NT218: Niederlande – England 1:2

Wir haben mit Uli Hebel (SKY & DAZN, Klick & Rush, RondoTV, @UliHebel, @UliHebel.bsky.social) über das zweite Halbfinale zwischen Niederlande und England gesprochen. Wie hat euch die Sendung gefallen?

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Patrick Ittrich hat es bei MagentaTV gut erklärt und an der Videowand gezeigt: Zwayer sieht die Situation und den Kontakt nicht, weil Saka im Weg steht und er ja nicht auf Verdacht auf Elfmeter entscheiden kann. Damit war es auch nicht zwingend eine korrigierte Entscheidung, sondern eher eine „Nicht-Entscheidung“. Da es sonst oft heißt, „wieso schaut er es sich nicht an“, war für mich die Intervention des VAR auch in Ordnung.

Ansonsten ist es wie so oft im Fußball: Vor dem Spiel jammern die Engländer über den Schiedsrichter, nach dem Spiel jammern die Niederländer. Die Schiedsrichterleistung war mMn insgesamt gut. Wer ernsthaft denkt, dass Zwayer wegen 300€, die er vor 20 Jahren angenommen und zu spät angezeigt hat, das Spiel verpfiffen hat, will nur Likes auf Twitter. Wenn ich lese

„He gave them a scandalous penalty, multiple free kicks that weren’t free kicks, denied the Netherlands a corner.“

frage ich mich, ob die Person jemals ein Fußballspiel gesehen hat. Falsche Entscheidungen bei Ecken oder Freistöße, über die man sich ärgert, passieren jedes Wochenende. Auch bei van Dijk war da sehr viel Frust im Interview. Bin ja sonst durchaus kritisch, aber ich sehe hier den Punkt einfach nicht. Der Elfmeter mag strittig gewesen sein, aber er hat nicht das Spiel entschieden.

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Also: ich bin nun wahrhaft kein Fan von Zwayer (ich trauere international immer noch Aytekin nach…). Aber: für ich ist das hier ein klarer Elfmeter. Es gab im Rasenfunk (oder bei CE) mal eine Diskussion mit Alex Feuerherdt, bei der es darum ging, dass genau solche Aktionen mit VAR eigentlich öfter gepfiffen werden müssen. Denn: nur weil der Ball schon auf dem Weg ist, ist es halt trotzdem weiterhin ein Foul.
Mein Gedanke bei der ersten Wiederholung war daher auch „klarer Elfmeter und gelb“. Da hat mich Zwayer dann ausnahmsweise auch bestätigt.

Ich sehe es allerdings (ein klein bisschen) anders als @bratwurstmafia: für mich hat der Elfer das Spiel durchaus mitentschieden. Denn: bei 1:1 kannst du halt anders agieren, als wenn du weiter das 0:1 aufholen musst.

So oder so aber: England hat endlich mal (phasenweise) gezeigt, warum der Kader mit seinen Einzelspielern so teuer ist.

In diesen Szenen des (unabsichtlichen) Treffers nach dem Abschluss hat sich die Auslegung etabliert, dass es den Strafstoß bei rücksichtslosen, also gelbwürdigen Fouls immer noch geben soll. Diese Auslegung wurde von Matthias Jöllenbeck im Podcast „Mensch, Schiri“ (bei ca. 32:08) bestätigt:

