Interessant. Genau dazu zuckten mir gestern noch ein paar Gedanken durch den Kopf. Dabei wurde mir bewusst, dass es mir lieber wäre, wenn man den ganzen VAR-Prozess auf den Kopf stellen würde - statt des Schiedsrichters auf dem Feld sollte der VAR die wesentliche Richtinstanz sein (der dann konsequenterweise „VR“ genannt werden müsste).
Natürlich müsste der Schiedsrichter immer noch selbstbestimmt pfeifen, wenn eine Spielunterbrechung nötig ist, etwa bei einem Foul. Aber die Interpretation der Szene, die zur Spielunterbrechung geführt hat, sollte dem V(A)R überlassen sein.
Gleichzeitig sollte es dem V(A)R erlaubt und möglich sein, dem Schiedsrichter zu soufflieren, was er als Nächstes zu tun habe. Wenn also z.B. ein Spieler im Rücken des Schiedsrichters einem anderen Spieler eine Ohrfeige gibt, dann müsste das umgehend dem Schiedsrichter mitgeteilt werden, der dann auf Anweisung zu handeln hat, ohne selbst etwas „wahrgenommen“ zu haben. Gleiches sollte aber auch für alle anderen Szenen gelten, in denen bislang der Schiedsrichter noch selbst entscheidet, welche Konsequenzen das, was er gerade gesehen hat, haben sollte.
Ich glaube, dass mich dieser Schritt hin zu mehr Autorität für den V(A)R sehr glücklich machen würde, da ich inzwischen den Schiedsrichter selbst als größtes Problem am V(A)R-Prozess ausgemacht habe. Dass der Schiedsrichter auf dem Feld unbedingt das letzte Wort haben muss, verlangsamt jede einzelne Überprüfung und lässt viele Entscheidungen zudem willkürlich wirken.
Statt also den Schiedsrichter an den Spielfeldrand joggen zu lassen, wo der arme Tropf dann zwei Minuten auf einen Bildschirm starrt, während 50.000 Leute immer unruhiger werdend zuschauen, sollte man ihm einfach mitteilen, was man gesehen hat und welche Konsequenzen das nach sich zieht, was der Schiedsrichter dann umsetzt.
In einem nächsten Schritt würde ich mir wünschen, dass - ähnlich wie in Wimbledon bei den Linienrichtern - der Schiedsrichter völlig aus dem Spiel genommen wird und alle Entscheidungen vom VR (!) getroffen werden. Sollte etwa eine Spielunterbrechung nötig sein, ertönt eben ein Signal im Stadion, statt dass der Schiedsrichter in seine Pfeife pustet.
Ich denke, man hatte jetzt genug Zeit, um zu erkennen, dass die aktuelle Umsetzung des VAR in eine Sackgasse geführt hat und dass es grundlegende Änderungen braucht. Für mich ist nicht der VAR selbst das Problem, sondern die große Rolle, die der Schiedsrichter auf dem Feld (noch) einnimmt.
Man sollte sich bei den Verbänden auch nicht zu sehr gegen Veränderungen sträuben, meine ich, da die Technik in absehbarer Zeit wesentlich weiter sein wird und es in wenigen Jahren schon niemandem mehr zu vermitteln sein wird, wenn man es weiterhin der Wahrnehmung eines Schiedsrichters überlässt zu entscheiden, ob das, was gerade passiert ist, z.B. ein Foul war oder nicht, wenn dank Kameras und Sensoren eindeutig zu bestimmen ist, wer da wen wo und mit wie viel Energie getroffen hat - oder auch nicht.
Was man jetzt (noch) macht, ist in etwa so, als würde man mit Papier und Bleistift eine Addition vornehmen, obwohl man das Ergebnis eigentlich schon kennt, da man es mit einem Taschenrechner bereits festgestellt hat, was aber nicht zählen darf, weil der Mensch mit Papier und Bleistift auf keinen Fall desavouiert werden darf. Und, um das ganze noch bizarrer werden zu lassen: Wenn der Mensch mit Papier und Bleistift sich verrechnet haben sollte, darf man ihn nicht korrigieren, weil „Wahrnehmung auf dem Feld“, „Schiedsrichter ist letzte Instanz“, blablabla.
Für mich ist allein entscheidend, dass die richtige Entscheidung getroffen wird. Wer diese Entscheidung letztlich trifft, ist mir egal. Angesichts der Fehler, die die Schiedsrichter auf dem Feld immer wieder machen, sollte man meiner Meinung nach die Rolle des Schiedsrichters den technischen Möglichkeiten anpassen, die man heutzutage hat, was bedeuten würde, dass der Schiedsrichter keine selbständigen Entscheidungen mehr treffen dürfen sollte.