Schlusskonferenz 279 & 280 – Saisonrückblick 19/20

Hallo liebe Rasenfunk-Gemeinde,
Hallo lieber Max,

Ich habe gerade eben die Saisonrückschau angefangen zu hören. Das allgegenwärtige Thema Corona lasst uns, den Fußball und auch den Rasenfunk wohl auch in der nächsten Saison nicht vollends ruhen. Und ich weiß nicht, wie es euch geht, aber mein Rasenfunk-Konsum hat sich aufgrund der Krise auch erheblich geändert. Ich pendle wesentlich weniger (ungefähr 98% weniger) was dazu führt, dass ich wesentlich weniger Podcasts pro Woche höre. Daher kann es auch eine ganze Weile dauern, bis ich die Folge vollständig durchgehört habe. Und ich möchte mich direkt bei denjenigen entschuldigen, welche nicht so viel Zeit haben, den Post zu lesen: es wird vermutlich etwas länger werden.

Um nicht zu viel Zeit zwischen meinen Gedanken und der Verschriftlichung verstreichen zu lassen, möchte ich hier in die höchst philosophische Diskussion einsteigen, die auch in diversen Kommentaren bereits aufgekeimt ist. Bitte entschuldigt, wenn ich nicht auf manche Posts vorher eingehe, da ich über mehrere Tage jetzt das hier bereits schreibe.
Zunächst einmal ist es vermutlich so wie Max schon gesagt hat, es gibt in dieser Diskussion kein richtig oder falsch. Alle Gedanken entbehren einer gewissen Logik und einem legitimen Anspruch. Doch unterscheiden sich die Sichtweisen stärker, als es kaum sein kann.

Ich glaube während zwei Parteien über scheinbar dasselbe reden, ist es dennoch nur das gleiche. In diesem Falle ist es das Spiel des Fußballs. Für die einen gehören die Fans dazu und für die anderen sind sie nur eine Ergänzung des eigentlichen Ereignisses. Und beides ist vollkommen korrekt, jedoch nicht im selben Sinne.

Da wäre zunächst einmal das, was der Fußball in weiten Teilen der Bevölkerung noch immer ist und auch im Profi Bereich eine gewisse Rolle einnimmt: ein sportlicher Wettkampf. Genauso wie es der 100 Meter Sprint, der Halbmarathon oder auch Bogenschießen sind. Warum laufen Sportler, Amateure wie Profis, 42 km durch die Pampa? Um des Sports Willen, um es sich selbst zu beweisen, um besser zu sein als andere, um zu gewinnen. Es ist ein sportlicher Wettkampf, der allein aus sich heraus die Legitimation des Daseins besitzt.
Zuschauer sind da, oder sind nicht da. Das spielt keine Rolle. Zu einem Wettkampf gehören jedoch immer auch Gegner, ob direkt in einem Fußballspiel, beim Tennis oder auch Sprint, oder indirekt beim Weitsprung, Hochsprung oder ähnlichem. Der Wettkampf ist dadurch geprägt, mit anderen in den sportlichen Vergleich zu treten und das Beste aus sich raus zu holen. Ob Zuschauer dabei sind, ist für den reinen Sportler egal. Wer kennt das nicht, dass auf dem Schulhof um die Wette gelaufen wird, oder man sich spontan darin misst, wer mehr Liegestütze schafft. Für diesen Vergleich sind Zuschauer zwar Willkommen und können nochmal zusätzlich Anspornen, doch letztendlich reicht im rudimentärsten Stile auch der gegenseitige Respekt vor der gezeigten Leistung.

Und dann ist da die andere Seite des Spiels: das Produkt Fußball. Dieses Produkt ist dazu gemacht, jemandem (diese jemande sind übrigens Kunden) zu gefallen. Es soll angeschaut und konsumiert werden. Dafür muss es spannend und emotional sein. Es ist die Dramaturgie des Spiels und der Atmosphäre, welche das Produkt erst abrunden. Der sportliche Wettbewerb ist dabei nur ein Bestandteil des Schauspiels. Wie groß mag er wohl sein? Die Diskussion scheint eigentlich zu verdeutlichen, was wir alle bereits seit längerem gewusst zu haben scheinen: nur einen sehr Kleinen. Außer dem Sport ist dabei noch die Inszenierung wichtig, also begonnen mit dem martialischen Sound des Bundesligaintros bis hin zum Abpfiff und den damit verbundenen Reaktionen des Publikums.

