Schlusskonferenz 222 - #31

Gemeinsam mit Benni Kuhlhoff (@bennikuhl) und Tobias Escher (@Taktikfuchs123) aben wir den Wahnsinn des 31. Spieltags analysiert. Wie hat euch die Sendung gefallen?

Wie fast immer eine sehr gute Folge.

Ich möchte ein bisschen was zu dem Bayernspiel sagen. Bei dem 1:0 für den Club, Didi Hamann hält den Ball für haltbar, Ewald Lienen kritisiert Kimmich da er die Flanke nicht verhindert und beim Rasenfunk wird Gnabry kritisiert da er nicht nachsetzt. Recht haben alle drei und schon sind wir bei der berühmten Fehlerkette.

Mich führ das aber zu einer generellen Frage. Welchen Absicherungsplan hat der FCB bei einem Ballverlust? Ich hohle etwas weiter aus. In der Hinrunde wurde zu Recht viel über die schlechte Form von Hummels und Boateng diskutiert. Auf der anderen Seite wurden sie auch oft alleine gelassen.

Mir fallen als Bolzplatzkicker folgende Ansätze ein:

-Ein sechser sichert ab und lässt sich bei einem Konter in die Abwehr zurück fallen.

-Klare Ansage an den offensiven Außenspieler. Wenn dich der Außenverteidiger überläuft musst du bereit für die Absicherung sein. Bei Ballverlust volllgas nach hinten.

-Klare Ansage. Ein Außenverteidiger bleibt hinten. Nie beide gleichzeitig am gegnerischen 16er

-Ansage an den Außenverteidiger. Du gehst nur so weit vor das du auch rechtzeitig zurück bist.

Jetzt bin ich kein Taktikprofi. Ich kann über die Saison gesehen kein Konzept erkennen. Ich habe das Gefühl Kovac hätte Kimmich gerne defensiver. Ich denke da an seine Aussage nach dem Pokalspiel. “Bei dem 2:2 muss Kimmich auch einfach mal Außenverteidiger spielen,das sage ich auch immer wieder”

Wenn ich mich richtig erinnere, bezog sich Kovac´ Aussage nach dem Pokalspiel vor allem darauf, dass Kimmich den Laufweg ins Zentrum machte und nicht (wie ein klassicher Außenverteidiger) außen blieb. An diesem Beispiel kann man, wie ich finde, gut ein paar grundsätzliche Probleme dieser Saison festmachen (ich gehe nur auf ein paar ein, nicht alle, sonst wird das hier viel zu lang):

Kovac schafft es nicht die einzelnen Spieler perfekt einzusetzen. Dies ist nicht nur an Kimmich festzumachen, sondern auch an einigen anderen Spielern, die im System Kovac´ nicht ihre Bestleistungen bringen können. Ich persönlich bin ein großer Fan von diagonalen Laufwegen oder underlappenden/vorderlaufenden Laufwegen von Außenverteidigern. Deswegen würde ich gerne sehen, wie Kimmich diese umsetzte, da ich ihm eine erfolgreiche Umsetzung durchaus zutraue. Andere Trainer schaffen es immer wieder, dass ihre Spieler bestmöglich im Kollektiv eingesetzt werden. Ich ziehe hier nur einmal Pep Guardiola und Manchester City heran (dieser Vergleich ist vielleicht etwas unfair, da Guardiola nun schon fast drei Jahre bei City hatt). Dort wird mittlerweile jeder Spieler perfekt ins System eingebunden. Sterling wird ständig in 1gegen1-Duelle geschickt. Bernardo Silva spielt eine Rolle, in der vor allem seine Fähigkeiten im (Gegen)pressing zu Trage kommen. Zinchenko spielt eine Mischung aus Außenverteidiger und Achter. Walker kann seine Dynamik auch als Innenverteidiger noch durch underlappende Läufe ausnutzen. All dies fehlt mir einfach bei Kovac. Das System sorgt nicht wirklich dafür, dass Spieler ihre Bestleistungen bringen können.

