Tribünengespräch 45 – Mini-Hopps in der Provinz

Wie hat euch die Sendung mit Arne Steinberg (@steinberg_arne) und Wigbert Löer (@WigbertLoeer) gefallen? Und welche Erfahrungen habt ihr mit der Bezahlkultur im Amateurfußball gemacht? Sind gespannt auf eure Rückmeldungen!

Der Spruch „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“ ist zwar populär, aber so nicht richtig. Aber: in den genannten Fällen des „wegdrehens von der Wahrheit“ ist sogar von Vorsatz auszugehen

Schönes Gespräch, bin euch grade dankbar dass ihr auch die gesellschaftlichen und „moralischen“ Themen etwas aufmacht, ich bin selber mit der Musikbranche beruflich in einem Bereich unterwegs wo vieles von den Themen gilt (insbesondere der hohe Anteil an Schwarzzahlungen ohne dass wir irgendwo als „die Bösen“ gelten) und mich hat das selber etwas zum nachdenken gebracht.
Etwas schade fand ich (was aber auch durch den Anlass und der Konstellation verständlich ist) dass der Bereich von sportlicher Fairness und Wettbewerbsverzerrung etwas kurz kam, da könnte ich mir gut ein Gespräch drüber vorstellen. Aus meiner Sicht laufen da viele Diskussionen im Profifußball nämlich immer noch etwas merkwürdig ab, anstatt da mal grundlegender die Frage zu stellen was einen fairen Wettbewerb auszeichnen könnte und wie man sich diesem generell annähern könnte wird da manchmal so getan als hätten Kind, Hopp und Mateschitz die heile Wettbewerbswelt im deutschen Fußball eingerissen. Vielleicht bietet da der Amateuerfußball ja eine andere Perspektive und Diskussionsgrundlage rund um die Thematik Wettbewerbsverzerrung, die Thematik wird denke ich perspektivisch auf keinen Fall weniger relevant.

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Der Punkt der Steuerhinterziehung ist ja wirklich eindeutig und kann nicht gegen argumentiert werden.

Ich frage mich aber, warum überhaupt Gelder bezahlt werden? Was erhofft sich ein Verein/Investor davon im Amateurbereich? Ich kenne die Teams immer nur vor einer sehr kleinen Kulisse, die sich auch nicht wirklich stark steigert, außer man schafft es in die vierte Liga vielleicht. Also kann doch erst einmal dort kein finanzielles Interesse bestehen, außer man investiert richtig intensiv wie es Hopp tat. Also wo ist der Benefit für den Investor wenn er sagt „ich will dass wir in X Jahren in der Oberliga spielen“. Vielleicht kann mir jemand das von euch erläutern :sweat_smile:

Ich kenne es aus einer Ecke wo ich mal wohnte auch so, dass die Spieler alle zwei Jahre jeweils in den Nachbarort wechselten weil dort der neue Sponsor auf einmal war. Schiedlichen wechselten 15 Spieler den Verein und das gepflegt im Rhythmus aller zwei Jahre…

Und noch eine Frage zur Recherche: Toll aufgezeigt, aber was passiert jetzt? Word das Thema noch weiter aufgearbeitet/begleitet oder steht diese erst einmal nur fest und jede(r) kann sich Gedanken ob man daran weiterarbeiten möchte? Durch die alleinige Feststellung und aufzeigen in der (sportlichen) Öffentlichkeit änder sich natürlich nichts. Gibt es auch Kontakte zu Amtsinhabern die sich dem Thema widmen werden? Man sprach ja davon „es im Blick zu behalten“ aber aus eigener Erfahrung kann das ja vieles heißen.

1 Jahr nach dem Pillenkick hab ich bspw auch nichts mehr gehört. Also bin ich dort ein wenig kritischer vielleicht bei solchen Aussagen.

Ich bin aber sehr dankbar für das Gespräch und schaue mir natürlich noch die Doku an.

Schätze das ist reine Egomanie, zumindest wenn man dem Beispiel der Doku folgt. Der Erfolg des eigenen Unternehmens reicht irgendwann nicht mehr und dann biegt man nochmal gen Wohltäter der Region ab. Vielleicht ein ähnliches Motiv, dass auch einen U. Hoeneß angetrieben hat, nur nur das Hoeneß es diesbezüglich drauf hatte.

Ich bezweifle, dass auf diesem Niveau ein Return on Invest ausschlaggebend ist. Der Herr Klapp (der Unternehmer aus der Doku) sucht 'nen Zeitvertreib und will Real-Life-Football-Manager zocken.

Ein ROI in Business Sicht wird sicherlich realisiert werden können. Nach einer Nacht schlafen fiele mir dann primär Werte wie „Respekt in der Stadt“ (denke dabei an den “wohltätigen“ Apotheker in Bottrop - anderer Kontext aber ähnlich gedachte Inszenierung) oder größerer Einfluss in die Stadtpolitik, aber diese müsse man mit kleinen Dorfclubs doch schon primär über das eigene Unternehmen erhalten haben. Vielleicht wäre eine Analyse der Investoren noch interessant wenn ich darüber nachdenke, aber das würde nun zu weit vom Thema weggehen.

