Nationalismus bei der EM 24

Am Dienstag werde ich ab 14 Uhr eine Sendung mit Ruben Gerczikow und Inga Hofmann zum Nationalismus bei dieser EM aufzeichnen. Wenn ihr Fragen oder Input dazu habt: Gerne her damit. Ich sag mal: Was bis 12 Uhr Dienstag hier reinkommt, werde ich auf jeden Fall gelesen haben.

Die Sendung erscheint dann vermutlich erst am Donnerstag oder Freitag, damit sie genügend Luft bekommt zwischen den Alltagssendungen zu den Halbfinals.

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Ausgewogener Podcast vom Deutschlandfunk zu den Diskussionen in der Türkei mit neuen Perspektiven. So habe auch der knapp unterlegene Gegenkandit bei der türkischen Präsidentschtswahl 2023 den Gruß verwendet.

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Das wäre verwunderlich, da der Gegenkandidat Kemalist ist und für Atatürk war ein türkischer Nationalismus im Vielvölkerstaat wichtig und hat sich von Turanismus, für das die Geste steht, abgewandt. Würde aber auch nur zeigen, wie gut die Propaganda zur Bedeutung der Geste ist, wenn nun auch die Gegner der Bewegung sie verwenden.

Atatürks Nationalismus erteilte dem Turanismus ebenso eine Absage wie dem Panislamismus. Seinen Ausdruck findet der Nationalismus in dem Ausspruch Atatürks: „Froh sei derjenige, der sagt: Ich bin ein Türke.“

Kemalismus – Wikipedia

Wir haben über den Gruß und seine Herkunft hier diskutiert, falls es jemand nachlesen will.

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Wird aber durchaus im verlinkten Beitrag von einem türkischen Journalisten so berichtet. Bisschen komisch, das zu negieren.

Ich sage nur, dass es mich verwundern würde, nicht dass es auf jeden Fall nicht stimmt? ThomasMüller hat doch auch selbst den Konjunktiv genutzt, auf dem habe ich mit meinem aufgebaut.

Auf jeden Fall muss bei der Türkei auch berücksichtigen, dass eine Koalition aus Neoosmanischer AKP (Erdogans Partei) und Turanistischer MHP (der Partei hinter den Grauen Wölfen am Start ist), also wäer eine Normalisierung der Geste über alle Parteigrenzen hinweg nun keine große Überraschung.

Edit: Ich habe recherchiert und ja es ist scheints sehr häufig passiert und er hat sich dazu auch geäußert. Interessant: Damals war es für Erdogan scheinbar noch ein Affront, jetzt macht er es selbst.

Wolf salute - Wikipedia

Vielleicht war Kilicdaroglu damit auch einer der ersten, der das Symbol als allgemeines Symbol salonfähig gemacht hat?

Ich möchte einen ganz anderen Blickwinkel eröffnen. Steht es uns und der UEFA überhaupt zu so zu urteilen?
Wenn selbst die Türken sich uneins sind wie der Wolfsgruß zu interpretieren ist. Ist es dann überhaupt gerechtfertigt das wir uns hier so als Deutsche in Deutschland an der Debatte beteiligen?
Ich hab da wieder den Bundestrainer im Hinterkopf. Wir suchen immer nach dem negativen wo drüber man sich aufregen kann. Ein Lösungsansatz könnte in dieser Debatte auch sein, das wir als Deutschland nicht die Moral gepachtet haben und es den Türken überlassen sollten, in ihrer Gesellschaft selbst auszuhandeln, wie der Wolfsgruß zu verstehen ist.

Denn Fakt ist doch das der Gruß in der Türkei nicht strafbar ist.
Auch hier in Deutschland ist er nicht strafbar!
Soweit ich es gelesen habe ist er nur in Österreich verboten.

Müssen wir es nicht einfach aushalten wenn der Türkische Nachbar im Gespräch beim Hecke schneiden mir erklärt welche Bedeutung der Gruß für ihn hat.
Und erst dann, sofern die Deutung Richtung graue Wölfe geht, es kritisch anmerken und diskutieren?

