6. Spieltag: Darmstadt - Werder

Statistiken, Wissenswertes, Fragen, Anregungen, Beobachtungen, Kalauer - rein damit!

Gäste:

Markus Bark (u.a. Sportschau)
Marc Hagedorn (Sportchef Weser-Kurier)
Julian Ritter (TSG Hoffenheim-Blogger)

Ich teile Tobias Eschers Rant von vor der Saison, dass man eigentlich nicht erfolgreich sein sollte, mit dem Spielansatz, den Darmstadt verfolgt. Wie nachhaltig ist die aktuelle Erfolgsstory, oder ergeht es ihnen wie Paderborn in der letzten Saison oder können sie weiterhin so erfolgreich sein ?

Eines vorweg, ich bin SVD-Apologet, wenn man das so sagen möchte. Von daher ist mein Eindruck sehr subjektiv.
Die Sache ist doch die, warum sollte man von diesem vermeintlich erfolgreichen Spielansatz abrücken? Gibt es dafür irgendwelche Gründe außer “hässlich und doof anzuschauen”, um es mal runterzubrechen? Da bin ich ganz kalt und sage, solange es erfolgreich ist, soll man so spielen. Ist doch auch legitim. Zumal das Team nichts anderes kann. Die spielen ihre Stärken aus, die nunmal woanders liegen, als bei den Spitzenteams. Das liegt aber auch in der Natur der Sache. Ob es auf 34 Spieltage hinaus langt, das weiß ich immer noch nicht. Aber die ersten Schritte sind gemacht. Und wenns nicht langt, dann hatte man ein interessantes Jahr in der Bundesliga. Und alle Fußballästheten freuen sich dann auf Bochum oder Freiburg oder Leipzig oder wenn auch immer. Hoffentlich sind die dann mal zufrieden und müssen nicht immer über die Holzfäller aus der 2. Liga jammern

Ich glaube, da ist etwas falsch rübergekommen. Ich wollte nicht sagen, dass es nicht legitim ist. Wie du richtig sagst, spielen sie eine Systematik die ihre Stärken betont und die Schwächen versucht zu decken. Dagegen will ich auch gar nichts sagen. Ob es schön anzuschauen ist, soll ihnen egal sein.
Mein Punkt ist, dass ich glaube, dass man mit der Art von Fußball zur Zeit in der Bundesliga nicht bestehen kann, da jede Mannschaft mittlerweile solide verteidigt. Ich wurde schon in den ersten Spielen eines Besseren belehrt, meine Frage ist nun, ob man mit der Art Fußball zu spielen in der Liga halten kann oder die Gegner bald eine Antwort darauf finden wird und es Darmstadt dann wie Paderborn in der letzten Saison ergeht ?

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Das war auch nicht so explizit auf dich gemünzt. Mehr so aus einer Laune heraus auf alle, die es denen nicht so gefällt. Entschuldige.

Ich glaube ehrlich gesagt auch nicht, das mehr als maximal 2 Jahre Bundesliga drin sind, dafür ist das Konzept nicht variantenreich genug. Das Spiel gegen Hoffenheim war Beweis dafür, wie man gegen ein solides Bundesligateam aussieht, wenn nur 2 oder 3 Spieler nicht in die Hufe kommen und Plan A nicht aufgeht. Für Plan B sind die meisten Spieler zu limitiert. Wenns aber dazu langt um ähnlich wie Paderborn bis zum letzten Spieltag noch theoretisch um den Klassenerhalt spielen zu können, dann ist das für mich mehr als ich erwartet habe.
Ich bin gespannt, was das Panel zum SVD meint.

Kurzer Abstecher zu Werder: Zwei Niederlagen gegen die beiden Aufsteiger, die nächsten Gegner sind Leverkusen (h), Hannover (a) und Bayern (h). Wieder ein Herbst im Tabellenkeller?

Das stimmt, das wäre, wie bei Paderborn, schon ein Erfolg.
Danke, die Frage fiel mir auch noch ein, sehe Bremen in der großen Gefahr, sich jetzt zu sicher zu wiegen und in vier Spieltagen steht man genau da, wo man vor einem Jahr mit Dutt auch stand.

Weitere Frage zu Werder:
hat man die Qualität im Mittelfeld in der Transferperiode überschätzt? Warum wurde kein zentraler Spieler, ob 6 oder 10, geholt? Und warum bekommen Eggestein und/oder Ötztunali keine Einsatzzeiten, obwohl 3/4 des Mittelfelds ausfallen? Warum werden dort entstandende Lücken mit positionsfremden Spielern gefüllt (Sternberg, U. Garcia, Galvez)?

Bremen ist für mich stückweit ein Rätsel - weshalb man dogmatisch an der Raute im Mittelfeld hängt, selbst wenn man dafür nicht die notwendigen Spielertypen hat - erschließt sich mir nicht.

Junuzovic lebt von seiner Dynamik und ist über außen gefährlicher bzw für den Gegner ist es deutlich einfacher ihn im Mannschaftsverbund zu neutralisieren wenn er offensiv zentral ran muss.

