BMG: Visionslos im eigenen Saft

Für mich hat die Folge sehr gut das Problem herausgearbeitet, aber es gleichzeitig ein bisschen kaschiert. Vielleicht weil Manuel es selbst noch nicht ganz gefasst hat.

Denn der rote Faden war in der Folge das Kommunikationsproblem. Du hast nämlich völlig Recht: Es gibt zwar Fans die (immer noch) von Europa träumen mögen, aber die sind eher die Ausnahme. Die meisten möchten einfach nur guten Fußball sehen und das heißt dann auch, dass Niederlagen okay sind, wenn man nicht völlig planlos und kampflos spielt. Das ist die Erwartungshaltung an einen durchschnittlichen Bundesligaverein. Der Verein selbst hat die Erwartungshaltung eines durchschnittlichen Bundesligaverein: Mittelfeldplatz und wenn es geht, greifen wir mal oben an.
Trotzdem ist die Unruhe so groß, weil der Verein vollkommen unfähig ist (seit knapp vier Jahren) das vernünftig zu kommunizieren. Man sagt, der aktuelle Stand sei okay und es sei alles nicht so schlimm. Nur kriegt es niemand der Verantwortlichen hin die Begründung dafür zu vermitteln - vielleicht auch, weil sie sich selber nicht ganz klar über die sind.

Virkus kann keine Außendarstellung und der Vorstand nimmt sich wie unter Eberl einfach vornehm zurück und äußert sich relativ wenig. Virkus wirkt nach außen unsicher und gibt einerseits Äußerungen ab, die den Eindruck erwecken, dass er das von sich gibt, was er glaubt, dass Medien oder Teile der Fans / des Vorstandes hören wollen. Dadurch tritt er ständig in Fettnäpfchen und die Fans wissen nicht, woran sie sind. Gleichzeitig verkauft er die eigenen Erfolge (und Misserfolge) einfach überhaupt nicht gut. Denn es mangelt ihm auch einfach an Gespür, wann es mal angebracht wäre zu klappern oder zu erklären, was er so tut.
Der Vorstand hat das ganze Problem aber überhaupt nicht erkannt. Was bemerkenswert ist, wenn man bedenkt, dass mit Michael Aretz der ehemalige Pressesprecher in der Geschäftführung sitzt, der in der Eberl-Zeit einen sehr positiven Eindruck als Pressesprecher hinterlassen hat.
Eigentlich hätte man ja zwei Möglichkeiten: Man kann Virkus abberufen oder man setzt ihm jemanden zur Seite, der die Kommunikation an den meisten Stellen übernimmt. So wie Schmidt in Mainz sehr viele alltägliche Aussagen übernommen hat und Heidel dafür etwas in den Hintergrund getreten ist.
Macht man in Gladbach aber einfach nicht: Schmadtke hat frustriert hingeworfen und beim neuen fällt mir gerade nicht mal der Name ein, weil er eigentlich auch nicht präsent ist.

Rein sportlich und wirtschaftlich betrachtet, hat das Präsidium in meinen Augen sogar einige Argumente, warum man ihn nicht abberufen sollte.

