Im Segment Weder-Wolfsburg war ich von der Analysequalität etwas enttäuscht. Was mir unter anderem viel zu kurz gekommen ist, ist die „neuentdeckte“ Wolfsburger Standardstärke. Zum Beispiel wurden die Ecken immer scharf zum Tor gebracht, Baku war für die Ecken von links zuständig. Das ist neu. Unter Kovac hat Arnold auch oft die Ecken von links übernommen. Schon lange vor dem 1:0 hatte Zesiger die Riesenchance nach Eckball, nur vier Minuten später hatte Gerhardt eine gute Gelegenheit nach Freistoßflanke. Kurz vor der Pause dann der Treffer, wieder nach Ecke.
Für Chantal Ranke sah das so aus: Die Werder-Zuordnung passt überhaupt nicht, Alvero rennt hin und her, Gerhardt kommt an den Ball und spielt den Ball „irgendwie ganz umständlich“ zu Lacroix.
Klingt nach einem reinen Zufallsprodukt. Sah für mich im Livebild ganz anders aus, daher bin ich über diese Einschätzung doch schon sehr erstaunt. Ich hab mir die Szene nochmal angeschaut und beschreibe mal, was ich sehe:
Im Fünfmeterraum steht Sarr von Beginn an Zetterer auf den Füßen. Der versucht sich mit einem Schubser Luft zu machen, schafft das aber nicht. Baku bringt den Ball scharf auf den kurzen Pfosten, fordert so den Keeper dazu auf, den Schritt zu machen und sich den Ball zu schnappen. Währenddessen überlädt der VfL mit gleich vier großgewachsenen Spielern die „Torwartecke“. Behrens, Bornauw, Lacroix und Zesiger befinden sich an dem gleichen Ort, bzw. laufen auf den gleichen Punkt zu - den Punkt an den Baku die Ecke schlägt und an dem Zetterer sich den Ball schnappen will. Dadurch befinden sich gleich fünf Wolfsburger und ihre Bremer Gegenspieler im gleichen Raum. Zetterer hat so überhaupt keine richtige Chance den Ball zu bekommen, muss aber gleichzeitig auch hingehen, weil so viele große Wolfsburger in Ballnhähe sind.
Alvero irrt dabei übrigens nicht rum, sondern deckt Lacroix gut ab. Eigentlich macht er seinen Job dabei sogar von allen Bremer Verteidigern am besten, denn er verhindert erfolgreich, dass Lacroix in den Fünfmeterraum kommt. Der Ball rutscht dann hinten auf Gerhardt durch, der völlig blank ist. Die Direktabnahme misslingt, aber durch das clevere Überladen einer Seite beim Eckstoß sind nur zwei Bremer in seiner Nähe. Ein Bremer macht dabei den Pfosten zu, der andere ist Alvero - der eigentlich Lacroix decken muss. Wenn Alvero in dem Moment nicht den Schritt raus macht, dann kann Gerhardt abschließen. So muss er Lacroix „aufgeben“ und Gerhardt attackieren. Seine beste Chance die Situation zu bereinigen, ist Gerhardt sowohl an Pass als auch am Abschluss zu hindern. Das klappt zwar nicht, aber wenn er es nicht versucht, hat Gerhardt freie Bahn. Ich sehe wirklich nicht, wo Alvero da „rumrennt“. Er macht eigentlich alles richtig.
Wenn man hier einem Feldspieler einen Vorwurf machen will, dann Nick Woltemade. Der ist im 16er, hat nach dem Abpraller von Zetterer aber irgendwie gar keine Mission. Er könnte energisch Lacroix attackieren, macht sich aber eher halbherzig breit.
Ich sehe da eine gute Standardvariante der Wolfsburger, die definitiv einstudiert wirkte und die Bremer überrascht hat. In einem Spiel, in dem es sonst nicht viel zu analysieren gab, darf man das meines Erachtens dann schon mal thematisieren. Es ist ja nicht so leicht, einen Eckball zu verteidigen, bei dem der Gegner den Torwart blockiert und vier 1,90m+ Hünen in den Fünfmeterraum schicken kann. Da hat Hasenhüttl ein effektives Mittel gefunden, um den Wolfsburgern in kurzer Zeit Torgefahr einzuhauchen. Schade, dass Nina Potzel das Spiel nicht gesehen hat, sonst hätte man zumindest etwas darüber gelernt, was wirklich auf dem Platz passiert ist. Denn irgendwie wurde da in den gut 15 Minuten keine echte Analyse betrieben.