Lieber Max,
ich verfolge und unterstütze den Rasenfunk seit 4 Jahren und finde nun auch meinen Weg in das Forum. Leider ist mein Anlass jedoch eine Kritik, die ich zur letzten Schlusskonferenz äußern möchte und die ich am Segment Köln - Dortmund veranschaulichen möchte.
Ich höre gerne den Rasenfunk, da er mir nüchterne Analysen zum Spielgeschehen liefert und bei kritischen Auswertungen gut aufzeigt, wo es bei einer Mannschaft Defizite gab. Vor allem in diesem Abschnitt war für mich auffällig, wie man sich über 10 Minuten an Floskeln abgearbeitet hat, ohne über mögliche Ursachen konkret zu werden:
- „Ausschöpfen des eigenen Potentials nicht erreicht“ > woran könnte das liegen?
- „muss die Knöpfe finden“ > was heißt das?
- „die Mannschaft spielt wie sie spielt“ > ja, wie denn?
- „natürlich ist das Mittelfeld der Schlüssel“ > das heißt?
- „Witsel ist einfach eine Enttäuschung“ > was fehlt?
- „Reyna ist auch noch nicht Reyna“ > wie ist er denn?
- „Ausstrahlung fehlte - jetzt war er wieder da“ > konkret?
- „ganz, ganz schwierige Gesamtkonstellation“ > woran liegt das?
Du hattest in gewohnter Manier versucht, durch den Hinweis auf Passquoten dem Gespräch eine Sachlichkeit zu verleihen und mit deine Frage zu dem Kader im Vergleich zu Bayern das Gespräch auf Erwartungshaltungen und Leistungsvermögen zu lenken. Dies hat leider nicht dazu geführt, eine Ursachensuche entstehen zu lassen, um die „große Enttäuschung“ zu erklären. Im Gegenteil sprach man davon, dass Dortmund zu viele Ausreden wegen Verletzungen gemacht hätten (haben sie das wirklich getan?) und dass das Team und die Fans sich selbst für gute Momente zu sehr abgefeiert hätten. Diesen Hinweis auf eine Selbstüberheblichkeit finde ich fraglich, weil bei vielen Dortmund-Fans das Wort Meisterschaftsrennen zu einem Augenrollen führt und dies eher als eine sensationsgierige, aber realitätsferne Inszenierung der Medien empfunden wird. Zu Kölns Spiel hat man leider recht wenig über die Zusammenfassung des Spielverlaufs hinaus erfahren, obwohl dazu auch viel zu sagen gewesen wäre.
TL,DR: Nach dem Hören des Segments ist man leider nicht schlauer geworden, warum Köln ein Unentschieden erreichen konnte und weshalb Dortmund kein gutes Spiel hatte. Wie konnte das passieren?
Beim Zuhören musste ich daran denken, weshalb ich den Rasenfunk überhaupt angefangen habe zu hören: In vielen deutschen Fußballmedien bekommt man eben keine sachliche, begründete Analyse von Mannschaften oder Spielen, sondern Kommentare auf Stammtischniveau. 2022 schafft es die große Mehrheit der deutschen Spielkommentatoren immer noch nicht Fußball zu vermitteln, sodass Zuschauer wirklich etwas tiefergehendes über das Spielgeschehen erfahren und besser Fußball schauen lernen. In den Medien vorherrschende Narrative über Spieler oder Mannschaften werden lieber auf der Tonspur nachgeplappert, anstatt das Auge zu lenken. Man bedient man sich immer noch Worten wie fehlender Mentalität, Ausstrahlung oder Hunger, um Defizite zu beschreiben, die eigentlich technischer oder taktischer Natur sind. Traurigerweise muss ich eine Vielzahl der Bundesliga-Trainer in diese Kritik miteinbeziehen, da selbst man bei ihnen auf Pressekonferenzen eher ein Best-Of aus Tobias Eschers Phrasendrescher-Podcasts hört und sie (vermutlich aus Selbstschutz) nichts tiefergehendes über das Spiel der eigenen Mannschaft Preis geben.
Und deshalb bin ich zum Rasenfunk gekommen. Ich erwarte keine akribische Taktikanalyse, aber ein besseres Verständnis zu Spielen. Dies habe ich leider in der letzten Schlusskonferenz vermisst und ich würde mich freuen, wenn diese Idee demnächst wieder bei allen Beteiligten eine stärkere Rolle spielt.
Lieben Gruß aus Berlin,
Alex