Hey!
Mh, lass mich erst mal allgemein was dazu sagen und dann antworte ich auch auf deine beiden Szenarien.
Ich glaube nicht an Werbung. Werbung ist in den meisten Fällen darauf ausgelegt, den Rezipienten zu stören, bzw. irgendwie seine Aufmerksamkeit so zu gewinnen (via Brüste, Kinderstimmen, süße Tiere, etc.), dass eine Markenbotschaft platziert werden kann. Werbung brüllt, Werbung blinkt, Werbung nimmt sich wichtiger als der Kontext, in dem sie stattfindet. Und das sage ich als jemand, der mit Marketing immer noch einen Teil seines Einkommens verdient (dort versuche ich deshalb auch, Werbung anders zu gestalten, was auch gelingen kann, aber an der grundsätzlichen Funktionsweise von Werbung nichts ändert).
Ich glaube noch weniger an digitale Werbung. Der Onlinewerbemarkt ist grotesk verdorben. Popups, Autoplay, Edge Ranks, Affiliates, etc. - all diese Werbeformen sind entstanden, weil digitale Werbung so viel besser durchmessbar ist, dass man erstmals sehen konnte, wie wenige Leser und Leserinnen sie eigentlich wahrnehmen. Also wurden die Werbekonstrukte immer auffälliger, marktschreierischer, Clicks zur neuen Ware. Gleichzeitig sind die Margen im Onlinebereich so gering, dass sämtliche Verlage riesige Probleme haben, sich zu refinanzieren. Im Printbereich sinken die Einnahmen, TV ist in bestimmten Bereichen stark rückläufig und Online wirft nichts ab. Dieser Mix ist wie ein Giftcocktail für gute Inhalte. Denn guter Inhalt bedeutet im Internet nicht gleichzeitig hohe Reichweite. Sämtliche Werbemodelle funktionieren letztlich aber genau über sie.
Im Audiobereich steckt Werbung (wenn wir mal für Podcasts sprechen) noch in den Kinderschuhen. Der große Segen: Stand heute ist die Wirksamkeit von Werbung in Podcasts nicht so transparent nachzuweisen wie im Display-Ad-Bereich. Aber auch hier wählt man Workarounds, zu denen ich gleich noch komme. Aber zurück zu den Kinderschuhen: Derzeit gibt es ein paar Wege, akustisch Markenbotschaften unterzubringen und alle sind ok, aber auch nicht geil. Drehen wir das Rad aber mal um ein Jahr oder vielleicht zwei nach vorne: Wird Werbung in Podcasts dann noch so aussehen wie heute? Ich bezweifle es stark, denn jedes Reporting einer Marketingkampagne muss bessere Zahlen als das vorherige haben. Also wird Werbung auch akustisch penetranter werden, wieder um Aufmerksamkeit buhlen. Schau dir Radiowerbung an: Kinderstimmen, Scratch-Geräusch, Geflüster, Follow-up Spots, usw., das ganze Programm. Könnte auch für Podcastwerbung kommen. Und dann wird das auch wieder nur eines sein: nervig.
Fernab von solchen Prognosen und Geschmäcklereien gibt es aber noch ein wesentliches Problem: Planbarkeit. Du sprichst davon, dass mit Werbung besser zu planen ist als mit Patreon, ich sehe es genau umgekehrt. Wenn ich von einem Werbekunden 1000 Euro bekomme oder von 1000 Hörern je einen Euro, ist das ein großer Unterschied. Der sich vor allem auch auf meine Arbeitssituation auswirkt. Nehmen wir einfach mal an, auch der Rasenfunk macht Werbung für Casper Matratzen. Dann buchen die drei Shows und messen den Erfolg mit einer Landingpage und einem Rasenfunk-Code als Rabattaktion. Sobald die sehen, dass da keine Codes mehr eingelöst werden, sagen die: Danke, tschüss, wir gehen zum nächsten Podcast. Und dann bin ich plötzlich in der Situation, dass ich Sales machen muss. Also aktiv nach Ersatz suchen, anstatt mich um meine Inhalte zu kümmern.
Und dann kommt noch etwas dazu: Ich lege sehr hohe Maßstäbe für mögliche Werbepartner an. VW, Audi, Red Bull? No way, die hängen zu tief im Gegenstand meiner Berichterstattung drin. bwin, tipico & Co - fuck no, wegen denen gibt es Spielmanipulation und Spielsucht ist ein riesiges, aber totgeschwiegenes Problem. Dann wird es schon eng.
Das also mal so als grober Rahmen, weshalb ich Werbung für den Rasenfunk derzeit ausschließe. Gibt nochn paar mehr Gründe, aber das sind die wichtigsten.
Jetzt zu deinen Szenarien:
Szenario 1 ist nur dann eine Option, wenn wir hier von einer langfristigen Kooperation sprechen, die auch planbar wäre. Eine Saison Minimum. Und selbst dann würde es sich so sehr mit dem Supportermodell beißen, dass ich es vermutlich lassen würde. Denn sonst stehe ich ja in einem Jahr wieder da und suche den nächsten Werbepartner. Die Lizenzen sind mir da erstmal egal, ich hab eh schon genug mit der Sendungsvorbereitung zu tun, kann O-Töne da gar nicht gebrauchen. Die eher ablehnende Einschätzung hat jetzt übrigens erstmal nichts mit Amazon Music zu tun, da könnte man auch viele andere Unternehmen einsetzen.
Angebot 2: No way. Der Rasenfunk soll frei zugänglich bleiben, so lange ich mir das sprichwörtlich leisten kann. Es ist der Notausgang, irgendwann mal exklusive Inhalte nur für zahlende Hörer*innen anzubieten. Aber eigentlich hab ich da keinen Bock drauf.
Ich will so so gerne zeigen, dass man einfach nur mit viel Hingabe, einem eigenen Weg und hoffentlich guter Qualität auch im Internet seinen Lebensunterhalt mit Journalismus verdienen kann. Das muss doch gehen. Deshalb setze ich voll auf dieses Pferd, auch wenn es manchmal einfacher wäre, einen anderen Weg zu gehen.