Es ist ja auch unsere Entscheidung das NS Symbolik in Deutschland zurecht verboten ist und wir uns auch Gesellschaftlich darauf verständigt haben das der Hitlergruß eine klare negative Aussage in sich birgt und daher Verboten ist und zu einem mahnenden Aufschrei führt, wenn Menschen auf Sylt diesen Gruß verwenden und das im Zusammenhang mit eindeutigen Aussagen untermauern.

Unsere Medien und die gesellschaftliche Debatte sind gleich wieder komplett in den Empörungs Modus geschaltet und ganz viele wissen, was sich gehört und was nicht. Wir sprechen über die Türken aber nicht mit ihnen.

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Damit sie dir dann die Propaganda erzählen, die die Rechten Parteien verbreiten, um das Symbol zu normalisieren? Man sieht doch ganz gut, wie das Symbol immer weiter verharmlost wird und durch irgendwelche Geschichten legitimiert. Das Symbol hat eine eindeutige Herkunft und Bedeutung und ist gar nicht nicht im Sinne der Rechtsextremisten zu lesen, die ein türkisch-islamisches Großreich erbauen wollen. Nur weil das Symbol nun von allen anderen auch, aber mit anderem Kontext genutzt wird, sollte es dennoch Konsequenzen geben, dass man Teil der Normalisierung imperialisitischer Tendenzen ist.

Also natürlich soll man mit ihnen reden, aber nicht alles was gesagt wird, ist auch 100% richtiger als das was von außen bewertet wird.

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Sorry, aber Du setzt Etwas voraus, was Du beweisen willst. Das Symbol ist eventuell neu, eventuell uralt. Es ist sicher von den Wölfen okkupiert worden und Du scheinst das zu akzeptieren, denn eine Entwindung des Symbols aus dem Händen der Grauen Wölfe willst Du offensichtlich nicht anerkennen, weil es dann ja normalisiert sei (weil kein Graue Wolf Symbol mehr). Du drehst Dich im Kreis. Wenn dann tausende von Türken, inklusive Kemalisten oder Leute links von Erdogan das Symbol mit ihrer Interpretation nutzen - was dann? Sollen die das sein lassen, weil wir dann nichts mehr haben, an denen wir einen Grauen Wolf erkennen? Der Mythos des Wolfs, so wie er nachzulesen ist (und komm mir jetzt bitte nicht nochmal mit der Theorie, die Wikipedia Seiten zu dem Thema seien von den Grauen Wölfen manipuliert), kommt mir nicht imperialistisch vor. Nach allem was ich hier und anderswo gelesen habe, ist das mit dem Wolfsgruss kompliziert, weil er eben nicht uniform benutzt wird. Jedenfalls ist er nicht geeignet, um durch unseren üblichen Moralwolf gedreht zu werden.

Zum eigentlichen Thema der geplanten Sendung. Ich bin sehr gespannt, wie ihr das aufrollt. Ehrlichgesagt weiss ich nicht, ob ich dem bei der EM sichtbaren Nationalismus (egal ob naiv, patriotisch, imperial oder indifferent auftretend) mehr als anekdotische Bedeutung geben würde. Was immer wir sehen (Wolfsgruss ist ein gutes Beispiel dafür), ist doch nur eine sehr oberflächliche, schlaglichtartige Reflektion einer viel tiefer gehenden Debatte oder eines viel tiefer in der Gesellschaft ablaufenden Prozesses. Nur dass die emotionale Eskalation bei so einem großen Turnier diese Vorgänge, die auch ohne EM genauso ablaufen würden, völlig verzerrt. Mit anderen Worten: der überall sich wieder abzeichnende Stärkung einer nationalen Selbstwahrnehmung in breiten Bevölkerungsschichten ist ein super interessantes und wichtiges Thema. Aber was dann bei der EM passiert, ist nur sensationell und geht nicht im Geringsten an die Wurzeln dieser Entwicklung ran. Ich halte jedenfalls nichts von der These, dass Fußballtuniere diesbezüglich eine Wirkungskraft entfalten können. Sie sind immer nur symptomatisch. Aber das Thema ist komplex und ich mag falsch liegen - ich freue mich jedenfalls auf die Sendung.