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Ich sehe auch wegen diesem Grund immer mehr die Entfremdung des Fußballs, viele Bürger*innen verstehen einfach diesen „Wahnsinn“ nicht mehr, es liegt vorallem an den Verbänden und der Politik wie sich der Fußball entwickelt. Ich sehe hier eine ähnliche Situation wie bei der Kirche, man verschläft Reformen und entfremdet sich immer mehr von der Gesellschaft. Die Bezahlung an sich finde ich schon grenzwertig, aber dass es auch noch teilweise an Steuerhinterziehung grenzt, macht es für mich alles nur noch unverständlicher.

Der Kollege Präsident von Neckarelz ist aber kein einfacher Dorfarzt. Der spielt seit Jahrzehnten in der Kommunalpolitik ne wichtige Rolle und war auch 10 Jahre im EU Parlament. Der wird da also nicht nur sein eigenes Geld verbrennen müssen, sondern kennt ne Menge freundliche Geldgeber.

Aber das Entsetzen darüber und so Aussagen: „Das macht den Sport kaputt“ und „Der Fußball entfernt sich immer mehr von seinen Ursprüngen“ ist halt schon echt naiv und auch teilweise ziemlicher Quatsch. Der Fußball ist entstanden und sofort war er kommerzialisiert, es wird eben nur alles immer ein bisschen krasser.
Im Dorfverein kann eben auch der lokale Handwerksmeister mit wenig Geld ein bisschen Mateschitz bzw. Gott spielen. So ist es halt. Außerdem investieren viele solcher Gönner auch in die Nachwuchsarbeit. Ist halt schwierig festzulegen, dass Summe x in den Nachwuchs gehen soll, weil dann wird bspw. ein sinnloser sündhaft teuerer Kunstrasenplatz hingesetzt und nichts weiter gegen getan.Und es ist in meinen Augen auch richtig, dass die Behörden ihren Fokus auf andere Dinge haben. Die paar Mark machen den Kohl nicht fett. Man sollte dafür sorgen, dass die DAX-Unternehmen nicht einfach in irgendwelchen Steueroasen ihre Steuerlast reduzieren.
Und an den Kommentaren, vorallem auch in den sozialen Netzwerken, merkt man eher, wie weit der akademisch gebildete Fußballfan (wahrscheinlich auch die Rasenfunk Community) weg ist von der Realität. Weil wenn man sich nen bisschen mit Amateurfußball auskennt, verwundert einen aber auch wirklich überhaupt nichts daran…

Ich stimme dir auf jeden Fall ein Stück weit in dieser Kritik zu.
Ich habe auch selbst viel mit behördlichen Vorgängen aus meinen Familien-/Freundes- und Bekanntenkreis zu tun und nehme auch die Aussage ernst, dass der Kosten-Nutzen-Faktor bei der Verfolgung von Schwarzgeldzahlungen im Amateurbereich eher gering ist. Zwar lässt sich ein Dorfverein leichter überführen (siehe fehlerhafte Dokumentation ohne advokatischen Beistand), aber gemessen an der Vielzahl von Vereinen ist es eher schwer den Überblick überhaupt zu behalten. Vieles mag auch in der Verjährung verschwinden. Daher halte ich auch die von dir indirekt zitierten Aussagen für polemisch.
Bezüglich der „Investition“ von Nachwuchsleistung habe ich auch eine Anekdote aus unserer Region hier. Ich muss aber gestehen, dass die Aussagen auf Hören-Sagen beruhen und ich sie nicht verifizieren kann. Wenn ich es richtig verstanden habe, bekommt ein Amateurverein eine Mitbeteiligung an Transfers von Spielern, die dann bspw in den Profiligen weitervermittelt werden. Ich habe erstmals über dieses Thema, wie soll es auch sein, in einer Kneipe von einem Bekannten aus Büren (Nähe Paderborn) gehört, allerdings lustigerweise in Belgien. Alexander Nübel (Torwart Paderborn, Schalke, dann FCB) und ich waren im selben Jahrgang auf einer Schule in Paderborn, ausgebildet wurde er EIGENTLICH im TuS Tudorf. Dort wurde aber einmal in der Jugend vergessen, seine Spielberechtigung einzutragen. Da er danach in den Paderborner Verein gewechselt ist, muss seine Ausbildung angeblich beim SCP anstelle des TuS Tudorf abgeschlossen worden sein. Somit erhält bei jedem Transfer Nübels der SCP den Transferbonus als Ausbildungsverein.
In dieser Thematik würde ich mir gerne noch einmal einen tieferen Einblick im Gesamtkontext wünschen (bspw spekulieren auch die Investoren darauf?).

