Danke für eure Folge, fand ich sehr interessant. Da steckte ne Menge drin, wie der @gnetzer so gerne formuliert. Auf alles einzugehen würde hier den Rahmen sprengen. Daher schreibe ich nur über eine These, die auch einige der Kommentare hier aufgreift (danke dafür!).
Meine These nach dem Hören ist, dass wir gerade das „Gladbach-Syndrom“ haben.
Hat in den letzten Jahren es irgendein Bundesligaverein geschafft, nach Jahren mit mehr Geld und Europapokalteilnahmen und dann eintretendem Misserfolg, sich zu fangen und positiv etwas neues zu starten?
Mir fallen spontan Bremen, Schalke und der HSV ein, die alle in einen Strudel gelangt sind und sich dem bis zum Abstieg nicht mehr entziehen konnten. Der Strudel begann damit, dass weiterhin hohe Gehälter und Ablösen gezahlt wurden, als die sportliche Realität bereits eine andere war. Keiner der Vereine konnte rechtzeitig sich von den alten Verhaltensweisen und Verträgen lösen, keiner konnte die in der zweiten Tabellenhälfte benötigte Resilienz aufbauen, keiner konnte eine andere gesunde Art der Symbiose aus Kader und Finanzen herstellen.
Freiburg, Mainz und Augsburg waren dann irgendwann die sportlichen Konkurrenten genauso wie die Konkurrenten auf dem Transfermarkt. Die kannten sich aber besser aus in diesen Gefilden, sie waren wohl auch emotional besser gewappnet, während bei den großen Vereinen viele wehmütig den letzten Jahren hinterher trauerten. Die Vereine haben sich vielleicht auch noch immer für größer gehalten und sind nur von einer temporären Leistungsdelle ausgegangen. Die eigene Jugendarbeit wird daher erst dann gestärkt und wirklich auf sie vertraut, wenn es zu spät ist (so wie bei Schalke).
Vielleicht führt dies auch dazu, was einige Fans sich als reinigende Kraft eines Abstiegs wünschen. Sie spüren den Strudel und fühlen die Machtlosigkeit ihres Vereins, dagegen anzukommen. Daher setzen sie auf den Abstieg, damit es danach endlich keine teuren Altverträge mehr gibt und auch die sportliche Leitung verstanden hat, nicht mehr zu viele teure, meist bundesligaunerfahrenen Missverständnisse zu holen.
Warum nenn ich das also Gladbach-Syndrom? Ich finde aktuell ist Gladbach dieser Verein. Jahr für Jahr wird die Startelf ein wenig schlechter, vor allem der wirtschaftlichen Situation geschuldet und auch weil die Transfers in der Preisklasse darunter noch nicht so sitzen. Aktuell finde ich, wirken sie so, als ob sie sich einigermaßen gefangen haben als Gesamtverein (auch wenn dieses Jahr auch sehr auf und ab zu sein scheint). Dass sie sich also dem Strudel entzogen haben, die Transfers besser passen und das sportliche Leitung und Fans die neue Realität verstanden und angenommen haben. Jetzt ist nur die Frage, ob sie etwas neues starten können?
Ich habe aktuell den Eindruck mit eurer Folge, dass dieser beschriebene Abstieg auch meinen Verein erfasst hat. Wie ihr es gesagt habt, es werden kleinere Brötchen gebacken. Das wird auch so formuliert Aber ich finde noch nicht, dass wir wirklich in dieser neuen Situation angekommen sind.
Der Kader wird schwächer, wie ihr mit Blick auf die Abwehr festgestellt habt. Baku ist nicht mehr der Nationalspieler, sondern der Rechtsverteidiger mit Defensivproblemen, der Gegentore kostet. Arnold entwickelt sich zu dem, was bei Kroos (zu stark) kritisiert wird. Lacroix und Casteels sind unstet. Und so kann man weiter durchgehen. Man will mehr auf das Prinzip jung kaufen/selbst ausbilden und teuer verkaufen setzen.
