Pyrotechnik

Als Teil einer Choreo kann ich dem Einsatz von Pyrotechnik durchaus etwas abgewinnen.
Mit Fackeln rumzuwedeln, sie womöglich auf andere zu werfen; mit Rauchtöpfen das Stadion zu räuchern, mit Böllern Leute zu erschrecken und mit Leuchtraketen aufs Feld zu zielen ist jedoch die häufigste Form in der Pyrotechnik eingesetzt wird.

Als Protest gegen DFB/DFL/modernen Fußball ist das ziemlich stumpf, wäre aber noch nachvollziehbar. Da solche Aktionen jedoch nie als Ausdruck des Protests dargestellt werden, bspw durch Bekennerschreiben oder so, sondern unbegründet geschehen, muss man davon ausgehen, dass andere Gründe für aktuelle Vorfälle in zig Stadien zu Grunde liegen.
Ich glaube, dass staatskritische Aktionen den politischen Raum, bspw Demos, verlassen haben und im Zusammenspiel mit abenteuerei/erlebnissorientierter Freizeitgestaltung nun verstärkt in Stadien zelebriert werden.
Das Phänomen „Pyros im Stadion“ hat also nichts mit Fußball zu tun, dringt aber als Problem von aussen in den Fußball ein.
Ich gehe davon aus dass die Polizei demnächst maximal eskalieren wird und die Clubs mitziehen.

Was denkt ihr?
Pyros legalisieren?
In Choreos integriert zulassen? (mit Lizenz oder so)
Verbieten und verfolgen?
Appelieren an verantwortlichen Umgang?

Die jüngsten Ereignisse werden die nächste Stufe der Auseinandersetzung zünden, mir schwant übeles. Mit altbekannten Argumenten wird man nicht mehr durchdringen, dieses von aussen in den Fußball/die Stadien hetragene Phänomen brennt sich gerade quer durch die deutsche Fankultur.

Ich bin gespannt, was ihr dazu zu schreiben habt.

Solange die Diskussion über die Legalisierung vom DFB und Ligaverband nicht wieder aufgenommen wird und/oder Pyrotechnik von der Politik aus (teilweise) legalisiert wird, wird nichts passieren. Selbstregulierung funktioniert nur begrenzt und Geldstrafen für die Vereine haben so gut wie keine Auswirkung auf das Verhalten in den Kurven. Vermutlich wird es demnächst wieder Blocksperren geben, aber ob Kollektivstrafen das Problem lösen bezweifel ich.

Es gibt ein paar interessante Pilotprojekte, z.B. kalte Pyro. Vielleicht bewegt sich was in diese Richtung.

Malerei und Gesang hat auch nichts mit Fußball zu tun?
In den Kurven wird ein von äußerer Herrschaft freier Raum erzeugt, geprägt von einer jugendkulturellen Bewegung. Geht es also darum, ob etwas als „stumpf“ oder als politischer Protest interpretiert wird? Oder ob es als schön empfunden wird? So lange wie es nicht grob gegen den kategorischen Imperativ verstößt, who cares?

An Silvester gehörts zum guten Ton die Intensivstationen zu füllen, und beim Fußball passiert sogar relativ wenig an Verletzungen, aber es wird sich dennoch aufgeregt. Eben weil es nicht in dieses Hochglanzprodukt Fußball passt, wo sich die Fans eben herausnehmen gegen die Regeln zu verstoßen. Und weil es zeigt, dass es eine Zumutung ist, dass Fernsehzuschauer wegen Nebel mal fünf Minuten warten muss. Das ist doch der einzige Grund warum die übertragenden Medien und der DFB so dagegen ist, und ebenso die Fans nicht damit aufhören es interessant zu finden, als Symbol zu zeigen, dass sie selbst bestimmen, was zum Fußball gehört und was nicht.

Auch interessant ist ja, dass der DFB als Veranstalter des DFB-Pokalfinals die Vereine dafür bestraft, dass der DFB selbst beim Einlass nicht gut genug hinschaut.

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Malerei und Gesang fügen aber in der Regel niemanden Schaden zu.

Das stellt sich bei Pyrotechnik komplett anders dar. Bengalfackeln können bis zu 2000° Celsius heiß werden. Das ist kein Spielzeug, vor allem, weil einige Bengalos Funken sprühen können und schlimme Verbrennungen verursachen können, was bei der Dichte der Menschenmassen in einem Fußballstadion eine nicht zu unterschätzende Gefahr ist. Die Rauchschwaden schädigen die Lunge und es gibt mehr als genug Beispiele von Asthma-Anfällen in Stadien.

Und da ich dem ganzen eh keine ästhetische Dimension abgewinnen kann, bin ich generell dafür dass Pyrotechnik in den Kurven (und zu Silvester sowieso) abgeschafft wird. Die Umwelt würde es uns danken.

