Ost- Ost- Ostfußball

Hallo ihr lieben, ich hatte das Bedürfnis mich etwas über den Fußball in Ostdeutschland mit seinen Eigenheiten auszutauschen und dachte dass das hier ein guter Ort dafür sein könnte, hab auch noch keinen Thread zu diesem Thema gefunden.
Anstoß von Debatten hier könnten aus meiner Sicht zwei aktuelle Entwicklungen sein, in der sich Probleme des Ostdeutschen Fußballs widerspiegeln.
Auf der einen Seite steht die Situation vom FSV Zwickau, die laut MDR (Sport im Osten) ziemlich existenzbedrohend klingt: Der heutige Trainingsstart für die neue Saison wurde verschoben, da man Stand jetzt ohne Chef- und Torwarttrainer und mit nur 4 Spielern unter Vertrag dasteht, zudem werden die Schulden des Vereins auf 1.35 Millionen beziffert. (für einen nun-Regionalligisten natürlich eine enorm hohe Summe) Ich bin nun nicht nahe genug an Zwickau dran, um hier ein Urteil zu fällen was potenzielle Misswirtschaften angeht, allerdings wäre ich davon ausgegangen dass ein Verein, der immerhin seit 2016 in der 3. Liga gespielt hat etwas fundierter dasteht, da das bei anderen Drittliga Absteigern zwar auch immer ernst war aber halt selten so ernst ist wie hier (außer halt bei den Ostteams, Erfurt und Chemnitz sind da ja weitere Beispiele), der Abstieg von der 3. Liga in die Regionalliga Nordost scheint ein ganz anderer Schnack zu sein als der in die Regionalliga Bayern, West oder Südwest, zumindest geht da nicht jeder zweite Verein pleite.
Mein zweiter Aspekt ist der Aufstieg aus der Regionalliga Nordost in die Dritte Liga, in der sich leider immer wieder die sportliche Schwäche der sonst mit Abstand attraktivsten Regionalliga zeigt. Seit dem zur Saison 2018/19 das Relegationssystem zur 3. Liga geändert wurde, standen mit Cottbus, dem BFC und Lok Leipzig drei Vereine in Relegationsspielen gegen Vertreter der anderen Regionalligen, keiner von ihnen schaffte den Sprung in die 3. Liga. Die letzten Teams, die als Meister aufsteigen durften (Viktoria Berlin, Chemnitz, Cottbus) mussten nach einer Saison Profifußball direkt wieder runter.
Ich denke der Punkt den ich machen möchte ist: Während einzelne Vereine (Magdeburg und Rostock spielen in der zweiten Liga gut mit, Union ist der erste Ostverein in der Champions League seitdem die so heißt) eine gute Entwicklung nehmen, wird das Nadelör durch das Vereine aus dem Osten durchmüssen, wenn sie sich (wieder) im bundesdeutschen Fußball etablieren wollen, immer kleiner - auch da hinter allen Aufstiegstorys im modernen deutschen Fußball finanzkräftige Unternehmen, Personen oder zumindest wirtschaftlich starke Regionen stehen. Mir fehlt leider die Fantasie um mir eine Entwicklung wie von Elversberg, Freiburg oder sogar Heidenheim in Jena, Erfurt oder Babelsberg vorzustellen und selbst den Status quo sehe ich durch die aktuelle Gesamtsituation gefährdet.
So, jetzt ihr. Wie seht ihr die aktuelle Entwicklung und wo seht ihr den Ostfußball in 10 Jahren? Und was wolltet ihr schon immer mal zu (euren) Vereinen im Osten loswerden?