Aber wie schon von anderen angesprochen, versuchen dies auch viele andere Vereine und diese können das aktuell besser, weil sie es einfach schon länger machen und ihre Strukturen darauf besser ausgerichtet sind. Wolfsburgs Scouts haben in den letzten Jahren noch anderen Klassen beobachtet und aus der eigenen Jugend ist seit Jahren niemand hochgekommen. Auch deshalb, weil es leider viele Talente in Wolfsburg schwer hatten und ihnen immer ein 7-12 Millionentransfer vor die Nase gesetzt wurde (s. in der Folge Behrens statt Pejcinovic). Das ist also noch schief und ich weiß nicht, ob wir rechtzeitig es erlernen können.
Sofern die Betrachtung passt, was braucht es dann für eine gute Zukunft?
Wie Max es gesagt hat, das Umfeld ist nicht so richtig zufrieden, es gab keine starke Verbindung selbst (oder gerade) in den erfolgreichen Jahren. „Das Gesamtgefüge hat sich in den letzten Jahren nicht gefunden“.
Wie könnte man sich also finden? Zunächst einmal braucht es wahrscheinlich ein klar benanntes Ziel. Dennis hat es als obere Tabellenhälfte formuliert. Da würde ich tendenziell mitgehen, aber es kommt mir von anderen Strudel-Vereinen vertraut vor (war das nicht auch Gladbachs Formulierung?). So realistisch wie das vielleicht ist, holt man damit wenige Leute ab. Vielleicht muss man deutlicher formulieren, was man darüberhinaus sein will. Da passt der Kommentar von @RobChang. Mir fehlt ein Ziel, auf dass hingearbeitet wird, was auch ein bisschen Leben entfacht. Das muss nicht Europapokal sein. Aber wir haben weder das Ziel, begeisternd zu spielen, noch ein Image aufzubauen, welches nicht aalglattes poliert wird (wie @Svolvaer schreibt). Also eine Einheit aufzubauen, so wie es etwa in den letzten Jahren die Eintracht vorgemacht hat. Da wurde das bräsige Verein und Umfeld Gesamtgefüge aus der Bruchhagen+Funkel-Zeit gegen eine neue Aufbruchstimmung eingetauscht. Natürlich ist da sportlicher Erfolg die wichtigste Zutat, aber es hilft schon, wenn man die Kommunikation verbessert.
Vielleicht ist unser Motto da schon der Versuch, dies als unser Ziel zu etablieren. Ehrlich gesagt, wäre es für mich okay. Es klingt wie ein Arbeiterklub aus England aus den guten alten Tagen oder wie Ruhrpott mit rauchenden Schloten. Ob das in der aktuellen Bundesliga im aktuellen Wolfsburg noch passt? Vielleicht sind wir da auch etwas zerrissen. Einen Teil der Fans holst du nur mit CL, den andere wünscht sich da lieber eine echte Verbindung wie in Bochum. Das waren wir ja einmal und und historisch passt das auch mehr zur Stadt. Aber als Verein sind bzw. wollen wir seit über 20 Jahren Hochglanz statt Arbeiterschmutz sein. Kompliziert.
Neben dem Ziel bräuchte es einen Kader, der zu der neuen Situation passt. Am Anfang der Saison war ich optimistisch im Hinblick auf den Kader angesichts der Neuzugänge, jetzt bin ich es weniger. Vielleicht ist es auch nur der falsche Trainer. Da sind wenige Spieler, die etwas in mir auslösen, aber vielleicht ist das schon der Blick von einem, der besseren Kadern hinterhertrauert.
Da stimme ich dann auch @FullMetalJensen zu. Ein guter Kader einer Mannschaft im Tabellenmittelfeld braucht auch meiner Meinung nach einen guten Mix. Aber letztlich sind von den aktuellen Neuzugängen schon einige nicht mehr so jung, Maehle 26, Zesiger 25, Majer 26, Cerny 26. Die haben also auch schon einiges in ihrer Karriere erlebt und sind schon gestandene Fussballer.
Mir fehlt eher eine klare Achse, die regelmäßig spielt und gute Leistungen bringt. Lacroix, Arnold und Majer haben alle unter 80% Einsatzqoute und wackelnde Leistungen, gleiches gilt für Casteels. Meine Anforderung an Achse erfüllt damit eigentlich nur Wind. Das ist dann zu wenig.
Und dann braucht es einen passenden Trainer, der eine Idee entwickelt, wie Tore geschossen werden. Dieser heißt leider nicht Kovac. Vielleicht bräuchten wir Heavy-Metal-Fussball? Vielleicht brauchen wir wirklich etwas emotionales und einigendes wie Tim Walter?