Genossenschaften als Inhaber von Bundesligavereinen?

Ich halte das auch bei der großen Politik für problematisch, aber darum geht es mir nicht. Es geht mir auch nicht darum, dass die heutige Ausgestaltung der Vereinsdemokratie immer noch primär über die Anwesenheit bei Mitgliederversammlungen funktioniert und auch das ein Demokratiedefizit ist. Es ging mir um die Zielstellung und da sagst du ja selbst - die ist undemokratisch. Im Grunde steht dahinter die Idee, dass man ‚dem Mob‘ (auch wenn du das so nicht nennst) nicht trauen kann und deshalb die Experten das machen sollen.

Also die Eintracht hat 2000 ausgegliedert und schlingerte trotzdem weiter, der HSV erst 2014 und kam vorher ins Schlingern. Leverkusen, das ja von vornherein anders funktioniert hat, hat in den letzten 20 Jahren mehrmals gegen den Abstieg gespielt. Meine Anekdote war kein Beweis an sich, dass der demokratische Ansatz besser ist, sondern ein Beispiel dafür, dass die Professionellen nicht per se bessere Arbeit machen. Genau darum geht es mir ja: Heidenheim hat sich ohne Ausgliederung gerade in die Bundesliaga gebracht, Freiburg läuft seit Jahren sehr gut, Hertha hat 2000 ausgegliedert und wir wissen ja, wo die jetzt stehen. Auf Schalke hat Tönnies über Jahre den Verein unter seine Kontrolle gebracht, aber unter formeller Wahrung der alten Strukturen. Bayern läuft auch mit Ausgliederung wirtschaftlich und sportlich vergleichsweise erfolgreich weiter, hat aber auch ganz andere Ausgangsbedingungen als Heidenheim.
Das Argument für Ausgliederung ist aber immer, dass die Experten es besser könnten. Die Empirie bestätigt das schlicht nicht - so funktioniert der Wettbewerb auch nicht. Wenn man aber das besser-Können aus der Gleichung genommen wird, dann bleibt nur noch weniger Mitbestimmung als Zielstellung übrig.

Ich habe ja schon gesagt, dass man sich nicht der Illusion hingeben sollte, dass auf dem demokratischen Weg alles Friede, Freude, Eierkuchen ist, aber deine Anekdote klingt halt nach der Kampfhundedebatte: Da wird dann von einzelnen Vorfällen mit bestimmten Hunderassen auf die immanente Gefährlichkeit dieser Rassen geschlossen, aber ignoriert, dass bei den Vorfällen regelmäßig Halter existierten, die ihre Tiere misshandelt oder explizit abgerichtet haben. Ich würde davon ausgehen, dass es auch um die Versammlung herum (noch mehr) Kontext gibt, der zur Eskalation geführt hat und ich wäre mir in Frankfurt auch nicht sicher gewesen, ob man den Vorfall nicht mit mehr Demokratie hätte verhindern können (dafür kenne ich aber eben zu wenig Kontext). Vor allem ist die Verallgemeinerung, die daraus folgt aber problematisch und sachlich nicht richtig.

Oder um es kurz zu machen: Ich argumentiere an keiner Stelle dafür, dass Demokratie innerhalb der Clubs zu besseren Ergebnissen führt. Ich sage, dass die Ergebnisse von mehr Faktoren abhängen. Vom Sachverstand der Verantwortlichen, von der Marktlage (sportliche und wirtschaftlicher Entwicklung des Vereins, der Liga und der Region) und vom Glück (Verletzungspech, Entwicklung anderer Vereine, etc.). Weder eine undemokratisch ausgegliederte Profiabteilung, noch ein reiner Verein oder ein gemeinschaftlicher Ansatz ist per se besser aufgestellt, um wirtschaftlich (und damit auch sportlich) erfolgreich zu sein. Der Unterschied ist nur, und darum geht es mir, dass ein demokratischer Ansatz den Fans und Mitgliedern die größte Möglichkeit - nicht Gewissheit - gibt, die Entscheidungen ‚ihres‘ Vereins in ihrem Sinne zu gestalten.