3 „Gefällt mir“

Schönes Thema, gerade da wir ja schon im Thread der Regionalliga-Reform das Thema angeschnitten haben.
Generell gesagt: ich mag die Vereine aus dem Osten. Gerade die größeren Vereine bringen einfach viele Fans mit aufs Tableau. Klar, es gibt auch Ausschreitungen, die man vor allem bei den Ostclubs anprangert (Rostock, Dresden, auch Zwickau etc.), aber aus meinen eigenen Erfahrungen kann ich auch sagen, dass das keineswegs nur diese Clubs betrifft. Es ist eher ein generelles Problem.
Auf jeden Fall sehe ich die Clubs (wie schon im anderen Thema aufgezeigt) strukturell benachteiligt seit der Zusammenführung der BuLi. Generell erfährt man in der Berichtserstattung und in Gesprächen mehr über den FC 08 Homburg, der mal in der in den 80er Jahren in der BuLi (West) war, als über die Qualifikationen und Spiele der Ostvereine im Europapokal der Pokalsieger (in dem der 1. FC Magdeburg sogar 1974 gegen AC Milan siegte). Zumindest ist es in Großteilen hier im Westen so. Und das ist eigentlich schade, da diese BuLi-West so wie die echte deutsche BuLi wirkt, während die BuLi-Ost eher so ein Nachahmerprodukt wirkt. Mittlerweile findet eine solche Teilung zwar nicht mehr so krass statt, aber die meisten jungen Fans haben auch kaum einen Bezug mehr dazu, weshalb die Osterfolge in meinen Augen stark verblassen. Beim HSV redet man immer noch über den Europapokal Sieg und St. Pauli schmückt sich immer noch als Weltpokalsiegerbesieger (um 2000 war das doch) gegen den FC Bayern, aber Osterfolge sind in kaum einem vergleichbaren Rahmen so in den Köpfen wie so etwas.
Und auch wenn es ein etwas dümmliches Argument ist… Aber die schiere Unterrepräsentierung in den Profiligen, gerade der BuLi, stärkt in der Regel diese Westnarrative, während alles andere hinten runter fällt.

Auch bekommen in meinen Augen ‚Westvereine‘ einen leichteren Zugang zu Sponsoren als so mancher Ist Verein, was natürlich auch an der Verteilung der Industrien liegt. Jena hat mir Zeiss jemanden hinter sich stehen (wie auch generell heutzutage jeder Verein in einem gewissen Maße), aber kaum Vereine stürzen so richtig ab, wie es im Osten der Fall ist (wie du ja sagtest @strubehoved). Insgesamt ist natürlich die Finanzspanne zwischen den Ligen (vertikal) mit jeder Abstufung ein Existenzproblem, was in meinen Augen auch nicht durch die hohen Auflagen des DFB bzw der DFL (wer auch immer dafür verantwortlich ist) für den jeweiligen Liga Betrieb besser gemacht wird. Aber ohne ein Sicherheitsnetz und einen starken Sponsor ist für die Dritte Liga die Devise: Survive! In der Dritten Liga wird man nicht reich. Und selbst in der Zweiten Liga muss man sehr gut mit seinem Geld umgehen können. Einzig die erste Liga wirft Geld ab, und besonders interessant wird es dann auch erst an den europäischen Wettbewerben. Aber leider ist ein Durchgang gar nicht mehr möglich. Im besten Fall etabliert man sich auf Jahre, und hat eher Tendenzen nach oben als nach unten. Sonst ist es jedes Jahr eine Augsburgsaison: nicht Absteigen, Defensiv sicher Spielen und daher kaum Veränderungen. Aber da haben die meisten Vereine kaum Optionen, da kaum Ambitionen ermöglicht werden. Man muss ja was tun, um aufsteigen zu können.

Mein favorisierter Ostverein ist der 1. FCM. Das liegt tatsächlich an der Zweiten (bzw. eigentlich ersten richtigen) Baumgart Saison des SC Paderborn in der Dritten Liga, in der man mit Magdeburg zusammen aufgestiegen ist, und Magdeburg auch da eindeutig Meister wurde. Nur haben sich dann die Wege schnell getrennt, wir in die Erste und Magdeburg leider in die Dritte. Aber gerade die Verbindung zwischen den jeweiligen Podcasts zum Verein hat es mir schmackhaft gemacht. Und zusätzlich ist Magdeburg auch nicht weiter entfernt als die großen Vereine in Nord und Süd. Außer das Ruhrgebiet, das liegt dann wieder praktisch vor der Haustür :sweat_smile:

1 „Gefällt mir“

Heute wurde auf dem Youtube-Kanal des FSV der erste externe Neuzugang vorgestellt :wink:

Ganz wichtig ist es meiner Meinung nach ein modernes, reines Fussballstadion für mindestens 15000 Fans zu haben. In Jena wird ja das Stadion erneuert, in Aue ist das ja auch bereits umgesetz und Magdeburg hat ja auch seit mitte der 2000er seine moderne Arena. Chemnitz ja auch.

Die Leipziger und Berliner Vereine (alles neben Union und Hertha) spielen in alten, nicht sehr anhsehnlichen Stadien, mit denen man nie langfristig dritte oder gar zweite Liga spielen kann.


