Saisonziel
Es stellt sich die Frage, ob die Eintracht mit einem möglichen 5 Platz das Saisonziel verfehlt oder erreicht hat.
Nimmt man ernst, was Hütter in seinen Büchern schreibt, dann wird die Mannschaft ein ambitioniertes Ziel gesteckt und intern auch klar formuliert haben.
Zu Saisonbeginn sprach man schon offensiv davon, dass unsere Meisterschaft die CL-Quali sei.
Selbst nach der langen Unentschiedenserie in der Hinrunde betonte man, dass man nicht nach unten, sondern weiter nach oben schaue, denn man sei Eintracht Frankfurt und das Ziel sei die CL-Quali.
Mit Platz 4 und 7 Punkten Vorsprung wollte man auch nicht tief stapeln, sondern betonte, dass man dies jetzt auch über die Ziellinie bringen wolle.
Nach dem Spiel gegen Mainz und dem herunterrutschen auf Platz 5 hieß es auf einmal von Hütter: „Auch Europe League wäre ein Erfolg und man habe vielleicht überperformt“.
Letztlich wird jeder hier in Frankfurt mit Platz 5, gerade aus der Perspektive vor der Saison, jeder mehr als zufrieden sein, aber diese Dissonanz von Vereins-, oder besser Trainer-, Seite im Verlauf der Saison ist doch seltsam.
Teamgeist
Teamgeist ist der Titel eines der Bücher von Adi Hütter, welches im Untertitel lautet: „Wie man eine Meistermannschaft entwickelt“. In seinem Buch geht er unter anderem darauf ein, wie wichtig positives Bestärken sei und wie wichtig es ist, alle im Team mitzunehmen. Nun ist vermutlich nicht nur die Meisterschaft im Frankfurter Sinne nicht erreicht, sondern es scheinbar auch mit dem Teamgeist nicht sonderlich weit her zu sein. Es gibt relativ viele Hinweise auf Zerwürfnisse im Verhältnis zwischen Trainer und Mannschaft und zwischen Trainer und Verein.
Beziehung Trainer und Mannschaft
Diese ist natürlich schwierig zu beurteilen, weil wir eben kein Insiderwissen besitzen, um diese oder jene Aufstellung in voller Tragweite zu beurteilen. Lange gibt es aber schon die Kritik, dass Hütter nur seine Lieblinge aufstellen würde und manche Spieler bei ihm aus Prinzip keine Rolle mehr spielen würden. Diese These scheint durch die Fälle Danny da Costa oder Dominik Kohr, und zuletzt auch Amin Younes bestätigt zu werden. In der Presse, zuletzt auch durch Phil Hofmeister und Mario Rieker im Rasenfunk, gibt es immer wieder nebulöse mehr oder weniger konkrete Andeutungen diesbezüglich. Gerade im Saisonendspurt könnte eine dieser Fehden, die mit Younes, uns die CL-Quali gekostet haben. Natürlich reine Spekulation.
Beziehung Trainer und Verein
Vermutlich findet sich in diesem Punkt ein Hinweis auf den Grund von Hütters Abgang. Von Hütter wurde auf den PK´s nach seinem Abschied vieles angedeutet. Vielleicht gibt es hier einen Elefanten im Raum, über den in der Öffentlichkeit (noch) niemand sprechen möchte. Klar ist, ihm war vermutlich die Zusammenarbeit mit Bobic und Hübner sehr wichtig, aber auch die mit dem ehemaligen Aufsichtsratschef Streubing. Möglicherweise gab oder gibt es auch Zwietracht über die Kaderplanung und Ausrichtung des Vereins, z.B. mit Ben Manga.
Kaderplanung
Es wurde gemunkelt, dass Hütter eher fertige Spieler wollen würde, um seine Ziele in naher Zukunft zu verwirklichen. Dabei muss man ihm fairerweise zu Gute halten, dass er es aber auch geschafft hat viele Spieler zu entwickeln. Die Tranfers von Dost, Kohr, Zuber oder Illsanker scheinen die fertige Spieler These aber zu bestätigen. Im Kontrast dazu steht wohl Ben Manga, nach Bobics Abgang vom Chefscout zum Kaderplaner aufgestiegen. Dieser hat wohl zusammen mit Bobic eher auf junge Talente gesetzt, welche entwickelt werden können und einen entsprechenden Transfererlös einbringen könnten. Zumindest diente dieser mögliche Konflikt vielen als Erklärungsmuster dafür, warum der 100 Millionen Transfersommer nach der Saison 18/19 so relativ enttäuschend gestaltet wurde. Andererseits gab es auch schon vor Hütter das Konzept erfahrene Spieler, wie etwa Prince Boateng, in der Mannschaft zu haben.
Allgemein kann man sehen, dass eine Wandlung in der Bobic Ära stattgefunden hat. Vom Verein der junge Spieler von den Großen ausleiht, hin zu dem Verein, der selbst viele junge talentierte Spieler zu anderen Verein verleiht. Siehe Joveljic zum Wolfsberger AC oder Zalazar zu St. Pauli.
Seit der Deal mit Bobic und der Hertha finalisiert wurde, wurden bereits jede Menge junge Talente, größtenteils eher noch für die U-Mannschaften bestimmt, bekannt gegeben. Die künftige Kaderplanung unter Ben Manga scheint also die Gewichtung stärker in diese Richtung zu schieben. Frage wird sein, ob man dabei auch die richtige Gewichtung schafft. Holt man nur die besten, verfügbaren Talente, wie etwa der BVB auf ganz großer Ebene, oder verzichtet man vielleicht auch das ein oder andere Talent, weil es nicht in den Kader und die Spielidee passt.