Das größte Problem unter Kovac ist aber tatsächlich die fehlende Balance zwischen Offensive und Umschaltverhalten nach Ballverlust. Im Offensivspiel fehlt Bayern oft jegliche Idee. Tormöglichkeiten entstehen häufig nur aus individueller Klasse. Ein etwas zentralerer agierender Kimmich wäre möglicherweise eine Idee, um das schwache Spiel mit dem Ball aufzuwerten. Zu Saisonbeginn hatte ich noch das Gefühl, dass Bayern offensiv bereit ist, mehr Risiken einzugehen. Hier funktionierte anfangs auch noch das Gegenpressing. Ein gutes Gegenpressing ist essentiell für jedes Ballbesitzteam. Nach einigen Fehlern, die kurz nach Ankunft eines neuen Trainer aber durchaus normal sind und nicht überbewertet werden sollten, verlor Kovac aber wohl das Vertrauen in das Gegenpressing. Das kann auch daran liegen, dass Hummels und Boateng nicht mehr sonderlich stark darin sind, gegen temporeiche Gegenspieler zu verteidigen. Mit individuell stärkeren und vor allem schnelleren Innenverteidigern wie zum Beispiel Lucas Hernandez (hier ist ein großartiges Beispiel seiner Schnelligkeit: https://www.youtube.com/watch?v=y7gEKEVox3g) kann man wiederum darauf bauen, dass diese einige Fehler im Gegenpressing durch individuelle Klasse ausbessern.
Kovac hatte scheinbar keine Idee, um die Probleme im Umschaltspiel zu bereinigen, also ließ er seine Mannschaft einfach defensiver auflaufen (Javi Martinez ab der Rückrunde in der Startelf). Dies half weder dem Spiel mit dem Ball noch mit dem Umschaltspiel nach Ballverlust, da die Abläufe hier auch noch nicht automatisiert sind. Kovac hat hier meiner Ansicht nach zu früh aufgegeben. Es gibt genug offensive Mannschaften die zeigen, dass man nicht die Offensive opfern muss, um defensive Stabilität zu erzeuge. ManCity spielt dieses Jahr häufig in einem 3-2-5 und Sheffield United (übrigens eines der aktuell taktisch interessantesten Teams Europas) ist mit overlappenden Innenverteidigern (!) in die Premier League aufgestiegen und stellt die besten Offensive der Liga.

Hier sieht man auch wieder das grundsätzliche Problem der Kovac-Verpflichtung, das gewissermaßen von Beginn an vorhersehbar war: Kovac musste bei Bayern zum ersten Mal Ballbesitzfußball spielen lassen. Natürlich funktioniert das nicht sofort. Mal schauen, ob er sich im Laufe der nächsten Saison (,wenn er es bis dahin schafft), darin verbessert.

Die Spieltagsbesprechung war in Ordnung - inklusive BVB-S04. Der Schalkeschwerpunkt (also ab 00:45:00) war allerdings teils ziemlich enttäuschend, vor Allem weil dein eingeladener Vereinsexperte @bennikuhl bei mir keinen guten Eindruck hinterlassen hat.

Da waren einerseits wirklich krasse Aussagen, wie Schalke sei in die neue Saison als “hochgelobter Vizemeister” gestartet (00:45:50). Ich kann mich nur an Kritik unserer unansehnlich Spielweise erinnern. Schlechtester Vizemeister aller Zeiten und sowas. 0der aber Goretzka wäre ein Knappenschmiedetalent aus Elgerts U19 (01:18:30).
Andere Aussagen habt ihr on air direkt noch korrigiert. Etwa man hätte “in der Winterpause gesehen, Europapokal wird nichts mehr” (00:52:25), wo Max richtigerweise anmerkt, dass der Rückstand bei durchaus machbaren sieben Punkte lag.
Oder als Tobias auf die Aussage, da wäre “kein starker Mann, von dem man weiß, der ist da jetzt fünf, sechs, sieben, acht, neun, vielleicht zehn Jahre” im Verein sei beziehungsweise bleibe (01:04:10), anmerkt, dass Tönnies doch genau so Einer ist. (Eventuell kann man hier auch Peters, Elgert und Jobst anmerken.)

Dann hat mich sehr gestört, wie jedes über Schalke gestreute Gerücht unreflektiert als geplante Handlung kritisiert wird, selbst wenn komplett andere Personalien verpflichtet wurden. Pepe (00:54:40) wurde nicht verpflichtet, Heldt (01:05:50) wurde nicht Heidels Nachfolger und ob Metzelder (00:59:55) wirklich kommen wird, ist doch arg zu bezweifeln. Zu letzterer Personalie, also derjenigen, die überhaupt noch im Raum steht, hätte ich auch gerne einen Grund, warum er ein schlechter Kandidat ist.
Generell hätten einige Aussagen auch mit Beispielen unterfüttert werden können. Warum ist Schalke ein “zusammengewürfelter Haufen” (00:45:50)? Das Einzige, was einer Begründung nahe kam, ist, dass Caligiuri da anscheinend keine tragende Rolle spielen darf, unabhängig davon, wie solide seine Leistungen sind.

