Deutscher Frauenfußball sucht die Zukunft
Prolog
Während DAZNs Frauenfußball-Ambitionen von der Realität eingeholt wurden, sehen Beobachterinnen die englische WSL noch in einem Stadium, wo die Gewinnung von Reichweite & Resonanz oberste Priorität haben sollte. Mehr im Thread zu den TV-Rechten: Ausbau Frauenfußball aus angelsächsischer Sicht
Grummeln in der Frauenbundesliga
Der Journalist Frank Hellmann hat, vermutlich auch aufgrund der aktuell stattfindenden SpoBis-Sportbusiness-Konferenz, ein Dreierlei von Artikeln zum Thema geschrieben.
- Interview von Eintracht Frankfurts Axel Hellmann (gemeinsam mit der Journalistin Katja Sturm)
- „Der nächste Tiefpunkt“ – über die Folgen des frühen CL-Aus beider deutscher Vertreter
- „Ist die Frauen-Bundesliga ohne den DFB besser aufgestellt?“
Quintessenz: SGE-Vorstandssprecher Axel Hellmann und Sportmanagerin Katja Kraus sehen die Frauenbundesliga abgehängt von der Turbo-Entwicklung in den USA und England. Die Frauenbundesliga hängt am Tropf ihrer Männer-Pendants und es etablieren sich die gleichen Strukturen wie bei den Männern – nicht zum Besten der Frauen.
Bestandsaufnahme Axel Hellmann
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Spiele im Waldstadion schreiben erst ab ca. 15.000 Zuschauern schwarze Zahlen. Für das Frauenteam will man konstant im Waldstadion spielen (also zB für alle CL-Spiele), damit sich eine eigene Fangemeinschaft bilden kann.
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Mit der CL wird derzeit kein Geld verdient (Kosten > Ausschüttung der UEFA)
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Die SGE hat den höchsten Umsatz im deutschen Frauenfußball (€3,6 Mio Umsatz). Bayern (€3,1 Mio Umsatz) und WOB werden bezuschusst. Hellmann will die Ausgabenhöhe der SGE von €5–5,5 Mio weder dementieren noch bestätigen.
Das aktuelle Geschäftsmodell des Frauenfußball ist in Deutschland nicht tragfähig. -
Hellmann fordert eine „regulatorische Ausgestaltung“ des deutschen Frauenfußballs, um ein „auf Leistungs- und Profisport ausgerichtetes wirtschaftlich funktionierendes Ökosystem zu errichten, um Frauen die Möglichkeit zu geben, ihren Beruf auszuüben“
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Gemeinsam mit Katja Kraus hat er im Beirat der Initiative „Fußball kann mehr“ dem DFB ein Thesenpapier an die Hand gegeben, um dem unbefriedigenden Entwicklungsstand zu beschleunigen. Ihm ist zu viel Selbstbeweihräucherung und zu wenig Dynamik. In acht bis zehn Jahren wird auf dem internationalen Markt der Zug abgefahren sein und der Status der Bundesliga als Ausbildungsliga dann zementiert sein.
- 16er-Bundesliga
- Minimumgehälter und Salary-Cap in Erwägung ziehen
- „[Das] uns vorschwebende Modell würde ja auch die Konkurrenz in der Tabelle erhöhen. Wenn wir nämlich die Konzentration der besten Nationalspielerinnen auf zwei, drei Klubs vermeiden. Ich weiß, dass sich das gegen die gesamten Schwerkräfte wendet, die wir im Männerfußball sehen, aber mit den Frauen haben wir die Chance, dort begangene Fehler zu vermeiden.“
- Das Grummeln in den Profiklubs ob der mangelhaften Einbindung beim DFB ist so groß, dass eine Debatte über eine Loslösung der Liga vom DFB entstehen könnte.
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Die WSL (England) und NWSL (USA) haben sich vom Verband losgelöst und sind dabei alles an Werbepartnern und Medienresonanz abzugreifen
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Frauenfußball braucht einen eigenen Charakter („sonst spiegeln sich dort alle fankulturellen Vor- und Nachteile aus dem Männerfußball wider“)
„Wir müssen es schaffen, dass sich unsere Frauen als sportlich eigenständig wahrgenommen werden und eine eigene Identität entwickeln, aber gleichzeitig unter dem Dach der ganzen Eintracht-Familie zuhause sind. Das hat eine kommunikative, aber auch wirtschaftliche Seite. Der Frauenfußball soll selbst ein tragfähiges Modell werden, weil ich nicht an Systeme glaube, die dauerhaft bezuschusst werden.“
Die Folgen von Bayerns CL-Aus
Das erste Mal seit Gründung des Europapokals 2001/02 ist kein deutsches Team im Viertelfinale. Wolfsburg in der Quali gescheitert, die SGE und Bayern in der Gruppenphase.