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:wink:

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Sie haben es im Rasenfunkforum zuerst gehört. :grinning:

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Da das mein erster Beitrag ist, erstmal ein herzliches Hallo in die Runde. :slightly_smiling_face:

Ich finde diese Diskussion sehr interessant, weil ich mich beruflich u.a. mit der Ausgestaltung der Governance von Organisationen und der Beratung von Funktionsträgern beschäftige. Ich würde Dir / Ihnen (?) hier jedoch widersprechen:

Zentrale Fragen der Ausgestaltung befassen sich immer mit der Zuteilung von Verantwortung und der Herstellung tatsächlicher Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit. Einfach formuliert; Je mehr Beteiligte „verantwortlich“ mitwirken, desto schwieriger wird die Entscheidungsfindung (und langfristig nimmt oftmals die Entscheidungsgüte ab). Ein (Mit-) Gründer gibt prinzipiell ungern Kontrolle bzw. Einfluss ab. Dennoch müssen bei gemeinschaftlichen Zusammenschlüssen verbindliche Entscheidungen getroffen werden. Hierzu werden Entscheidungsorgane geschaffen. Wesentlich ist dabei, dass sie tatsächliche Entscheidungskompetenzen haben. Den Interessensausgleich bzw. die Repräsentation der einzelnen (Gründer-) Interessen werden idR durch Besetzungsrechte und -verfahren gesichert. Das Argument ist hierbei nicht, jeder Einzelne sei unfähig, verantwortliche Entscheidungen zu treffen. Aber unzählig viele Entscheidungsträger werden sich schwerlich einigen können. Und im Verantwortungs- bzw. Haftungsfall auf die jeweils anderen zeigen. Daher nehmen Gründer die Reduktion unmittelbarer Kontrolle oder direktem Einfluss’ in Kauf. Selbst in relativ kleinen Vorständen (oder Präsidien, etc.) treten Konflikte iSv Kollektivorgan vs. Geschäftsverteilung auf. Auch bei kleinen Aufsichtsräten (oder anderen Überwachungsorganen) ist es teilweise herausfordernd, sicherzustellen, dass die Mandatsträger hinreichend informierte Beschlüsse fassen. Eine Erhöhung der Anzahl der verantwortlichen Funktionsträger verschärft diese Problematik. Das ganz besonders, wenn kein schlagkräftiges Haftungsregime dahinter steht.

Mit Blick auf das weit oben skizzierte Modell ließe sich die gesellschaftliche Diskussion um direkte Demokratie wiederholen. Neben dem Aufwand und der Manipulationsanfälligkeit spricht mEn insbes. die Unfähigkeit, sich im Verfahren auf einen Kompromiss / auf eine Alternative zu einigen, dagegen. Das kostet (langfristig) Entscheidungsqualität.

Zudem stellt sich die zunächst plump wirkende Frage „wer wäre bereit einer solchen Organisation vorzustehen?“ Die Ausübung einer solchen Funktion ist aller Regel nach mit erheblichen Aufwänden verbunden. Die Befähigung zur (sinnvollen) Ausübung mit einem langen Ausbildungsweg, der der Einzelperson vieles abverlangt. Menschen, die diesen Weg erfolgreich beschritten haben, formulieren meist (und zurecht) den Anspruch, gestalterisch zu wirken. Dies ließe sich mit dem oben dargestellten Modell der verbindlichen Weisungen schwer vereinbaren.

Mein Petitum ist daher, starke Mandatierungs- und Rechtfertigungsverfahren zu schaffen. Werden Gesellschafterrechte (insbes. Besetzungsrechte) beim Präsidium des Kernvereins verankert, hätte die Mitgliederversammlung über die (Ab-) Wahl des Präsidiums regelmäßig die Möglichkeit, auf die Strategie und auf wesentliche Entscheidungen der Profi-Tochtergesellschaft Einfluss zu nehmen. Die Herausforderung wäre die Suche nach geeignetem Personal für das Präsidium und die Beschaffung von Mehrheiten. Beides ist aber nicht unmöglich, wie sich zuletzt bei der Hertha zeigte. Ab davon muss meines Ermessens nach jeder, der sich gemeinschaftlich organisiert, ab einer gewissen Größe der Organisation in Kauf nehmen, dass er nicht alle Entscheidungen direkt mittreffen kann.

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Und ein herzliches Hallo zurück.

Vielen Dank für die Angabe deines beruflichen Hintergrundes. Das hat mir hinsichtlich der Einordnung der von dir vorgestellten Ideen geholfen.

