Zur Hinrunde des VfL Wolfsburg:
Zu Beginn ist der Verweis auf die letzten zwei Saisons des VfL obligatorisch. In diesen beiden Jahren war der VfL geprägt von vielen Spielerwechseln, mehreren Trainerwechseln sowie einigen Systemwechseln. Vollkommen nachvollziehbar war daher, dass der VfL insbesondere in der letzten Saison weder spielerisch wie eine Einheit daherkam, noch, dass sie wie eine “Mannschaft” wirkte. Das führte auch zu Unmut bei den Fans. In der Saison 16/17 wurde- auch vor dem Hintergrund der zwanzigjährigen Ligazugehörigkeit- die schwierige sportliche Situation angenommen und mit einer versöhnlichen Busfahrt beendet, auf der die Mannschaft gemeinsam mit den Fans den Sieg in Braunschweig feierte.
Im Frühjahr 2018 war die Stimmung allerdings trotz (oder vielleicht gerade wegen) der gleichen sportlichen Situation wie im Vorjahr ziemlich bedröppelt. Die Apathie und Müdigkeit der Fans fanden Ausdruck in dem höhnischen (und geschmacklosen) Gesang über Bruno Labbadia. Das gesamte Wolfsburger Chaos fand in den Tagen rund um das HSV-Spiel seinen Ausdruck, als Olaf Rebbe seinen Hut nehmen musste, der bei den Fans nicht sonderlich beliebte Daniel Didavi erst große Töne spuckte um dann zu fehlen und dann natürlich die katastrophale Niederlage.
Zu diesem Zeitpunkt Anfang Mai hatte der VfL einen erfolglosen Trainer, eine zusammengewürfelte Mannschaft und eine führungslose Chefetage.
Glücklicherweise wurde der GAU in den Spielen gegen Köln und Kiel abgewendet. Außerdem wurde mit Frank Witter ein neuer Aufsichtsratsvorsitzender installiert, der auf seiner ersten Pressekonferenz gleich auch den neuen “starken Mann” vorstellte, nämlich Jörg Schmadtke. Insbesondere Witter machte in der PK einen erfrischend sachlichen und nüchternen Eindruck, womit er ein lang ersehnten Paradigmenwechsel herbeiführte, da sein Amtsvorgänger, Francisco Garcia Sanz, eher als etwas hochmütiger Real Madrid-Edelfan aufgefallen war, denn als Fußballfachmann. Witter, der in grauer Vorzeit auch neben seinem steilen karrieremäßgen Aufstieg auch bei Hannover in der zweiten Liga gespielt hat, kann man zumindest ein objektives Grundwissen attestieren. Jörg Schmadtkes sportliche Kompetenzen sind hinlänglich bekannt.
So, ich hoffe, das war jetzt nicht zu lang, ist aber aus meiner Sicht wichtig, um diese Hinrunde zu bewerten. Denn in Wolfsburg sind die letzten beiden Jahre Relegation und der damit verbundene Fußball noch sehr präsent. Jetzt aber zur Hinrunde 18/19:
Gleich zu Beginn wurde vonseiten des Vereins und vor allem von Bruno Labbadia Wert darauf gelegt, eine Identifikation der Spieler mit der Stadt Wolfsburg herbeizuführen. Unterstrichen wurde diese Motivation mit der Entscheidung, die Vorbereitung in einem lokalen Trainingslager in Wolfsburg selbst zu verbringen. Diese ausgestreckte Hand wurde von den Fans dankbar angenommen und mit Freude wurde registriert, wie stark die Mannschaft im konditionellen Bereich gefordert wurde, weshalb auch der von Mythen umrankte Magath´sche Hügel reaktiviert wurde, was in Wolfsburg grundsätzlich dezente Begeisterungsstürme auslöst. Außerdem war von den Vorbereitungsspielen an zu sehen, dass der VfL auch taktisch an zwei Systemen gearbeitet hat, am 4-3-3 und am 4-4-2 mit Arnold und Gerhardt auf den Halbpositionen.