Wie ich den Ostdeutschen Fussball in 10 Jahren seh?
Ich habe die Hoffnung, das die Magdeburger sich in den nächsten Jahren zu einem Top 10-Klub der zweiten Liga mit Aufstiegambitionen entwickelt, dort sind die aktuell besten Vorraussetzungen gegeben für Bundesligafussball.

1 „Gefällt mir“

Ich war Anfang März beim Auswärtsspiel des FCK in Magdeburg. Da ich in Norddeutschland wohne, war ich auch in Kiel, beim HSV und bei Hannover 96. Während ich dort nette Gespräche auch mit gegnerischen Fans hatte und es eine allgemein recht entspannte Atmosphäre gab, war es in Magdeburg geradezu feindselig. In Kiel und Hannover saß ich in gemischten Blocks, während mir und etwa 40-50 anderen FCK Fans in Magdeburg von den Ordnern trotz gültigem Ticket der Einlass verwehrt wurde und wir nur im eigentlich schon vollen Auswärtsblock reingelassen wurden. Das Magdeburger Publikum bestand zudem überwiegend aus Leuten, auf deren blauen Jacken Ostdeutschland in Frakturschrift und vergleichbare Symbolik stand.

Wenn man sich dann die Spur der Verwüstung anschaut, die Rostocker Fans im Millerntor hinterlassen hat und die regelmäßigen Ausfälle von Dresdnern ansieht, bin ich über jeden Östclub froh, der möglichst niederklassig spielt.

1 „Gefällt mir“

Jetzt mal abgesehen davon dass man Frakturschrift in fast jedem deutschen Fußballstadion findet und man bei deinem letzten Satz die Teams die du gewählt hast auch mit fast beliebigen Vereinen aus z.b. dem Ruhrpott ersetzen und damit die Aussage einfach umdrehen könnte:
Wir können gerne über strukturelle Probleme bei der Bekämpfung von Rassismus in ostdeutschen Fußballstadien reden (auch wenn es mich wundert, dass die selben Problematiken bei RW Essen anscheinend nicht so interessant sind wie bei Chemnitz), grade von der Seite der Vereine haben wir da viel zu tun. Ich finde es dann aber auch wichtig zu betonen dass einige der erfolgreichsten antifaschistischsten Projekte im deutschen Fußball aus dem Osten kommen (Babelsbergs Welcome 03 Team, Roter Stern Leipzig, TeBes Einsatz insbesondere gegen Antisemitismus und Homophobie), sowas dann mit einem so platten Kommentar wie deinem mit unter den Bus zu werfen finde ich ehrlich gesagt sehr unsolidarisch.

4 „Gefällt mir“

Tennis Borussia Berlin ist kein Ost Verein. Und die sportliche Relevanz von Roter Stern oder Welcome 03 (hab ich noch nie gehört) bewegt sich doch auf sehr bescheidenem Niveau.

Welcome 03 ist ja ein festes Team unter dem Dach von Babelsberg 03, dort wird abgesehen von diesem Team auch noch weitere Arbeit geleistet die sich sehen lassen kann über reine Symbolikkraft hinausgeht. Und hier geht es ja nicht nur um sportliche Relevanz, sondern auch um gesellschaftliche. Die ist natürlich schwer zu messen, aber grade Roter Stern Leipzig interessiert die Leute schon, die Social Media Reichweite von denen ist größer als die von manchem Drittligisten.

2 „Gefällt mir“

Tja, in Braunschweig wurde ich aufs übelste beleidigt und die Paulianer waren der Meinung, dass schon unsere Großeltern sehr gern brannten. Soviel zu deiner unglaublich objektiven Sichtweise…

Selbstverständlich hat der Ruhrpott auch überhaupt kein Problem mit Rechtsradikalismus und die Frankfurter Fans haben zuletzt in Neapel ihre Liebe zu friedlichen Gesängen Ausdruck verliehen. Und was die Ausfälle der Dresdner angeht, verweise ich auf einen anderen Punkt.

Es gibt inzwischen in jedem Verein einen zwei-bis dreistelligen Kern an Hooligans, die mit großer Freude Toiletteneinrichtungen zerkloppen. In Dresden kommt man (wohl gemerkt, aufgrund der Gästefans!) gar nicht mehr hinterher. Und warum sind die Dresdner Ausfälle fast immer nur auswärts und wer garantiert dir denn, dass der jeweilige Übeltäter nicht ein gebürtiger Westfale oder Hanseat ist? Dein simples Weltbild ist eines der vielen Probleme, die wir in diesem Land haben und was uns daran hindert, bspw. die unsäglichen Wahlergebnisse der AfD aktiv zu bekämpfen.

