NT190 – EM-Vorschau Deutschland

I stand corrected! Vielen Dank für die Links. Ich habe das nicht mitbekommen, vermutlich auch, weil ich die Idee, dass die DFB-Elf bei der nun anstehenden Europameisterschaft den Titel erringen könnte, angesichts der Ergebnisse der letzten Jahre für absurd halte und darum nie auf diese Artikel, in denen es um die EM-Chancen des DFB ging, angesprungen bin.

Da bin ich ja nun mal gespannt.

Und eine Frage hätte ich noch: Hat Julian Nagelsmann nicht im Vorfeld der aktuellen Vorbereitung auf die EM gesagt, dass er vier Torhüter mitnehmen wollen würde, weil er alle vier für die von ihm konzipierten Trainingseinheiten brauchen würde? Oder trügt mich meine Erinnerung?

Doch, hat er. Deswegen nimmt er ja auch wieder einen vierten Torhüter in die Traininsgsgruppe auf.

EM 2024: Nagelsmann schließt mit Reichert die Torhüter-Lücke beim Training - kicker

Damit verstehe ich die ganze Vorgehensweise mit und um Nübel nicht mehr.
Ich verstehe noch (irgendwie), warum man dieses Torhütertrio mitnimmt. Nübel hätte man aber doch von vorneherein die Rolle von Reichert antragen können, oder? Dann lässt man ihn im vorläufigen Kader, um ihn zu streichen, es sei denn einer der drei Torhüter vor ihm fällt verletzt oder formschwach aus.

Ich finde es ganz natürlich, das Ziel Endspiel oder Titel auszurufen. Einmal hast Du einen großen Haufen talentierter Spieler, von denen viele dieses Jahr in europäischen Finals gestanden haben oder schlicht das Ego haben, zu den besten zu gehören. Die motivieren sich nicht damit, das Achtelfinale oder Viertelfinale als Ziel zu definieren. Zum anderen lesen die wahrscheinlich auch den Turnierplan. Demnach würden sie wahrscheinlich erst im Finale auf eine Mannschaft treffen, die mein Buchmacher höher als die Deutschen einschätzt. Vorausgesetzt, dass alle Favoriten in ihren Gruppen durchmaschieren. Und von den Wettquoten abgesehen, wäre da vor dem Finale nur Spanien im Viertelfinale, wo man sich fragen kann, wie die Deutschen das gewinnen wollen. Aber das eine Hammerspiel willst Du halt gewinnen, auch als schlechtere Mannschaft, und im Finale ist eh alles möglich (Real spielt ja nicht mit). Also psychologisch kann ich den Blick auf den Titel nachvollziehen.

Ich habe dafür zwei mögliche Erklärungen:

  • Ein Trainingsgast darf (angeblich) nicht im Trainingslager bleiben. Reichert kann immer von zuhause aus zum Training nach Herzogenaurach pendeln (das sind nur 15-30 Minuten einfache Fahrt) und danach wieder heimgehen. Natürlich hätte man aber Nübel auch ein Hotel in Nürnberg zahlen können.
  • Der Verein muss zustimmen. Für einen Trainingsgast gilt ja keine Abstellungspflicht und es gibt auch keine Abstellungsprämie - das Verletzungsrisiko besteht aber trotzdem und der Spieler kann keinen Urlaub machen. Das lässt sich bei einem Spieler wie Nübel (abgesehen davon, dass man eh keine Wahl hat) gut verschmerzen, wenn er beim Turnier dabei ist (auch „nur“ als dritter Torwart), aber als Trainingsgast hat man diese Benefits nicht. Da könnte ich mir auch vorstellen, dass der VfB die Zustimmung verweigert hat oder der DFB/Nagelsmann Nübel nicht in die Situation bringen wollte, sich wegen der Rolle als Trainingstorwart, für die man keine so hohe Qualität braucht, zwischen eigener Regeneration oder der Nationalmannschaftskarriere entscheiden zu müssen. Und was wäre medial los, wenn sich Nübel in der Rolle das Kreuzband reißen würde?
    Für Reichert dagegen ist auch die Rolle als Trainingstorhüter eine überragende Erfahrung, aus der er richtig viel lernen kann. Und der neue Nürnberger Sportvorstand Joti Chatzialexiou kommt ja vom DFB, da gibt’s kurze Dienstwege und die Zustimmung des Vereins dürfte kein großes Problem gewesen sein - in Nürnberg ist man relativ stolz auf diese Situation

Am Ende ist es aber im Zweifel wahrscheinlich eh so, dass beim DFB keiner auf die Idee des Trainingsgasts gekommen ist und Chatzialexiou selber angerufen und Reichert angeboten hat :see_no_evil:

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Danke für die Gedankengänge. Ist halt dann trotzdem irgendwie ätzend gegenüber Nübel…
Ohne Nagelsmanns Zusage, auf jeden Fall vier Torhüter mitzunehmen, hätte ja auch keiner damit gerechnet, dass Nübel tatsächlich bleibt.