Das ist interessant formuliert. Ich kenne das als zentralen Gedanken von Thomas Hobbes’ politischer Philosophie, wie er ihn am bekanntesten vermutlich im „Leviathan“ ausformuliert hat. So wie ich Hobbes verstehe, wird die Entscheidungsfindung mit zunehmender Zahl der Personen, die eine gemeinsame Entscheidung zu treffen haben, nur insofern „schwieriger“, als dass es länger dauert, bis man sich geeinigt hat. Wenn man sich dessen erst einmal bewusst ist und das akzeptiert, dann ist das auch kein Problem mehr, weshalb wir heutzutage lieber von Menschen politisch vertreten sein wollen, die von uns allen in einem langwierigen Prozess gewählt wurden, obwohl ein absolutistischer Monarch viel schneller politische Entscheidungen treffen könnte, aber das allein darf kein Kriterium sein.

Dass die Entscheidungsgüte abnimmt, je mehr Leute involviert sind, ist per se nicht vorauszusetzen, zumindest nicht laut Hobbes bzw. wie ich ihn verstehe. Wichtig ist die Güte der Entscheidungsträger, denn ein wahnsinniger Monarch kann sehr schlechte Entscheidungen treffen, während ein Gremium zu ausgewogenen Urteilen kommen kann. (Schlanke) Entscheidungsprozesse allein müssen nicht der Grund für die Qualität der Entscheidungsgüte sein. Vielmehr dürfte es auf die moralisch-ethische Verfasstheit der Entscheidungsträger sowie die Informationsvermittlung ankommen. Einfach formuliert: Leute, die sich ihrer Verantwortung bewusst sind und ausgewogen und umfassend über bestimmte Sachverhalte informiert wurden, treffen idR Entscheidungen, die auf das Wohl der größten Anzahl von Menschen abzielen und darum im Idealfall von allen wenigstens respektiert werden können.

Es mag beschwerlich sein und es mag lange dauern, aber man kann es schaffen, nochzumal sich vermutlich nicht alle einig sein müssen. Eine Mehrheit sollte genügen. Der Vorteil dabei ist, dass, ähnlich wie der „politische Wille“ bei Hobbes, der „gestalterische Wille“ auf einem breiten Fundament ruht, das von der Mehrheit gebildet wird, was idR allen Entscheidungen größtmögliche Akzeptanz garantiert.

Natürlich ist das herausfordernd. Aber anders geht es nicht, wenn man nicht in einem autoritären System enden will, und selbst dann gibt es keine Garantie, dass „hinreichend informierte Beschlüsse“ gefasst werden. Die reine Zahl der Entscheidungsträger ist dafür nämlich nicht wesentlich.

Wieder sind wir bei Hobbes. Du hast mit der Beschreibung der Probleme, die ein solches (demokratisches) Modell hat, in allen Punkten recht, denn genau das sind die Herausforderungen, vor denen Demokratie immer steht. Allerdings kommst du zu einem etwas anderen Schluss als ich. Wenn man sich auf keinen Kompromiss einigen kann, dann wirft das Fragen hinsichtlich der Güte der Entscheidungsträger wie auch der der Berater auf, denn ausgewogen und umfassend informierte Entscheidungsträger, die sich ihrer Aufgabe und Verantwortung bewusst sind, sollten immer zu einem mehrheitlich akzeptablen Entschluss kommen können. Und für „Manipulation“ sollte es in diesen Gremien keinen Raum geben, denn dies stünde in direktem Gegensatz zu der Aufgabe dieser Gremien, umfassend und ausgewogen informierte Entscheidungen zu treffen, mit der die größtmögliche Anzahl von betroffenen Menschen zufrieden sein kann.

Oder ethisch-moralische Integrität der Entscheidungsträger.

Jede Tätigkeit ist mit Aufwand verbunden, und nicht selten haben Personen, die Tätigkeiten ausüben, eine lange Ausbildung ableisten oder sich sonstwie einbringen müssen, damit es dazu kommen konnte. Daraus einen Anspruch (!) abzuleiten, gestalterisch tätig werden zu können (vulgo: der Boss zu sein), hat eher mit einem Mangel an Demut und völliger Fehleinschätzung der eigenen Bedeutung zu tun als mit allem anderen.

Ein Entscheidungsträger hat eine Funktion und die Funktion ermächtigt den Entscheidungsträger, nicht umgekehrt. Wenn dem nicht so wäre, dann würde man aufgrund des individuellen Anspruchs (!) eines jeden, „gestalten“ zu wollen, im Job tun und lassen, was man wollte.