Ich war selber drei Jahre lang Trainer im Jugendbereich. Für Jugendmannschaften gab es kaum Geld, obwohl der Jahresbeitrag in dieser Zeit um 30% gestiegen ist. Es wurde kein Trikotsatz gestellt, keine Getränke spendiert, keine Ausfahrten gesponsert… Alles jedoch bei den Herrenmannschaften Selbstverständlichkeiten.
Der Verein selbst hatte keinen großen Sponsor. Er finanzierte sich aus den Einnahmen der Beiträgen und drei Festivitäten, bei denen immer Eltern der Jugendspieler zum Kuchen-, Getränke- und Essensverkauf und für Sachspenden gesucht wurden. Die erste Herrenmannschaft spielte in der 8. Liga.
Vom Kassenwart wurde behauptet, dass der Kunstrasen und Spielbetrieb sämtliche Einnahmen aufbraucht. Ich hatte jedoch in der Nachbarschaft junge Spieler der ersten Herren und die sagten, dass es in einem erfolgreichen Monat bis zu 500.- € gab (Punkte- und Auflaufprämie). Es ist auch irgendein Ehrgeiz der Vereinsbosse, z. B. nicht schlechter dazustehen als die Mannschaften der Nachbarorte, der solche Blüten zu Lasten der Jugendarbeit treibt. Solche Entwicklung sollten längst seitens der Landes- und Kreisverbände abgestellt werden, denn die wissen, wie und was läuft.

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Ich nehm deinen Beitrag mal exemplarisch.
Du schreibst so schön

solche Entwicklung sollten längst seitens der Landes- und Kreisverbände abgestellt werden

Absolute Zustimmung. Nur: es ist ja echt nichts Neues. Während ich noch mehr oder weniger aktiv gespielt habe (eher weniger, fehlendes Talent und vllt fehlender Ehrgeiz), da war das schon absolut üblich.

Aufgehört zu kicken habe ich im Endeffekt 2014 mit meinem Umzug nach München. Bis kurz vor meinem Abschied ist da tatsächlich viel Geld geflossen.

Das endete etwa zur Saison 2010/11 und mündete im Absturz in die Kreisliga C, was die zweitunterste Klasse dieses Kreises war/ist.
Warum dieser Absturz so krass war? Weil diverse Spieler den Verein verließen, weil es eben kein Geld mehr gab.
Auslöser für das nicht-mehr-Zahlen war übrigens eine Kontrolle des Finanzamtes beim Gesamt-Verein. Ergebnis: Nachzahlung und vor allem: Ablösung des Abteilungsleiters Fußball.
Die ehrenvolle Aufgabe, die Sparte dann (nach einem kurze Intermezzo des damaligen Trainers, der in Personalunion auch Platzwart und Spartenleiter wurde), das hier neu aufzubauen, kam dann unter anderem mir zu.

Gespräche mit potentiellen Spielern für den Neuaufbau scheiterten dann oft daran, dass diese Fahrt- und Auflaufgelder wollten. Wohlgemerkt: dann in der untersten Liga, oft genug vor nur 20 Zuschauern. Und diese Spieler spielten nicht in dieser Liga, weil sie so romantisch veranlagt wären, sondern oft einfach aus qualitativen Gründen. Ein (danach ex-)Spieler sagte mir wörtlich: „in S. bekomme ich 250 € im Monat, könnt ihr mir das auch bieten?“. S, 2. Mannschaft war zwar eine klasse höher, aber sportlich war das kein großer Unterschied.
Ergebnis des ganzen: Aufbau einer Mannschaft aus Einheimischen, ex-Spielern und Jugendspielern. Ergebnis seitdem: 2 Aufstiege und Etablierung in der B-Klasse.

Nur: das alles war kein Einzelfall. Bei fast jedem Verein gab es irgendwelche Prämien, teils sogar Nebenjobs oder Scheinverträge. Da raus zu kommen ist extrem schwer, weil man dann eben die Ausnahme ist und sportlich kaum mehr mithalten kann.

Inzwischen wird bei meinem damaligen Verein wie folgt bezahlt: Bratwurst, Bier. Fertig. Und das finde ich sollte auch die einzige Währung in solchen Klassen sein.
Dass Kicker wie ich Fahrtkosten bekommen haben, um zum Training zu fahren (mit dem Rad: 10 Minuten) zeigt die ganze Absurdität des Systems Amateurfußball.

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Wer kennt den Film „bam boom bang - ein todsicheres Ding“ von 1999?
Dieter Krebs spielt den fiesen Spediteur Kampmann (Herr Klapp kommt dem sehr nahe) und sponsert den hiesigen Fußballverein. Er hat einen einen Spieler geholt (gespielt von Til Schweiger mit Rastalocken!), der den Verein nach oben schiessen soll. Kampmann - bereits 1999 ein echter Mini-Hopp aus Unna.

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