Social Media und Fußball
(Edit: Fußball als interaktive Erzählung)
In der zweiten Staffel „Cui Bono? - Wer hat Angst vorm Drachenlord?“ wurde das Phänomen der Hater in den sozialen Medien analysiert. Ihr fragt euch zu Recht, was hat das jetzt mit Fußball zu tun? Eigentlich wird die Antwort jeden Spieltag neu gegeben und einmal darauf aufmerksam geworden, fallen immer wieder Parallelen zwischen dem Drachenlord und dem Fußball in den sozialen Netzwerken auf.
Worum geht es? Anti-Fans und die Möglichkeit in die Geschichte einzugreifen.
Der Drachenlord war eine Art Antiinfluencer auf Youtube der ein großes Publikum in einer Art Hassliebe an sich binden konnte. Anders als in klassisch erzählten Formaten entwickelte sich hier eine Art interaktives Reality Format. Dies beschränkte sich aber nicht nur darauf, dass man einen nervigen Charakter aus dem Dschungel wählen konnte, sondern dass man ihn im echten Leben stalkte und belästige. Ziel war es, den Drachenlord zum Aufgeben zu zwingen. Der Reiz war es, so die These, das durch social media das Mitmachen, das selbst Teil der Geschichte sein können, als Teil einer besonderen Fan-Community, erst so richtig möglich wurde. Eben eine Art Anti-Fandom.
Eine digitale Fan-Community kann natürlich auch positive Dinge hervobringen. Geschichten die wir dann auch gerne erzählen und feiern. Wie positiv verrückt war zum Beispiel die #FreeHinti Aktion der Frankfurter Fans? Wie berührend der Zulauf zu der Spendenaktion des lebensgefährlich verletzten Footballers Damar Hamlin?
Sport erzählt Geschichten, erzählt von Helden und durch social media können wir wie nie zuvor an ihnen teilhaben und das Gefühl haben mit jedem like oder Tweet unseren Teil dazu beitragen zu können.
Die Tage vor dem Deadline Day erschien unter Schmähtweets gegen einen bisher gefloppten Spieler die Rechtfertigung, dass es ja nicht nur besser für den Verein, sondern auch für den Spieler sei, wenn er endlich den Verein verlassen würde. Das war eins zu eins die Rhetorik der Hater des Drachenlords.
Ist dies nur eine Randgeschichte? Zufällig ist gerade auch in der aktuellen 11Freunde die Interaktion im Fußball mit den Fans über social media immer wieder, mal mehr, mal weniger auffällig, Thema. Sei es, wenn in dem Arsenal Artikel der Einfluss auf die Stimmung durch einen fangeführten Youtube-Kanal thematisiert wird, Robin Gosens von der Verantwortung bei seinem social-media game schreibt oder Rafal Gikiewicz davon erzählt, wie er Anfangs der Saison im Internet schon in Rente geschrieben wurde und er erst durch sein Spiel gegen die Bayern vom Deppen wieder zum Helden wurde. Gikiewicz schilderte einen ungeheuren Druck, welchen er nur mit psychologischer Unterstützung bewältigen konnte.
Im modernen Sport sind Psychologen heute selbstverständlich Teil der Leistungsoptimierung, aber hier müssen sie ein Phänomen kompensieren, was über den Druck auf dem Feld hinausgeht. Die Stimmung in den digitalen Echokammern hallt bis in das Wohnzimmer des Spielers. Theoretisch kann er sich davor isolieren, aber es wird ihn immer wieder einholen.
Die Art und Weise wie die Geschichte des Spielers in den sozialen Netzwerken erzählt wird, wird auch die klassischen Medien beeinflussen und umgekehrt. Beispielsweise werden boulevardeske Erklärungen für sportliche Leistung sich so immer wieder im Kreis bestätigen und am Ende reagiert vielleicht auch noch der Verein entsprechend (siehe Gnabrys Paris-Trip).
Die Vereine sind in diesem Spiel natürlich auch Akteure, welche diese Interaktion in ihrem social media game immer wieder einfordern. Deshalb braucht es auch mehr Achtsamkeit der Vereine, wie sie diese Bühne nutzen. Ist es kontraproduktiv den ein oder anderen Neuzugang zu früh in den digitalen Hypetrain setzen, wenn dann die digitale Community nur auf das Scheitern mit Ansage wartet?
Ricardo Pepi könnte hier vielleicht als Musterbeispiel für Anti-Fandom im Fußball erzählt werden.
Zunächst war da die unglückliche Präsentation durch den Verein, welche ihn ins Rampenlicht stellte. Dies „provozierte“ nach ausbleibenden Erfolg einen Witz über seltsame Rituale, welche seine schwierige Eingewöhngsphase erklären könnte. Richtig befeuert wurde dies durch einen Tweet durch den Vereinsaccount, der Inhalt des Witzes sei ein Fake. Daraufhin sprangen auch klassische Medien auf und letztlich musste Pepi im Interview erzählen, dass man in der Kabine herzhaft darüber gelacht habe.
Das Anti-Fandom konnte sich hier auch aufbauen, weil es immer neu gefüttert wurde.
Im Kampf um die Aufmerksamkeit des Publikums wird die Fußball-Industrie lernen müssen, wie sie seine Akteure effektiv schützt. Interessant wird diese Frage insbesondere an den Standorten, welche ihr Anti-Fandom eigentlich schon zu ihrem Markenkern gemacht haben und jeder zweite Tweet ein Trollen der Hater ist. Wie wirkt es sich dann aus, wenn ein Akteur mit einer eigentlich sympathischen Geschichte in den Verein kommen und dann im Kontrast aktiv dieses Anti-Fandom mitbespielt?
Wie gesagt, das Thema ist vielfältig. Fußball wird eben nicht nur gespielt und geschaut, sondern eben auch erzählt und muss sich wie alle Erzählungen der digitalen Welt stellen.
Wer bis hier durchgehalten hat, den hoffe ich nicht mit einer Binsenweisheit gelangweilt zu haben und ja, ich bin mir der Ironie bewusst, diesen Text unter mitmachen.rasenfunk zu posten. Aber wie gesagt, es gibt ja nicht nur schlechte Formen der Interaktion, auch wenn beim Abgleich der Erzählungen über den Fußball es schon mal zu Reibungen kommen kann.
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