Wie gesagt nur dann, wenn man sich seiner Funktion als Entscheidungsträger in einem Verein nicht bewusst ist. Als solcher ist man in erster Linie Werkzeug und dient dem Allgemeinwohl, weshalb eigene Aspirationen hinsichtlich gestalterischen Engagements dem immer untergeordnet sein müssen. Wenn einem das nicht passt, kann man sich gerne in einer anderen Unternehmensform einbringen, wo es dafür mehr Freiräume gibt.

Ich bin überrascht, dass man das überhaupt erwähnen muss. Da du auf dem Gebiet Erfahrung zu haben scheinst, lässt mich das annehmen, dass dem nicht immer so ist, was viel über die Güte des Prozesses von Entscheidungsfindungen sagt.

Hier fehlt meiner Meinung nach „ethisch-moralisch“ vor „geeignetem“. Die Beschaffung von Mehrheiten sollte sich dann nach umfassender und ausgewogener Präsentation der offenstehenden Optionen von allein ergeben.

Oder wegkommen von der Idee, dass Entscheidungen extrem zeitnah getroffen werden können, weil Konsensbildung dann Zeit braucht. Die einzige (politische) Organisationsform, wo dies nicht der Fall ist, ist eine absolutistische Monarchie bzw. eine Diktatur, da nur dort der „Körper“, der eine Entscheidung zu treffen hat und der diese Entscheidung dann per Anweisung zur Tat werden lassen kann, aus nur einer Person besteht.

Um es auf den Punkt zu bringen: Deine Argumentation scheint mir auf Entscheidungsprozesses zu beruhen, wie sie in der Wirtschaft üblich sind, die deshalb in den Betrieben auch meist „diktatorisch“ (oder wenigstens „oligarchisch“) organisiert ist. Für Sportvereine, die von den Mitgliedern geführt werden sollen, passt das meiner Meinung nach nicht, denn hier geht es vor allem um größtmögliche Beteiligung der Mitglieder, nicht um schnelle Prozesse bei der Entscheidungsfindung, also um „Politik“ und nicht um Wirtschaft.

Mir ist bewusst, dass all meine Überlegungen hier auf einem idealtypischen Bild des homo politicus basieren. Aber mein Eindruck ist, dass das bei dir nicht anders ist, nur eben mit umgekehrten Vorzeichen. :joy:

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Erst mal dir und @ron_cober vielen Dank für die interessanten Beiträge. Ich will nur einen Aspekt ansprechen:

Ich glaube, ein Grund, warum in diesem Thread relativ viel Zweifel an den jeweilig vorgestellten Konzepten vorherrschen, ist, dass immer ein Konzept drei ziemlich unterschiedliche Interessengruppen managen soll.

In einem Bundesligaverein oder seinem Umfeld gibt es doch (grob gesprochen): 1) hochprofessionelle Akteure, die in einem Milliarden-Business im harten Wettbewerb individuelle Karrieren planen und vorantreiben; 2) Mitglieder, die gemeinsam Sport betreiben wollen, und nicht mal immer Fußball; und 3) Anhänger, die ihre Fußballmannschaft spielen und siegen sehen wollen, egal was sonst im Verein vor sich geht. Es gibt Schnittmengen (insbesondere zwischen 2 und 3), aber als fundamentale Kategorisierung sollte das stimmig sein.

Mir scheint klar, dass jede dieser drei Gruppen: a) sehr unterschiedliche Interessen durch den Verein verfolgen, b) sehr unterschiedliche Wissensvoraussetzungen haben, was den Verein als Organisation und die Bundesligamannschaft als Wettbewerbsteilnehmer angeht, und c) sehr unterschiedliche emotionale Bindungen zu dem Verein haben.

Muss das nicht zwangsläufig dazu führen, dass Führungs- oder Teilhabekonzepte, die der einen Gruppe gerecht werden, die Bedürfnisse der anderen Gruppen vernachlässigen? Es ist ja nicht ganz zufällig, dass sich der Fußball organisiert hat, wie er jetzt ist. Die diktatorisch regierte Gruppe der hochgradigen Egoisten mit Herrschaftswissen/-können; die repräsentativ-demokratisch organisierten Mitglieder, die zumindest ihre eigene Sportabteilung und vielleicht noch die Gesamtstruktur des Vereins gut kennen; und die basis-demokratisch organisierten Anhänger, die von der Emotion her kommen oder manchmal auch einfach wegbleiben. Unglücklicherweise kommen diese drei sehr unterschiedlichen Gruppen in ein und denselben Bundesligavereinen zusammen. Wie wollt ihr das anders organisieren? Oder was sagt Hobbes dazu :slightly_smiling_face:?