Benni Zander: Ein Spieler kommt im Sechzehner zum Abschluss und wird im Anschluss danach getroffen. Das passiert ja immer mal wieder, ne?
Matthias Jöllenbeck: Ja
BZ: Was legt man als Schiedsrichter dann an, dass es vielleicht auch mal, obwohl einer zum Abschluss gekommen ist, 'n Strafstoß gibt? Das kommt ja selten vor, aber es kommt vor.
MJ: Ja, es kommt sogar sehr, sehr häufig vor, also wenn ich so durch die Spiele der letzten Wochen schaue, dann kommt es, finde ich, sehr sehr häufig vor und das sind Sachen, die sind echt schwer zu beurteilen, weil man sagt: Ja okay, er schießt aufs Tor und trotzdem wird er danach klar getroffen. Was ist denn relevant für den Schiri?
Zunächst mal musst Du überlegen: Okay, wenn der Ball ins Tor geht, wenn er ein Tor schießt, dann ist eh vorbei, weil der größtmögliche Vorteil ist ja das Tor, heißt, dann zu sagen „Elfmeter“, ist Schwachsin, macht keinen Sinn. Was für uns halt wichtig ist, ist die Frage, ist er in seinem Schuss irgendwie so stark behindert worden, dass der Torerfolg nicht möglich war, zum Beispiel ein Schieben oder ein Stoßen: Spieler zieht auf, will aufs Tor schießen, Stürmer wird dann vom Verteidiger noch umgerissen und der kann nicht mehr richtig aufs Tor schießen, das heißt, der Effekt des Haltens oder des Vergehens ist so groß, dass er eigentlich um die große Chance gebracht wurde. Dann musst Du sagen: Okay, er kommt zum Abschluss, aber der Abschluss hätte nie in der Form stattfinden können, wie wenn das Foul nicht gewesen wäre. Dann muss man sagen: Okay, die Konsequenz ist trotzdem Elfmeter.
BZ: Hm, hm
MJ: Schwierig wird’s dann eben bei diesen Fällen, die wirklich häufig vorkommen, wenn der Verteidiger zum Ball grätscht…
BZ: Ja, genau
MJ:… und der Angreifer schießt und kurz nach dem Schuss wird er eben abgeräumt. Ja? Und das ist echt knifflig. Und da ist so ein bissl, da gibt’s auch keinen Text im Regelwerk, der Dich da irgendwie leiten kann… Da ist so bissl die Marschroute zu sagen: Okay, das Vergehen muss rücksichtslos sein, das heißt, der muss dem wirklich auf den Knöchel steigen, auf den Fuß, also: ein gelbwürdiges Vergehen. Ja?
BZ: Hm, hm
MJ: Um dann zu sagen, wenn er nach dem Schuss dem auf den Schlappen steht, gelbwürdig, da gibt’s trotzdem den Strafstoß. Aber eine klare Regelanweisung habe ich jetzt leider nicht für Dich. Ist auch immer so: Ich meine, wenn er aufs Tor schießt unbedrängt und danach kommt’s zum Kontakt, zum Foul, dann sagen die einen: Ja, er kann doch schießen, er wird nicht behindert, ja und das Grätschen ist halt im Zweikampf passiert und nicht böswillig. Dann sind das Sachen, wo Du sagen musst: Ja, haste eigentlich Recht. Und dann ihm nochmal die Chance wiederzugeben durch den Elfmeter, das wäre nicht so richtig gerechtfertigt, deswegen ist so die Marschroute zu sagen: Das Vergehen an sich muss rücksichtslos sein oder gelbwürdig und das passt eigentlich ganz gut so als Hilfestellung für Dich.

Nachdem Zwayer hier Strafstoß und Gelb gegeben hat, war das also konsequent und in meinen Augen auch richtig. Ich verstehe die Skandalisierung dieser Entscheidung nicht. Die Ecke muss es geben (und die geht eher auf den SRA, weil der den Seiteneinblick hat), aber ansonsten habe ich keinen klaren Fehler vom Gespann in dem Spiel gesehen.

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Die Engländer haben diese Entscheidung natürlich auch diskutiert und die verstehen die Skandalisierung durchaus. Das sind alles ehemalige PL Spieler:
Jamie Carragher: „it was never a penalty“
Lee Dixon on ITV: "I don’t think it’s a penalty but I don’t care.”
Gary Neville: „An absolutely disgraceful decision to have that given against me as a penalty any time, but in a game of such importance even worse“
Gary Lineker: “I’m sorry but however biased you may be, I can’t see how that is a penalty,”
Micah Richards: „It was pathetic to see that decision.“
Alan Shearer and Michael Owen sahen eher eine Kollision als ein Foulspiel. Kane selbst hat ja gesagt, dass das ein glücklicher Elfmeter war.
Immerhin hat Ian Wright die Elfmeterentscheidung verteidigt.