  1. In der Folge kam durch, dass man den eigenen Nachwuchs wieder mehr auf Vordermann gebracht hat, aber einerseits die Kaderdurchlässigkeit fehlte (und noch fehlt) und andererseits die Umstellung erst heute zumindest auf dem Papier vielversprechender aussieht als vor drei Jahren - was normal ist, weil sowas ein bisschen Zeit braucht (was Virkus als ehemaliger Chef des NLZ auch weiß und bei seiner Vorstellung auch gesagt hat).
  2. Es war klar, dass der Kaderumbruch Zeit braucht und man gleichzeitig nicht die Mittel hat, die vor vier-fünf Jahren zur Verfügung standen. Mittlerweile ist man die teuren Spieler Stück für Stück losgeworden und manche Stimmungsverdunkler (Kramer) sind auch endlich weg. Der Kader wirkt heute (auf mich) runder als vor zwei Jahren. Natürlich mit Schwachstellen. Dafür ist Virkus verantwortlich gewesen und das ist objektiv gelungen. Gladbach hat keine Schalker-Verhältnisse.
  3. Die Transfers an sich: Es ist in der Folge nur angedeutet worden, weil es Manuel wahrscheinlich nicht direkt bewusst ist (weil Virkus und Vorstand hundsmiserabel kommunizieren), aber Virkus-Gladbach fährt eigentlich eine ziemlich erfolgreiche, sinnvolle und ‚kreative‘ Transferstrategie, die hinter Mainz oder wem auch immer nicht wirklich zurücktreten muss. Die letzten drei Jahre ist die Transferbilanz ziemlich ausgeglichen, man hat die Kosten reduziert und viele Transfers lassen sich eigentlich sehen. Stöger, Sander, Hack, Itakura fallen alle in die Kategorie ‚Schnäppchen‘. Fraulo, Ranos, Chiarodia, Ullrich sind Versprechen, die nicht viel gekostet haben. Honorat, Weigl, Kleindienst sind tatsächliche Verstärkungen (Weigl vielleicht noch am wenigsten, aber auf der Position ist er immer noch besser als Neuhaus). In meinen Augen war Kleindienst auch dringend notwendig angesichts der letzten Saison von Cvancara (siehe Gladbach-Thread aus dem August). Mit Ngoumou, Hack und Cvancara hat man Leute geholt, die mehr Flexibilität ermöglichen würden (was man in Ansätzen immer mal sehen kann). Gleichzeitig sind die Leihen besser geworden: Reitz wurde sinnvoll aufgebaut, Fraulo wird es gerade, bei Borges Sanches war das vor dem Kreuzbandriss ähnlich und mit Wöber hat man das Leihgeschäft für die punktuelle Verstärkung wiederentdeckt. Allerdings sind da noch Probleme: Junge Spieler, die nicht so richtig aufgebaut werden (Ranos, Fukuda), ungeschickte Vertragsverlängerungen (Kramer, Neuhaus, Elvedi). Aber: Man kann das als normalen Reibungsverlust verbuchen (siehe 4.)
  4. Der Vergleich zu früher: Ach war das schön. Der Eberl Max kam, sah und siegte - oder brachte uns zumindest in die CL. Die Transfers waren top, die Trainer alle gold und alles lief super! Naja, nicht ganz. Es gab Luuk de Jong, der in Gladbach nicht funktionierte und verdammt teuer war. Ein Grifo funktioniert anscheinend nur in Freiburg, Nico Schulz ein Missverständnis, André Hahn klappte zum Schluss auch nicht mehr richtig. Die Trainer: Meyer stand nicht für Innovation, Frontzeck war Frontzeck, Favre war super, aber ein Glücksgriff, Schubert hat nicht wirklich funktioniert, Hecking war solide, aber genügte den Ansprüchen irgendwann nicht mehr, Rose war eine Umstellung, aber die Bilanz war durchmischt und Hütter war der Andre Silva der Trainer: Weil es in Frankfurt geklappt hat, muss es auch hier klappen. Kurzum: Die Ergebnisse waren in einer anders strukturierten Bundesliga besser als heute, aber die Zeiten waren bei weitem nicht so großartig, wie es teilweise in der Erinnerung wahrgenommen wird - über saftlose Auswärtsauftritte wurde bis auf eine kurze Phase unter Rose gefühlt immer geklagt. Eberl hat nur einfach viel besser kommuniziert und moderiert.

Kurzum ist die Bilanz von Virkus eigentlich ok und auch die Trainerwahl ist nicht sooo ungewöhnlich und wahrscheinlich ist Virkus Trainerwahl auch einfach (noch) nicht passend. Das entscheidende bleibt jedoch die Kommunikation: Alles, was ich gerade gesagt habe, könnte der Verein auch kommunizieren. Tut er aber nicht.
Stattdessen sieht es eher so aus:
Saisonanfang: Der Umbruch braucht Zeit (Virkus). Der Vorstand schweigt.
kurz danach: Wir wollen Europa angreifen (Virkus). Der Vorstand schweigt.
über die ‚Säulen‘: Einmal abstrakt erklärt, dann nie konkretisiert (Virkus). Der Vorstand schweigt…
Spielertransfers I: Toller Spieler, aber ich verbinde das nicht mit meinen Säulen (obwohl ich danach handle; Virkus). Der Vorstand schweigt…
Spielertransfers II: Ich heule rum, weil ich die Kritik nicht verstanden habe und suche Ausreden, statt offensiv, sachlich und rechtzeitg zu erklären, warum die Transfers sinnvoll sind und andere nicht gehen (Virkus). Der Vorstand schweigt…
Junge Spieler: Wir wollen X eine Chance geben (Virkus). Der Vorstand schweigt…
kurz danach (gleiche Spieler): Die müssen auch mal liefern (Virkus). Der Vorstand schweigt…

Man kann die Liste noch erweitern, aber ich denke das Problem ist deutlich. Wenn man das mal als Problem begreifen und anpacken würde, dann könnte man sehr viel Unruhe rausnehmen. Es gibt auch eigentlich noch genug Baustellen: In der Verteidigung, bei Jugendspielern, beim Trainer etc. Aber durch die Kommunikation sieht es aus, als wäre man näher an Schalke in den letzten Bundesligajahren als an Augsburg oder Mainz, mit denen man sich gerade eigentlich eher vergleichen könnte.

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