2 „Gefällt mir“

Das beste Beispiel für die Ignoranz sind für mich 11 Freunde. Einerseits liebe ich sie für ihr Engagement und ihre Liebe zum Fussball. Andererseits schüttel ich nur den Kopf (und werde mein Abo irgendwann kündigen), wenn ich deren Abstinenz jeglichen Ostfussballs feststellen muss und selbst die 1. Liga Simbabwes mehr Aufmerksamkeit erhält.

1 „Gefällt mir“

Was simple Weltbilder angeht, kennst du dich sicher besser aus, bei mir im Nordwesten holt die AfD im übrigen kaum mal zweistellige Ergebnisse und wird nicht stärkste Partei wie in Thüringen und Suck-sen.

Wie zur Hölle hat Zwickau es geschafft nur noch 4 Spieler unter Vertrag zu haben. Da muss doch irgendwo Misswirtschaft dabei gewesen sein? Oder sind die Verträge mit dem Abstieg null und nichtig?

Ich denke es ist beim Übergang von der 3. in die Regionalliga grade bei etablierten Drittligisten üblich, dass die Verträge keine Gültigkeit in der Regionalliga haben, auch weil sich das Vereine einfach nicht leisten könnten. Was mir größere Sorgen macht ist dass man es noch nicht ansatzweise geschafft hat einen neuen Kader aufzubauen zu einem Zeitpunkt wo andere Teams schon ihre ersten Testspiele bestreiten.

1 „Gefällt mir“

Stimmt, klingt schlüssig. Und ohne Trainer ist das noch einmal doppelt schwer. Man kann sie weder mit einer Vision, noch mit Geld, noch mit einer interessanten Stadt locken. (sorry Zwickau meine ich nicht böse, geht den meisten Städten so).

1 „Gefällt mir“

Zwickaus Beispiel ist ja auch tatsächlich ein wenig… scheiße :sweat_smile: wenn man sich mal so eine Abart eines der Sponsoren (glaube ich war es) ansieht, der durch das Begießen des Schiedsrichters mit seinem Getränk RW Essen drei für sie unglaublich wichtige Punkte verschenkt hat… Ob es jetzt am dem Ausgang etwas geändert hätte, wenn diese Punkte irgendwie anders nach normalen Spielfluss verteilt worden wären, sei dahingestellt.
Ist natürlich eine anstrengende Nummer, dass Verträge von Profis bei Ligaabgang automatisch weg sind, kann aber in gewisser Weise auch für Erleichterung sorgen. Ich weiß jetzt natürlich nicht, wie entsprechend das Gehalt dadurch gesenkt werden kann und so Defizite zumindest entgegenkommen kann, aber ist es halt auch echt schwer einen ‚Aufstiegskader‘ zusammenzustellen, wenn man quasi von Null beginnen muss…
Mich würde eigentlich eher interessieren, warum Zwickau am Ende Joe Enochs rausgeworfen hat. Ich verstehe da natürlich die Intention zu der Zeit und auch die ‚Dringlichkeit‘, die dem angehängt wurde. Aber seine Arbeit bei Zwickau als langjähriger Trainer fand ich jetzt nicht so schlecht. Ich hatte immer das Gefühl, dass unter ihm nich was laufen kann.

1 „Gefällt mir“

Ich kann jetzt auch gerne mit meinen persönlichen :v:t3::fist:t3:objektiven​:v:t3::fist:t3: Erfahrungen im die Ecke kommen, in denen ich aufgrund von Fanverhalten auch den FCK in die Regionalliga wünschen würde… Aber das waren meine Erfahrungen dort, die auch scheiße waren. Dafür kämme ich aber nicht ganz Rheinland-Pfalz über einen Kamm. Und ich freue mich im Gegenteil, dass der FCK gut performt und gönne es ihm. @recklette hat hier ja auch schon bant gut etwas zu geschrieben, von daher lasse ich die Sache mal auf sich beruhen. Ich hatte im Gegenteil in Magdeburg gegenteilige Erfahrungen gemacht, aber so ist das nun mal.

1 „Gefällt mir“

Als jemand mit „Insider-Perspektive“ möchte ich einen Aspekt anbringen, der, glaube ich, viel übersehen wird: Die große Bedeutung des Fußballs im Osten im Kampf gegen die Neonazis.

