Die Sendung hat mir sehr gut gefallen, da ich einiges gelernt habe. Mein Dank an Benjamin Hofmann dabei insbesondere auch für die kenntnis- und sehr facettenreiche Einordnung von Kapitalseite und Investorendeals, auch über den Horizont des eigenen Vereins hinaus. Der Blick über den Tellerrand des eigenen Vereins macht dieses Format hier für mich so wertvoll. Weg von dem, was ich oft beim Verein meines Herzens höre, aber für falsch halte: „Alles außer Eintracht ist …“
Was ich als Eintracht-Fan mitnehme ist insbesondere die Frage, wie eigentlich 50+1 rechtsformgemäß bei Ausgliederung der Fußballprofi-Abteilung in eine Aktiengesellschaft gelebt werden kann bzw. muss. Benjamin Hofmann nannte in Abgrenzung vom Chaos beim VfB als positive Beispiele ja ausdrücklich den FC Bayern und eben Eintracht Frankfurt, wo mögliche Konfliktpunkte wie der Aufsichtsratsvorsitz im Gegensatz zum Standort Stuttgart eben im Konsens der Gremien ohne allzu großes Getöse nach außen entschieden werden, wobei in Frankfurt eben auch kein Großinvestor involviert ist, sondern mit den „Freunden der Eintracht“ lokale Geschäftspartner bzw. Aktionäre, die seit vielen Jahren mit der Eintracht verbunden sind und mit ihr sympathisieren. Gleichwohl ist ja interessant, dass gerade in Frankfurt in der gesamten Ära der Präsidentschaft von Peter Fischer dieser meines Wissens zu keinem Zeitpunkt Vorsitzender des Aufsichtsrats gewesen ist, sondern diese Funktion zuletzt langjährig von den „Kleinaktionären“ Wolfgang Steubing und Philipp Holzer ausgeübt wurde.
Im Zuge der Wahl von Matthias Beck zum neuen Präsidenten konnte man in Frankfurt von Bestrebungen hören und lesen, wonach Beck als Präsident den Aufsichtsratsvorsitz anstreben solle. In der Mitgliederversammlung im Februar zur Verabschiedung von Peter Fischer und Neuwahl von Matthias Beck äußerte sich letzterer dann dahingehend, dass er derzeit wegen der bewährten und erfolgreichen Arbeit des jetzigen Vorsitzenden Holzer - Stand zumindest jetzt -keinerlei Anlass sehe, den Aufsichtsratsvorsitz anzustreben. Wie Fischer sitzt Beck als neues Mitglied des Aufsichtsrats der Eintracht Fußball AG nun allerdings auch im 3-köpfigen wichtigen Hauptausschuss des Aufsichtsrats, der in allen wichtigen (und teuren) Personalfragen die Richtlinienkompetenz hat. Weitere Mitglieder sind derzeit das Aufsichtsratsmitglied Stephen Orenstein und eben der AR-Vorsitzende Philip Holzer. Wie wichtig (und mächtig) der Hauptausschuss ist, sieht man aktuell etwa daran, dass sich der Hauptauschuss wohl in einer vorentscheidenden Phase über eine vorzeitige Verlängerung des Vertrags von Sportvorstand Markus Krösche befindet.
Ein dezidierter Wunsch auf Übernahme des Amtes des Vorsitzenden des Aufsichtsrats wurde auf der Mitgliederversammlung des e.V. der Eintracht mit keinem Wort geäußert. Man kann allenfalls mutmaßen, ob diese Zurückhaltung mit der Aufnahme eines ehemaligen Ultra-Mitglieds ins Präsidium (=Geschäftsführung) des e.V. in Zusammenhang stand. Wobei dessen Aufgabe laut Matthias Beck u.a. eine Verbesserung der Kommunikation mit der organisierten Fanszene sein soll. Was für mich eigentlich auch überraschend klang, dass trotz der Ära Fischer hier Defizite gesehen werden. Der Fokus lag hier aber ganz klar auf einer weiteren Verbesserung der Kommunikation und Transparenz mit der Fanszene.
Mit keinem Wort ging es um Verankerung von Weisungen seitens des e.V. In diesem Zusammenhang wichtig finde ich den juristisch meines Wissens richtigen Hinweis in einer aktuellen Stellungnahme des Vorstands des VfB Stuttgart (zitiert aus dem Kopf aus dem VfB + STR Podcast Stuttgart Podcast, wo diverse Statements verlesen wurden): Bei einer Aktiengesellschaft sind Vorstand und Aufsichtsrat nur dem Wohl der Gesellschaft verpflichtet und daher von Weisungen auch seitens der eigenen Hauptversammlung, geschweige denn sonstiger Dritter (MV eines e.V.) im operativen Geschäft juristisch unabhängig. Das operative Geschäft wird ausschließlich vom Vorstand verantwortet, der dabei keinerlei Weisungen unterliegt, auch und gerade nicht seitens des Aufsichtsrats, der zwar bestimmten in der Geschäftsordnung definierten (teuren) Geschäften zustimmen muss, aber keinesfalls ins operative Geschäft eingreifen darf. Dessen Hebel ist vielmehr die Personalhoheit, also die Bestellung und Abberufung des Vorstands. Der Aufsichtsrat wird seinerseits von der Hauptversammlung der AG bestellt und abberufen. Nur über diesen Hebel kann der e.V. als Hauptaktionär mit seiner Mehrheit Einfluss auf die Besetzung des AR nehmen. Eine Weisungsbefugnis der Mitgliederversammlung ins operative Geschäft der Fußball AG ist damit nicht vereinbar. Bei einer GmbH-Konstruktion liegt das anders, da bei der GmbH der Gesellschafter der Geschäftsführung grundsätzlich Weisungen erteilen kann. Darauf hat Benjamin Hofmann in der Sendung meiner Erinnerung nach auch hingewiesen. Beim Konstrukt Hannover 96 gibt es da offenbar besondere Einschränkungen.