Das Produkt Profi-Fußball ist mittlerweile so komplex und so groß geworden, dass es mir gar nicht gelingt, die Liste von Bestandteilen abzuschließen. Ständig fallen mir neue Punkte ein. Stadionwurst, Bier, Atmosphäre, Merchandising, Ticketdesign, Bekleidung, kommerzialisierte Rituale (Fahnenschwenker vor Anpfiff auf dem Platz gehören mittlerweile zur Show zum Beispiel), Fan-Choreo, Fan-Gesänge, Pfeifkonzert, Schauspieleinlagen, Schiedsrichterentscheidungen etc. pp. Die Liste kann beliebig fortgeführt werden.

Was in der Diskussion der Sendung sehr gut heraus kam: Die Fans im Stadion sind ein erheblicher Bestanteil des Produktes. Das bedeutet dann aber auch, dass die Fans, bzw. das Publikum, im Stadion ebenfalls eine Dienstleistung erbringen, während sie gleichzeitig Konsumenten sind. Ich habe irgendwo im Internet mal einen Satz gelesen, den ich hier sinngemäß wiedergeben möchte: Wenn ein Service nichts kostet, dann bist du nicht der Nutzer, du bist das Produkt. Klar, die Fans in den Kurven zahlen Geld für den Eintritt. Aber dieses Geld deckt nicht annähernd die Kosten des Stadionbetriebs selbst. Die Stehplatzkarten sind in der Regel sehr stark quersubventioniert mit den Tickets der Haupttribünen. Die Vereine sind sich also durchaus bewusst, dass sie a) aus sportlicher Sicht ein wenig und b) aus atmosphärischer und somit monetärer Sicht erheblich auf die Fans in den Kurven angewiesen sind.

Das Stadion ist ja irgendwie auch ein Teil des Produktes, sowohl für die Zuschauer vor Ort, als auch an den Empfangsgeräten. Als die Rede auf den Betzenberg zu sprechen kommt, gruselt es mich ein wenig. „Niemand würde sich für Lautern interessieren, wenn es den Betze nicht gäbe.“ heißt es in dem Gespräch sinngemäß. Stimmt das? Ich denke ein paar tausend Lauterer würden hier vehement widersprechen. Aber der Betze ist ein gutes Beispiel für die Signalkraft, die ein Ort innehaben kann. Was macht den Betze denn überhaupt so eindrucksvoll? Warum fährt ein Spieler mit Ehrfurcht zu diesem Platz? Es sind wohl die großen sportlichen Ereignisse vergangener Zeiten, welche bis heute weiter überliefert wurden und an die jeder Fan und jeder Spieler denkt, wenn Lautern im Pokal gegen einen Erstligisten antritt. „Damals hat Lautern XYZ mit X:1 aus dem Pokal geschmissen“, erzählt man sich. Fans wissen das, Spieler hören das, Medien berichten das. Es ist Teil des Hypes und der Stimmung, die rund um ein Spiel aufgebaut wird. Die Stimmung auf dem Betze ist nicht nur deswegen anders, weil der Betze ein besonderes Stadion sein will. Die Stimmung ist vor allem anders, weil die Zuschauer und Spieler daran glauben, dass sie anders ist und sie dadurch auch anders wirkt. Jeder kennt das, wenn man wöchentlich im Stadion ist, dann gibt es dieses eine unglaublich wichtige Spiel seit Wochen und die Stimmung im Stadion ist einfach anders. Und je länger es ein Stadion gibt, umso mehr Geschichten ranken sich um selbiges. Seien wir doch mal ehrlich, wenn der selbe Betze mit der selben Geographie und Architektur die Heimspielstätte vom FC Ingolstadt mit Baujahr 2004 wäre, dann wäre das Stadion doch nicht im gleichen Maße eindrucksvoll.

Was möchte ich nun eigentlich sagen? Kurz zusammengefasst: Es gibt einen erheblichen Unterschied zwischen dem sportlichen Wettkampf im Fußball und dem Produkt Fußball (das es übrigens auch in einer wesentlich günstigeren Version bis hinunter zur Kreisklasse geben kann). Der Wettkampf kann für sich alleine stehen, dass er basiert auf der Absicht zweier Mannschaften, herauszufinden wer von beiden die bessere ist. Das Produkt Fußball ist allerdings weitaus komplexer und nimmt den sportlichen Wettkampf allenfalls zum Anlass des Schauspiels, niemals aber als Grund des Anlasses. Der Grund, weshalb ein Produkt verkauft wird, welches von Unternehmen hergestellt wird, ist IMMER das Ziel der Erwirtschaftung von Gewinnen.

