NT183 – Nationalelf oder Nagelsmann - wer muss sich ändern?

Eins vorweg - ich hinke gerade hoffnungslos hinterher und habe den Podcast noch nicht gehört. (Wie ich auch noch nicht die Zeit gefunden habe, etwas zu Union und Urs Fischer zu schreiben)

Bei Nagelsmann fand ich, dass er sich gegen die Türkei selbst die Beine weggehauen hat. Was habe ich denn nach dem Amtsantritt von Nagelsmann am häufigsten als Hoffnung gehört? „Endlich geht es wieder nach Leistung.“ Und dann reißt er das passabel funktionierende Duo Gündogan und Groß auseinander, um Kimmich bringen zu können, der in der Nationalmannschaft noch nie mit Gündogan harmoniert hat, und im Verein zuletzt eine Rote Karte gegen Darmstadt und ein Pokal-Aus in Saarbrücken auf der Liste seiner Leistungen hatte. Wenn er das wenigstens als „auch der Kapitän hat seinen Stammplatz nicht sicher“ verkauft hätte und Kimmich mal eine Halbzeit STATT Gündogan neben Groß gestellt hätte, bevor er weitergehende Experimente veranstaltet…

Rückblickend waren jedenfalls auch Löw und zuvor Klinsmann aus meiner Sicht am stärksten, wenn sie, mehr oder weniger stilvoll, klar gemacht haben, dass niemand davor gefeit ist, seinen Platz auf Zeit oder endgültig an jemand besseren zu verlieren. Am auffälligsten mit der Torhüterposition, wo erst der ewige Titan Kahn ratzfatz durch Lehmann abgelöst wurde und später eine Verletzung zum blöden Zeitpunkt reichte, dass der damals gefeierte Adler nie wieder eine Chance hatte, seinen Platz von Neuer zurückzuholen. Oder, hübscher verpackt, im Mittelfeld, wo Löw Khedira und Schweinsteiger in den ersten Spielen draußen gelassen und mit 4 Innenverteidigern gespielt hat, als mit halbfitten Defensivspielern zu agieren.

Also wenn Nagelsmann noch etwas retten will, muss er im nächsten Länderspielblock vor allem im defensiven Bereich diejenigen einsetzen, denen er zutraut, den Laden hinten einigermaßen dicht zu halten.

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Ich hab seit Jahren kein Länderspiel mehr gesehen und sollte deswegen eigentlich nichts sagen, aber hier muss ich jetzt doch mal nachfragen (und ich weiß dass das am eigentlichen Punkt vorbeigeht, weil man sicher auch heute genug Qualität hat um ein gutes Turnier zu spielen)

Wieso ist die (absolute) Qualität heute höher oder genauso hoch?
Die individuellen „Schwachpunkte“ waren ähnlich wie heute:

  • Außenverteidiger gab es nur einen, und der hat zu Beginn des Turniers auf der sechs gespielt. Das Problem ließ sich aber zumindest zu 50% dadurch beheben, dass Lahm nach Algerien zurück auf rechts gewechselt ist. Könnte man heute mit Kimmich auch probieren, aber dass das in Kombination besser ist als 2014?
  • Auf der 9 hatte man Klose, der sicher über seinen Zenit hinaus war, aber Füllkrug ist halt auch nie Klose gewesen. Füllkrug ist bestimmt ok und hat ja auch schon sehr fleißig getroffen, aber ein großer Upgrade ist das sicher auch nicht.

Sonstige Positionen:

  • Hummels und Boateng in der Blüte Ihrer Jahre in der IV sind für mein Gefühl eine ganze Klasse besser als wer auch immer heute IV spielt. Sehe ich das falsch? Allein die Tatsache das Hummels immer noch Kandidat für die Startelf ist spricht doch da schon Bände, oder?
  • Kedhira und Schweinsteiger im DM - gut, die waren erst im Turnierverlauf richtig fit und Kedhira im Endspiel wieder verletzt, aber zumindest haben Sie wie Arsch auf Eimer zusammen- und in die Mannschaft gepasst und die Defensivaufgaben erledigt wie sie anfielen. Klar, Kimmich und Gündogan sind individuell offensiv sehr stark, aber wenn man den Defensivteil mitberücksichtigt hätte ich schon lieber die beiden von damals. Und Kramer als Backup war sicher ein Downgrade, aber auch da musste man sich zumindest nicht fragen wer im Zweifelsfall die Löcher zuläuft.
  • im OM war die Stammbesetzung damals Kroos, Müller und Özil, alle im besten Alter. Andere Spielertypen sicherlich als Wirtz, Musiala und Sane, und klar haben wir da heute mehr Auswahl, aber so doll scheint mir der Upgrade jetzt auch nicht, wenn überhaupt. Zumal ich immer noch den Eindruck habe das Kroos und Özil aufgrund der unauffälligeren Spieleweise einfach teilweise krass unterschätzt wurden, für Real Madrid waren die ja anscheinend gut genug.
  • Torhüter muss man glaube ich nicht diskutieren, besser als Neuer 2014 wird es sowieso nicht (auch wenn ich Ter Stegen viel lieber mag und der auch Weltklasse ist, aber das ist bestenfalls gleich gut, und Neuer heute ist halt auch nicht besser als Neuer damals).