Mir ist klar, dass die Welt komplexer und vielfältiger ist, als ich sie oben beschreibe. Es geht mir nur um die grundsätzlichen Strukturen.

Der Thread heißt ja ‚Genossenschaften als Inhaber von BL-Vereinen‘. Ich sehe nicht, was Genossenschaften in diesem Umfeld bringen. Die vorgeschlagene St. Pauli Genossenschaft scheint mir (nix genaues weiss man noch nicht) eine hübsch verpackte Kapitalmaßnahme zu sein.

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Erstmal vielen Dank für die Antwort(en)!

Ich muss gestehen, dass Hobbes etwas lang her ist. :slight_smile:

Meinen Überlegungen liegt zugrunde, dass die Profiabteilung über konkurrenzfähige Strukturen verfügt. Prinzipiell ist es denkbar, eine Governance auf maximale Beteiligung großer Gruppen zu optimieren. Dies führt zu langen Entscheidungsprozessen und - hier bin ich nicht überzeugt - langfristig zu Qualitätsmali der getroffenen Entscheidungen. In einem kompetitiven Umfeld hat (prinzipiell) derjenige Erfolg, der seine Mittel möglichst effizient nutzt und darüber erweitert. Alternativ muss er seine Effizienzmali über einen erhöhten Mitteleinsatz ausgleichen. Das ist langfristig aber nicht funktional und dürfte auch nicht gelingen. Im nichtprofessionellen Hobbybereich kann das aber funktionieren, sofern alle Beteiligten damit d’accord gehen. Als Genossenschaft müsste der „Verein“ jedoch nicht organisiert sein, da gibt es vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten. (Mich persönlich würde das allerdings in den Wahnsinn treiben, dauerhaft in Abstimmungsschleifen zu hängen, die wenig fortschritt bedeuten.)

Weiters würde ich im Vorklapp anmerken, dass Funktionalismus auch Bestandteil des Demokratieprinzips ist. Die Erweiterung der Abstimmungen / Abstimmungszeit zugunsten der Beteiligungsmöglichkeit ist daher durchaus begrenzt. Kann im erforderlichen Zeitraum insgesamt (gar) keine notwendige Entscheidung herbeigeführt werden, ist dies ebenfalls nicht demokratisch. Letztlich gibt es einen sehr breiten Bereich legitimer demokratischer Verfasstheiten (sowohl im gesellschaftlichen, im staatlichen als auch im unternehmerischen - s. bspw. die Mitbestimmungsgesetze). Insofern finde ich die Verweise auf absolutistische Herrschaftsformen vs. demokratische Herrschaftsformen nicht ganz gelungen (wenn auch nicht völlig falsch).

Mit dieser Formulierung tue ich mich schwer, weil die „moral-ethische Verfasstheit“ selbst auslegungs- bzw. definitionsbedürftig ist. Ich gehe davon aus, dass die meisten Funktionäre fest davon überzeugt sind, integer bzw. sittlich legitim und im Interesse der Gesellschaft zu handeln.

Wesentlich für die Entscheidungsgüte sind mEn die Kompetenz der Funktionsträger, deren Informationslage und auf informierte und verantwortliche Entscheidungsfindung der Funktionsträger ausgelegte Verfahren. Prinzipiell können unendlich viele Funktionsträger informiert werden. Mit der Anzahl steigt aber die Schwierigkeit. Zudem ist es mEn unmöglich, bei einer großen Anzahl eine hinreichende Entscheidungskompetenz sicherzustellen. (Ich frage mich bspw. wie viele Mitglieder eines Fußballvereins (also des Kernvereins) in der Lage sind, einen Jahresabschluss m. Anlagen sowie den zugehörigen Prüfbericht tatsächlich einzuordnen. Wenn es aber schon daran mangelt, ist es unvorstellbar, dass die gleichen Personen komplexe Investitionsentscheidungen sachgerecht billigen / entscheiden. Zumindest fehlt mir die Vorstellung dafür.)