Vermutlich nicht ganz das Kern-Thema. Aber doch ganz interessante Meldung aus der Aktualität:

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Ich hab zwar keinen Input, aber hätte eine Frage für die Folge:

Inwieweit gab es Ereignisse/Probleme mit rassistischen oder rechtsnationalen Fans/Fangruppen?
Ich habe selbst absolut nichts mitbekommen und alle Kontakte die ich mit Fans hatte (an 2 Tagen, mit Schotten und einmal Spaniern) waren einfach nur schön, freundlich und angenehm.
Jetzt wohne ich aber komplett aufm Land und hab mich auch nicht groß über Fanaktionen informiert, außer hier und da nen Video eines Fanmarsches zu sehen.

Daher würde mich mal interessieren, wie es denn in den Stadionstädten, oder sonst in großen Städten aussah.

@GNetzer ich markier dich mal, damit es in der Diskussion nicht untergeht.

Erst einmal Respekt dass du dich an das Thema herantraust. Abseits der Aufmerksamkeit für die Türkei aufgrund der vergangenen Tage, ist das auch ein Thema bei den Balkanstaaten. Dazu gibt es eine hervorragende Sendung die den Blick mehr auf die Geschehnisse der Vorrunde und Nationalismus in Kroatien/Serbien allgemein richtet.
Frei nach dem Motto: Nationalismus der anderen ist immer blöd, unserer aber gut. würde ich mir auch einen Blick nach Deutschland wünschen. Gerade Figuren wie Aleksandar Vučić, Erdoğan und co. benutzen das meiner Meinung nach um an der Kritik vorbeizureden.

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Ich freue mich jetzt schon darauf
Und auf die Einordnung

Meine Frage wären
Wie unterstützt ein Länderturnier Nationalismus und hilft bei der Verbreitung und Vertiefung von nationalistischen Feindschaften

Ich hatte das Gefühl, dass zumindest bei extrem ausgrenzenden Nationalismus schneller und aktiver von allen Seiten gehandelt wurde und es eine breitere Abgrenzung gibt
(Die Sperren, das relativ schnelle Einschreiten von Fanbetreuern bei Österreich und die sehr klaren Worte von Menschen wie Mbappee)
Wird mehr unternommen oder hab ich nur das positive selektiert?

Immer wieder schön das der Rasenfunk sich solcher Themen annimmt

Auch von mir eine unbedingte Hörempfehlung des Podcasts von balla balla balkan, den @Westend1892 empfohlen hat

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Ich schließe mich an und ergänze die Frage, ob es für die gegenteilige Entwicklung (So ein Turnier bringt Völker zusammen und hilft dabei Nationalismus zu überwinden), die ja von den ausrichtenden Institutionen (Fifa, Uefa, DFB, IOC etc.) gerne betont wird, irgendwelche Belege gibt oder das nur PR ist ohne Verankerung in der Realität. Könnte ja auch sein, dass es beide Effekte gleichzeitig gibt: Vertieften Nationalismus bei den einen, Abschwächung/Überwindung bei den anderen (sowohl in deutschen, als auch auch in schottischen Medien wurde in den letzten Wochen viel über eine neue Freundschaft geschrieben/berichtet).