Ich könnte mir noch was vorstellen, was halbwegs plausibel wäre:

Nübel ist wissentlich der Streichkandidat, darf es aber keinem anderen sagen, damit die vier bis fünf Streichverdächtigen doppelt reinhauen. Und im Idealfall kommt halt sowas raus wie die Beier’sche Leistungskurve.

Danke schön! Das habe ich auch mitbekommen - allerdings erst, nachdem ich das hier geschrieben hatte…

Weiter untern wird ja sehr schön ausgeführt, dass man es beim DFB unter Umständen gar nicht auf dem Schirm hatte, dass man einen „Trainingsgast“ für die Rolle des 4. Torhüters einladen kann (was irgendwie gar nicht in das Bild vom akribischen Arbeiter Julian Nagelsmann passen will, von dem man auch hier im Rasenfunk hören konnte, dass er auf jedes denkbare Szenario vorbereitet sein möchte - ich meine, da hat Julian Nagelsmann die durchaus ungewöhnlich zu nennende Idee, vier statt drei Torhüter in den Kader aufzunehmen, aber niemand kommt mal auf den Gedanken, dass man das auch ohne einen Kaderplatz zu blockieren mithilfe eines „Trainingsgastes“ machen kann?).

Ich finde diese Rolle rückwärts deshalb interessant, weil man im Zusammenhang mit der Causa Manuel Neuer immer wieder hören konnte, dass Julian Nagelsmann nun nicht mehr Marc-André Ter Stegen zum Stammtorhüter machen könne, weil er (Nagelsmann) dann nicht mehr glaubwürdig sei, würde er seine Meinung ändern.

Finde ich witzig.

Das Problem ist ja eher, dass Trainer in öffentlichen Interviews nix kritisches über Spieler sagen können, ohne dass dies nicht auf die Goldwage gelegt wird. Und sollte er ter Stegen jetzt doch zur Nummer 1 machen kann man das mit Neuers Fehlern der letzten Wochen schon erklären.

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Das aus meiner Sicht Witzige an der aktuellen Situation ist, dass man Manuel Neuers Alter als Instrument benutzen könnte, um aus dieser verfahrenen Situation wieder herauszukommen:

Morgen wird verkündet, dass sich Manuel Neuer im Training ganz leicht verletzt habe, was bei einem Leistungssportler von 38 Jahren einfach mal passieren könne, weshalb nun Marc-André Ter Stegen übernehmen würde.

So könnten alle Beteiligten das Gesicht wahren. Wobei meiner Meinung nach Julian Nagelsmann seines schon zu einem großen Teil verloren hat, als er den 4. Torwart wieder heimgeschickt hat.

Weshalb Julian Nagelsmann natürlich ganz locker fragen könnte, was ihn sein Geschwätz vom Vortag interessiere, bevor er Manuel Neuers Karriere als Spieler im DFB-Team de facto beendet. Nur würde er dann Manuel Neuer damit beschädigen, weshalb das wohl eher nicht passieren wird.

Interessant finde ich dabei auch, dass sowohl Stefan Effenberg als auch Mario Basler in den letzten Tagen unisono verkündet haben, wie enorm wichtig es während eines Turnieres sei, einen festen Torwart zu haben, mit dem man gemeinsam durch das Turnier gehen könne.

Das hat mich überrascht, denn ich hätte gedacht, dass das bei Auswahlmannschaften wie dem DFB-Team eher zu vernachlässigen sei, einfach weil da sowieso ständig neue Leute dabei sind.

Richtig schlimm könnte es werden, wenn Manuel Neuer gleich im ersten Spiel zwei-, dreimal schwer patzt und man deshalb verliert, so dass er zum zweiten Spiel nicht mehr aufgestellt werden würde, auch weil der öffentliche Druck zu groß geworden sein würde.