Aus meiner Praxiserfahrung merke ich nochmal an, dass selbst hochinteressierte, speziell mandatierte (Einzel-) Fachexperten wiederkehrend in Probleme geraten, sich regelmäßig und umfassend mit allen relevanten Aspekten anstehender Entscheidungen zu befassen. Abstrakt ist zwar denkbar, dass im genossenschaftlichen Musterverein alle Genossen „besser“ in dieser Hinsicht agieren. Wahrscheinlich ist es aber nicht.

In unseren gesellschaftlichen Diskussionen erleben wir relativ regelmäßig Pattsituationen. Ab davon zielte ich auf etwas anderes ab; bei direktdemokratischen Verfahren müssen immer endformulierte absolute Vorschläge zur Wahl gestellt werden. Im Wahlprozess selbst können diese prinzipiell nicht, bzw. nur unter sehr speziellen Rahmenbedingungen angepasst werden. Das ist auf den Mitgliederversammlungen großer Vereine immer wieder zu beobachten.

Fraglich ist, welches Personal mit diesem Ansatz gewonnen werden kann. Diejenigen, die hinreichend qualifiziert sind um einen Verein zu leiten, werden in Positionen streben, in denen sie auch Verantwortung tragen können. Genau darauf arbeiten sie schließlich ihr Leben lang hin. Ich würde das nicht als Anmaßung verstehen, sondern als legitimen Anspruch an eine Anstellung.

Was Du in ein Tätigkeitsprofil übersetzt beschreibst, ist mehr oder weniger eine Geschäftsstelle hinter einem Vorstand. Hierfür können grds. die typischen „Juniors“ gewonnen werden. Die kommen rel. frisch aus der Ausbildung und übernehmen die „Vorstands-Assistenten“ Stellen für 1,5 - 2 Jahre, um einen „Letter of Recommendation“ und Prestige im Lebenslauf zu erhalten. Danach bewerben sie sich auf die Folgestufe. Anderes (formal hinreichend qualifiziertes) Personal wird sich für die Kombination höchster Arbeitsbelastung mit weniger / keiner Entscheidungsverantwortung nicht gewinnen lassen. Ob es aber sinnvoll ist, Führungsposition so häufig durchzuwechseln, stelle ich infrage. Und ob ein „Junior“ wirklich derjenige ist, der dem Verein in plötzlichen Krisen vorstehen soll, auch. (Als Hinweis; der Absatz bezieht sich ausschließlich auf kompetitive Umfelder, wie die Bundesliga eines ist / sein müsste.)

Das Führungspersonal eines Vereins ist an sich nur dem Gemeinwohl verpflichtet, wenn sich der Verein dem Gemeinnützigkeitsrecht unterwirft (um Steuern zu sparen). Prinzipiell sind Funktionsträger dem Organisationsinteresse verpflichtet. Und hier gilt, dass nicht jede Idee / jedes Interesse eines einzelnen Mitglieds das Vereinsinteresse widerspiegelt.

Das würde ich bestreiten. In der griechischen Demokratie wurde bspw. gelost, wer exekutive Entscheidungen verantwortlich trifft und nach der Amtszeit befunden, ob der Amtswalter sein Amt angemessen ausgeübt hat. Zudem verfügt jede moderne Demokratie über Delegationsmechanismen. (Es wäre bspw. relativ absurd, wenn jede Geschwindigkeitsbegrenzung/jedes Halteverbot/… zur breiten Abstimmung gestellt werden würde.)

Das ist tatsächlich der Knackpunkt. Ich plädiere auch nicht dafür, den Dorfverein wie einen Konzern zu führen. Andersherum bietet es sich aber ebenfalls nicht an, eine wie ein multinational agierender Großkonzern funktionierende Profiabteilung in den Strukturen des Dorfvereins zu führen. Zumindest würde diese Abteilung mEn langfristig nicht bestehen können.

@McQuab beschreibt die konfligierenden Interessenslagen mE durchaus treffend. Ich vermute, dass sich die Kernvereine langfristig entscheiden werden müssen (oder es schon haben), welche Interessen sie priorisieren. Entweder, der Kernverein verfolgt das Ziel, eine schlagkräftige Profiabteilung zu stellen. (Und ggf. auch davon zu profitieren.) Dann muss diese mEn auch entsprechend „professionell“ aufgestellt sein und Entscheidungsfreiheiten im Rahmen der Gesamtstrategie erhalten.