Zu Werder: Das zweite Mal hintereinander holt sich ein Bremer Spieler nach ungünstigem/unglücklichem Spielverlauf eine persönliche Strafe ab (Bargfrede,Bartels) und Skripnik kündigt an, den Spielstil künftig kämpferischer auszurichten. Hmm…

Ist mir auch ein Rätsel. Zumal es gestern auch kaum spielerische Lichtblicke gab.

Ist das nicht der normale, aber ganz schlimme Reflex, wenn es nicht läuft, muss mehr gekämpft/aggressiver/kämpferischer gespielt werden. Anstatt es muss mehr Fußball gespielt werden.

Ich fände es auch interessant, wenn ihr über die Vertragsverlängerung von Thomas Eichin sprecht.

Grundsätzlich bin ich ihm gegenüber sehr positiv eingestellt und denke, dass er für den Verein sehr wichtig war. Er hat kluge Transfers getätigt wie Di Santo, Bartels, Gálvez, Vestergaard, Wiedwald, U. Garcia, Casteels, etc. (oft für kleines Geld bzw. ablösefrei) und die Altlasten abgegeben. Trotzdem scheint er die Problemzone (defensives/zentrales) Mittelfeld, die von vielen Fans und Außenstehenden kritisiert wird, nicht in dem Maße zu sehen und hat es als ausreichend eingeschätzt mit Bargfrede und Kroos als 6er in die Saison zu gehen, von denen der eine sehr verletzungsanfällig ist und der andere immer noch nicht richtig bereit zu sein scheint, Stammspieler in der Bundesliga zu sein (Siehe die Aufstellung von Gálvez auf der ungeliebten 6er-Position gestern und auch der Vorzug Sternbergs auf der rechten 8er-Position). Dass dieses Problem nicht angegangen wurde sieht man dann auch in Spielen wie gestern gegen Darmstadt, wo Werder nicht zum ersten MAl ideen- und planlos im Mittelfeld schien (oder ist dies mehr Skripnik zuzuschreiben?)

Außerdem wäre ich an eurer Meinung interessiert, ob es Werder für eher gut oder schlecht ist, dass Eichin von Außen kam und auch versucht, sich diesen Blick von außen zu erhalten und grade nicht Teil der “Werder-Familie” zu werden. Einerseits gibt es natürlich Vorteile dadurch, dass er nicht (zu) emotional an Entscheidungen herangeht, andererseits stößt er auch viele im Verein und in der Fanszene vor den Kopf. (Siehe diesen Kommentar von Dino Bernabeo von Radio Bremen: http://www.radiobremen.de/fernsehen/buten_un_binnen/kommentareichin100.html)

Ich glaube mittlerweile nicht (mehr), dass der bisherige Darmstädter Erfolg rein darauf zurückzuführen ist, das sie „taktisch altmodisch spielen“ und solide verteidigen.

Stattdessen ist mein Eindruck eher, dass da zwei Komponenten mit reinspielen: Zum einen ist Darmstadt bislang sehr geschickt darin, sein Underdog-Image zu unterfüttern. Dank „Schimmelkabinen-Bölle“ und „eigentlich in die 4. Liga abgestiegen“ haben sie damit auch genug thematisches Futter, um diesen Diskurs länger durchzuhalten als Paderborn, denn die Medien helfen ihnen dabei (siehe oben / unbewusst?). Das könnte auch noch bis auf weiteres dazu führen, dass die Teams mit den berühmten fünf Prozent weniger gegen den SVD ins Spiel gehen, bzw. schneller nervös werden, wenn sie nicht deutlich führen.

Zum anderen ist da dieser seltsame Effekt, dass gescheiterte Existenzen in Darmstadt ihr letztes Feuer entdecken, und sich selbst am Schopf aus dem Sumpf ziehen. Siehe als aktuellstes Beispiel des Spieltags Sandro Wagner. Ich hatte das lange Zeit vor allem Dirk Schuster zugeschrieben, glaub aber mittlerweile, da steckt sogar mehr dahinter: Mit der bewussten Entscheidung nach Darmstadt zu gehen, haben eine Reihe von prinzipiell begabten Spielern diesen berühmten „Einsicht ist der erste Schritt zu Besserung“ Weg gestartet.

Das ist jetzt alles sehr psychologisiert und wäre einem Taktiker wie TE sicherlich viel zu wischiwaschi, aber es lässt sich an einigen Indizien durchaus festmachen. Ist natürlich trotzdem nur eine These. Wer das noch ausführlicher will, ich hab das grad vor 15 Minuten mir mal alles von der Seele geschrieben und hab es in Ermangelung eines besseren Wortes den „Böllenfalltoreffekt“ genannt

Ich glaube, der Sportblitz-Kommentar ist eine Fake.

Zur vielzitierten »Werder-Familie« hat Marco Bode ja verlauten lassen, dass das mittlerweile eine neue, eine Patchwork-Familie sei. Die Gratwanderung gelingt Eichin und dem Verein mal besser, mal schlechter. Er eckt im Verein an (zuletzt Baumann, Borowski) und natürlich stößt er der Fanszene dabei hin und wieder vor den Kopf. Aber welcher Vereinsverantwortliche tut das nicht? So nervig sich das im Einzelfall anfühlen mag (tut es!): Die Tendenz ist wichtig und richtig – und das gilt sportlich wie familientherapeutisch.