Vielleicht kommt es aber auch ganz anders und Manuel Neuer spielt das Turnier seines Lebens. Wer weiß.

Spanien, Frankreich, Italien, England habe alle hervorragende Kader (teilweise vielleicht besser als der deutsche Kader), aber mit Ausnahme der Italiener haben die alle eine deutlich bessere Bilanz bei den letzten drei Turnieren (wobei man jetzt drüber streiten kann, ob 1xEM-Titel + 2x nicht bei der WM besser oder schlechter ist als 2 Mal Gruppenphase WM + 1 AF EM).
Die können intern hoffen oder ausrufen was sie wollen, aber wer seit Jahren nichts reißt und dann richtig große Töne spuckt, der kann auch richtig ordentlich auf Maul fliegen (auf gut Deutsch gesagt) und es grenzt an Dummheit, dass der DFB dieses Ziel so öffentlich kundtun lässt. Denn die Konsequenz aus einer nicht gut laufenden EM ist ein Trainer, der weg ist, ein angezählter Völler, ein erneut und verstärkt angezählter DFB-Präsident und zusätzlicher allgemeinpolitischer Druck, weil jeder doch weiß, dass am deutschen Wesen eigentlich der Fußball genesen muss, aber die böse Realität mal wieder nicht mitspielen wollte.
In 6 Jahren hat man unter 2 1/2 Trainern eine deutliche Tendenz nach unten und hat vorwiegend mittelmäßigen bis schlechten Fußball gespielt, medial wird vom Sommermärchen fabuliert und verklärt und weder Medien noch DFB haben verstanden, dass man damals explizit mit einer demütigen Haltung (zumindest von außen) in das Turnier gegangen ist und auch deshalb die WM erfolgreich war.

Kurzum ist der DFB gerade der Flo Neuhaus unter den Nationalmannschaften: Man sagt immer wie talentiert er ist, das Talent blitzt auch immer und immer wieder mal auf, aber eigentlich stagniert er, während alle anderen Schritte machen, seit Jahren gibt es keine Konstanz und wenn man mal wirklich nüchtern auf die Bilanz schaut, dann sieht das auch bisher echt nicht überragend aus. Außer Müller, Neuer und Kroos hat noch keiner von denen bewiesen, dass sie in der Nationalmannschaft über einen längeren Zeitraum oder ein Turnier eine stabile und gute Leistung hinkriegen. Und für diese Alten gilt aber: Das ist zehn Jahre her, 8, wenn man 2016 als gutes Turnier nimmt (würde ich so sehen). Ironischerweise hat Nagelsmann ja auch zwischendurch versucht die Erwartungen zu dämpfen. Nur ist er davon jetzt anscheinend schon wieder abgerückt.

Mal schauen, wie das am Freitag läuft.

Das mit dem aufs Maul fliegen sehe ich nicht so streng, aber grundsätzlich stimme ich dir zu, dass die Ankündigungen nicht zu den Leistungen der letzten Jahre (!) passen wollen. Das stört mich.

Und auch da bin ich bei dir, dass die Haltung 2006 eine wesentlich demütigere war, zumindest in meiner Erinnerung.

Wobei man nicht vergessen darf, dass es 2006 keine Dokumentation von der EM 2004 gab, die das damalige Scheitern begleitet hätte, so wie es 2022 der Fall war, was diese extrem optimistische Attitüde für mich noch unverständlicher macht.

Wie ist das auf den Pressekonferenzen, hakt da niemand mal nach und fragt, worauf die Hoffnung auf den Titel eigentlich beruht?

Da hast Du wahrscheinlich recht, aber wenn die alle die Erwartungen erfüllen und D ebenfalls als erster aus seiner Gruppe rauskommt, müssen sie nur gegen eine der von Dir genannten Mannschaften spielen und gewinnen, um ins Finale zu kommen. Natürlich können sie bis dahin trotzdem auf die Schnauze fallen, gegen Ungarn, Dänemark oder sonst wem, der auf dem Papier schlechter ist. Was ich aber meine ist, dass Leute wie Kroos, Rüdiger, Neuer, Kimmich, Wirtz, Musiala oder Gündogan angesichts ihrer Historie, ihres Könnens, der Qualität ihrer Kollegen und des Tunierpfades, der sich da zu öffnen scheint, doch gar nicht anders können, als vom Titel als Ziel zu sprechen. Ich finde das verständlich und eigentlich besser, als so eine marketinggerechte und risikolose Bescheidenheit.