Die Frage ist nun, inwieweit Spieler noch diesen sportlichen Wettkampf wahrnehmen? Ist es für sie noch ein Mannschaftssport oder eher ein Ringen um die beste persönliche Performance? Welchen Wert hat der Sport bei der Auswahl eines neuen Arbeitgebers? Viele unzählige Beispiele zeigen, dass Geld und die Höhe der Spielklasse über dem in Aussicht stehenden Erfolg ragt. Sollte es für einen Spieler nicht interessanter sein, sich im der zweiten Liga durch viele Einsätze und eine erfolgreiche mannschaftliche Leistung zu zeigen und Praxiserfahrung zu sammeln, statt bei einem Erstligisten fünf Einsätze zu bekommen? Was motiviert einen jungen Torwart, sich als Nummer drei auf die Bank zu setzen? Wie viel Sport steckt eigentlich noch in dem von uns so geliebten Produkt, welches wir Woche für Woche aufsaugen in der Annahme, es wäre ein fairer Wettkampf?

Es ist was es ist: eine Medaille mit zwei Seiten. Doch während die eine scheinbar immer stärker auf Hochglanz poliert wird, wird die andere immer weniger beachtete, zerkratzt und verbrannt. Bei denjenigen, die bis hierhin durchgehalten haben, möchte ich mich herzlich bedanken. Ich habe den Text mittlerweile über einige Tage immer wieder etwas weiter schreiben müssen, daher entschuldigt bitte, wenn die Zusammenhänge manchmal nicht ganz so gut miteinander verknüpft wurden. Aus meiner Sicht war es aber nicht möglich, nur Teile davon zu veröffentlichen, ohne das Gesamtkonstrukt zu umreißen.

Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit und ich freue mich auf ein paar kritische Antworten.

Freundliche Grüße aus dem Rheinland
Skotty

PS: während ich die Worte hier schrieb sind in den letzten Tagen einige Artikel veröffentlicht worden, die hier ganz gut in den Kontext passen. Zum einen unzählige Artikel zum Karriereende von Andre Schürrle. Zum anderen gibt es auf Transfermarkt ein Interview mit dem früheren Jugendspieler des BVB Mustafa Amini, der Tiefe Einblicke in die Welt der nachrückenden Generation der Dortmunder gewährt. Man darf sich sicher sein, dass auch in anderen Vereinen ähnliche Situationen herrschen. Er beschreibt sehr gut den von mir aufgegriffen Aspekt, dass es sich nicht um Mannschaften, sondern eine Gruppe von Individuen handelt.

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Die Rocketbeans, bzw. vor allem Etienne haben sich in der Vergangenheit schon einige Schnitzer und verbale Ausfälle geleistet, aber ich finde du tust ihnen da in ihrer Gesamtheit schon Unrecht,sie haben da schon vieles reflektiert. Bohndesliga ist wirklich eine sehr tolle, unterhaltsame und auch gerade durch die häufigen Auftritte von Tobi Escher und Ralph Gunesch inhaltliche starke Fußballsendung geworden. Würde dir da ins Besondere zwei Sendungen ans Herz legen wollen, falls du ihnen nochmal eine Chance geben willst: https://www.youtube.com/watch?v=M7W3yXhX55U Schiedsrichterspezial mit Patrick Ittrich & Alex Feuerherdt und https://www.youtube.com/watch?v=L0nNoWjSoB0 (da wurden inhaltlich nochmal die Aussagen von Per Mertesacker zu Leistungsdruck und Empathie im Fußball besprochen).

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Nur ein „like“ ist hier zu kurz, daher eine schnele Antwort:
Ich stimme sicher nicht mit allen Einzelheiten dieses langen Posts überein, aber die grundlegende These und der Tenor, haben mich schon ziemlich oft nicken lassen.

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Hallo Thomas,
die Schiedsrichter-Folge kenne ich, dank der Gäste war die wirklich super.
Tatsächlich gucke ich trotz Etienne und diesem HSV Fan ab und an Bohndesliga, hauptsächlich wegen des Herrn Escher.
Aber die Erinnerungen an diverse Fehltritte haftet fest an den RB.
Ich finde daher den unkritischen Umgang mit Ihnen sehr problematisch.
Am Ende kommt halt zu oft der Gamer(gater) durch.