Mir ist schon klar, dass sich hier einige denken: „Was für ein Schwachsinn?“ Und ja, das Bild von „Nazivereinen“ ist schon sehr präsent und das durchaus zurecht. Aber, please hear me out:

Für sehr viele Menschen im Osten ist Fußball essentiell für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und als Identifikationsanker. Das sieht im Westen vielleicht ähnlich aus, aber man darf nicht vergessen: Die Zivilgesellschaft im Osten ist einfach schwächer. Andere Vereine, Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, … All das ist im Osten schwächer ausgeprägt. Das ist auch immer einer der Erfolgsrezepte der Rechten im Osten gewesen: Zusammenhalt und Gemeinschaft niederschwellig anbieten, für ein „Wir-Gefühl“ sorgen usw. Was aber immer da war und ist, ist „der Verein“ (bitte durch einen beliebigen Ostverein ersetzen), mit dem man sich identifizieren kann. Deshalb ist „der Verein“ auch einer der gesellschaftlichen Akteure, der bestimmte gesellschaftliche Schichten überhaupt noch erreicht.

Natürlich wissen die Nazis das auch. Und natürlich investieren sie viel, um in den Fanszenen Einfluss zu gewinnen. Manchmal klappt das. Ein gutes Beispiel ist der Chemnitzer FC, wo Hooligans ein Ligaspiel als Gedenkveranstaltung für einen stadtbekannten Neonazi missbraucht haben. Das hat dann natürlich eine lange Vorgeschichte, ist aber ein echter Erfolg für die Neonaziszene.

Doch wie in Westdeutschland auch, sind die Ultras im Osten nicht homogen, „DIE Ultras“ gibt es nicht. Ich stecke da nicht tief drin, aber mein Eindruck ist, dass viele Ultras im Osten den kleinsten gemeinsamen Nenner „Keine Politik“ haben. Heißt in etwa: Regenbogenflaggen sind doof, Naziflaggen auch. Letzter Teil ist für einige Teile der ostdeutschen fußballbegeisterten Gesellschaft aber keine Selbstverständlichkeit (und das seit der Wende und davor).

Fußball ist aber für viele Menschen - gerade im Osten - auch ein Ausbrechen aus der eigenen Blase. Im Klartext: Alle Ausländer sind Sch***, aber der Türke im Sturm, der jeden Samstag die Buden macht, ist der Held? Ich habe mehrere Menschen kennengelernt, die nicht deutsch gelesen werden, die aber glühende Dynamo-Fans waren. Wahrscheinlich ist die Wahrheit komplex, aber oft überdeckt das Trikot wohl die Hautfarbe. Und wenn man „dem Verein“ die Treue geschworen hat und „der Verein“ dann verkündet „Rassismus hat hier nichts zu suchen“, dann hat das eine andere Wirkung, als wenn es aus „der Politik“ oder „den Medien“ kommt.

Und es gibt halt auch im Osten viele Fußballbegeisterte, die keinen Bock auf Nazis haben und das auch in Taten umsetzen. Ich habe mal die Verantwortlichen vom Dynamo-Fanprojekt getroffen und es ist einfach unglaublich, wie wertvoll deren Arbeit ist. Weil sie die Menschen dort erreichen, wo sie noch erreichbar sind: Beim Fußball.

Viele Vereine engagieren sich auch ganz offiziell und mit enorm viel Mühe, Cottbus zum Beispiel mit Rotweiß statt braun - FC Energie Cottbus e.V. . Und auch beim „Sorgenkind“ Chemnitz haben Fans angefangen, aktiv zu werden. Heraus kommen dann solche Aktionen wie https://heimspiel-chemnitz.de/

Gerade jetzt,wo so eine gewisse Partei einen großen Wahlerfolg im Osten gefeiert hat und überall Menschen die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und sich denken: „Was sollen wir da nur tun?“, kann ich nur wärmstens empfehlen: Investiert in den Ostfußball! Die Vereine, die Fanprojekte, und die von Fans angestoßenen Aktivitäten. Es gibt Evidenz dafür, dass es nicht zum Fenster herausgeworfen wird.