Sorry, aber ich verstehe dieses ganze Ding einfach nicht. Kann mir jemand den Reiz erklären?

Bengalos in der Regel auch nicht.

Natürlich ist nie ausgeschlossen, dass ein Bengalo aus der Hand fällt und dann jemanden verletzen könnte. Asthmatiker etc. können auf Rauch reagieren, alles möglich.
Aber wenn es seltenerweise zu Verletzungen kommt sind diese in der Regel dann harmlos.

Theoretisch könnte man jetzt Äpfel mit Birnen vergleichen und es gegen Verletzungen durch Alkohol im Stadion oder Polizeieinsätze vergleichen. Aber abseits dieser Vergleiche, Pyro findet im seltesten Fall im Familienblock statt. Jeder kann für sich selbst entscheiden, ob er in die entsprechenden Bereiche geht oder ob er Pyro aus dem Weg geht.
Natürlich kann ich mich ärgern, dass ich gerne im Steher wäre, wenn da nicht diese Pyro wäre, aber mich ärgert vielleicht auch, dass die da Pogo tanzen und Fahnen schwenken. Dann ist dieser Bereich des Stadions vielleicht nichts für mich.

Welchen Reiz hat ein Flutlichtspiel?
Es muss ja nicht jedem gefallenen. Dieses ewige Gesinge genauso. Aber manchen gefällt wie die Fahnen im Nebel wehen und sich die Strahlen des Flutlichts darin brechen.
Aber wie gesagt, es muss ja auch nicht jedem gefallen.

Sorry, aber die Gegenfrage verstehe ich noch weniger. Flutlicht wird doch verwendet, wenn es zu dunkel ist, um ohne zu spielen, wieso sollte das einen bestimmten Reiz haben?

Das bedeutet also es geht nur um Ästhetik? Dann fällt es mir wirklich schwer zu verstehen, wieso das so ein großes Thema in der Szene ist.

Bei Pyros würde ich da unter ästhetischen Gesichtspunkten und in puncto Gefahrenabwägung vielleicht sogar mitgehen. Bei Leuchtraketen fällt die Abwägung schon deutlich unvorteilhafter aus, und der Genussfaktor bei Rauchtöpfen und Böllern erschließt sich mir dann gar nicht mehr.
Disclaimer: Mir ist bewusst, dass die Meinung eines hauptsächlichen Fernsehkonsumenten und gelegentlichen Tribünensitzers für die Ultras vermutlich weitgehend irrelevant ist :wink:

Ja, dies ist eine Funktion von Flutlicht. Aber nebenbei erzeugt es aber auch eine besondere Atmosphäre.

Es sind auch weitere Dinge die mMn damit assoziiert werden. Der Ruch des Verbotenen oder die Bezug zur Rebellion zum Beispiel. Oder da Pyro besonders gerne bei wichtigen Spielen gezündet wird, wird das aktuelle Spiel auch aufgewertet.
Oder die Möglichkeit Einfluss auf ein Spiel zu nehmen: Positiv: Spieler bekommen zusätzlich visuell die Anfeuerung mit. Negativ: Provokation Spielabbruch wäre theoretisch möglich

Pyro sollte nie die Hand verlassen. Meiner Einschätzung nach wird das auch von der Mehrheit so gesehen. Wobei ein gezielter und bewusster Einsatz von Raketen, wie gestern im Pokalfinale zur Halbzeit, auch nicht gefährlicher als ein Silvesterfeuerwerk sein sollte (Laienmeinung)
Böller mMn auch unnötig. Unkontrollierter, höhere Verletzungsgefahr. Auch wenn hier jemand aufführen könnte, dass die Verletztenzahlen niedrig sind und das Knallen auch aufputschen kann. Für mich stehen aber Effekt und Risiko* in keinem Verhältnis.

*hier muss auch schon etwas zusammenkommen das etwas passiert. Letzten Winter ist sowas ein, zwei Stufen vor mir explodiert und außer einem Schreck war da nichts, aber unglücklich bei Körperkontakt siehts halt anders aus.

Man könnte halt wie so oft durch gezielte Legalisierung schaffen, dass nicht alles gleich verboten ist, sondern eben dann auch einen Kompromiss schaffen, bei dem Pyro geordnet Teil des Fanseins werden kann. Dann kann man mit Verstoßen auch besser sanktionieren, wenn die Abmachung gebrochen wurde. Aber in Bielefeld hat man auch gesehen, das den Ultras ihr Wort auch wichtig ist und sich dann auch daran gehalten wird und zwar von allen. Aber ohne Kompromissbereitschaft und reine Abwehrhaltung und einer reiner Bußgeldmechanik wird man halt nie etwas schaffen.