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Und darauf aufbauend eine Frage

Den Gegner Ausbuhen und mit schmähgesängen belegen, ist für mich irgendwie sehr europäisch
Ist diese Abgrenzung in Europa stärker?
(kommt in Südamerika(Argentinien und Brasilien extrem) auch vor, aber da gibt es ja auch gerade in den Hafenmetropolen einen enorm europäisch geprägten Einfluss)

Aber es kann natürlich sein, dass ich vom Afrikacup einfach nur die meist schönen Bilder kenne, wo größtenteils gilt das eigene Land zu lieben heißt nicht das andere Land zu hassen und Fanmäßig sieger ist, wer die geilere Party macht

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Der römische Gruß soll auch uralt sein. Bei der schwarzen Sonne verweist man dann mal auf frühmittelalterliche Symbolik, um die Unverfänglichkeit zu belegen. Faschisten behaupten immer und immer wieder, dass ihre Symbolik ja nur an die Historie anknüpfe. Ironischerweise ist es die Historie, die dieser Argumentation allerdings entgegentritt. Denn schlussendlich ist es egal, ob es ein historisches Vorbild gibt: Relevant ist die heutige Verwendung und Ausgestaltung, die die Bedeutung bestimmen. Wenn Faschisten bestimmte Symbole benutzen, dann sind es faschistische Symbole. Wenn andere anfangen diese Symbole auch zu verwenden, dann könnte sich die Bedeutung verschieben. Es könnten aber schlicht und ergreifend die anderen auch nach rechts rücken - das lässt sich nur ergründen, wenn man den Kontext sich anschaut.
Was mich zum Wolfsgruß bringt: Das ist und bleibt ein Zeichen des türkischen Nationalismus und dabei gegen Linke und Minderheiten in der Türkei gerückt. Wer das in Deutschland beobachten möchte, kann zu kurdischen oder alevitischen Veranstaltungen/Demonstrationen gehen und einmal die Menschen außerhalb der Versammelten beobachten. Wenn von außerhalb Beleidigungen und Drohungen gespickt mit türkischem Nationalismus gegen die Versammlung vorgebracht werden, dann ist der Wolfsgruß nicht weit (selbst mehrfach erlebt). Ist das dann eine akzeptable Verwendung, wenn die Urheber gar keine Anhänger der grauen Wölfe sind, sondern nur mit ihnen in diesen Punkten übereinstimmen?
Auch der vermeintlich linke CHP-Kandidat und sein Wolfsgruß sind nicht so schwer zu erklären. Einerseits hat sich auch der Kemalismus historisch immer auch gegen die Minderheiten und die Linken in der Türkei gestellt. Andererseits ist die CHP seit 2017 (@RobChang !) mit der Iyi-Parti verbündet, die eine gegen Erdogan gerichtete Abspaltung der MHP ist. Kilicdaroglu (wie andere CHP-Kandidaten auch) ist stets darum bemüht auch nicht-islamistische Rechtsaußen gegen Erdogan zu gewinnen, auch wenn sich das dann gegen andere Verbündete richten könnte (Aleviten, Kurden, etc.).

Grundsätzlich würde ich zustimmen, Verbote und moralisches Geschrei sind nicht sehr hilfreich und die Diskussion ist vorzuziehen. Nur macht es das halt immer noch an den Grauen Wölfen fest und nicht am Inhalt. Der wäre wichtiger. Ein überzeugter Kemalist, der Minderheiten scheiße findet und unterdrücken möchte, aber nicht von einer Großtürkei träumt, ist praktisch nur sehr bedingt besser.

Zum Nationalismus allgemein: Was ist Nationalismus? Was ist der Unterschied zu Patriotismus? Finden wir beides doof? Gibt es Abstufung welcher Nationalismus jetzt doof ist und welcher nicht?