Zum Schluss noch zwei persönliche Anekdoten: Ich wohne in einem nicht ganz so einfachen Stadtteil in Dresden. Direkt gegenüber von meiner Wohnung ist ein Fußballplatz mit Vereinsheim und Trainingsanlagen. Wenn ich im Sommer das Fenster offen habe, kann ich die Trainer rufen hören. Oft rufen sie eine bunte Mischung aus Namen, die sowohl „biodeutsch“ als auch „ausländisch“ klingen. Und jedes Mal denke ich mir: „Ja, so muss es!“
Die andere Anekdote (hat nicht ganz so viel mit dem Rest des Posts zu tun): Ein paar Monate nach der Frauen-EM gab es ein Freundschaftsspiel(!) der dt. Frauen gegen Frankreich in Dresden (Stadionkapazität: 27.190). Wenige Tage nach Ankündigung wollte ich mir Tickets kaufen: Es gab nur noch Stehplätze. Ich war dann im K-Block (Stehplatzbereich, wo normalerweise die Ultras stehen). „Wir“ waren dann während des Spiels auch für die Stimmung zuständig. Auf dem Weg ins Stadion und im Stadion habe ich viele Mädchen in Klamotten von den wichtigen Dresdner Vereinen im Frauenfußball gesehen. Am Ende konnte sich die N11 von einem vollen Stadion (auch die Stehplätze waren so gut wie belegt) für ein verdientes 2:1 feiern lassen. Es war ein Fest, made in Ostdeutschland.

7 „Gefällt mir“

Danke für diese Perspektive.
Bei all dem Gegenwind, der dem Nazi Aufkommen in den Ost-Vereinen, zum Glück öffentlich-westlich entgegen schlägt, wo bleibt die Unterstützung für die Fans dort, die darunter leiden? Wenn wir das von außen schon so erleben, wie muss es dann erst von innen sein?

Mir fehlt da die Solidarität mit denen, die es erleben und erdulden müssen. Und ich sage bewußt erdulden. Wo ist da auch die Verantwortung der Vereinsführungen ? Sind die denn tatsächlich auch schon überwiegend unterwandert?
Man denke nur an die entsprechenden Reaktionen von Rostock und Chemnitz.

Wir in unserem geschützten Raum verlangen immer: Hej, steht auf, wehrt Euch. Das sagt sich so leicht, wenn Du nicht mitten drin lebst.

Bis vor ca 3 Jahren war ich oft in Brandenburg und in der Uckermark unterwegs. Da gibt es Regionen, da waren die blaue Partei und der braune Dreck so omnipräsent und greifbar, dass ich für mich entschied, es künftig zu lassen. Aber ich konnte mich dafür entscheiden, viele die dort leben eben nicht.
Zivilcourage einzufordern wenn es einen selbst nicht betrifft, ist einfach. Ich würde mir wünschen, es würden Anstrengungen gemacht werden, die Vereine / Fans zu unterstützen, die Stand halten. Oder gibt es das und ich übersehe es?

Es kann ja nicht sein, dass wir verlangen: Geht da nicht mehr hin, unterstützt die nicht. es muss doch genau das Gegenteil getan werden. In die Stadien gehen und Gegenhalten.

2 „Gefällt mir“

Ist ja dann aber leider genau das Gleiche. Wenn ich mich dann dafür entscheide das im Privaten zu meiden, lasse ich die allein, die dort eben nicht dem blauen oder braunen Dreck folgen. Die Region wird noch weiter abgekapselt und die Suppe kann sich noch ungestörter brauen lassen. Und das mit der Wahl oder Entscheidung ist immer etwas differenzierter zu betrachten. Wenn das deine Heimatregion ist, du vielleicht in einem Haus wohnst, was schon mehrere Generationen dein „zu Hause“ ist und deine Verwandtschaft sich dort mehrheitlich abbildet ist die Hürde ungleich höher dem trotz der ganzen negativen Aspekte den Rücken zu kehren.

