft mit 4 - 0 gewonnen, jetzt sind wir für die WM 2022 qualifiziert.

Mich würde interessieren, wie ihr mit der Situation umgehen würdet, boykottieren oder nach Katar fahren?

Hm, wie würde ich damit umgehen?
Das weiß ich nicht.
Der DFB investiert in seine Akademie und zahlt das in Raten, die tragbar sein werden, so heisst es hier.

Vielleicht ist es interessant zu wissen, daß der Hauptsponsor des Dfb ja Volkswagen ist. Volkswagen zahlt für sein Sponsorenpaket zwischen 25 bis 30 Millionen Euro an den DFB pro Jahr.

Drittgrößter Aktionär ist die Qatar Holding.

In dieser Lage spricht doch sehr viel dafür, daß Deutschland teilnimmt.

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Die ‚neue‘ Nationalmannschaft
Ich finde dieses FLick als „Moderator“ hat zwei Aspekte:
Einen, den man auf dem Platz ablesen kann, sowie einen, der mehr medial und kommunikativ zu sehen ist.
Auf dem Platz: Achtelfinalaus gegen England. Löw verschwindet sofort in der Kabine, die Spieler stehen noch alleingelassen und bedröppelt auf dem Platz rum. Dieser Schlusspunkt war schon in meinen Augen symptomatisch für die letzten Jahre unter Löw. Das macht Flick definitiv anders: Er stellt sich vor Spieler, redet mit allen und ehrlich gesagt merkt man das. Die Spieler freuen sich plötzlich wirklich zusammen, wirken nicht nur wie ein Team, sondern scheinen eins zu sein. Einsatz ist wieder da und auch in den Interviews wirken die Spieler wieder als wären sie voll dabei. Und fußballerisch ist es auch um Längen besser. Die Nationalmannschaft wirkt plötzlich nicht mehr zu passiv und zu defensiv; es wird versucht schnell und halbwegs variabel zu spielen. Niemand wirkt bisher als Fremdkörper. Klappt das immer? Nein, es gibt technische Fehler, Abstimmungsprobleme oder misslungene Aktionen. Dafür wird aber jedem Ball hinterhergegangen. Aber es sieht aus als wäre da nicht nur Verbesserungspotential da, sondern als würde sich auch ständig etwas verbessern. Mir ist auch ein bisschen unklar, warum das Rumänienspiel derart schlecht im Artikel, aber auch in anderen Medien, wegkommt. Ich habe vom Rumänienspiel nur die letzten 60 Minuten gesehen, aber ich hatte die ganze Zeit einen Vergleich im Hinterkopf: Mainz gegen Bayern. Auf der einen Seite eine gute, etablierte Bundesligamannschaft aus dem Mittelfeld. Auf der anderen Seite ein CL-Titelaspirant bei dem zwei Spieler den Marktwert des gesamten Gegnerkaders haben. Und wie Mainz gegen Bayern verlegt sich der ‚Kleine‘ auf die Defensive und der ‚Große‘ muss das Spiel machen. Wenn dem ‚Großen‘ das gut oder sehr gut gelingt, hat er viele Torchancen. Wenn die Taktik des Kleinen sehr gut gelingt, dann gelingt ein Nadelstich und in den ganz seltenen Fällen gewinnt man sogar mit viel Glück. So auch in Hamburg. Rumänien gelingt der Nadelstich, Deutschland muss anrennen und schafft es aber den Druck hoch zu halten und am Ende das Spiel zu drehen. Bei einem schlecht eingestellten ‚Großen‘ (unter Löw) wäre das Spiel 1:0 oder 2:0 für Rumänien ausgegangen, weil es weder Druck noch Torchancen gegeben hätte.
Medial und kommunikativ: Damit bin ich beim 2. Punkt. Mir ist die Berichterstattung (außerhalb von RTL in der Live-Berichterstattung) zu negativ.
Am Beispiel des Rumänien-Spiels: Der kicker vergibt sehr schlechte Noten, die sportschau kritisiert die Leistung und der Artikel ebenso. Dabei war das kein langweiliges Spiel und das Publikum in Hamburg hatte anscheinend auch seine Freude. Es wird plötzlich wieder so getan als wäre es natürlich und zwangsläufig, wenn man jeden kleinen Gegner an die Wand spielt und ein Fußballfest nach dem anderen abliefert. War es das beste Spiel? Nein. Aber bspw. die kicker-Noten sind fast alle eine Stufe zu tief, in meinen Augen. Wenn man also die mediale, teilweise überzogene Erwartungshaltung ein bisschen zurückfährt, ohne gleich gar keine Erwartungen mehr zu haben, dann sind Flicks Aussagen der letzten Wochen gar nicht unbedingt moderativ. Zumindest nicht in dem Sinne, dass er maue Leistungen als besser verkauft als sie sind. Denn im Grunde genommen trifft er den Entwicklungsstand auf den Punkt. Er benennt was gut läuft, stellt sich vor die Spieler und sagt trotzdem, dass die DFB-Elf Zeit braucht - was auch bedeutet die Mannschaft nicht besser darzustellen als sie gerade ist. Ehrlich gesagt hat er gerade mit dem letzten Punkt auch Recht: Nach 5 Jahren Stagnation und Rückschritten und einem angeknacksten Selbstbewusstsein, kann man nicht erwarten, dass die Nationalmannschaft plötzlich immer berauschenden und erfolgreichen Fußball spielt. Eigentlich würde ich sagen, das ist es, was einen zeitgemäßen Trainer auch einfach auszeichnet.