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Und damit fing die Diskussion eigentlich an: dass das Symbol heute, soweit ich es verstanden habe, von vielen (nicht: allen) ohne gedanklichen Schulterschluss mit den Grauen Wölfen verwendet wird. Dann kam die übliche Keule, das sei alles nur vorgetäuscht und die seien alle Faschisten im Schafspelz. Was ich bestreite. Wenn (wie Du schreibst) die heutige Verwendung und Ausgestaltung relevant ist, dann ist es eventuell relevant, dass der Wolfsgruss ambivalent ist. Wenn er ambivalent ist, wäre es hilfreich im Sinne der Isolierung der Faschisten, nicht alle Menschen, die ihn nutzen, mit unserer Deutung (in Wirklichkeit die Deutung der Grauen Wölfen, die wir übernommen haben) in die Fascho-Ecke zu stellen. Ich weiß echt nicht, ob es faktisch richtig ist, dass der Wolfsgruss hergebracht ist und von den Grauen Wölfen ursupiert wurde und es immer auch eine nicht-imperialistische Nutzung des Grußes gab. Es gibt viele verschiedene Aussagen dazu. Aber ich akzeptiere zwei Gegenargumente nicht ohne weiteres : 1) alle Fundstellen die das Gegenteil behaupten sind gefälscht, und 2) wenn die Grauen Wölfe (oder die AfD, oder Le PEN) etwas für sich reklamieren, darf man es nicht mehr anfassen, also die Ursupation wird einfach akzeptiert. Nachdem was Du schreibst, ist das aber eigentlich egal und ich würde Dir zustimmen: relevant ist die heutige Verwendung und Bedeutung. Das hiesse, man müsste herausfinden, ob es stimmt, dass das Symbol nicht (mehr) allein den Grauen Wölfen zusteht und in ihrem Sinne genutzt und gedeutet wird, oder doch. Alle Argumente, die ich hier lese, machen aber das Gegenteil, sie beweisen das zu Beweisende mit dem zu Beweisenden: der Gruß ist immer faschistisch, weil wir seine Nutzung immer als faschistisch sehen. Dann haben wir jetzt halt ein paar hunderttausend faschistische Türken mehr im Land, und da wir mit Faschisten nicht reden, lassen wir die im Ghetto und gucken mal, was da bei rauskommt. Aber moralisch sind wir auf der sicheren Seite.

Ich bin sehr gespannt auf diese Sendung und in welche Richtung sie am Ende inhaltlich gehen wird. Ich hoffe ehrlicherweise nicht, dass es sich primär um ein erklären der Vorfälle handeln wird. Wir haben alle mitbekommen, dass Demiral und Daku für zwei Spiele gesperrt wurden, Österreich Fans „Ausländer Raus Deutschland den Deutschen“ skandierten, ein „Defend Europe“ Banner dabei hatten, die Inflationen an Wolfsgrüßen, Leute die großserbische oder großalbanische Reiche fordern, wir kennen den schwarzen Block ungarischer Fans von der letzten EM, deutsche die gerne mal in diese Richtung neigen sowie die Kommentare englischer Fans nach den Fehlschüssen im letzten EM Finale und auch die Nähe Kroatiens zur politischen Rechte ist seit Neuers Feriencharaoke gut bekannt.

Ich hoffe auf eine Darstellung des Einflusses der Europameisterschaft auf den Nationalismus in den verschiedenen Ländern. Klar ist, dass Verbandsturniere in der Denkweise des Nationalismus einfach einzubinden sind. Die eigene Nation gegen eine andere, Siege fördern das Denken der Überlegenheit und Niederlagen fördern idR häufig Abneigungen gegen andere Nationen.

Jetzt begegnet mir häufig wenn ich mich im privaten Kreis darüber unterhalte, warum mir die deutsche Nationalmannschaft egal ist, häufig ablehnende Blicke, insb. wenn ich den Partypatriotismus als ein mir sehr unangenehmes Gefühl beschreibe. Häufig entgegnet dann die Frage was an ein bisschen schwarz-rot-goldener Schminke, ein paar Trikots oder Fähnchen denn so schlimm sei. An diesen einzelnen Sachen ist sicherlich wenig verwerflich, allerdings steigert eben genau dieser Partypatriotismus nationalistische Denkmuster und hat so die Chance sich besser und vermehrt in der Gesellschaft zu etablieren.