Will sagen: Wenn man die Gesamtqualität aller Spieler im Kader aufaddiert kann es sein dass heute mehr rauskommt als 2014 (kann auch nicht sein, kann ich nicht beurteilen), aber wenn man sich irgendeine halbwegs sinnvolle Startelf rauspickt dann war die von 2014 IMHO auch personell besser. Wenn das nicht so ist, wo ist dann mein Denkfehler?

Und gleich noch eine Frage zur relativen Qualität: Damals wären wir gegen Algerien mit einem normalen Torwart wahrscheinlich ausgeschieden. Für mein Gefühl ist das mit dem heranrücken der „kleinen“ und „mittleren“ auch schon viel länger ein Thema. Das mag sich fortgesetzt haben, aber auch damals hat es schon gereicht in der Vorwärtsbewegung mit 10 gegen 11 zu spielen, EDIT um von einem Außenseiter an den Rand des Abgrunds gedrängt zu werden EDIT ENDE (Mustafi auf rechts wurde in meiner Erinnerung sowohl von den Gegnern als auch von den Mitspielern komplett ignoriert und hat danach ja auch nicht mehr gespielt).
Also ist es wirklich so, dass die Abstände heute so viel kleiner sind als damals?

Ich finde vor allem Nagelsmanns Erklärungen, man verteidige schlecht, ergo müsse man versuchen, den Ball in den eigenen Reihen zu halten, um den Gegner nicht zum Angriff kommen zu lassen hanebüchen. Das ist O-Ton Pep, nur hat der sich inzwischen auch eines Besseren besonnen, nachdem er 9 Jahre die CL nicht gewinnen konnte, trotz opulentester Möglichkeiten.
Und hat bei den Bayern auch nur bedingt geklappt, was ihn auch den Job gekostet hat.

Ich finde Gosens/Raum so schlecht nicht als AV und warum man den momentan in Leverkusen sehr gut agierenden Jonas Hofmann nicht mal als Möglichkeit in Betracht zieht, erschließt sich mir erst recht nicht. Er selbst hat seine Position in der Nationalmannschaft als RV definiert gehabt. Er würde das anders als Kimmich gerne spielen.

Beide bringen mit Sicherheit mehr defensive Stabilität als diese Jokergeschichten und ein Sané, der mehr denn je in Abwehrarbeit eingebunden werden soll, die ihm nun mal nicht behagt.

Auch teile ich die Ansicht, dass man mit dem Gespann Gündogan/Groß (alternativ höchstens Kimmich/Groß) hätte weiter machen sollen. Genau dasselbe: Er lobt Groß nach der Amerikareise über den grünen Klee und setzt ihn dann auf die Bank und zaubert den nächsten Neuling (Andrich) aus dem Hut.

Wenn das konzeptionelle Arbeit ist - bitte sehr. Auf mich wirkt es sehr wirr. Ähnlich wie Flick agierte. Was sollen denn die Kurztests bringen? Sie sind abhängig vom jeweiligen Gegner, der Verfassung der Mitspieler in der Phase, in der der Neuling ins Spiel geworfen wird. Wenn er gut spielt, ist er beim nächsten Mal trotzdem nicht mehr dabei, wenn er - vorhersehbar - nichts bewirkt auch nicht. Dafür maximale Verunsicherung der anderen Akteure.

Marcel Reif kann mit dem Nagelsmann-Sprech auch nichts anfangen und vermutet einen maximalen Schock bei diesem nach den letzten Auftritten.

Also vorneweg. Ich liebe Sané. Aber ich verzweifle an ihm genau so, wie fast (Tuchel scheint ihn jetzt einigermaßen hin zu bekommen) alle seine Trainer. Warum hat ihn Löw nicht mitgenommen 2018 nach Russland, warum hat ihn Pep so relativ widerstandslos ziehen lassen (im Gegensatz zu Kyle Walker beispielsweise), warum Flick ihn ein- und nach wenigen Minuten wieder ausgewechselt? Warum war er bei Nagelsmann nicht Stammspieler?