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… jetzt musst du nur noch aussprechen, was du damit konkret meinst. (:

Nach fünf vergeblichen Versuchen einer kurzen und präzisen Antwort versuche ich es jetzt ein letztes Mal. Denn nur noch aussprechen, was man denkt, kann zuweilen sehr komplex sein.

Du beziehst dich mit deiner Nachfrage auf meine in den Raum gestellte Frage „Wie viel Sport steckt überhaupt noch in dem von uns so geliebten Produkt, welches wir Woche für Woche aufsaugen in der Annahme, es wäre ein fairer Wettkampf?“

Nunja, also zunächst einmal vermag ich zu dieser Frage überhaupt keine abschließende Antwort zu formulieren. Ich denke, das wird so schnell auch niemand können. Zumindest werden wir den Anteil nicht empirisch bestimmen können. Es ist wohl eher eine sehr umfangreiche, philosophische Fragestellung, die wir nur über die Diskussion und die Betrachtung von Äußerungen der beteiligten Spieler und Vereine erschließen können.Und zunächst müsste man auch ergründen, was die Mehrheit unter einem fairen sportlichen Wettbewerb versteht.

Was ich aber ja auch schon beschrieben hatte, dass der Anteils des Sports am Produkt womöglich viel geringer sein könnte, als es Fußball-Romantikern lieb sein könnte und Fußball-Realisten erwarten würden. Darüber hinaus stellt sich ja nicht nur die Frage nach dem Anteil des Sports am Produkt, sondern auch wie fair der Wettkampf dieses Sports noch ist und wie wichtig ein fairer Wettkampf für das Produkt ist.

In meinem obigen Post habe ich schon dargestellt, dass der Fußballsport in seinem Grundwesen ein sportlicher Wettkampf ist. Wettkämpfe müssen fair sein, da sind wir uns glaube ich alle einig. Schummeln ist verboten und unlauterer Wettbewerb ebenfalls. Dich gilt diese Prämisse auch für den Profi-Fußball? Gilt es auch für das Produkt, welches wir hier im Fokus haben?

Für das Produkt des Profi-Fußballs gilt die Prämisse, dass ein fairer und ausgeglichener Wettkampf die Basis ist, noch viel mehr als es den Verantwortlichen vielleicht bewusst ist. Und hier müssen wir jetzt kurz klären, was unter einem fairen und ausgeglichenen Wettbewerb überhaupt gemeint ist.

Betrachtet man ein einzelnes Spiel, ist der faire Wettbewerb scheinbar bereits gewährleistet, wenn sich zwei Mannschaften mit gleich vielen Spielern auf einem Platz versammeln und gegeneinander antreten. Nun sind aber in Mannschaft A die besten Spieler der Welt versammelt und in Mannschaft B nur weniger gute Spieler. Dieser Wettbewerb ist zumindest schon mal nicht mehr ausgeglichen. Genauso wie es nicht ausgeglichen wäre, wenn der Schreiber dieser Zeilen im 100-Meter-Sprint gegen Usain Bolt antreten würde. Oder wenn ein Fliegengewicht gegen ein Schwergewicht in den Boxring steigt. Aber dennoch, für dieses eine Spiel ist es ein fairere, wenn auch unausgeglichener Wettbewerb, über dessen Attraktivität man noch erheblich diskutieren kann.

Schauen wir uns nun eine Ebene höher die Rahmenbedingungen der beiden gegeneinander antretenden Mannschaften an. Um die Mannschaften auf den Platz zu bringen, muss es vorher ja schon Transferphasen etc. pp. gegeben haben, um die Spieler in den Verein zu bringen. Es stellt sich nun die Frage, ob auch in dieser Betrachtung die beiden Mannschaften die gleichen Voraussetzungen erfüllen, um einen fairen und ausgeglichenen Wettbewerb zu führen. Im Spiel war es die Voraussetzung, dass 11 gegen 11 antreten. Demnach wäre es jetzt auf dem Transfermarkt so, dass beide mit gleich hohem Kapital handeln würden. Oder Alternativ beide eine Budgetgrenze haben, bis zu welcher Sie im Rahmen der freien Marktwirtschaft Spielergehälter verteilen können. Das ist in der Bundesliga nicht der Fall und somit ist es weder ausgeglichen, noch fair.