Hierzu gibt es ja auch nahezu bei jedem Turnier studien, die aufzeigen, wie sehr mit Siegen der eigenen Mannschaft nationalistische Denkmuster etablierter werden innerhalb der Gesellschaft. Wenn ich mich richtig erinnere, war dieser Anstieg insb. nach der WM 2006 am stärksten ausgeprägt. Sicherlich auch weil dieses Turnier in Deutschland stattgefunden hat. Nun haben wir diese EM erneut in Deutschland und erleben eine Woche vor Turnierstart eine Europawahl, die im Ergebnis einen rechtsruck bestätigt, der sich in den letzten Jahren immer weiter abgezeichnet hat in diversen Wahlen und im politischen Diskurs generell, der zunehmend von rechten Themen beherrscht wird und bei dem sich selbst linke Parteien einigen dieser Narrative annehmen (müssen).

Vielleicht gibt es hierzu ja bereits einige Untersuchungen, die ich bisher nicht mitbekommen habe. Jedenfalls macht mir dieser Patriotismus im Zusammenhang mit der aktuellen politischen Situation doch zunehmend Sorgen.

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Wie heißt es doch immer so schön: Fußball ist unpolitisch.

Und natürlich muss Mann die Nationalmannschaft des eigenen Landes anfeuern.

Alle zwei Jahre stellt sich einem Fußballfan die Frage, sind wir alle in den Farben Schwarz Rot Gold vereint? Ich persönlich bin da hin- und hergerissen. Ja, ich halte es mit der deutschen Mannschaft, freue mich über Tore und Siege, aber könnte heute nicht mehr in den Chor der „Schland“ Gesänge, geschweige denn der „Sieg! Sieg! Sieg!“ Rufe einstimmen. Ich bin der Unschuld eines lang vergangenen Sommermärchens entwachsen. Und selbst bei harmlosen „Schland“ Gesängen merke ich da eine Kluft, zwischen mir und den so Jubelnden.

Bin ich moralinsauer? Weil das bisschen Partynationalismus in meinen Augen zu einem sich selbst überhöhenden Nationalismus führt? Ich mich nicht von dem Gedanken trennen kann, dass dort wo etwas so idealisierend aufgewertet wird, früher oder später auch immer etwas abgewertet wird? Dass sich so ein Dualismus in die Köpfe frisst, der Grundlage eines jeden Faschismus ist?

Also auf gut deutsch heruntergebrochen: Schland Rufe= Nazi?

Nein, natürlich nicht. Oder besser, es kommt darauf an.

In den 30er Jahren entwickelte der Anthropologe und Psychologe Gregory Bateson das Konzept der Schismogenese. Kurzes Beispiel: Treffen sich zwei gemäßigte Sozialdemokraten, unterhalten sich eine Stunde über Politik und am Ende verteidigt der eine Lenin und der andere Milton Friedman. Man würde sich also mit einer ähnlichen Grundeinstellung treffen, aber an den Kontrastpunkten reiben, diese überhöhen und sich am Ende mit den Extremen identifizieren. Natürlich ist das nicht zwangsläufig. Schismogenese sollte erklären, wieso sich benachbarte Menschengruppen unter ähnlichen Voraussetzungen zum Teil total konträr beziehungsweise mit einer Neigung zur Abgrenzung entwickeln. Sei es Sparta und Athen, First Nations oder das Entstehen von „Nationalcharakteren“ im 19 Jahrhundert. Wären wir also wieder beim Thema.

Mir gefällt an dem Model, dass es daran erinnert, nicht nur professionelle Empörer im Social Media Zeitalter sorgen für Spaltung von außen. Nein, es ist etwas zutiefst Menschliches. So könnte eine Nachfrage, warum ich bei den Schland-Gesängen nicht mitmache oder kein Trikot trage, sehr gut dazu führen, dass ich dann erst recht nicht tue, was der andere dann erst recht tut. Und ich kann mir vorstellen, wie z.B. ein Türke unter dem Eindruck von nicht nur sachlichen Argumenten am Ende dann auch den Wolfsgruß zeigt, obwohl er sich vorher nie damit gemein gemacht hätte. Wie gesagt, kann.