Den Effekt deines ersten Punktes kann ich nachvollziehen, obwohl dass immer schwierig zu benennen ist, da Profis ja niemals( laut eigener Aussage) mit weniger Einsatz ins Spiel gehen würden.

Man sollte aber auch den Spielplan von Darmstadt nicht außer Acht lassen. Die Niederlage gegen Bayern okay. Dann Unentschieden gegen Hannover, Schalke und Hoffenheim. Auch wenn Schalke mittlerweile auf Drei steht, spielerisch ist da auch lange noch kein Glanz. Hannover, naja ist Hannover. Und Hoffenheim hatte ein hartes Auftaktprogramm, aber auch gegen Bremen verloren, also auch noch nicht ganz da, wo sie sein wollen.
Das 1:0 gegen Leverkusen war natürlich super, jedoch war Leverkusen auch sehr fahrlässig mit ihren Chancen.
Alles in allem glaube ich, sie hatten bisher auch Glück bei engen Spielverläufen bzw haben 50:50 Spiele für sich entschieden. Da sich Glück bzw Wahrscheinlichkeiten über die Saison immer ausgleichen, glaube ich nicht, dass der Lauf so weitergeht.

Moin Marc!

Viktor Skripnik hat im Zuge der Aufarbeitung der beiden Niederlagen davon gesprochen dass die Basistugend »Kampfgeist« gefehlt habe, Werder müsse sich wieder wie in der Rückrunde der vergangenen Saison präsentieren. Nun schien es in den Partien gegen Ingolstadt und Darmstadt nicht unbedingt an Kampfgeist zu mangeln sondern eher an einem Mittelfeld und spielerischem Einfallsreichtum – was in Anbetracht der Sperren und Verletzten kaum verwundert: der gleichzeitige Ausfall von Bargfrede und Junuzović ist mit Blick auf den Kader aktuell kaum zu kompensieren.

Was erwartest Du von den nächsten Partien? Gerade auch gegen weniger destruktive Gegner? Hälst Du den von Viktor angedeuteten Schritt zurück für notwendig oder gilt nicht gerade jetzt: Lehren aus den beiden Spielen ziehen, Fokus auf den Ausbau spielerischer Lösungen?

Und ich glaube, von “Glück” zu reden, ist genau die psychologische Falle, bei der sich die Darmstädter ins Fäustchen lachen. “Weil eigentlich sind die ja der super-super-super-Underdog und dürften gar nichts auf die Reihe bekommen”, etc. etc. Dass Darmstadt gegen Hoffenheim, Schalke und Leverkusen Punkte ertrotzt hat, hat aus meiner Sicht sehr viel mit genau diesem psychologischen Spiel zu tun, dass der Gegner unglaublich nervös wurde, sobald der Ball nicht reinging (weil: “Wenn du gegen Darmstadt keine 3 Punkte einfährst, gegen wen willst du sie denn dann einfahren?”). Und bei Bremen könnte man sich fragen, ob sie nach dem 1:0 nicht sogar zu selbstsicher wurden. Darmstadt hat auch in der Zweitliga-Saison einige Tore in den letzten Minuten erzielt (“Aber das ist ja nur Zweite Liga, das zählt ja nicht.”)

Ganz abgesehen davon: Schusters Taktik mag langweilig und dröge aussehen. Völlig planlos ist sie nicht. Die Lilien haben einen sehr genauen Plan, und wie du selbst doch oben so schön erwähnt hast: Sie spielen ihre Stärken voll aus. Das ist mehr, als man aktuell von Hannover 96 behaupten könnte.

Ich würde auch bestreiten, dass sich “Glück” über eine Saison immer ausgleicht. Frage mal beim VfB nach, bezüglich Chancenverwertung und Last-Minute-Tore und so. Es sei denn du zählst einen gerade so geschafften Klassenerhalt als “ausgeglichenes Glück”.

PPS: Wir bräuchten sowas wie verschiedenfarbige Flaggen, um in einem Thread die Diskussion über Team A und über Team B zu kennzeichnen. :smiley:

Die Flaggen würden wirklich helfen.

Achso, ich hatte das etwas anders verstanden, wie du wahrscheinlich gemerkt hast. Du meinst es eher als eine Art Verkrampfung, sobald man ein zwei Chancen liegen lässt ? Das könnte sein, halte ich nicht für abwegig.
Klar hat Darmstadt einen Plan, ohne Plan kann man heute auch nicht mehr in der Bundesliga bestehen( lies H96). Nur sie müssen schon sehr hoffen, dass der Plan funktioniert, weil sie keinen zweiten haben.Und ich halte ihren Plan halt nicht für gut genug, um in der Bundesliga zu bleiben. Klar ist jedoch auch, dass sie keine Alternativpläne haben können, weil sie halt das Spielermaterial, aus bekannten Gründen, nicht großartig verändern können.

Ich habe mich gefragt, ob Skripnik mit seiner Aussage nicht eher “die richtige EInstellung” statt “Kampfgeist” meinte.