In der Bundesliga bekommt der FC Bayern dieses Jahr laut Kicker um die 70 Mio EUR. Die Arminia aus Bielefeld hingegen nur ca. 25 Mio EUR, also beinahe nur ein Drittel von dem Anteil des FC Bayern. Das ergibt in einer einzigen Saison eine Differenz von 45 Mio EUR, in zehn Jahren dann also 450 Mio EUR. Da die Verteilung von allen Profi-Vereinen gemeinsam so beschlossen wurde, müssen wir kurz auf die Argumente der Vereine eingehen. Die Profiteure dieser Regelung sind in erster Linie die CL-Teilnehmer. Neben den zusätzlichen Einnahmen der CL haben sie auch auf nationaler Ebene die größten Einnahmen. Begründet wird das immer wieder damit, dass die Bundesliga im internationalen Vergleich nicht abgehängt werden dürfe und die CL Teilnehmer das Kapital brauchen, um wettbewerbsfähig - an dieser Stelle darf gerne jeder mal schauen, wie viele CL Siege deutscher Mannschaften es seit dem Jahr 2000 gab - zu sein. Die Premier League würde viel höhere Einnahmen generieren und die beiden spanischen Top-Clubs vermarkten sich ausschließlich selbst. In der Premier League ist die Verteilung jedoch wesentlich weniger drastisch gestaffelt und die Spanier sind mittlerweile auch auf eine Liga-Vermarktung gewechselt.

Was ich persönlich gar nicht so wahrgenommen hatte: In der Bundesliga war das früher auch so. Erst seit der Jahrtausendwende werden die TV-Gelder anhand der Leistungen verteilt. Davor gab es noch eine Verteilung zu gleichen Teilen. Seit der Umverteilung ist der FC Bayern bereits 14 mal Meister geworden. Wenn man die verteilten Gelder in einem Diagramm darstellen würde, wäre das auch nicht verwunderlich, da die Bayern damit mit Abstand die meisten Gelder erhalten haben. In den 20 Jahren vor der Umverteilung sind die Bayern insgesamt 9 Mal Meister geworden, auch mit mehreren aufeinander folgenden Titeln, aber immer wieder mit Phasen des Nicht-Sieges. Seit 2010 gab es nur zwei verschiedene Mannschaften, die Meister wurden (BVB und Bayern). In den zehn Jahren davor waren es immerhin noch 5 Vereine, die Meister waren.

Warum ist diese Betrachtung wichtig? Weil die DFL (also alle 36 Profi-Clubs gemeinsam) ein Produkt anbietet, welches nur in seiner Gesamtheit betrachtet werden kann. Die Amerikaner, welche in vielen Teilen dieser Welt als Inkarnation des Kapitalismus gelten, haben bereits vor vielen Jahren erkannt, dass die NFL nicht in ein Ungleichgewicht verfallen darf, in welchem es nur noch einen Sieger gibt, welcher immer mehr Geld erwirtschaftet. Auch die Formel 1, welche durch reiche Milliardäre und Unternehmen gesteuert wird, hat schon früh erkannt, dass für einen spannenden Wettbewerb gewisse Grundregeln gelten müssen, die den Sport ausgeglichen halten. Würde der Superbowl noch die Massen begeistern, wenn es in den letzten 20 Jahren 14 mal geheißen hätte, die Patriots sind Sieger?

Es geht auch gar nicht darum, dass einzelne Vereine nicht attraktiv sein dürfen. Die sollen gerne so viel Geld verdienen, wie nur möglich, das gilt auch für die NFL. Aber der Sport, der muss ausgeglichen sein, denn ohne diese Ausgeglichenheit, verliert der Sport an Anziehungskraft und letzten Endes verringert sich der Marktwert. Die Bundesligaclubs müssten also eigentlich schauen, wie sie gegen die Premiere League, Primera Division und Serie A als Produkt bestehen können. Wenn Bayern die Hamburger 8:1 aus dem Stadion schießt, dann ist das unterhaltsam für einige, aber alles andere als spannend.

Zurück zu der Frage, wie viel Sport im Produkt steckt: Der Sport und der im Fußball dafür zugrunde liegende faire und ausgeglichenen Wettbewerb ist das Key Asset des Profi-Fußballs. Wenn es diesen Wettbewerb nicht mehr gibt, dann wird es langweilig.

