Ich bringe auch noch mal ein paar Gedanken ein:
Bei Arminia Bielefeld ist es immer wichtig, den Etat, die Marktwerte der Spieler und die Möglichkeiten im Vergleich zu den anderen Teams der Liga zu sehen. Samir Arabi sprach vor der Saison davon das mal als „Schlauchboot gegen 17 Motorboote antreten muss“ und naja, was soll man sagen … das Schlauchboot schipperte so durch die Saison … wir stachen in See… immer wieder ging dem Schlauchboot die Luft aus und bei der Entlassung von Uwe Neuhaus las ich irgendwo einen Kommentar, dass unser Schlauchboot aus ruhigem Gewässer fahrlässig und ohne Not direkt
den Wasserfall hinuntergeschickt worden ist… trotz aller Turbulenzen kann man Stand heute sagen, das wir vor dem 33. Spieltag mit einem Punkt Vorsprung auf Platz 15 stehen, immer noch nicht abgesoffen sind und einem hochdramatischen Abstiegsfinale entgegenfiebern, bei dem man den Ausgang noch in der eigenen Hand hat. Aus dem Grund würde ich hier noch keine abschließende Bewertung zur Saison schreiben, außer das es in meinen Augen trotz aller Tiefschläge und der leider sehr ungefährlichen Offensive absolut respektabel ist, dass der direkte Klassenerhalt noch möglich ist.
Stefan Ortega
Hat sich unglaublich weiterentwickelt und zu einem Top-Bundesliga-Torwart gereift. Fußballerischen Qualitäten, starke Reflexe, Abschläge/Abwürfe die erstaunlich oft beim Mitspieler landen, Top-Statistiken bei Großchancen verhindern, Paraden und abgewehrten Schüssen sowie 10 zu 0-Spiele,
hat uns mehrmals den Sieg oder Punkt gerettet. Ortega ist diese Saison der herausragende Spieler dieser Mannschaft.
DFB-Pokal
Bevor die Saison überhaupt richtig losging, flog man gleich in der ersten Runde im Pokal gegen RW Essen raus. Neben den Tritt auf die Euphoriebremse hatte dieses Spiel meiner Einschätzung nach für 2 Spieler besondere Folgen. Der neue dänische Linksverteidiger Laursen spielte (man muss es so sagen) wirklich furchtbar, musste zur Halbzeit raus und hatte nach diesem Spiel große Probleme in eine Form zu kommen, die der Mannschaft weiterhilft. Sein erstes Spiel mit akzeptabler Leistung und Einsatzzeit war erst am 15. Spieltag gegen Hertha BSC. Ebenfalls zur Halbzeit ausgewechselt wurde der junge Mittelfeldspieler Jomaine Consbruch, der eine wirklich sehr vielversprechende Vorbereitung spielte, daher gegen Essen auch in die Startelf rückte und nach dieser Halbzeit die ganze Saison keine einzige Minute mehr für die Profi-Mannschaft spielen durfte.
Trainerwechsel
Wie oben schon beschrieben, wurde der Trainerwechsel bzw. die Entlassung von Aufstiegscoach Neuhaus im Umfeld zunächst sehr kritisch gesehen. Vor seiner Entlassung gab es jedoch auch einen uninspirierten Auftritt im damals ganz wichtigen Spiel gegen Köln und auch sonst viele Niederlagen und Gegentore.
Dazu kam es wohl auch noch zu interne Probleme, die für Außenstehende schwer zu bewerten sind, da davon wenig an die Öffentlichkeit kam. Es gab aber wohl unterschiedliche Ausrichtungen in Zukunftsfragen. Im Vergleich zu Neuhaus, der immer etwas reserviert wirkt, hat Kramer ein positives, engagiertes Auftreten - was man auch in den Spielen an der Seitenlinie hört. Außerdem traut man ihm mit seinen Erfahrungen im Nachwuchsleistungsbereich Fortschritte bei der Talentförderung zu, auf die Arminia aus finanziellen Gründen angewiesen ist.
Interessant an der Personalie ist auch, dass es kein Schnellschuss war, sondern Kramer und Arabi schon lange Kontakt hatten und er ihn eigentlich schon früher zu 2. Liga-Zeiten verpflichten wollte. Durch die Unstimmigkeiten mit Neuhaus, wäre der Wechsel zu Kramer in der Sommerpause so oder so gekommen, auch wenn Neuhaus die Saison erfolgreich beendet hätte. Kramer hat es geschafft (mit Ausnahme des Spieles gegen Gladbach), die Defensive zu stabilisieren und schneller nach vorn umzuschalten. Das größte Problem ist, dass die daraus resultierenden Chancen nicht genutzt werden. Arne Maier hatte bei Uwe Neuhaus nach schlechteren Leistungen zu Saisonbeginn überhaupt keine Einsatzzeiten mehr. Von der Tribüne kommend schenkte Kramer ihm sofort das nötige Vertrauen, was er mit guten Leistungen auf dem Platz zurückzahlte. Er ist der größte Profiteur des Trainerwechsels und aus der Startelf nicht mehr wegzudenken.