Irgendwas stimmt mit Leroy nicht. Ja, es hat gewiss etwas zu tun mit Selbstkritik und Frust, aber er hätte über die Jahre lernen müssen, dass das einfach nicht geht, weil es die anderen mit runterzieht. Körpersprache ist schwierig, aber eben auch eminent wichtig. Wenn ein Spieler nicht einmal mehr jubelt, wenn der Ausgleich fällt, weil - nehmen wir mal den Grund, den EF genannt hat an - er ohnehin schon davon ausgeht, dass das trotzdem nicht zum Erfolg führen wird, dann ist das doch ein verheerendes Signal an die Mitspieler und baut den Gegner auch gleich noch mit auf.
Sein unwilliges/unprofessionelles Agieren (statt zurückzulaufen um das versiebte Zuspiel wieder verteidigen zu helfen, maulte er Mane auf dem Platz an) im Spiel gegen City als damals Mane (in seinen Augen) falsch gelaufen war, hat das tiefe Zerwürfnis der Mannschaft mit Mane ausgelöst. Schuld war natürlich nur Mane.

Er ist kein Stinkstiefel. In der Mannschaft ist er beliebt. Dennoch halte ich ihn nicht für einen guten Mannschaftsspieler. Es geht einfach nicht, dass man 75 min die Fluppe hängen lässt, weil in den ersten 15 min. zwei Mitspieler nicht auf seine genialen Ideen eingegangen sind und ihm zwei Dribblings missrieten.

Vllt. bräuchte er mal einen Mentalcoach. Wenn er schon einen hat, versagt der oder er ist beratungsresistent . :slight_smile:

Man hat heute vier Optionen für links (Gosens, Raum, Günter, Max) und 1 1/2 für rechts (Henrichs + theoretisch Kimmich) - ich würde alle diese Linksverteidiger Höwedes vorziehen. Besonders heute (das ist dann wieder relativ, aber dazu komme ich noch). Lahm und Kimmich (in ihrer Zeit als RV) würde ich gleichwertig sehen, aber ich bin mir bei beiden nicht sicher, ob das heute reicht.

Klose mit 36 und Füllkrug heute würde ich als gleichwertig sehen.

Ich weiß nicht, wie Rüdiger bei Real spielt (angeblich sehr gut), aber bei Chelsea habe ich ihn häufiger gesehen und da stand er Hummels oder Boateng auf der Höhe ihrer Fähigkeiten in nichts nach. Ich würde aber zustimmen, dass da heute ein zweiter Spieler fehlt. Den aktuellen Hummels und aktuell auch Tah würde ich aber schon auf einer Stufe mit Mertesacker sehen. Schlotterbeck oder Thiaw (zumindest in den Länderspielen) würde ich definitiv Höwedes und Mustafi vorziehen.

Da ist wieder die relative Stärke: Ich bezweifle, dass du dir heute erlauben kannst, in einer Gruppenphase auf eine unfitte Doppel-Sechs zu setzen.
Mein Eindruck ist, dass Kimmich seit Jahren in einer Krise ist, aus der er nicht rauskommt. Der Kimmich von 2020 war (zumindest in meiner Erinnerung) auch defensiv stark - warum er das heute nicht mehr so abrufen kann, ist mir noch unklar. Individuell (auch defensiv) finde ich weder Kimmich noch Gündogan schlechter als die Kombi Schweinsteiger-Khedira - der Unterschied ist „nur“, dass keine Doppel-Sechs heute so harmoniert, wie es die beiden getan haben.
Dafür hast du heute mit Groß, Andrich, Goretzka oder Khedira Ersatz, der den Kramer von damals aus dem Feld schlägt.

Fußballerisch sind alle drei (Wirtz, Musiala, Sané) auf dem gleichen Niveau, wie Kross, Müller und Özil (vielleicht sogar ein bisschen besser als Özil damals). Dafür bringen sie noch eine Schnelligkeit mit, die dieOffensive damals so nicht hatte. Havertz, Gnabry, Brandt sind für mich offensiv allerdings besser als Schürrle, Götze oder Draxler und defensiv finde ich das schwer zu beantworten, weil weder die Nationalmannschaft(en) noch die Vereine damals die gleiche Art Fußball gespielt haben.