Selbst die Champions League hat einen Mechanismus, um die Fairness und Ausgeglichenheit des Wettbewerbs sicherzustellen: Die Begrenzung der Spieler (Hier ein Artikel der UEFA dazu). So dürfen nur maximal 25 Spieler für den Wettbewerb gemeldet werden. Das ist zwar kein Salary Cap, also keine finanzielle Hürde, aber es ist eine sportliche Hürde.

Die NFL und Formel 1 setzen Salary Caps und Budgetgrenzen, um den Wettbewerb spannend zu halten. Wenn der Fußball das nicht annimmt, dann wird auch eine geplante Superliga mit einer ähnlichen Verteilung ähnlich unspannend. Und solange die Bundesliga bei der derzeitigen Verteilung bleibt, wird der tatsächliche Wettbewerb, also der Sport immer weiter in den Hintergrund rücken. Es ist wie gesagt ein sehr komplexes Feld mit vielen verstrickten Zusammenhängen. Letzten Endes geht es um viel Geld und Arbeitsverträge. Der Sport ist da sicherlich der Anlass, aber nicht mehr die Motivation.

Es gibt noch viele andere Ebenen, auf der man diese Abhängigkeit von Industrie und Sport betrachten kann. Was macht das mit Fans? Was macht das mit Spielern? Gerade bei Spielern ist das sehr interessant darüber nachzudenken, was es mit einem Spieler macht, wenn er nicht mehr nach sportlichem Erfolg strebt, sondern nach der Erfüllung seines Arbeitsvertrages und der Steigerung seines Marktwertes. Es ist eine Mischung aus Druck, Stress, Euphorie und Glück. Hier sei nochmal der Artikel auf Transfermarkt.de mit Mustafa Amiri erwähnt, welcher ein paar Einblicke in das Mannschaftsgefüge der früheren U23 des BVB gewährt.

So und jetzt bin ich gespannt, was da eure Meinungen zu sind.

Habe gerade mal meinen Sonntag Vormittag genutzt um mal wieder hier rein zu schauen. Ein paar lose Anmerkungen zu den hier aufgenommenen Themen:

  • Ich behaupte, dass es Max am meisten helfen würde, nicht mehr immer 110% geben zu wollen, sondern wenn er sich „einfach“ selbst mit 80% zufrieden gibt. Ich kann gut damit leben, wenn manche Gäste immer wieder kommen und es dann halt mal keinen Schwerpunkt gibt. Oder wenn Max nicht alle Spiele in voller Länge geschaut hat. Ich kenne es von mir selbst: man ärgert sich über die schlechte Arbeit anderer und will es „richtig“ machen und merkt dann erst, wie aufwendig es eigentlich ist und geht in Arbeit unter bis man gar nicht mehr kann. Ein bisschen weniger macht immernoch einen großartigen Podcast, den ich gern jede Woche höre, Max!

  • Kritisiert mir den Escher nicht zu viel, das ist ein guter Mann! Ich habe beim Lesen dieses Threads gemerkt, dass ich niemals so eine öffentliche Rolle wie Tobi haben kann. Wie entsetzlich, wenn nach fast einem Jahr einem einzelne Aussagen noch um die Ohren gehauen werden. Ich sehe da auch nur eine Lösung: Tobi müsste einfach dauernd sagen: „das kann man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen“. Ja geil, was ein Podcast mit was für einem Experten, hör ich gerne (das war Sarkasmus). Ja, nicht alles war im Nachhinein richtig. Ja, ob Werder ohne Corona abgestiegen wäre, weiß man nicht. Na und? Ich will vom Taktikfuchs seine Einschätzungen hören, da darf gerne zugespitzt werden. Hier geht es um Fußball, nicht um eine präzise Wissenschaft und so sollten wir es auch rezensieren. Und auch in präzisen Wissenschaften irren sich kluge Menschen ganz schön oft. Und dann stehen auch mal schlicht falsche Aussagen in peer-reviewed Journals.