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Hallo @ron_cober, @McQuab,

vielen lieben Dank für eure Reaktionen hier! Da gibt es einiges für mich zum Nachdenken, weshalb ich das Gelesene erst einmal sacken lassen möchte, bevor ich (hoffentlich) etwas ausführlicher antworten kann. Jetzt gerade haut das nicht hin, was ich sehr bedauere, denn ich finde, wenn man schon so lange, ausführliche Antworten bekommt, dann gehört es sich auch, sich mit der eigenen Antwort Mühe zu geben.

Ganz allgemein möchte ich für den Moment noch eine Anmerkung hierlassen: Alles, was ich weiter oben geschrieben habe, ist nicht im Hinblick auf eine Praktikabilität im Alltag hin gedacht gewesen, sondern war von mir als reines „Gedankenspiel“ basierend auf Hobbes’ (*) politischer Philosophie und einem guten Schuss Konfuzianismus intendiert. Ich hoffe, dass ich das zu einm späteren Zeitpunkt noch etwas ausführen kann.

(*) Da ihr beide explizit darauf eingegangen seid, bitte ich, das name dropping mit Hobbes zu entschuldigen. Keine Ahnung, wie das bei euch angekommen ist, vermutlich nicht besonders, aber ich wollte klarmachen, woher ich komme bzw. worauf ich mich beziehe.

Um mal ein bisschen von Hobbes weg zu kommen (sonst sind als nächstes Locke und Rousseau dran): wie regeln das denn Genossenschaften in der Praxis, @ron_cober? Beispielsweise eine langsam agierende Organisation wie die VR-Bank im Vergleich zu Unternehmen in agileren Märkten (da kennst du vielleicht Beispiele)?

Geht es über Beteiligungs und Kontrollverfahren hinaus, die wir im Aktien- und Gesellschaftsrecht schon kennen und damit wenn sauber umgesetzt auch im Fußball sehen?

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Da erwähnt man einmal einen Namen … :joy:

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Liebe Grüße auch an Dich. Mit Genossenschaften habe ich (bislang) keinerlei Erfahrung. Vielleicht kann @Else30 hier einspringen?

Allgemein versucht sich jede Organisation an die Bedürfnisse anzupassen, die sich aus ihrer Zielstellung ergeben. Organisationen, die sich „hübsch“ machen wollen, schauen in der Regel auf den DCGK (Deutscher Corporate Governance Kodex) und geben Entsprechenserklärungen ab. Börsennotierte Unternehmen sind dazu verpflichtet (zur Erklärung, nicht zum Entsprechen).

Kodex - dcgk - deutsch

Organisationen, die besonders „nett“ oder „vertrauenswürdig“ oder „wohltätig“ erscheinen wollen, versuchen oft, sich den Anschein hoher Mitgliederbeteiligung (beim Verein) zu geben. Alternativ versuchen sie sich als Stiftung darzustellen. Das geht teilw. über die Benennung nicht hinaus (so ist bspw. die sog. „Stiftungs-GmbH“ eine einfache „GmbH“ die den Begriff Stiftung im Namen trägt). Interessant ist hierbei, dass beide Rechtsformen (Verein, Stiftung) weitgehende Freiheiten und damit Intransparenz ermöglichen. Zielst Du auf Transparenz, müsstest Du mEn eine AG nachbauen (und ggf. die Governance um Beiräte erweitern, etc.).

Die TAZ gehört der TAZ Panther Stiftung und als Zeitung geht es ihr ziemlich ok. Bin kein Experte, aber ich glaube besser als der durchschnittlichen Zeitung in einem sterbenden Markt.

