Luis Rubiales - Spanischer Liga-Präsident auf Abwegen

DIe Klammer in dem Zitat von mir - „wer auch immer daran im Konkreten teilnimmt“ - ist von zentraler Bedeutung. Wenn man die höchste Schlagkraft haben will, dann braucht man klare Ziele und eine vernünftige Organisation (siehe unten zur Strategie). Organisation heißt nicht Organisation aller Frauen (die es so wahrscheinlich nicht geben wird), sondern aller, die diese Ziele teilen; unabhängig vom Geschlecht. Nur dann kann man neue Kreise erreichen und andere zum Umdenken zwingen (insofern stimme ich zu, dass es ohne Sichtbarkeit nicht geht).
Das ist kein Zynismus, das ist wie gesellschaftliche Veränderungen (ergo Politik) funktioniert. Wobei ein bisschen Zynismus natürlich doch dabei ist: Die Kampfbedingungen sind nunmal zynisch.

Wie bereits gesagt: Nicht Frauen, sondern alle, die a) Übergriffe nicht hinnehmen wollen und b) verhindern wollen, dass Übergriffe überhaupt systematisch möglich sind.
Das ist auch keine Täter-Opfer-Umkehr, denn ich bin weit davon entfernt zu sagen, die Opfer seien schuld daran, dass sie Opfer sind. Ich sage, wenn man Gerechtigkeit (für sich oder andere) will, muss man sie sich erkämpfen. Ich finde den Ansatz:

sehr sinnvoll und halte das genau für die richtige Vorgehensweise (auch wenn auf der einen Seite nicht nur Frauen und auf der anderen nicht nur Männer stehen). Aber es nicht der Ansatz, der mir meistens begegnet. Der Ansatz, der mir meistens begegnet, ist der, der primär appelliert, der glaubt Sichtbarkeit alleine würde etwas bedeuten und der denkt, man würde Gerechtigkeit bekommen, weil es (moralisch) richtig ist, dass man sie bekommt. Es ist der Ansatz, der in die Demobilisierung und Hilflosigkeit führt, weil man so viel appelliert hat, schöne Reden zurückbekommen hat und einer zurückgetreten ist, aber nach dem Fall Rubiales kommt dann in zwei Jahren der Fall X und es sich zeigt, dass sich wieder wenig bis nichts verändert hat. Deshalb auch meine Frage, ob sich etwas ändert, wenn Rubiales nicht mehr auf dem Posten ist.

Was mich zur Strategie bringt:

Das ist halt meine Frage, ob dieser Schluss am Ende funktionieren wird.
Wenn es schlecht läuft, dann geht es doch so:
Es gab Übergriffe, die öffentlich wurden. Die hatten Konsequenzen.
Signal: Lass dich nicht erwischen.
Deshalb würde ich auch dem ersten Satz aus diesem Absatz widersprechen:
Nein, es ist nicht die Aufgabe der Spielerinnen strategisch zu denken, weil sie sich angesichts des Übergriffs zusammengeschlossen haben. Es ist auch nicht unsere Aufgabe (oder wenn du mich da rauszählen möchtest ‚eure‘, wer auch immer das im Einzelnen ist) strategisch zu denken. Denn niemand hat diese Aufgabe übertragen. Wenn man aber erfolgreich sein will, d.h. nicht nur Rubiales loszuwerden, sondern darüber hinauszugehen, dann muss man strategisch denken, weil man sonst in der Hilflosigkeit landet, die ich bereits beschrieben habe. Wenn man will, dass Übergriffe nicht mehr möglich sind bzw. der nächste Täter tatsächlich Konsequenzen nicht nur fürchten muss, sondern wirklich bestraft wird, dann muss man sich eine zielführende Strategie überlegen, wie man das erreichen kann. Die Spielerinnen sollen nicht strategisch denken, weil sie jetzt bitte die Probleme der Gesamtgesellschaft lösen sollen oder weil sie erst Unterstützung bekommen, wenn sie sich stark genug gewährt haben. Sie sollten aber strategisch denken, wenn sie mehr erreichen wollen als ‚nur‘ Rubiales loszuwerden, weil es notwendig ist.

Da wäre ich mir nicht so sicher, dass das ausreicht, weil es so tut als hätten die Gruppen (Männer/Frauen) monolithische Interessen und als würden Frauen in Führungspositionen automatisch für ihre Geschlechtsgenossinnen kämpfen.