Und dann waren da die Punkte, wo er sich selbst offensichtlich widerspricht. Am deutlichsten wurde es mir das bewusst, als einerseits Elgert seit Jahren warnt, dass die Jugend unterfinanziert ist und Schalke jetzt wohl nur noch alle zwei Jahre Einen hat, der hoch ins Profiteam gebracht werden kann (01:18:00), andererseits solle man nächstes Jahr einen Kaderumbruch mit “zehn Jugendspieler[n] aus der eigenen Jugend” (00:48:10) machen. (Ich erwarte übrigens ja nicht, dass er auch aus dem Gedächtnis weiß, dass wir im aktuellen U19-Kader überhaupt nur acht 2000er-Jahrgänge haben, sodass seine Forderung beinhaltet, Jungjahrgänge direkt zu den Profis durchzubefördern. Dieses Hintergrundwissen wäre hier aber sicherlich nützlich.)

Das waren jetzt nur die formalen Fehler. Inhaltlich fand ich auch nicht alles richtig, was gesagt wurde, darüber lässt sich aber bekanntlich streiten.
Und einige Fragen haben mir von Max’ Seite auch gefehlt. Zum Beispiel ob und welche Veränderungen im Schalker Spiel es seit Stevens gegeben hat.

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Ich bring es tatsächlich nicht übers Herz mir diese Schlusskonferenz nach dem Derby anzuhören. Da ist mir das Spiel und ein Schalkeschwerpunkt doch noch zu krass.

Nur schade Tobias Escher zu verpassen

Also wenn du Dortmund Fan bist dann kannst du dir das trotzdem gut anhören; an Schalke wurde kein einziges gutes Haar gelassen. (in dem Falle aber absolut zurecht, muss ich selbst als Schalker sagen!)

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Hui, schwere Kost für alle Schalker. Allerdings muss man feststellen, dass viele Aspekte zutreffend sind. Auch mir geht diese Kohle- und Flözfolklore manchmal mächtig auf den Keks. Ich glaube aber, dass Ihr den identitätsstiftenden Aspekt total unterschätzt. Das ist mir auch schon bei der Diskussion über Fußballkultur am Rande das 11mm Filmfestivals durch den Kopf gegangen. Das „Umfeld“ spielt dabei nämlich eine gewichtige Rolle. Das Ruhrgebiet ist immer noch Schmelztiegel vieler Kulturen und wir sind gerade in GE nicht unbedingt mit erfolgreichem Strukturwandel gesegnet. Das haben wir uns überwiegend selber zuzuschreiben und wir gefallen uns auch in dieser Jammerkultur, die mit einer gehörigen Portion Selbstmitleid gewürzt daherkommt. Manchmal denke ich, dass der Fußball (insbesondere auf Schalke) ein Spiegel des immer wieder neu aufgelegten Strukturwandels ist. Leider scheitern wir dabei immer (mal) wieder. Aber die Sehnsucht nach dem Gelingen wächst. Dafür brauchen wir ein neues Selbstbewusstsein jenseits von Kohle und Förderturm. Ich und viele meiner Freunde in der Arena sehnen sich nach einem begeisternden Offensivfussball. Dafür brauchen wir tatsächlich einen Neustart und Impulsgeber von außen, die dem „alten“ Schalke mit Respekt (nicht zu verwechseln mit Ehrfurcht) begegnen. Das sollten auch Podcaster und Experten beherzigen an. Bei aller berechtigten Kritik an Schalke nervt nämlich das ewige Bild vom hässlichen Entlein der Liga. Wir haben einige gute Ansätze für die längst überfällige Modernisierung unter Tedesco gesehen und hoffentlich hat Schneider den Mut, einige Erkenntnisse aus Leipzig umzusetzen. Außerdem haben wir immer noch eine der erfolgreichsten Jugendabteilungen des Landes, deren Erträge wir leider nie allzu lange auf dem Spielfeld im Schalketrikot bewundern dürfen. Aber auch das ist typisch für die Region und das Umfeld. Insofern ist der Fußball zwar kein Bergbau mit anderen Mitteln (Danke an Euch für dieses großartige Bild), aber er ist Spiegel der Gesellschaft und - speziell auf Schalke- ein Spiegel der Region. Wir brauchen einen Umbruch, der die Menschen Stolz macht und den jungen Spielern das Gefühl vermittelt, hier bei etwas Großem dabei sein zu können. Dann bleiben sie vielleicht auch mal etwas länger auf Schalke. So, genug Pathos, jetzt wird bis zum Klassenerhalt hoffentlich nicht nur Gras gefressen. Glückauf

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