Defensive
Neben Ortega würde ich an dieser Stelle noch die Innenverteidigung Pieper/Nilsson lobend erwähnen. Im Verlauf der Saison hat sich das bewährte IV-Duo aus der 2. Liga auch in der Bundesliga durchgesetzt und den Premier-League-erfahrenen
Neuzugang van der Hoorn dauerhaft auf die Ersatzbank verdrängt. Auch der Schweizer Rechtsverteidiger Cédric Brunner hat sich als Stammspieler fest gespielt und eine für unsere Verhältnisse solide Saison gespielt.
Offensive
Wenig erzielte Treffer, wenig Torchancen und eine schlechte Chancenverwertung ziehen sich leider durch die ganze Saison - durch einige hohe Niederlagen hat sich dadurch ein sehr schlechtes Torverhältnis entwickelt, was nächste Woche bei ungünstigen Ergebnissen noch ein echter Nachteil werden kann. Bei den 8 Siegen gab es fünfmal einen 1:0 Sieg, zwei 2:1 Siege und ein klares 3:0 gegen Stuttgart. Bei den 8 Unentschieden gab es viermal ein 0:0, dreimal ein 1:1 und das legendäre 3:3 beim FC Bayern. Wenn man bedenkt, wie offensivstark und torgefährlich wir letztes Jahr in der 2. Liga waren, überrascht diese Entwicklung schon etwas, auch wenn man keine offensiven Schützenfeste erwartet hat.
Andreas Voglsammer ist 16 Spiele ausgefallen und benötigte einige Zeit um in Form zu kommen - es wäre interessant gewesen, wenn er und Klos in dieser Saison direkt
von Beginn an weiter hätten zusammen spielen können. Während er verletzt war, schaffte es niemand sich dauerhaft vorne links fest zuspielen.
Auch wenn Fabian Klos es in der Bundesliga schwer hatte, hat er alle 33 Spiele gemacht - dabei gab es 4 Tore und 2 Vorlagen. Auch wenn es wenig Tore waren, muss man festhalten das seine Tore unglaublich wichtig waren (zweimal das 1:0 Siegtor gegen Schalke + das wichtige 1:0 beim 3:0 gegen Stuttgart). Er ist immer noch der Leader auf dem Platz, gewinnt viele Luftduelle und ist auch immer sehr in die Defensivarbeit eingebunden. Er hat in der Bundesliga derzeit die Rolle des Kopfballverteilers und Spielgestalters (weil es sonst keinen gibt) der Räume und Gegenspieler bindet. Eine interessante Beobachtung ist noch, dass wenn Klos ausgewechselt wird, offensiv am Ende meist gar nichts mehr passiert.
Bis auf Leihspieler Doan, der kreative, kämpferisch und technisch starke Japaner, der an guten Tagen durchaus ein Unterschiedsspieler sein kann und der ebenfalls 4 Tore erzielt hat, sieht es sonst offensiv eher mau aus. Es gibt viel zu wenig Torgefahr aus dem Mittelfeld und die Stürmer Schipplok (1 Tor) sowie der bundesligaerfahrene Leihspieler Cordova (2 Tore) waren zwar meist engagiert und bemüht, strahlten aber viel zu wenig Torgefahr aus.
Corona
Bis zum 16.04.2021 war Arminia eins von 3 Teams ohne Corona-Fall in der Mannschaft (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1229295/umfrage/1-fussball-bundesliga-corona-faelle-je-verein/). Es wurde immer wieder betont, dass die Mannschaft hier sehr diszipliniert war. Ein einziger Fall (unglücklicherweise Cordova, der es sowieso schon nicht so leicht hatte) kam noch Ende April dazu.
Eine interessante Frage wäre noch, wie die Saison für Arminia ohne Corona ausgegangen wäre? Gäbe es mehr Punkte, weil Spiele vor Publikum motivieren? Oder vielleicht auch weniger, weil große Bundesliga-Auswärtskulissen für den ein oder anderen Spieler ungewohnt/einschüchternd gewesen wären? Hätten andere Clubs im Abstiegskampf sich mit mehr finanziellen Mitteln noch besser verstärken können? Oder hätte Arabi mit mehr finanziellen Spielraum mit der ein oder anderen Transferidee die Konkurrenz überraschen können? Viele offene Fragen …
Wahlslogan?
Es gibt diese alte Postkarte hier - das wäre glaube ich ein schöner Spruch. Sollten wir jedoch nächste Woche noch absteigen, nehme ich den Spruch zurück, dann stahlt hier vermutlich keiner und dann gibts auch keinen Wahlslogan 