Ohne jetzt die genauen Machtstrukturen im spanischen Verband zu kennen, denke ich schon, dass der Verbandspräsident einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Auswahl von Personal und die gelebte Unternehmenskultur hat. Ich denke du willst darauf hinaus, dass Personalwechsel nicht ausreichen und man z.B. präventive Maßnahmen zur Verhinderung von sexualisierter Gewalt und Grenzüberschreitung einführen sollte, um Strukturen zu schaffen, die unabhängig von Personalentscheidungen das Risiko von Übergriffen so weit es geht zu minimieren oder sogar vollständig zu elimieren. Die Frage ist dann, wie robust und umfassend lassen sich solche Strukturen überhaupt schaffen oder kann man das Problem nur durch einen gesellschaftlichen Wandel lösen. Mein Eindruck vom spanischen Verband ist, dass sowohl Personalwechsel als auch Sturkturanpassungen notwendig ist. Vermutlich ist aber auch ein gesellschaftlicher Wandel noch viel wichtiger.

Ich denke ich hab deinen Punkt jetzt verstanden. Danke für deine Ausführungen. Für nachhaltige Veränderungen ist eine organisierte Bewegung mit konkreten Zielen notwendig. Da würde ich dir zustimmen. Ich denke aber schon, dass man auch bevor so eine Bewegung final entstanden ist, man von nicht (direkt) betroffenen Personen fordern kann, sich von der Tätergruppe zu distanzieren bzw. Solidarität einfordern kann. Für mich hat der Männerfußball durch seine Machtstellung/Ansehen und Reichweite eine gewisse gesellschaftliche Verantwortung, die man hier aus meiner Sicht einfordern kann. Vllt. kann das auch zu einer Bildung einer Bewegung allgemein oder zur Fokusierung auf konkrete Ziele beitragen.

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"Die Mutter von Rubiales hat derweil zu ungewöhnlichen Maßnahmen gegriffen, um ihrem Sohn beizustehen. Angeles Bejar trat laut spanischen Medienberichten in den Hungerstreik. Die Frau habe sich am Montag aus Protest gegen die ihrer Meinung nach „unmenschliche und blutige Jagd“ auf ihren Sohn in einer Kirche in ihrem Heimatort Motril eingeschlossen, berichteten der staatliche Fernsehsender RTVE und andere Medien vor Ort.

Bejar kündigte demnach an, solange nichts zu essen, bis ihrem Sohn Gerechtigkeit widerfahre. Auch die Tante von Rubiales soll sich mit in der Kirche befinden."

man kann sich da die erziehung auch wirklich bildlich vorstellen, wenn man das liest, oder? das klingt so dermaßen nach diesem klassiker, wo einem kind auch nie grenzen gesetzt wurden, dem nie zugemutet wurde, wenn es was falsch macht.

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Update und Merkposten: Bei der Verleihung der UEFA-Auszeichnungen für den besten Trainer (Guardiola), die beste Trainerin (Wiegmann), den besten Spieler (Haaland) und die beste Spielerin (Bonmati) heute am 31.08. haben zwei der vier geehrten (welche wohl?) die Chance genutzt und Rubiales nochmals auf großer Bühne kritisiert. Bonmati sprach auf Spanisch, wenn jemand eine Übersetzung kennt, gerne verlinken.

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Noch etwas: Anscheinend ist Rubiales’ Onkel nicht ganz so positiv eingestellt wie dessen Mutter (die ihren Hungerstreik aufgeben musste): Vorwürfe gegen Luis Rubiales: Die „Kuss-Affäre“ wird zur Familien-Soap - Sport - SZ.de

Oha … :popcorn:sowas hatte ich nicht erwartet.

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Selbst mächtige Männerfreundschaften halten nicht mehr. Jetzt hat sich UEFA-Präsident Čeferin wie folgt geäußert: „Natürlich ist das, was er [Rubiales] getan hat, unangemessen. Das wissen wir alle.“ Irgendwann muss es doch für den spanischen Fußballverband peinlich werden, ich verstehe es wirklich nicht.

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Chaled Nahar hat bei Twitter ein Video mit Übersetzung gepostet: https://twitter.com/ChaledNahar/status/1697301947886256567. Oder falls Twitter mal wieder „Probleme“ hat: https://nitter.net/ChaledNahar/status/1697301947886256567#m.