Bis auf Kroos und Wirtz waren die alle 2022 dabei. Kroos hat dafür „Historie“ aus den Jahren 2018 und 2020.

Ich glaube, ich würde angesichts dieser „Historie“ zu anderen Schlüssen kommen.

Meinetwegen sollen sie sich auch frohen Mutes zeigen. Aber eben mit Einschränkungen - weil … 2022 … 2020/2021 … 2018.

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Das ist ja das, was ich meine. Die deutsche Nationalmannschaft ist in den letzten Jahren nicht unbedingt an den Kalibern Spanien oder Frankreich gescheitert, sondern eher an Mannschaft der Stärke Ungarns oder Dänemarks. Deshalb bin ich so irritiert. Man hat die Gelegenheit mit Recht zu verkaufen, dass man erstmal aus der Gruppe rauskommen muss und auch Gegner wie Ungarn etc. längst eine gewisse Qualität haben. Dann gäbe es bei einem frühen Ausscheiden nur einen mittleren Shitstorm und gleichzeitig kann man dem Publikum Geduld einschärfen, damit man in den Gruppenspielen ein bisschen getragen wird und die Chance erhöht, dass man ein bisschen weiterkommt (weil das Publikum eher bereit ist zu verzeihen). Die Chance macht man sich aber gerade kaputt und ein schlechtes Spiel gegen die Schotten kann schon heißen, dass man sich schon gegen Ungarn Pfiffe und schlechte Stimmung fängt.

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‚Historie’ beschränke ich hier nicht auf die Turniere der Nationalmannschaft. Die genannten Spieler und andere auch spielen vereinsmäßig auf höchstem Niveau und haben das entsprechende Ego. Warum sollten die plötzlich sagen, sie wuppen nichts, nur weil eine andere Mannschaft mit anderem Trainer und anderem Konzept vor vielen Jahren versagt hat? Wenn die sich davon beeindrucken ließen, müssten die ja auch im Klub kleinlaut werden. Ich sage ja nicht, dass das ungefährlich ist, sich so weit rauszulehnen, da hast Du vollkommen recht. Ich verstehe nur die Spieler, die nicht taktisch denken, sondern ihren persönlichen Anspruch formulieren. England, Frankreich, Spanien und Italien wollen alle den Titel (gibt es da noch mehr?), also mindestens 80% aller Titelanwärter werden eh frustriert nach Hause fahren. Ist doch eine großartige Aussicht auf die kommenden Wochen, dass wir all den Hochmut in hoffentlich großartigen Spielen werden fallen sehen :laughing:.

Ich glaube, auch eine bescheidene Nationalmannschaft würde in so einem Szenario ausgepfiffen. Leider ist die Unterstützung durch das Publikum bei Länderspielen oft nicht so unbedingt wie in den BL Spielen.

Keine Bange, ich hatte dich schon richtig verstanden. :joy:

Ich denke, dass man nicht gar zu nonchalant die Verbands- und die Liga-Historie miteinander vermengen sollte.

Ja, in ihren Vereinen haben die von dir genannten Leute zum Teil außerordentliche Erfolge erzielt. Aber eben nicht mit dem Verband. Und jetzt spielt man mit den Leuten vom DFB und eben nicht von Arsenal, Barcelona oder dem FCB. Das könnte man schon anerkennen. Gerade auch deshalb, weil die letzten drei Turniere alles andere als erfolgreich für den DFB ausgegangen sind.

Um es mal auf eine Formel zu bringen: 2024 ist nicht 2014.

Umso mehr könnte man sich bemühen, „sympathisch“ zu wirken…

Zum Thema „Sommermärchen“ finde ich mehrere Dinge spannend:

