Schröder war gar nicht so schlecht, wie er gemacht wurde
Rouven Schröder war Teil dieser Saison und hätte mMn einen ehrenwerteren Abschied verdient gehabt. Dass seine positiven Erinnerungen mit Beierlorzer aus Fürther Zeiten und ein fragwürdiges Krisenmanagement ihm letztendlich zum Verhängnis wurden, braucht man nicht abzustreiten. Aber ich gehöre trotzdem zu einer kleinen Minderheit von 05ern, die glaubt, dass das der richtige Mann zur richtigen Zeit war; und dass seine Leistungen den Klassenerhalt letztendlich mitermöglicht haben.
2016 war das Jahr, in dem Sané für 50 Mio. nach Manchester wechselte und Schalke-Fans ihn für diesen damals noch lächerlich hoch anmutenden Betrag wahrscheinlich auch mit der Schubkarre nach England gerollt hätten. Ein Jahr später Neymar, Dembele, Coutinho. Neue TV-Verträge in den großen Ligen. Plötzlich war der Transfermarkt komplett eskaliert und jeder durchschnittlich talentierte Bundesligaspieler hat 5-50 Mio. in die Kassen gespült bzw. gekostet.
Man kann Rouven Schröder vieles vorwerfen und tut das auch, aber der Mann hat nachgewiesen, dass er über ein mehr als solides Netzwerk verfügt und Verhandlungsgeschick bei Transfers mitbringt. Die Liste der Namen, die entweder profitabel weiterverkauft wurden und/oder bundesligataugliche Stammspieler geworden sind, brauche ich hier nicht zu wiederholen, jeder kann das bei Interesse schnell recherchieren und sich sein eigenes Bild dazu machen. Die Liste ist auch länger als bei vielen anderen (ehemaligen) Bundesligisten im gleichen Zeitraum. Selbst meine SGE-Freunde haben jahrelang neidisch nachgefragt, wie wir das immer wieder schaffen, unsere Cordobas und Mutos so teuer zu verkaufen.
Transfermarkt im 6. Gang + eigenes Verhandlungsgeschick = Perfect Match
Wenn ich den Zeitraum seiner Tätigkeit, den damaligen Zustand des Transfermarktes und Schröders Fähigkeiten im Bereich Networking+Transfers berücksichtige und all das zusammenrechne, bleibe ich dabei: Speziell für diese Zeit war das vermutlich die Idealbesetzung (weil Eberl und Rangnick halt zu groß für Mainz sind). Ich unterschlage nicht, dass der Mann in der Außenkommunikation persönliche Fehler eingestehen muss, denn sein Standing war bei der Mehrheit der Fans nie wirklich gut; aber seine Kompetenzen haben in nicht geringem Maße dazu beigetragen, dass Mainz immer noch Erstligist ist und Schalke, Hamburg, Hannover eben nicht. Wir stehen nicht zuletzt auch dank ihm finanziell auf gesünderen Beinen als diese Klubs. Und das kommt mir bei all der berechtigten Kritik einfach zu kurz.
Papa zu ersetzen ist nicht leicht
Ich persönlich glaube, dass Rouven Schröders größtes Problem bei Mainz nicht die eine oder andere Fehlentscheidung war, sondern, dass er der Nachfolger von Christian Heidel war und seine Beziehung zu den Mainzer Fans sich mit Amtsantritt verhielt wie die eines engagierten Stiefvaters, der sich die Aufgaben in der Familie zu Herzen nahm, aber von seinen Stiefkindern nie eine faire Chance bekommen hat; vielleicht weil es zu viel Schmerz bereitet hätte, jemand anderes als Papa Heidel in sein Herz zu lassen. Wenn Schröder etwas richtig gemacht hat, hat man ihn toleriert und gesagt: „Das ist auch sein Job“, aber viele Mainzer haben auch nur darauf gewartet, dass er Fehler macht, um ihn dann durchbeleidigen zu können; das hat man besonders in den sozialen Netzwerken gut nachverfolgen können. Bei Heidels Antritts-PK stellt hingegen keiner wirklich nachdrücklich kritische Fragen zu seiner Zeit auf Schalke; und die Transferbilanz von Schalke unter Heidel ist bundesweit bekannt. Auch für die meisten Fans ist es selbstverständlich, dass mit Heidel „der Erfolg zurückkehrt“ und diese Überzeugung hinterfragt man gar nicht erst kritisch. Es hat Schröder sicher auch nicht geholfen, dass rund um Strutz, das neue Stadion etc. politische Themen im Verein eskalierten, zu denen er als der Neue dann auch noch Stellung beziehen sollte, was aus meiner Sicht einfach nur undankbar war; eine Lose-Lose-Situation.