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„Unagemessen“ ist üble Verharmlosung. Der erzwungene Kuss war übergriffig. Unangemessen ist es sich bei einem Geschenk nicht zu bedanken oder am Tisch laut zu schmatzen.

Der Übergriff ist mit „unangemessen“ genauso falsch umschrieben wie es ein Ladendiebstahl wäre. „Dieser Diebstahl war unangemessen“. Ja? Welcher ist denn angemessen?

Auch Infantino hat sich noch mal zu Wort gemeldet: Gianni Infantino - FIFA President on Instagram: "Este es el último día del mes en el que 🇪🇸 España se coronó campeona de la Copa Mundial Femenina de la FIFA por primera vez. Lamentablemente, la merecida celebración de estas magníficas campeonas se vio empañada por lo que sucedió tras el pitido final. Y lo que siguió ocurriendo en los días posteriores. Esto no debería haber ocurrido nunca. Pero sucedió, y los órganos disciplinarios de la FIFA asumieron inmediatamente su responsabilidad, tomando las medidas necesarias. Los procedimientos disciplinarios seguirán su curso legítimo. Por nuestra parte, debemos seguir centrándonos en cómo seguir apoyando a las mujeres y al fútbol femenino en el futuro. Dentro y fuera del terreno de juego. Defendiendo los verdaderos valores y respetando a las jugadoras como personas, así como sus fantásticas actuaciones. Esta ha sido la mejor y más grande Copa Mundial Femenina de la FIFA de la historia, un torneo que fue #BeyondGreatness. ¡Enhorabuena a todas las participantes y una felicitación especial a España! ¡Enhorabuena a las campeonas del mundo! 👏⚽️❤️🌍 This is the last day of the month when 🇪🇸 Spain were crowned FIFA Women’s World Cup winners for the very first time. Sadly, however, the well-deserved celebrations for these magnificent champions were spoiled by what happened after the final whistle. And what continued to happen in the following days. This should never have happened. But it did happen and FIFA’s disciplinary bodies immediately assumed their responsibility and took the necessary actions. The disciplinary proceedings will continue their legitimate course. On our side, we should continue to focus on how to further support women and women’s football in future, both on and off the pitch. Upholding true values and respecting the players as persons as well as for their fantastic performances. This was the best and greatest FIFA Women’s World Cup ever, a tournament that was #BeyondGreatness. Congratulations to all the participants, but a special congratulations to Spain! Congratulations to the Champions of the World! 👏⚽️❤️🌍" Ich höre da schon raus, dass er sich über die schlechte PR sehr ärgert (ich suche nicht aktiv nach solchen News, ich finde sie beim täglichen Zeitunglesen)

Kein Widerspruch. Aber ist das nicht auch ein bisschen „Lost in Translation“? „abusive“ und „violent“ könnten doch vielleicht eine Art üble Nachrede sein (und Rubiales hat ja schon mit Klagen gedroht), „inappropriate“ ist im englischen Sprachraum schon zu einem heftigen Vorwurf geworden. Wenn da irgend ein Minister wegen „inappropriate behaviour“ zurücktritt, war das meistens schon etwas sehr Widerliches.

Und wo ich gerade beim Wording bin: Die Tageszeitung meines Vertrauens spricht nicht mehr vom „Kuss-Skandal“ oder „Kuss-Eklat“, sondern von der „Kuss-Attacke“. Klingt für mich schon besser. @FullMetalJensen

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Ein letzter Beitrag von mir zu diesem Thema. Die Männer der Spanischen Nationalmannschaft haben sich dann doch noch solidarisiert. Besser spät als nie?

In einer gemeinsamen Erklärung, die von Kapitän Álvaro Morata verlesen wurde, wollte die Nationalmannschaft ihre Verurteilung des „inakzeptablen Verhaltens“ von Luis Rubiales, noch immer Präsident des Königlichen Spanischen Fußballverbands, zum Ausdruck bringen.
[…]
„Wir wollen das inakzeptable Verhalten von Luis Rubiales zurückweisen. Sie werden der Institution nicht gerecht“, so Morata.
[…]
„Stolz und Glückwunsch an sie, zu einem historischen Meilenstein, der ein Vorher und Nachher markiert und viele Frauen inspirieren wird“, heißt es in der Erklärung.
Sie stellen auch klar: „Wir stehen klar zu den Werten des spanischen Sports, zu Respekt, Gleichheit und Vielfalt. Er muss in seinem Verhalten auf und neben dem Spielfeld ein Vorbild sein“.
Link zu lasexta.com; Übersetzt mit DeepL

Vom Spanischen Verband gab es noch eine dreiseitige Entschuldigung („Der RFEF entschuldigt sich bei der Welt des Fußballs und der Gesellschaft als Ganzes“), in dem sich bei allen entschuldigt wurde, außer Jenni Hermoso direkt.