  1. Klar ist sowas immer ein Narrativ, das im Nachhinein konstruiert wird. Vor dem Turnier 2006 wurde sich über No-go Areas unterhalten und die Blöd hat versucht Klinsmann öffentlich lächerlich zu machen und ein 4:2 gegen Costa Rica war dann der Moment wo alles „märchenhaft“ wurde? Bis man sich dann ab dem Viertelfinale auf die Italiener einschießen konnte und alle in ihrem „schwarz-rot-geil“ Taumel Nationalismus wieder salonfähig gemacht haben? Da steckte und steckt schon sehr viel Verklärung drin.
  2. Allerdings sollte man aktuell nicht unterschätzen, dass es viele Parallelen gibt (vom Wetter mal abgesehn), sogar die Towartdiskussion funktioniert gerade ähnlich bei der Generierung von öffentlicher Aufmerksamkeit wie damals (und ganz ehrlich, ich glaube nicht, dass es irgendeinen Unterschied machen wird, wer von den beiden aufm Platz steht). Die letzten Turniere waren enttäuschend, es gab einen Neustart auf der Führungsebene rund um die Nationalmannschaft und irgendwie sehnen sich alle nach einem „Feiermoment“.
  3. ABER natürlich sind die Unterschiede frappierend, auch weil das Team offensichtlich individuell stärker ist als damals und vor allem, weil es den Vergleichswert 2006 gibt. Vorher waren Fußballturniere zwar immer eine breite gesellschaftliche Angelegenheit, aber die Breite hat nach 2006 Mississippi-Hochwasser Ausmaße angenommen und irgendwie hat das auch Einfluss auf die generellen Enttäuschung: Nostalgie.

Aber kurz gesagt: Es wird doch alles vom Erfolg abhängen. Läuft es, werden es die Leute geil finden, läuft es nicht, werden sich alle aufregen. Same old, wenn ihr mich fragt.

Und zu den ausgegebenen Zielen: Ich finde ja immer, wenn man bei so einem Turnier antritt, ist es doch völlig normal, dass man gewinnen will. Eine der wenigen sympathischen Sachen aktuell, dass da weniger politisch und mehr aufrichtig kommuniziert wird.

Ja, weil primär Topspieler hohe xG-Werte bekommen. Wie soll denn einer mit 2xG seinen xG um mehr als 5 überperformen? Schau dir mal die xG-Werte dieser Spieler über mehrere Saisons an und was andere Top-Spieler machen, zB Haaland diese Saison.

Es gibt ein paar wenige Spieler, die konstant und signifikant überperformen, darunter Messi, ich glaub Podolski, Son kann ich mir sehr gut vorstellen. Sind aber, soweit ich weiß, sehr wenige Ausnahmen.

Mbappe halte ich auch für möglich, war aber die Saison davor auch nur +1. Also der - bester oder zweitbester Stürmer der Welt - hat in den letzten zwei Jahren aus 47 xG ganze 53 Tore gemacht. Knapp mehr als 10% extra, keine zwei Tore extra pro Saisonhälfte. Das ist nicht nix, aber auf ein Spiel runtergerechnet eben verschwindend gering im Vergleich zur Varianz. Wer nur die Spiele gegen Dortmund gesehen hat, denkt, Mbappe hat ein Problem mit der Chancenverwertung.

Hat er auch: Er ist nicht mal 15% besser als der Durchschnittsspieler. Aber kostet 200 Mio Euro. 180 Mio sind dafür dass er 47xG auf zwei Saisons rausspielt. 20 Mio sind dafür, dass er dann noch 6 mehr davon verwandelt.

Aubameyang hat diese Saison SIEBEN TORE weniger geschossen als sein xG. Der ist aber trotzdem viertbester Torjäger in Frankreich.

Und nein, noch mal, overperformance ist nicht „purer Zufall“, sondern der Skill-Unterschied zwischen professionellen Offensivspielern ist so gering, dass kurzfristig, auf wenige Schüsse, der Zufall ein viel höherer Einfluss ist. Wir schauen hier auf 40, 50 Schüsse und finden recht geringe Effekte. In einem einzelnen Spiel reden wir von 2-3 Schüssen. Das heißt die Zufallsvarianz ist riesengroß gegenüber der Effektstärke.

Das spricht vor allem dafür, dass man mit mehr Punkten weiter oben in der Tabelle landet.

Mit am meisten Glück hatte HEIDENHEIM. Mit am wenigsten hatte BAYERN.

Es kann gut sein, wäre zumindest logisch, dass individuell stärkere Mannschaften bessere ± xG Werte haben. Aber schau dir doch mal bitte das Ausmaß an: Bei fast allen Mannschaften geht es um ±6 bis 7 Punkte. Darmstadt und Köln wären auch mit xG-Plus noch abgestiegen. Stuttgart hätte halt keine 40 Punkte mehr als Union - aber immer noch 30 Punkte mehr.

Der xG-Wert ist viel, viel ausschlaggebender. Selbst über eine Saison hinweg, nicht zu reden von zwei, drei Spielen. UND er ist auch noch viel klarer beeinflussbar.

Ist es das wirklich?