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Es droht der Verlust des 2ten Platzes im UEFA-Ranking für einen zweiten garantierten Startplatz in der CL ab 2025
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Wie gut ist diese Liga bzw. macht es für Leistungsträgerinnen Sinn aus Qualitätsgründen ins Ausland zu wechseln?
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Unzufriedenheit über die fehlende Dynamik der Frauenbundesliga bei den Klubs
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Unzufriedenheit über die fehlende Dynamik der Frauenbundesliga beim Liga-Namensgeber Google Pixel, die der DFB mit „Zugeständnissen“ (Frank Hellmann) zu besänftigen versucht
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Rücktritt von Tobias Trittel (Wolfsburg) als Vorsitzender des DFB-Ausschusses „Frauen-Bundesligisten“, entnervt ob des zähen Tempos.
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Unklare Zuständigkeiten beim DFB: Heike Ullrich als Generalsekretärin überwiegend beim Männerfußball angedockt, Doris Fitschen für „Strategie Frauen im Fußball“, Silke Mammitzsch DFB-Vizepräsidentin Frauenfußball mit unklarem Verantwortungsbereich, Nia Künzer nur für Nationalteam und U20 zuständig.
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Frauenbundesliga-Geschäftsführer Holger Blask (DFB) warnt vor zu schneller Vergrößerung („Qualität würde sich morgen nicht erhöhen“, ein Drittel mehr Bundesligisten für den gleichen Topf TV-Gelder)
Bestandsaufnahme Katja Kraus
Geschäftsführerin der Sportmarketingagentur Jung von Matt/sports, Ex-Torhüterin, Ex-Vorstand beim HSV
„Professioneller Frauenfußball muss als eigenes Geschäftsmodell funktionieren.“
„Wir benötigen eine eigene Identität und ein eigenständiges Denken, um neue Zielgruppen zu gewinnen.“
„Die Frage ist doch, wo gibt es sind die bestmöglichen Voraussetzungen, um den Sport dauerhaft erfolgreich zu machen. Kann der DFB das leisten oder nicht? [… Es brauche Investitionen] in das Spielniveau, in Sichtbarkeit und Reichweite, in die Qualität der Übertragungen, neue Formate und Distributionswege. Dafür müssen strategische Partner gefunden werden.“
„Wenn die Tabelle zukünftig ein Abbild der Wirtschaftskraft der Männerklubs ist, wird die Frauen-Bundesliga nicht dauerhaft attraktiv sein.“
Epilog
Deloitte hat nun auch eine Frauen-Variante ihrer „Money League“ veröffentlicht. Bezugspunkt sind dabei die Zahlen der Saison 2022/23.
(Hat-Tip: Horst724 & Paketbote vom Discord-Server)
Axel Hellmann bestätigt die Umsatzzahlen für die SGE und Barcelona. In den Top 15 der umsatzstärksten Teams sind zwei deutsche Teams dabei: Frankfurt auf Platz 8 (€3,6 Mio) und Bayern auf Platz 9 (€3,1 Mio). Erstaunlich, dass Wolfsburg überhaupt nicht auftaucht (Platz 15: Juve mit €1,2 Mio).
Die Formulierung von Deloitte „Analysis of 15 of the highest revenue generating women’s clubs in European football“ klingt nicht nach ultimativer Rangliste, sondern nach Selektion („Die Analyse von fünfzehn der umsatzstärksten Klubs“ ist eine andere Aussage als „Die Analyse der fünfzehn umsatzstärksten Klubs“). Deloitte schreibt selber, dass sie keine Zahlen zB aus Norwegen und Schweden hatten – und möglicherweise keine aus WOB…
Auch sonst verstehe ich die Zahlen nicht so richtig:
- Während die Eintracht €500.000 Medienerlöse hat, soll der FC Bayern trotz CL-Teilnahme nur auf €100.000 kommen.
- Während die Eintracht mit einem Bundesliga-Zuschauerschnitt von 5.823 Zuschauern auf €400.000 Matchday-Umsätze kommt, schafft der FC Bayern aus einem Schnitt von 2.155 Zuschauern €1,8 Mio Matchday-Umsatz. Das kann doch nicht nur die CL-Teilnahme sein, oder?