Grundsätzlich ist es in meiner Wahrnehmung auch eher so, dass die Thematik bei den betroffenen Vereinen immer recht omnipräsent in der Wahrnehmung auftaucht, obwohl die Problematik sicherlich auch in anderen Regionen vorhanden ist. Die Basisarbeit die zumindest bei den Ostvereinen geleistet wird ist eben auch nicht so berichtenswert weil wir hier mehrheitlich von Vereinen sprechen die in der 3. Liga oder Regionalliga unterwegs sind. Wären da 2 Erst- und 2 Zweitligisten dabei sähe die Sache vielleicht für die Erwähnbarkeit in den Sportmedien schon wieder ganz anders aus. Gleiches mit den Gegenbewegungen in Chemnitz, teils in Cottbus, in Babelsberg oder auch bei Roter Stern oder Chemie Leipzig. Da wird mit Herzblut gearbeitet, die Vereine selbst spielen aber außerhalb der gesamt sichtbaren sportlichen Relevanz. Für Sport1/Kicker/Sportbild ist es ertragreicher wenn beim FC Bayern irgendjemand einen Ausflug nach Paris macht als wenn man in Chemnitz probiert ein Stadionbündnis gegen rechts zu etablieren. Knallt es mal wieder, gibt es rassistische Auswüchse, dann ist die Headline natürlich reißerisch genug um sie relevant zu platzieren. Aber sie bringt eben damit auch weiterhin nur negative Presse für die jeweiligen Klubs und Fussballdeutschland schüttelt wieder mit dem Kopf.

Und nicht damit ein entsprechender Eindruck entsteht: Die Klubs sind nicht reine Opfer der öffentlichen Darstellung. Ich denke auch, dass einfach noch zu wenig getan wird um diese Tendenzen so weit es geht aus den Stadien zu verdrängen. Aber auch hier spielen wieder wirtschaftliche Dinge eine Rolle. Kann man auf 10 20% Zuschauereinnahmen verzichten wenn man eh schon auf Kante wirtschaftet oder schluckt man die Kröte die man mit den Nebengeräuschen eben dazu nehmen muss um zu überleben? Ein Traditionsverein der auch teils in einer glorreichen Vergangenheit lebt (die Erstliga-Zugehörigkeit zu DDR Zeiten hatte ich schon mal angesprochen) lässt sich nicht so einfach losgelöst vom sportlichen Erfolg betreiben wie ein als Projekt gestarteter Verein wie Roter Stern Leipzig.

Woher kommen die Mittel um solche Aktionen weiter zu fördern? Da die entsprechenden Vereine oft außerhalb des Profifussballs und in strukturschwächeren Regionen operieren wird es von einem Pott der Profivereine nicht kommen. Die Regionalverbände oder der DFB selbst wären da gefragt mit einem entsprechenden Fonds. Zweckgebundene Mittel könnten helfen, finanzieren wollen wird sie aber wohl niemand. Den klammen Kassen der Kommunen wird man sie auch nicht entnehmen können.

Ich selbst hatte glücklicherweise noch keine schlechteren Erfahrung am eigenen Leibe machen müssen und ich habe ob der Regionalität mittlerweile viele Stadien von Jena bis Zwickau, von Magdeburg bis Halle, von Potsdam bis Cottbus aus reinem Fussballinteresse bereist. Aber ich verschließe auch die Augen nicht und sehe, was da schon mal 20 30 Meter auf der Tribüne für Verhältnisse herrschen. Aber wie so häufig ist das, was sich im Stadion einfindet eben ein Spiegelbild der Gesellschaft. Und wenn ich auf die derzeitige Entwicklung schaue lässt mich das irgendwie mehr und mehr ratlos zurück…

4 „Gefällt mir“

Nachdem ich 11 Freunde schon erwähnt hatte, kann der DFB nicht fehlen. Exemplarisch für dessen Ignoranz ist die Verteilung der Länderspiele. Selbstverständlich macht es Sinn, ein besonders wichtiges Spiel in eine entsprechend große Arena (München, Dortmund, Berlin etc.) zu vergeben und natürlich müssen auch Traditionsorte wie Lautern, Nürnberg u.s.w. Länderspiele erhalten. Aber wenn dann das x-te Spiel in Sinsheim oder Wolfsburg vor halbleeren Tribünen veranstaltet wird, dann wird mir einfach nur übel. Was spräche denn gegen Magdeburg, Dresden u.s.w und warum muss es dann der Alibistandort Leipzig sein? Diese Proporzvergabe an verdienstvolle Sponsoren (Grüße an Hrn. Hopp und VW) geht mir einfach gegen den Strich.

Und wenn man Gründe für den anhaltenden Niedergang sucht, findet man sehr schnell das Beispiel Cottbus. Neben der unsäglichen Aufstiegsrelegation war es einfach ein Treppenwitz, dass sich Haching erst 2-3 Tage vor Ultimo überhaupt erst entscheiden brauchte, ehe Cottbus den kommenden Gegner kannte.

Danke für Deine ausführliche Antwort und den Erklärungsansatz.