#31 – Euer Input für Schlusskonferenz 357

Zum Thema Narrative:

  • Mit den Starspielern, die der BVB hervorbringt, steigt die Aufmerksamkeit, die dem BVB zuteil wird, und damit auch die Erwartungshaltung. In sozialen Medien werden kantige Takes und Roasts mit Likes belohnt. Ich beobachte eine Spirale einer negativen Grundstimmung, die den Druck auf die Mannschaft sogar erhöht und eine schlechte Atmosphäre verbreitet.

  • Fans im Internet ähneln sich immer mehr einer entitled „Are you winning, son?“ Attitüde. Thomas Meunier schloss bei den Shitstorms, die letztes Jahr auf ihn niedergeprasselt sind, für einige Zeit seinen Instagram-Kanal. Auf sozialen Medien vermitteln Menschen zunehmend mit einem übersteigertem Selbstbewusstsein, dass wenn nur ihre Idee umgesetzt würde, es Erfolg vom Himmel regnen wird. Der Inhalt des Vorschlags (ohne Berücksichtigung von Alternativen) ändert sich dabei mit der vom recency bias abhängigen Stimmungslage. So haben beispielsweise einige „Fans“ einen Vereinsphysiotherapeuten direkt für die Verletzungskrise beschuldigt und die Entlassung der kompletten medizinischen Abteilung gefordert, vermutlich ohne jegliches Wissen, wie diese überhaupt arbeitet und wo ein Problem liegen könnte. Heutzutage ist jeder Twitter-User Sportdirektor vom eigenen Sofa aus ohne jegliche Verantwortung, wenn doch etwas schief gehen würde.

  • In dem Zusammenhang werden zunehmend Narrative populär, dass der BVB sowieso nur enttäuschen wird. Das ist alles andere als förderlich für ein positives Selbstvertrauen auf dem Platz. Daher kann man Fans nicht mehr zwangsläufig mit „Supportern“ gleichsetzen. (Eine Ausnahme ist die aktive Fanszene, die selbst bei einem 1:4 Rückstand gegen Leipzig immer noch „Dortmund ist unser Leben“ singt, deren Loyalität allerdings eher dem Verein und nicht der Mannschaft gilt.)
    Hinzu kommt, dass viele am Diskurs beteiligten Akteure der deutschen Fußballkultur (Medien, Fans, Kommentatoren etc.) nicht über die nötigen Mittel, den Willen oder Kenntnisse verfügen, um die Probleme einer Mannschaft überhaupt zu konkretisieren und sie sprachlich aufzuzeigen. Aus diesem Mangel heraus werden taktische oder technische Defizite direkt in mangelnden Siegeswillen oder fehlende Mentalität übersetzt. Damit unterstellt man Spielern bei Fehlern Absicht, was zu einer mangelnden Wertschätzung und einer auferzwungenen Rechtfertigungshaltung führt. Ich bin davon überzeugt, dass dies keine Probleme löst, sondern eher individuelle Fehler sogar verstärkt, eine negative Spirale auslöst und ansonsten nur Likes generiert.
    Aufgrund dieser Beobachtung entstand übrigens auch mein kritischer Beitrag im Forum zu einer vergangenen Schlusskonferenz.

  • Hinzu kommt, dass Marco Rose als Trainer in Pressekonferenzen sich ebenso diesen Floskeln bedient. Anstatt Mentalität nutzt er dann eben die Worte Haltung oder Energie auf dem Platz. Ich fände es wichtig, dass er (ähnlich wie Nagelsmann?) Probleme für Fans nachvollziehbar seziert und dem Publikum sachlich verständlich macht. Da sich aktuell aber die gleichen Floskeln auch noch wiederholen, wird den Verantwortlichen unterstellt, Ausreden zu suchen. Daraus ist mittlerweile ein „immer diese Ausreden“-Narrativ geworden, das unter Fans und in den Medien eine mittlerweile allgemeine Verwendung gefunden hat und nicht einmal inhaltlich zutreffen muss. Besonders Mats Hummels tut sich angesichts dieser Tatsache auch kommunikativ keinen Gefallen, auf DAZN bei enttäuschenden Leistungen diese herunterzuspielen und sogar jene Internet-Fans direkt anzusprechen. Für die „Scheißstimmung“ sind die Fans also nicht nur selbst verantwortlich, sondern der Verein leistet seinen Teil dazu bei.

  • Vielen Menschen ist nicht bewusst, wie stark die Dominanz der Bayern eigentlich ausgeprägt ist und welche vergleichbaren Ressourcen Dortmund hat. Das „Leid des ewig Zweiten“ wird so erweitert um einen Verdacht, dass die Verantwortlichen des Vereins Schuld tragen, die Kluft zu den Bayern nicht zu verkleinern. So stößt man immer öfter auf Beiträge, die zu €40m+ Transfers drängen bis hin zu Forderungen einer Entlassung von Hans-Joachim Watzke. Viele Fans begrüßen den angekündigten Umbruch im Kader, aber einige haben dementsprechend solch hohe Erwartungen, dass man diese eigentlich nur enttäuschen kann. Diese Narrative sind zunehmend zum Problem für den Verein und die Mannschaft geworden. In diesem Zusammenhang finde ich es wichtig, an die Identität des Vereins zu erinnern (Fast-Insolvenz 2005), zu erklären was im Rahmen unserer Mittel möglich ist sowie daran zu appellieren, dass es beim Fan-Dasein um mehr gehen kann als nur zu gewinnen.

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