Tribünengespräch 30 – Fußballfilme

Ich habe vor 2 Jahren meine Facharbeit zum Thema “Fußball als Nebenschauplatz im Film” geschrieben und bin dabei auf ein schönes Zitat von Filmwissenschaftler Jan Distelmeyer gestoßen, das auch die von dir genannten Punkte unterstützt:
Weil Fußball also schwerer als etwa Boxen oder Baseball auf einen pittoresken, dramatischen Punkt oberhalb der Gürtellinie zu bringen ist, weil er sich als fließender Sport gewissermaßen der alles ausdrückenden Großaufnahme verweigert, wird er im Kino (wenn überhaupt) stärker noch als andere Sportarten zum Mittel zum Zweck.“
In Fußballfilmen ist fast nie eine Totale des ganzen Spielfelds zu sehen oder eine Einstellung, die dem normalen Fernsehbild einer Übertragung ähnelt. Dies liegt vor allem daran, dass das Spiel im Film kaum realistisch darzustellen ist. Zeigt man eine Totale müssen die Laufwege ohne Ball, das Pressingverhalten, etc. dargestellt werden, was nur schwer realitätsnah machbar ist. Sönke Wortmann, Regisseur des “Wunder von Bern” meinte einmal, dass die größte Herausforderung beim Film “Das Wunder von Bern” gewesen wäre, Schauspieler zu finden, die eine Ähnlichkeit zu den historischen Spielern hatten und gleichzeitig noch halbwegs ordentlich Fußball spielen konnten.
Ein großes Problem ist auch die Darstellung des Spielverlaufs. Ein Fußballspiel über 90 Minuten entwickelt eine immer sehr eigene Dynamik. Entscheidend sind dabei vor allem auch die Phasen der Ungewissheit sowie Phasen, in denen wenig passiert. Steht es in einem Champions-League-Finale 80 Minuten lang 0:0, ist die Spannung enorm hoch, auch wenn es wenig Chancen gab. In einem Film wäre dies schwer darzustellen. Die Spannung, die in einem “echten” Spiel über 80 Minuten erzeugt wird, kann nur schwer in wenigen Minuten im Film kreiert werden. Dementsprechend beschränken sich Fußballszenen im Film auch fast immer auf Torchancen (sowie teils Fouls, die auch eher einfach darzustellen sind). Bei Torchancen wird häufig versucht, eine große Dynamik aufzubauen. Während man in einer normalen Fußballübertragung fast durchgehend dieselbe Perspektive hat, wird im Film sehr viel geschnitten. Es finden sich sehr viel nahe Einstellungen von Ball/Fuß wieder sowie nahe Einstellungen des Gesichts des/der Protagonisten. Da das Spiel aus schon beschriebenen Gründen nicht ganz gezeigt werden kann, muss nach jedem Pass ein Schnitt erfolgen, was selbst ein total langsames Passspiel mit richtiger Kameraarbeit dynamisch aussehen lassen kann. Ein ruhiges Ballbesitzspiel einer Mannschaft ist im Film kaum darzustellen. Stattdessen sieht man häufig nur, wer mehr Torchancen hat.
Das Fußballspiel an sich nimmt in “Fußballfilmen” schon häufig nur eine kleine, nebensächliche Rolle ein, aber selbst während der Inszenierung eines Spiels gerät das Spiel teils in den Hintergrund. Es werden Nahaufnahmen von Trainern und Spielern gezeigt, bei denen vor allem deren Emotionen im Vordergrund stehen. Man soll mit der Person mitfiebern, nicht mit dem Sportler. Szenen im Spiel dienen derweil häufig auch dazu, die Spieler als Person zu charakterisieren (bestes Beispiel ist hier ein Spieler, der einen klar besser positionierten Mitspieler nicht anpasst). Des Weiteren werden selbst während des Spiels häufig andere Schwerpunkte gesetzt, so wird in “Das Wunder von Bern” zum Beispiel das Fritz-Walter-Wetter sehr offensichtlich in Szene gesetzt.
Fußballspiele unterstützen somit häufig nur die Handlung, treiben diese aber nur selten aktiv voran, sodass in Fußballfilmen der Schwerpunkt fast immer nur zu einem eher geringen Teil auf dem Fußball liegt. Ausnahmen bilden dabei natürlich Dokumentation.
Apropos, ich würde noch gerne “The Two Escobars” empfehlen, eine Dokumentation über Andres Escobar, der bei der WM 1994 ein Eigentor erzielte, das schlussendlich für das WM-Aus sorgte und der anschließend ermordet wurde. Das wird gleichzeitig in Zusammenhang gesetzt mit Pablo Escobar, der ja auch Kontakte in den Fußball und zur Nationalmannschaft hegte. Die Doku ist dabei sehr atmosphärisch und besteht zu 90% aus Interviews mit Verwandten und ehemaligen Mitspielern Escobars. Diese Interviews sind zumeist auf Spanisch und mit englischen Untertiteln versehen, der restliche Film läuft ebenfalls in Englisch. Das mag zu Beginn etwas anspruchsvoll beim Zuschauen sein, sorgt aber für ein sehr besonderes Feeling.

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