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Dieses „die anderen machen das auch, deswegen ist es bei uns okay“ hat finde ich immer ein Geschmäckle. Das eine Fehlverhalten rechtfertigt erstmal das andere nicht. Trotzdem stimme ich dir zu:

Finde das ist ein bisschen wie beim Marihuana-Verbot: Wenn du wirklich Kinder vor der Sucht schützen willst, musst du das Zeug eigentlich legalisieren, denn erst dann kannst du staatliche Auflagen durchsetzen, die sich effektiv dem Jugendschutz widmen. Solange es durch ein Verbot in die Kriminalität verdrängt wird, gibt es da gar keine Möglichkeiten. Ein Dealer wird ja wohl kaum nach dem Ausweis fragen, wenn er dir Gras verkauft.

Es bringt mMn relativ wenig, jetzt noch eine ideologische Grundsatzdiskussion über Pyro zu führen. Der Fakt ist: Du wirst das nicht wegbekommen. Also musst du anfangen, damit zu arbeiten, damit wenigstens für die Sicherheit aller Stadionbesucher*innen gesorgt werden kann. Aber wie gesagt: Das ist nur meine Meinung.

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Der Vergleich hinkt aber, da dabei ja das Ziel ist durch besser Prävention und Entkriminalsierung die Situation der Komsumierenden zu verbessern. Bei der Nutzung von Pyro (mit der man sich ja bewusst in die Öffentlichkeit stellt) kann es darum ja nicht gehen.

Ich denke das Problem liegt eher da, dass es Gefahren birgt und für Aussenstehende (da schließe ich mich ein, siehe meine Fragen oben) nicht nachvollziehbar ist. Daher wird es die grundlegende Debatte immer geben und das Verständnis für ein Ermöglichen bleibt eher gering.

Warum nicht? Wenn Fans mit Pyrolizenz kurz vor der Choreo zertifiziertes Pyro von Ordnern übergeben bekommen und dann unter kontrollierten Bedingungen abbrennen, mit je einem Feuerlöscher pro Fackel in der Nähe – verbessert das nicht die Sicherheit aller Anwesenden? Weil verbieten und draufhauen hilft ja offensichtlich nicht.

Für einen Teil der Aussenstehenden :point_up: Es gibt auch Leute die sich nicht so daran stören. Das spielt aber eh keine Rolle ob Pyro allen gefällt. Es gefällt ausreichen Personen ausreichend gut, so dass es in den Stadion immer sein wird. Davon abgesehen, dass Pyro inzwischen ein Symbol ist und der DFB mit seinem Rückzieher damals den Fans das Symbol des Widerstandes selbst auf einem Silbertablett geliefert hat.

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Weil es beim Gras darum geht, dass man sich, wenn man Probleme hat an jemanden wendet, der einem helfen kann, ohne eine polizeiliche Ermittlung am Hals zu haben. Es geht zudem darum, dass Kriminalität sich meistens selbst erhält, wenn man mal in den Strafvollzugsdingen drin ist. Es geht außerdem darum das Dunkelfeld zu verlassen und es handelt sich um ein Problem, dass für die Konsumierenden in ihrem Alltag ständig präsent ist.
All das trifft ja auf die Pyrofrage nicht zu. Der „sauberere“ Stoff und die sicherere Nutzung kann auch ohne Legalisierung in Teilen erreicht werden. Deshalb finde ich das der Vergleich hinkt, da die Zielsetzung einer Drogenlegalisierung umfassender ist, als die Reglementierung der Nutzung von Feuerwerk in einem Stadion.

Aber haben die Leute ein Verständnis dafür, wieso es absolut utopisch ist es einfach zu lassen? Da ich nie in den Kurven im Stadion bin, stört mich das auch nicht wirklich (also die Böller im DFB-Finale fand ich irrtierend, aber die Bengalos, hm), ich begreife es nur (immer noch) nicht, wieso man das nicht einfach lassen kann. Wieso ist genau das ein Kulturkampf geworden? Du schreibst es ja selbst, es ist ein Symbol, aber warum? und wieso muss es ein Symbol sein, von dem niemandem sinnhaft nachvollziehbar gemacht werden kann, der nicht in der Bubble ist, warum es sooo wichtig ist?

Ich glaube das ist ein Kernproblem der Diskussion, da hier niemals ein auch nur andeutungsweises Verständnis einer breiteren Öffentlichkeit erreicht werden kann. So ist es bspw. schwer zu vermitteln wieso es bei etwas, das nach außen derart gefährlich wirkt ein Einlenken, ein „Eraluben“, geben sollte und so lange wird es eine kaum lösbare Debatte sein. Dafür steht Fußball zu sehr im öffentlichen Licht.