Ter Stegen steht dem Neuer von 2014 heute in nichts nach ist aber auch nicht besser, da würde ich dir zustimmen. Deutschland ist heute aber nicht mehr das einzige Land, dass einen Torhüter à la Neuer 2014 hat. Dahinter hat man heute noch einen Neuer (wenn er fit wäre).

Wie gerade ausgeführt, würde ich eben sagen, dass es sich in der Spitze ungefähr die Waage hält, aber in der Breite der aktuelle Kader eigentlich besser ist.

Das ist definitiv schon länger ein Thema, aber mein Eindruck ist, dass es ein bisschen zur Floskel verkommen ist, statt es wirklich zur Grundlage der Analyse zu machen.
Der Fußball scheint mir (ich habe keine Zahlen, das basiert nur auf meinem Eindruck und Aussagen von anderen über die letzten Jahre) nochmal ein wenig schneller und athletischer geworden zu sein. Mustafi und Höwedes passen da auch ins Bild: Mir fällt spontan keine Mannschaft ein, bei der es heute noch (lange) gut geht, wenn sie positionsfremde IV auf außen stellt. Bei Gladbach kann man Wöber z.B. nur deshalb nach links schieben, weil der das seit Jahren macht und also nicht wirklich positionsfremd ist. Gleichzeitig hat das Verteidigen als Mannschaft nochmal an Stellenwert dazu gewonnen: Im Rasenfunk wurde ja bspw. mehrfach herausgearbeitet, dass PSG in der CL in den letzten Jahren auch immer wieder Probleme hatte, weil sie faktisch nur mit 9 oder 10 Spielern verteidigt haben. Wenn du dir heute die „Kleinen“ anguckst, dann können die mittlerweile alle im Großen und Ganzen gut die erste Linie pressen, haben ein gutes Positionsspiel im Mittelfeld und Gegenpressing können sie oft auch. Das wirkt zumindest viel systematischer als noch vor 10 oder 20 Jahren. Auch im Offensivspiel: Eingeübte Spielzüge klappen besser und die Mannschaften sind oft auch einfach variabler im Angriff (meine Vermutung wäre, weil das individuelle Niveau höher ist).

Gosens/Raum gerne. Hofmann bitte nicht. Er hat unter Flick die Rolle bekommen, weil Flick keine Idee hatte und weil es vorne für ihn keinen Platz gab. Gleichzeitig hat er selber gesagt, dass er die Hilfe und Anweisungen der Innenverteidiger braucht (und da sieht’s momentan nicht gut aus). Außerdem hat er defensiv (auch weil das nicht seine Position ist) deutliche Schwächen.

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Danke für die interessante und ausführliche Antwort! Viel entgegensetzen kann ich Deinen Argumenten nicht, weil ich wie gesagt kaum Nationalmannschaft geschaut habe in den letzten Jahren, und für Gladbach spielen die ganzen Kandidaten ja idR auch nicht. Von daher gehe ich davon aus dass Du näher an der Wahrheit bist als ich.
Sehr interessant fand ich insbesondere Deine Einschätzung dazu, was konkret die „kleinen“ heute besser machen als früher.

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Ich bin ja auch weder Trainer noch Taktikanalyst und ich stehe immer noch zu meiner Aussage aus dem Input: Eine Baustelle fertigmachen und dann erst die andere anfangen. Vielleicht braucht es dafür erst eine sehr defensive Taktik, ich weiß es nicht.

Ich habe hier nur deshalb so mit Verve geschrieben, weil ich einerseits die Argumente der Folge überzeugend fand und andererseits weil die Diskussion (vor allem medial) so viele die-müssten-dochs und da-muss-man-nur-X-machens enthält, dass vollkommen aus den Augen verloren geht, ob die das tatsächlich können und das ein Fußballspiel eben von zwei Mannschaften ausgetragen wird und nicht nur von einer.

Vielleicht können wir das als Disziplinarmaßnahme vorschlagen: Rüdiger, Musiala und Co. müssen für einen Bruchteil des Gehalts eine Saison bei Gladbach spielen und sich beweisen. Ter Stegen auch, der ist ja sowieso Urgladbacher.:wink:

Mein Plan war sowieso, das Ter Stegen Nachfolger seines Nachfolgers wird und zum Karriereende nochmal drei bis fünf Jahre bei uns spielt. Er ist ja jünger ist als Sommer, nur ist der jetzt ein bisschen zu früh gegangen, bevor Barca MAtS durch ein jüngeres Modell ersetzen wollte. Vielleicht wird das ja noch :wink:

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