Keith Hacket, der mal Chef-SR in England war, sagt: „The VAR was wrong to intervene.“ Aber da hat @bratwurstmafia zu Recht eingewandt, dass wir nicht wissen, ob der VAR Zwayer nicht eventuell auf eine Situation hingewiesen hat, die dieser gar mitbekam, so dass er sie sich überhaupt erstmal anschauen musste.

Jedenfalls sind die Engländer, bei allem Patriotismus, wieder einmal fantastisch in ihrer Fairness auch in solchen Situationen (und man schaue sich zum Vergleich mal die Cucurella Diskussion in D an). Das Argument contra Elfmeter ist übrigens: Dumfries geht nicht auf Kane, sondern versucht den Ball zu blocken. Kane trifft dann den Fuß/das Bein des Holländers beim Ausschwung. Das ist kein Foulspiel, sondern eine simple Kollision. Blocken des Balles muss erlaubt sein, sonst kann der Schütze ohne Probleme Elfmeter erzwingen, er muss nur das blockende Bein des Verteidigers treffen. Dass der Elfmeter hier im Forum so verteidigt wird, liegt mMn allein daran, dass in der BL so ein Schwachsinn gepfiffen wird und sich alle daran gewöhnt haben.

Absolut richtig. Ich denke, der Frust war hier größer als bei einem normalen Spiel, weil in diesem Spiel die Mannschaften es selten an die Grundlinie geschafft haben, und da summieren sich nicht gegebene Ecken (ich glaube 3) gefühlsmäßig schon zu einem Nachteil. Er sollte aber nicht Zwayer blamen, sondern den LR.

Das kannst Du bei einem Endstand von 2:1 nicht wirklich sagen. Von einem 1:1 Sieg habe ich jedenfalls noch nie gehört.

Da dann doch noch ein paar Worte.
Ja: es muss erlaubt sein, dass man den Ball blockt. Nur: er blockt den Ball halt nicht sondern trifft nur Kane mit dem Fuß von oben.
Es ist ja nicht so, dass es hier darum geht, ob das Absicht war oder nicht (die wird ihm glaube ich keiner unterstellen), sondern darum, ob er den Gegner trifft. Und das tut er hier nunmal.

Lustigerweise sagt ja Dumfries selbst: „Es gibt den Kontakt mit Kane, also weiß man auch, dass der Schiedsrichter den Elfmeter geben kann. Dafür übernehme ich die Verantwortung. Man tut alles, um ein Tor zu verhindern, aber dann passiert so etwas. Das ist wirklich scheiße.“

Klar (und das schreibt lustigerweise auch die Sportschau): es gibt bzw. gab die ungeschriebene Regel, dass man keinen Elfer gibt, wenn der Ball schon geschossen ist. Aber: die ist halt ungeschrieben und von den Regeln so imo nicht gedeckt.
Sprich: gibt Zwayer den nicht, nachdem er die Bilder gesehen hat, dann macht er das explizit gegen die Regeln. Und das könnte man ihm dann durchaus vorwerfen.

Ein „den will keiner“ ist halt nun leider keine Regel. Es ist halt eher die Frage, ob man die überarbeitet. Z.B.: trifft der Spieler so wie hier, dann gibts nachträglich gelb für die Intensität, aber Abstoß. Oder: grundsätzlich gibts nix. Aber: was, wenn der Verteidiger damit dann genau diese Kontakte nach Abschluss deutlich eher in Kauf nimmt? Es ist alles leider nicht ganz einfach.