Der Kern meines Arguments war der: Pyrotechnik ist in den Stadien, und wird da auch so schnell nicht weggehen. Die Verbotspolitik funktioniert offensichtlich nicht, sonst würde nicht bei jedem wichtigen Spiel was gezündet. Die Fans in der Kurve haben selbst bei dauerhafter Überwachung durch überall in den Stadien platzierten Kameras und polizeilichen Machtdemonstrationen (in Berlin stand dann am Ende eine Hundertschaft vor der Kurve obwohl klar war, dass da nix weiter passieren würde) nicht den Willen verloren, Pyro weiterhin ins Stadion zu bringen und wenn mal jemand dafür ein Stadionverbot bekommt, dann meist, weil sich die Person beim Anzünden dumm angestellt hat.

Dementsprechend erübrigt sich in meinen Augen die gesamte Grundsatzdiskussion, ob Pyro in die Stadien gehört oder nicht. Wie ich dazu stehe, ist vollkommen irrelevant. Der Fakt ist: Es existiert und wird auch in Zukunft weiter von Fanszenen betrieben werden. Und wenn man da wirklich darauf pochen will, dass die Sicherheit im Stadion für alle Besucher*innen gewährleistet werden soll, muss man aufhören, so zu tun als könnte man mit einem Verbot wirklich den Einsatz von Pyrotechnik verhindern.

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Pyros sind ein Bestandteil des Stadionbesuchs, aber die Gefahr von Pyrotechnik ist deutlich überschätzt. Zur Einordnung der Bericht des ZIS (erstellt von der Polizei NRW, die ich nicht als neutral aber als zuverlässige Quelle einschätzen würde. In der Saison 21/22 wurden 31 Personen durch Pyrotechnik verletzt, die Mehrheit davon waren Unbeteiligte. Da kann man sagen das ist zu viel, aber das jetzt als strukturelles Kriminalproblem darzustellen ist falsch. Meiner Meinung nach kann man sich selbst sehr zuverlässig davor schützen indem man sich in Fußballstadien nicht in die Fankurve setzt. Im Vergleich wurden 60 Personen durch polizeiliche Reizmittel (wahrscheinlich Pfefferspray) verletzt. Was mich aus dem Bericht mehr erschreckt ist, dass die Anzahl der Straftaten in den Stadien steigen und in der Saison 797 Körperverletzungen angezeigt wurden. Zurück zum Thema Pyro fürchte ich dass die Situation so bleiben wird wie sie ist. Eine Legalisierung ist bei der oft konservativen Innenpolitik in den Ländern nicht zu erwarten und andererseits wird man ehrlicherweise nicht verhindern können das Pyrotechnik in die Stadien gelangt. Ich denke man sollte sich eher drauf konzentrieren Straftäter und Randalierer mit Stadionverboten zu belegen und bitte keine Kollektivstrafen aussprechen.

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Ganz einfach: Solange die Menschen Ärsche haben, wird immer Pyro im Stadion landen. Außer man will jeden Besucher soweit filzen, dass niemand mehr ins Stadion möchte, da man dann doch lieber zum Proktologen des Vertrauens für die Krebsvorsorge geht. Und dann hat man es auch endlich geschafft, und hat wieder Corona-Zustände und muss nicht ertragen, dass es Fans gibt, die beim Fernsehschauen stören.

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Okay, vielleicht ist ein Bengalo doch das Symbol des Protests. Das habe ich vielleicht falsch eingeschätzt.

Mir kommt das schon komisch vor, auch von mir selbst: ich konsumiere und geniesse eine Darbietung und finde die Verantwortlichen teilweise schrecklich, das „Produkt“ oft minderwertig. Mein Protest führte dazu, dass ich gar nicht mehr ins Stadion gehe und kaum noch Spiele gucke. Mein Blick auf den Fußball speist sich hauptsächlich aus dem Rasenfunk.

Das andere um „den Fußball“ kämpfen wollen führt dann wohl zu Pyros im Stadion. Ich wünsche viel Erfolg. Im Theater geht man raus, in der Oper buht man, im Fußball zündelt man. Bin gespannt, ob die Investoren/Werbepartner demnächst solche Verzögerungen für Werbeblöcke nutzen und wieviel Bock die TV-Zuschauer darauf haben. Flitzer zeigen sie ja auch nicht mehr gerne im TV.

Der Punkt „Körperverletzung im Stadion“ ist tatsächlich deutlich wichtiger. Diese Diskussion wird offenbar umgangen. Am Ende komme ich gedanklich von einem zum anderen und wieder zurück.
Passend zum Thema kann ich aus alldem kein Fazit ziehen. Da wird sich nich einiges tun, bevor das Thema (un)geregelt wird.

Danke jedenfalls für eure Beiträge.

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