Edit: Vermutlich gibt es da einen rechtlichen Hintergrund, da es akutell noch laufende Prozesse diesbezüglich gibt. Ist mir nur aufgefallen.

der trainer der ihm applaudiert hat wird gefeuert, aber rubiales selbst ist immer noch im amt?

Kann nicht mehr lange dauern, dass Rubiales fällt. Peinlich bleibt der spanische Fußballverband trotzdem. Vilda ist jetzt wegen der in 2 Wochen anstehenden Nationsleague gefallen, ohnehin auch schon ziemlich spät.

Es gab viel Applaus bei der Generalversammlung. Der Trainer war nicht der einzige, der da applaudiert hat.

Hermoso hat Rubiales jetzt angezeigt. Für mich klingt das allerdings so, dass sie dazu unter Druck gesetzt wurde:

Hermoso waren daraufhin 15 Tage eingeräumt worden, um „über ihre Rechte als Opfer eines mutmaßlichen sexuellen Übergriffs informiert zu werden“ und gegebenenfalls „Anzeige zu erstatten“, wie die Behörde mitteilte.

Dann kann Rubiales ja bald seine Beweise auf den Tisch legen…

Nach Jennis Aussage wurde am 28. August von der Staatsanwaltschaft der Audiencia Nacional ein Verfahren eingeleitet. Seitdem hatte Hermoso 15 Tage Zeit, sich mit der Staatsanwaltschaft in Verbindung zu setzen, „um sie über ihre Rechte als Opfer eines mutmaßlichen Verbrechens der sexuellen Nötigung zu informieren“.
An diesem Dienstag erschien die Spielerin bei der Staatsanwaltschaft vor Marta Durántez, der stellvertretenden Staatsanwältin der Audiencia Nacional, um die Anzeige zu formalisieren. Dies war die Voraussetzung dafür, dass die Staatsanwaltschaft vor dem Nationalen Gerichtshof Anklage gegen Luis Rubiales erheben konnte, da das Verbrechen im Ausland (Australien) begangen wurde.
Link zu lasexta.com; Übersetzt mit DeepL

Ich bin mir nicht sicher, wie erheblich diese Anklage und Anzeige (und ggf. eine Verurteilung) ist, damit der Verband Rubiales los wird. Sonst kann ich mir schon vorstellen, dass da ein gewisser Druck vorhanden war. Hoffe ich aber nicht.

Diese Frist ist wohl eine rechtliche Frist. Klar macht das Druck, dürfte aber eben aus dem Gesetz folgen.

Durch diese zeitliche Frist könnte aber Druck von Freunden, Spielergewerkschaft und der Öffentlichkeit an sich kommen.

Wie sähe das denn jetzt aus, wenn sie keine Anzeige erstattet?

Auch wenn man mit vielem noch unzufrieden sein muss, was im Zusammenhang mit Rubiales in der Öffentlichkeit passiert: Es gibt ganz klar eine breite Empörung gegen Rubiales’ Handlung.

Ich bin mit James Bond aufgewachsen. Bond küsst noch bis in die Achziger/Neunziger Jahre Frauen gegen ihren Willen. Man sieht regelmäßig, wie sie sich wehren. Dann küsst er einfach noch ein bisschen fester und schon hat er sie „überredet“. Mit Sicherheit bin ich nicht ganz vorne an der Front der Emanzipation und war es auch damals nicht. Aber Bauchschmerzen hatte ich als junger Mann da auch schon. Und ich hatte mich gefragt: ist das jetzt wirklich so? Muss man das machen, wenn man eine Frau „rumkriegen“ will? Ich bin sehr, sehr froh, dass die meisten Jungen und Mädchen heute anders aufwachsen.

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Vielleicht „musste“ man das wirklich so machen weil man den Frauen beigebracht hat, sich immer zu „zieren“ - also eine eigene Sexualität verboten hat.
Zum „nein“ sagen gehört auch das Recht zum „ja“ sagen.

Die Zeiten sind rum, auch in Spanien.