War zu ungenau formuliert. Einfluss aufs Spiel und den Spielverlauf hatte der Elfmeter definitiv, da gebe ich euch recht. Aber er war zu früh um das Spiel tatsächlich zu entscheiden (z.B. 85. Minute). Es war danach mehr als genug Zeit, um zu reagieren. Die Diskussion kommt der Niederlande anscheinend ganz gelegen, um von den Versäumnissen im Spiel abzulenken - so zumindest mein Eindruck.

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Da bin ich mir nicht sicher. Dumfries tritt ins Leere, Kane trifft Dumfries Fuss von der Seite. Die Bilder von der Kollision (wie ich sie mal nennen will) zeigen deutlich, dass Dumfries Sohle keinen Kontakt mit Kane hat. Es war ein Block. Dumfries Kommentar zeigt, dass er ein besserer Verlierer ist als van Dijk.

Zu der ‚Sportschau-Regel‘: Du hast vollkommen Recht, dass die Regeln diese Auslegung im Wortsinne nicht decken. Aber ich unterstütze diesen ‚Regelbruch‘ trotzdem. Das ist Teil eines größeres Problems, dass z.B. bei dem ganzen Drama um Abseits voll zum Tragen kommt. In der Vergangenheit hatten wir schon alleine durch die Ungenauigkeit der menschlichen Wahrnehmung eine nicht-regelkonforme ‚Unschärfe‘ in der Regelauslegung z.B. beim Torwartspiel, Handspiel, Abseits, was ein Rot war oder nicht, und auch Foulspiel in der Box (was immer anders gewertet wurde, als ein Foul außerhalb - gegen die Regeln). Dabei waren einige dieser Regeln durchaus Schwarz-Weiß. Und diese Unschärfe war durchaus im Sinne des Spiels, denn z.B. einen Zeh im Abseits konnte man halt nicht sehen, und z.B. Absicht (als innerer Tatbestand praktisch nicht sichtbar) wurde halt vom SR auf Grund seiner Kenntnis von Spiel und Mensch gewertet, und das war gut so. Jetzt können wir mit VAR die Wirklichkeit mit den Regeln bis aufs letzte Atom abgleichen, und raus kommt so was, wie dieser Elfmeter gestern abend, aber auch noch hunderte von anderen Entscheidungen, wo man sich fragt, im Namen welcher höheren Gerechtigkeit das Spiel gerade gekillt wird.

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Irgendwie hätte ich jetzt gerne, dass England gewinnt:

Grund: Ich hab Sympathie mit dem oft gedemütigten Verlierer, der oft nahe am Titel war. Und der Titel wäre ausgerechnet im Lande des größten fußballerischen „Erzfeindes“, sodass Emgland sich für die EM 1996 „rächen“ könnte. Wäre das nicht eine (fast schon zu) perfekte Redemption-Arc?

Ist England nicht wie viele von uns in Schule/Ausbildung/Uni waren? Die ganze Zeit das Minimalprinzip verfolgt und kurz vor Schluss sich mit einer Energieleistung gerade so irgendwie zur 4 durchwurschtelt und gerade noch die Versetzung schafft? Und oft wird uns erzählt, dass wir ja so großes „Potential“ hätten, wenn wir uns nur mehr anstrengen würden.

Und ist Spanien nicht wie die „Streber“, die immer nur Einsen schreiben, also von Sieg zu Sieg eilen? Auf die wir insgeheim neidisch sind und sie uns also nerven?

Disclaimer: Ich schreibe das zugebenermaßen vor dem Hintergrund, dass ich wenig Spiele von England gesehen habe :sweat_smile:.

Und wenn Spanien gewinnt, kann ich auch damit sehr gut leben, da ich viele spanische sympathische Bekannte hab :sweat_smile:. Bequem, aber praktisch.

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:slight_smile: Ich hätte gerne dass Spanien gewinnt, aber da der bessere Fußball nur selten gewinnt, habe ich mir Deinen Post rauskopiert - der wird mir definitiv helfen, damit zurechtzukommen wenn es England wird.

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