Ein weiterer Aspekt bisheriger Transfers war auch, dass man sich eher polyvalente Spieler holte, wie Ilsanker, Hrustic oder Zuber. Dies hatte sicher auch den Vorteil, dass man trotz relativ kleinem Kader nach den Abgängen im Winter, noch relativ flexibel war. Frage ist dabei aber immer, ob es nicht besser ist z.B. einen reinen 6er oder IV im Kader zu haben.
Kapitänsfrage
Nach dem Abgang des Capitanos, David Abraham, im Winter wurde kein neuer Kapitän bestimmt.
Es entstand quasi ein offener Wettbewerb zwischen Trapp, Hasebe, Hinteregger und Rode. Im Erfolg schien diese Vakanz kein Problem zu sein. Aber je mehr die Diskussion aufkam, ob Hütter eine Lame Duck sei, und je mehr der Auftritt auf dem Rasen eher blutleer wirkte, umso eher schien sich dies zu rächen, da auch auf dem Feld kein Spieler die Verantwortung zu übernehmen schien.
Das Jovic Dilemma
Wenn man als Eintracht Frankfurt die Möglichkeit hat einen Spieler wie Luca Jovic für kleines Geld zu leihen, dann braucht man schon gute Argumente dies nicht zu tun. Aber wie setzt man ihn ein? Zu dem Zeitpunkt war seine eigentliche Position von Ander Silva blockiert, welcher eben auch wie am Fließband Tore erzielte. Dahinter sorgten die kreativen 10er Younes und Kamada mit Unterstützung von den Außenbahnspielern für die Räume, welche Silva dann nutzen konnte.
Der Versuch einer Doppelspitze zeigte sich als nicht sonderlich erfolgreich und war eine Abkehr von dem was funktionierte, sodass Jovic auch eher zu einem 10er umgeschult wurde. Gegen eine stabile Defensivformation konnte das System mMn jetzt nicht mehr so gut funktionieren, weil Jovic eher selbst Räume nutzt, als dass er diese öffnet, sodass das Zwingende aus dem Eintrachtspiel mehr und mehr verschwand. Dies erklärt für mich auch besser die Krise der letzten Spiele, als die ganze Causa Hütter. Aber was wäre eine alternative Herangehensweise gewesen? Ein Jovic konnte man auch schlecht immer erst ab der 60´Minute bringen, so wie dies in den ersten Spielen mit Verweis auf Trainingsdefizit geschehen.
Hütter
Seine Erfolge und sein Ansehen scheinen auf seine letzten Tage in Frankfurt ob der Form seines Abschieds zu verblassen. Sicher hat man ihm einiges zu verdanken, seine Karriereentscheidung wurde respektiert, auch wenn der gewählte nächste Karriereschritt vielleicht auf etwas Unverständnis stieß. Die einzige Forderung war: Bring die Sache sauber zu Ende. Worin die Krise der letzten Spiele begründet liegt, sei mal dahingestellt, aber sicherlich hat er keine allzu glückliche Figur dabei abgegeben. Sei es die Aussage, dass sich für ihn ja nur die Vereinsfarben ändern würden, oder die plötzliche Relativierung der Saisonziele. Gerade die Relativierung der Saisonziele verwundert, wenn man die Prinzipien seiner Motivationsstrategie kennt. Was für ein Zeichen wird damit auch an die Mannschaft gesendet? Erst verlasse ich euch für eine Mannschaft, welche in der Tablelle hinter euch steht, dann sage ich, dass die Ziele auf die ich euch eingeschworen habe und die ihr mit unerschütterlichen Selbstvertrauen nach außen repräsentiert habt, vielleicht doch zu hoch für euch sind? Oder er dem Team sagt, dass sie ihre gezeigte Leistung nicht mehr abrufen kann, weil sie da halt einfach überperformt hat?
Es brechen auch alle möglichen Konflikte ans Licht der Öffentlichkeit. Die Spekulationen darum, ob er persönliche Befindlichkeit vor das Wohl des Vereins stellt, indem er Schlüsselspieler möglicherweise nicht berücksichtigt, wird an ihm kleben bleiben. Es kann ja sein, dass er aus Prinzip keinen Spieler aufstellen will, der nur bei 90% ist. Aber er kommuniziert es nicht. Beziehungsweise werden Probleme weggelächelt, bis es auf einmal heißt, dass dieser oder jener Spieler verkauft oder verliehen wird und es scheinbar doch Probleme gab. Auf einmal wirkt er nicht mehr so offen und ehrlich. Ich persönlich habe ihn immer für seine Arbeit, taktisch und psychologisch, bewundert. Auch jetzt weiß ich nicht, was die tatsächlichen Hintergründe für sein Verhalten waren und sind. Ich habe auch bis zuletzt geglaubt, dass er auch der Richtige bis Saisonende ist. Wahrscheinlich hat er sich dieses Vertrauen auch verdient. Schade das es so zu Ende geht.
Wahlslogan: Gemeinnütziger Traditionsverein im Herzen von Europa
Ehrliche Version: Vielversprechende Aktiengesellschaft im marktkonformen Fußball mit großer Werbewirkung und hoher Corporate Social Responsibility. Unsicheres Marktumfeld. Auch für kritische Kooperationen (Uber etc) offen.