Die WM
Der DFB wird die WM nicht boykottieren. Einmal wegen der eigenen finanziellen Verstrickungen mit Qatar. Andererseits, weil auch das allgemeine finanzielle Interesse des DFB an der WM zu groß ist. Dazu kommt noch, dass man das historisch auch nicht gemacht hat: 1978 ist man in die Militärdiktatur Argentinien gefahren. 2014 kann ich mich nicht daran erinnern, dass man sich zu den Protesten in Brasilien geäußert hat (es gab Vertreibungen wegen des Stadionbaus und Straßenkämpfe bei Demonstrationen im Vorfeld). 2018 gab es nichts und 2010 hat sich auch niemand dafür interessiert, was Zuma eigentlich so getrieben hat.
Was macht man 2026? In Mexiko werden ständig Journalisten, Aktivisten und auch normale Leute umgebracht. Teilweise von staatlicher Seite, teilweise von den Kartellen. In den USA existiert ein unmenschliches Gefängnissystem mit der größten (absoluten) Zahl an Gefangenen. Dazu kommen die niemals aufgeklärten Kriegsverbrechern der USA (zu denen immer neue hinzu kommen), ihre Beteiligung bei diversen Staatsstreichen und Polizeigewalt. Kanada ist gerade mit indigenen Massengräbern beschäftigt, über die man lieber nicht reden will.
Kann man noch gegen Spanien spielen? Immerhin verfolgen die die katalinischen Separatisten mit fadenscheinigen Begründungen und haben ein Demonstrationsrecht, das auch als ‚Knebelgesetz‘ bekannt ist. Was ist mit Frankreich? Ebenfalls seit Jahren massive Polizeigewalt und im frankophonen Afrika hängt man bei jedem korrupten Regime mit drin. Kann man gegen Ungarn noch spielen? Wie sieht es eigentlich mit der deutschen Politik aus?
Die Liste könnte man noch erweitern, aber ich hoffe, das Problem wird deutlich. Wenn der DFB in Qatar die Tür aufmacht, dann riskiert er nicht nur direkt finanzielle Einbußen, sondern würde sich dann ein konstantes Risiko schaffen, weil er sich ständig Fragen gefallen lassen müsste, warum man gegen Gegner X oder Y überhaupt spielt.
Wenn es also zu einem Boykott kommen soll, dann müsste der durch Druck von unten, quasi von der Straße, kommen. Den sehe ich nicht. Auch wegen des ganzen Rattenschwanzes, den ich hier aufgemacht habe. Wer für den Qatar-Boykott eintritt, muss sich überlegen, ob er sich überhaupt noch DFB-Spiele angucken kann - immerhin ist der DFB selbst auch ein eher fragwürdiger Verein.

PS: Sry, mal wieder sehr lang geworden.

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