Der VfL ging mit dem 4-3-3 in die Saison und erspielte sich gleich zwei Achtungserfolge gegen Schalke und Leverkusen. Alleine schon zu sehen, dass eine taktisch kohhärent eingestellte Mannschaft auf dem Platz steht, die auch über eine mentale Geschlossenheit verfügt, war einfach schön. So ließ man sich von einem späten Ausgleich gegen Schalke nicht beirren, auch das frühe Gegentor in Leverkusen führte nicht zu früher gesehenen Auflösungserscheinungen.
Mit der Zeit fanden die gegnerischen Teams immer bessere Mittel, um das flügellastige 4-3-3 des VfL zu unterbinden. Exemplarisch hierfür ist das 1-3 gegen den SC Freiburg, in dem Wolfsburg mehrfach ausgekontert wurde und im Offensivspiel harmlos wirkte. Dies lag vor allem am Fokus auf dem Flügelspiel. Grundsätzlich schafften es die Pärchen Roussillon-Brekalo und William-Steffen zwar häufig bis zur Grundlinie, die Flanken blieben aber fast ausschließlich ungefährlich.
Trotz einiger ordentlicher Leistungen reichte es bis zum 11. Spieltag nur zu 12 Punkten. Dies lag in Teilen auch an den Ausfällen von Camacho und Guilavogui, die als Sechser gerade in den ersten Spielen für dringend benötigte Stabilität sorgten.
Ab dem 12. Spieltag gelang dann jedoch eine punktetechnische Wende, die aus meiner Sicht auf den Systemwechsel vom 10. Spieltag gegen den BVB zurückzuführen ist. Von da an spielte der VfL nämlich im 4-4-2, das davor lediglich in Vorbereitungsspielen zur Anwendung kam. In diesem System konnten die zwei Stürmer gleichzeitig aufgestellt werden und die Mitte wurde mit drei Sechsern dichtgemacht, die hinter einem überall zu findenden Admir Mehmedi viel wegarbeiten konnten. Nach diesem Systemwechsel konnte der VfL aus den letzten sechs Spielen der Hinrunde 16 Punkte holen. Die beiden Stürmer trafen, über die Außen kam dennoch viel Druck, außerdem wurde mit Elvis ein Jugendspieler in die Mannschaft intregriert.
Das Spiel am 16. Spieltag gegen den VfB kann man aus meiner Sicht als Sinnbild für den “neuen” VfL sehen: Man hat es mit einer taktisch solide eingestellten Mannschaft zu tun, die die individuellen Qualitäten ihrer “Front Three” perfekt einsetzt. Gleichermaßen muss auch das große Pensum erwähnt werden, dass diese drei auch für den defensiven Bereich mit abspulen. Daher war es kein Wunder, dass Stuttgart lediglich zu einem Schuss aufs Tor kam. Garniert wurde der Sieg mit “Bruno! Bruno!”-Rufen aus der Kurve nach dem Spiel, was ein Zeichen der Anerkennung für einen Mann war, der in seinen ersten Wochen und Monaten keinen leichten Stand hatte.
Neben der sportlich mehr als vernüftigen Situation wurde mit Michael Meeske auch ein neuer Mann für die Finanzabteilung des VfL geholt. Und dass Marcel Schäfer als “Lehrling” von Schmadtke geholt wurde, wurde natürlich auch positiv wahrgenommen.
Ach, gefühlt könnte ich noch die ganze Zeit weiterschreiben, will aber nicht noch weiter ins Detail gehen. Nur vielleicht sei noch Yannick Gerhardt als Symbolspieler zu nennen: Gerhardt hat in den zwei Jahren seit 2016 ein Dasein als LV gefristet, wo er nicht überzeugen konnte. Nun spielt er im Mittelfeld und ist der spielstärkste ZM, der das Offensivspiel belebt und gleichzeitig unheimlich viel arbeitet. Gerhardt steht damit sinnbildlich für das “Sie können´s ja doch.”, das viele VfL-Fans wohlwollend zur Kenntnis genommen haben im Verlauf der Hinrunde.
So geht der VfL mehr als entspannt in die Winterpause, weil es sportlich gut läuft und die Fans den Eindruck haben, dass bodenständig und sachlich und hart für die Stadt und für den Verein gearbeitet wird.