Dass via 50+1 (also Verbandsrecht) die klaren aktienrechtlichen Kompetenzregelungen ausgehebelt sind, weil die AG im Fußballgeschäft tätig ist, scheint mir juristisch insbesondere dann ganz wackelig zu werden, wenn man - und das ist ja die Erwartungshaltung der Fans - 50+1 so versteht, dass damit nicht nur eine Beteiligungsmehrheit gesichert ist, und damit im Ergebnis die Besetzung der Gremien, insb. des Aufsichtsrats, sondern der e.V. darüber hinaus auch ins operative Fußballgeschäft eingreifen soll, also etwa Voten der Mitgliederversammlung direkt ein „imperatives Mandat“ gegenüber dem Vorstand der AG begründen.
Gesellschaftsrechtlich ist für den e.V. vielmehr aber eine Fußball-AG „nur“ eine Beteiligung, die letztlich dann nur noch dazu da ist, dass die vom e.V. betriebenen Sportarten eine gesicherte finanzielle Basis haben. Unter anderem, da im e.V. auch Amateur- und Jugendfußball gespielt wird.
Die Frankfurter Eintracht betont gerade unter ihrem neuen Präsidenten Matthias Beck, dass die Eintracht der größte Mehrspartensportverein der Welt (mit angegliederter Fußball-Profiabteilung) ist. Der Verein will die Zahl von nun 140.000 Mitgliedern auf rund 200.000 Mitglieder steigern, sie soll aber nach den Erklärungen von Matthias Beck in erster Linie aus mehr Menschen, die Sport treiben, bestehen und die eine entsprechende Infrastruktur im Stadtgebiet benötigen (Sportplätze, aber auch Trainer).
Beim Besuch der Mitgliederversammlung der Eintracht wurde mir deutlich wie nie, dass der e.V. trotz der gigantischen und die Stadt euphorisierenden Pokalerfolge trotzdem nicht einfach nur ein Fußballverein ist, also eine Interessenvertretung (Lobby) der Fußball-Fans, sondern dass Eintracht Frankfurt sehr viel mehr ist, nämlich ein Verein, in dem über 50 Sportarten betrieben werden. Peter Fischer war nicht zuletzt deswegen so lange Präsident, weil er genau diese Vielfalt gelebt hat und die Schwerpunkte und Sympathien da eben auch durchaus unterschiedlich verteilt sein können.
Matthias Beck schied auf der MV als Mitglied des Verwaltungsrats (quasi der AR des e.V.) aus und eine Kandidatin der Tennisabteilung, die sich offenbar in allen Abteilungen vorgestellt hatte, wurde für ihn nachgewählt. Als die Dame bei ihrer Vorstellung erwähnte, dass sie Richterin sei, wurde sie urplötzlich von einer Gruppe der Fan- und Förderabteilung bzw. der organisierten Fanszene, vielleicht 100 bis 150 Personen, laut ausgebuht. Einfach so, offenbar als Mitglied einer unliebsamen Berufsgruppe. Der Rest des Saals der gut 2.000 Mitglieder blieb völlig still. Bei der Wahl stimmte dieser Block dann in toto offen gegen die Kandidatin, alle anderen Mitglieder im Saal wählten sie in offener Abstimmung „mit Mehrheit“.
Verstanden habe ich das gar nicht, da keinerlei sachliche Kritik geäußert wurde. Versuche einer Recherche meinerseits ergaben vage Andeutungen, sie hätte sich bei ihrer Vorstellung in der Fan- und Förderabteilung nicht klar genug zu 50+1 bekannt und überhaupt sei der Frankfurter Justiz angesichts diverser Vorkommnisse rund um die Eintracht nicht zu trauen.
Eine kleine Episode, die mir aber nicht nur aus den genannten Gründen im Gedächtnis haften blieb. Da stellte sich für mich eine deutlich unterschiedliche Wahrnehmung dar. Im Vorfeld der Veranstaltung waren im Übrigen auch Befürchtungen geäußert worden, die Ultras könnten die Versammlung majorisieren und beschließen was auch immer. Dazu hätte es aber vor Ort de facto kaum kommen können, denn der Verein war zu Ehren von Peter Fischer mit allen Abteilungen in beeindruckend großer Zahl erschienen. Wobei man deutlich sah: Das waren eben bei weitem nicht nur Fußballfans…
Aber das eigentlich nur am Rande.
Sorry, jetzt aber Schluss, wurde doch arg lang.