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Da ich angesprochen bin schilder ich das doch einfach mal anhand „meiner“ Genossenschaft .
Es ist eine verhältnismäßig kleine Bezugs- und Absatzgenossenschaft im ländlichen Raum mit etwa 6 Mio € Umsatz deren Vorstandsvorsitzender ich bin. Mitglieder sind überwiegend aus der Kundschaft aber auch sonstige Personen aus der Region die einfach dieses Unternehmen unterstützen wollen. Mitglied wird man auf Antrag und durch Bestätigung des Vorstandes. Es müssen Geschäftsanteile gezeichnet und gezahlt werden, die dann gleichzeitig einen wesentlichen Teil des Eigenkapitals bilden. Die Höhe kann begrenzt werden. Die Höhe der Geschäftsanteile hat auch keinen Einfluss auf das Stimmrecht, jedes Mitglied hat eine Stimme. Die Mitglieder haben auf der Generalversammlung die Möglichkeit bei ihrer Genossenschaft mitzuwirken. Sie wählen einen Vorstand der die Geschäftsführung, bei uns durch einen vom Vorstand angestellten Geschäftsführer, verantwortet. Außerdem wird aus den Reihen der Mitglieder ein Aufsichtsrat als Kontrollorgan gewählt. In der Generalversammlung wird über Satzungsänderungen und wesentliche Veränderungen wie Fusionen oder Übernahmen und Ähnliches entschieden.
Überwacht und geprüft wird die Genossenschaft durch den Genossenschaftsverband. Das ist manchmal ein wenig suspekt da dessen Interessen nicht immer transparent sind.
Letztlich kann man sagen jedes Modell, wie hier die Genossenschaft, ist nur so gut wie es gelebt wird. Und oft funktioniert die Mitbestimmung und auch die eigentliche Funktion einer Genossenschaft besser wenn sie nicht zu groß wird.
Besonders große Genossenschaften verhalten sich oft tatsächlich nicht anders wie andere Unternehmen. Von Mitbestimmung der Mitglieder merkt man da nicht mehr viel.
Ich weiß nicht ob euch das hilft, wichtig ist meiner Meinung nach das man die Möglichkeiten einer Genossenschaft mit Verstand einsetzt. Dann kann es eine sinnvolle Rechtsform sein.

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Aus diesem Grund finde ich den Vergleich mit politischen Gesellschaften genrell schief. Es geht in diesen in der Regel ja um das, was wir als Gemeinwohl betrachten, also stark simplifiziert dass es allen Mitgliedern „gut“ oder „besser“ geht. Das ist aber nicht das Ziel eines Sportvereins und schon gar nicht einer Profisportabteilung. (Da gehen dann auch die Vergleiche mit politischer Theorie des 16. Jhs. fehl)

Worum geht es denn dann?

Mir ging es um die Mitbestimmung der Mitglieder eines Vereins, was aus meiner Sicht sehr wohl mit Politik zu tun hat, weshalb ich die „Vergleiche mit politischer Theorie des 16. Jhs.“ auch nicht als fehlgehend betrachten würde, denn damit wird anschaulich gezeigt, wie viel schwieriger es in einem mitgliederbestimmten Verein ist, einen Konsens zu finden und diesen dann umzusetzen, als in einem Club, der völlig anders zu Entscheidungen gelangt und diese in Handlungen überführt.

sportlichen Erfolg?

Danke. Alles klar. Ich habe offenbar die gesamte Diskussion missverstanden. Ich bitte um Entschuldigung.

Entschuldige, soll das Sarkasmus sein oder meinst du das ernst? Wenn ersteres, finde ich schriftlich echt schwierig.

Zur Erläuterung, meine Äußerung bezog sich auf den Zweck, den ein Sportverein bzw, die Profisportabteilung selbigens verfolgt. Dieser Zweck ist doch der sportliche Erfolg und nicht das Gemeinwohl aller Mitglieder, oder?
Über die Mitbestimmung habe ich keinerlei Aussage getroffen, sondern lediglich der zitierten Aussage zugestimmt, dass es Gruppen mit unterschiedlichen Interessen in einem Verein gibt, was in meinen Augen dazu führt, dass eine Theorie, die sich mit dem Gemeinwohl beschäftigt ungeeignet (oder zumindest) schief für den getätigten Vergleich ist.

Ich meinte das ernst. Wie gesagt, es tut mir leid, dass ich komplett an dir vorbeigeredet habe. Ich dachte tatsächlich, es ginge nicht allein um sportlichen Erfolg. Dann wären Vereine aus meiner Sicht auch das falsche Vehikel.

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Geht es bei Fussballvereinen als Genossenschaft wirklich nur um sportlichen Erfolg?

Bei St. Pauli haben wir ja die konkretesten Anzeichen, dass die Jugendabteilung und evtl die Stadion GmbH Genossenschaften werden sollen

Gleichzeitig hat St. Pauli angekündigt, keine Jugendspieler mit Spielerberater mehr zu verpflichten, weil sie das Modell sehr kritisch sehen

Und die Stadion GmbH ist ja auch dafür da, dass man nicht irgendwann doch den Stadionnamen verkauft(Astraarena mit dem Holsteintoren)

Klar geht es hier bei der Genossenschaft auch um sportlichen Erfolg, aber auch die Identität des Clubs bewahren und gute Jugendarbeit machen

Und identität und jugendarbeit scheinen hier wichtiger als unbedingter Erfolg

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