Unterm Strich das Wichtige richtig gemacht - Mainz bleibt Eins und: Eine gesunde Beziehung braucht Reibungspunkte, um zu wachsen
Ich sag es ganz ehrlich: Ich bin einerseits der Meinung, dass es richtig war, Heidel im Winter zurückzuholen, in erster Linie um das Umfeld zu beruhigen; andererseits bin ich auch froh, dass er zwischenzeitlich mal nicht bei uns war (obwohl ich bei seinem Abschied im Q-Block stand und wir alle ihn hochemotional und tränenreich verabschiedet haben), nicht nur wegen der Transfers auf Schalke - ja, da gehören auch Scouts dazu, aber am Ende muss einer ja seinen Namen unter die Verträge setzen - sondern auch, weil Mainz diese Auszeit vom Heiland gebraucht hat, um weg von ungeduldigen Europa-League-Ambitionen im Fanumfeld und zurück zu den Basics zu kommen, zu Fragen wie: Für welche Werte stehen wir als Verein eigentlich? Welcher Fußball definiert Mainz 05? Welches Ambiente definiert Mainz 05? Das sind keine Fragen, die entstehen, wenn alles reibungslos abläuft und die immergleichen Führungskräfte sich gegenseitig lobhudeln, sondern dann, wenn Reibung entsteht; wenn nach Ewigkeiten ein neuer Sportchef kommt, wenn nach Ewigkeiten ein neuer Präsident kommt und man wider Willen aus seiner Komfortzone gerissen wird.
Da darf man sich als Fan dann auch mal kritisch mit dem Klub auseinandersetzen und sich z.B. über ein saft- und kraftloses 0:1 zuhause gegen Bremen in der Hinrunde tierisch aufregen; wenn daraus eine positive Energie entsteht, der Wunsch nach Veränderung, der Wunsch nach Aufbruchstimmung; wenn man das Gefühl vermittelt bekommt, dass der Verein alles in seiner Macht stehende tut, um einen unmöglich geglaubten Klassenerhalt zu schaffen (über Änderungen auf Führungspositionen, über eine alles in allem gewagte Abgabe von Mateta, über Wintertransfers selbst aus Frankfurt), dann ist es das aus meiner Sicht wert gewesen. Man kann Svenssons Leistung z.B. wesentlich mehr würdigen, als wenn er das Team auf Platz 11 übernommen hätte, wage ich mal zu behaupten. Und dann ist mir eine emotionale Achterbahnfahrt wie dieses Jahr lieber als fünf farblose Saisons in Folge, in denen man still und heimlich Jahr um Jahr 1-2 Schritte zurück macht, aber die sportlichen Konsequenzen jener Negativentwicklung nicht verheerend genug sind, um sie rechtzeitig zu erkennen und eine echte Veränderung herbeizuführen (looking at Werder Bremen). Auch wenn in den letzten Jahren nicht alles Gold war, was glänzte, so hätte ich mir doch ein wenig mehr Respekt Schröder gegenüber gewünscht und hoffe, dass auch in der Fanszene ein Lerneffekt eintritt, damit man bei einem unweigerlich irgendwann erfolgenden Abschied Heidels nicht die gleichen Fehler im Umgang mit einem neuen Sportvorstand wiederholt, ohne zu sagen, dass das eine Einbahnstraße sei; ein Vorstand muss so oder so erstmal Leistung erbringen, bevor der Respekt gezollt wird, das ist klar. LG 