An dieser Stelle muss man aber auch eine klare Unterscheidung treffen. Wolfsgruß, Defend Europe Banner und Gesänge zur Melodie von „L`Amour Toujours“ zielen immer gegen andere. Partynationalismus kann so sein, muss es aber nicht. Wir haben in meinen Augen bei dieser EM auch gesehen, dass sich in Nationalflaggen gehüllt Leute mit anderen Fahnen verbrüdert haben. Sich sogar über nationale Klichees lustig gemacht haben, Baguettes oder Spagetti wurden in Freundschaft zerbrochen. Und man konnte vor allem auch sehen, wie Menschen unterschiedlichster Herkunft, ein Querschnitt einer offenen Gesellschaft, sich unter den Farben der Bundesrepublik versammelt haben. Währenddessen haben zum Teil Menschen, welche sich nach dem alten Reichsbanner über dem Reichstag sehnen, aus vielen Gründen die deutsche Nationalmannschaft boykottiert. Vielleicht weil wer zusammen feiert, auch zusammenwächst. Unsere Nationalfarben wurden also aktiv besetzt und dem alleinigen Geltungsanspruch von rechts außen entzogen und quasi zurück in unsere Mitte geholt. Zumindest in Teilen, es wäre ein schöner Gedanke.

Bleibt am Ende vielleicht für mich die wichtige Feststellung: Partynationalismus kann, muss aber nicht problematisch sein. Er darf nicht in ein sich über andere erheben wollen abdriften und muss wahrscheinlich von echtem Sportsgeist getragen sein. Ein schlechter Verlierer wird immer nach Gründen suchen, warum man eigentlich der verdiente Sieger gewesen wäre, warum der Italiener schuld ist, dass Frings 2006 im Halbfinale gesperrt war usw. Die Emotionen sind verständlich, aber ich habe für mich in einem Pub voller Rangers-Fans lernen dürfen, dass wahre Größe darin besteht, sich zwar total mit seinem Team zu identifizieren, aber auch in der Niederlage den anderen auf Augenhöhe anzuerkennen.

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Mich irritiert die Diskussion etwas. U.a. Ruben Gerczikow dokumentiert ja, dass der Wolfsgruß nicht im leeren Raum, sondern gemeinsam mit Symbolen und rechtsextremen Slogans der Ülkücü-Bewegung auftritt - etwa beim Fanmarsch in Berlin vor dem Niederlande-Spiel.

Der Wolfsgruß ist in Deutschland vor allem deshalb nicht verboten, weil die Ülkücü-Bewegung nicht verboten ist. Die Forderung danach gibt es seit Jahren immer wieder - letztes Jahr etwa durch die Grünen-Abgeordnete Lamya Kaddor -, aber dass der Kampf gegen Rechtsextremismus in der deutschen Politik nicht gerade priorisiert ist, ist ja nichts Neues. Mich überzeugt das Argument auch nicht, dass die Diskussion um den Wolfsgruß eine irgendwie innertürkische Angelegenheit sei. Mitglieder der ‚Grauen Wölfe‘ bedrohen auch in Deutschland Kurd:innen, Jüd:innen und andere - weshalb die Verbotsforderung ja gerade aus dieser Richtung nachdrücklich erhoben wird.

Die türkische Nationalmannschaft hat ja bereits eine (sanktionierte) Vorgeschichte des anti-kurdischen Nationalismus. Merih Demiral hat sich dabei bereits in herausgehobener Rolle hervorgetan.

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Nach diesem Youtuber zu folge gibt es kaum Belege für ein Zusammenhang zwischen WM und Rechtsruck gibt.
Sondern nur einen der es ohne wirkliche Wissenschaftliche belege, behauptet hat.