  • Sehr off-topic, aber es muss sein: bei den Raketenbohnen handelt es sich um eine heterogene Gruppe, von der eine einzelne Person in der Vergangenheit durch teils sehr problematische Aussagen aufgefallen ist. Da dort nicht geschnitten wird und vieles sowieso live ist, kann man solche Aussagen nicht auf das Unternehmen verallgemeinern. Ich weiß auch nicht ganz, was ich von Herrn Gardé halten soll, aber immerhin spielt er nicht die politisch korrekte Figur, wie es die allermeisten Personen in der deutschen Öffentlichkeit tun. Seine problematischen Aussagen sind übrigens auch außerhalb der „Gamer“ mehrheitsfähig, es ist ziemlich albern, diese Karte zu spielen. Noch alberner ist, Max (und zumindest gedacht auch Ralle Gunesch) es als „aufgeklärten“, linken Menschen einen Vorwurf zu machen, weil sie mit Herrn Gardé zusammenarbeiten.

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Falls das auf meine Beiträge bezogen ist, dann ließ sie doch bitte nochmal, denn ich hatte doch, zumindest meinem Empfinden nach, recht deutlich gemacht, dass es mir nicht um die Aussage als solches geht sondern um die „Endgültigkeit“ mit der Tobi sie äußert und das ist dann doch ein Unterschied zu einer Einschätzung, die er ja sonst in der Vergangenheit auch „anders“ getroffen hat.

Und sorry, aber wenn er „Blödsinn“ erzählt, dann darf man das auch sagen :wink:

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Mit reichlich Verspätung nun auch nochmal meine Rückmeldung zum Saisonabschluss, bzw. dann auch irgendwie ganz allgemein zu meinem Eindruck:

Ich finde eine Sache sehr, sehr stark am Rasenfunk: die Akribie, mit der die Inhalte erarbeitet, dann aber auch einzig auf der Tonspur besprochen werden. Das gelingt zumeist sehr präzise, ohne dass es irgendwie auswendig gelernt wirkt und geht sehr ins Detail. Insbesondere die „Ausflüge“ in die Ultra-Szenen möchte ich da hervorheben. In dieser Hinsicht wird da teilweise fast schon soziologisch beobachtet und argumentiert und eben genau die „anstrengenden“ Zusammenhänge hergestellt, ohne die man das Thema nicht durchdringen kann. Für den taktischen Bereich gilt das natürlich ebenso. Dennoch hoffe ich sehr, dass die „kulturelle“ Seite des Fußballs weiterhin präsent sein wird. In dieser Hinsicht gefiel mir auch der oben im Thread auch bereits erwähnte Diskurs „Geisterspiel vs. Normalzustand“. Mal unabhängig von der persönlichen Ansicht, ist es cool, eine begründete Varianz von Standpunkten zu bekommen, aus denen man sich dann selbst seine Meinung bilden, bzw. diese damit abgleichen kann.

Kompliment!

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Thank you for your very interesting comments. I completely agree with you as regards football as a game or competition vs. football as an industry. Professional football is a business first and a sports competition only second.

As far as the rest of your comment is concerned, you are right, but you are also a bit behind the curve, I’m afraid. Of course professional football is not a fair competition. When Bayern play Freiburg, it’s like a heavyweight boxer pummeling a featherweight, just as you say. But the development of a widening economic and sportimg gap between the clubs in the Bundesligas is not new. It’s been going on at least since the introduction of the DFL and the professionalisation of the Bundesliga just before the turn of the century. And the causes of the widening gap are not limited just to DFL TV-money. The success of Bayern in the Bundesliga, for example, guarantees them a regular spot in the Champions League, which doesn’t only bring in lots of extra money that other clubs have no access to, but also has positive knock-on effects on their global brand strength, which in turn results in higher sponsorship contracts and merchandise revenues. This discussion as to whether this development - which, by the way, can be observed in all major European football leagues - is on the whole good or harmful to professional football, has been running on for years and years.

Since we are both in agreement that professional football as a spectator sport is more of an economic enterprise with the aim to generate profits than it is a fair and balanced competition with the aim to provide a level playing field for all participants, the economic gulf between the clubs, and hence the sporting disparity, will continue to grow so long as even the small clubs benefit financially from this.

Freiburg don’t generate the same kind of revenues as Bayern (not even close), but, on average, each year they earn more money than the year before. It’s like in a country. As long as their economy reliably grows and everybody sees their income and standard of living rise every year, everybody is happy. I shudder to think what people would get up to eg. in China if their government failed to placate the population with consistent, considerable economic growth that lifts all boats.

The only chance that this development might come to an end is when suddenly the ever growing influx of money into football starts drying up because eg. people are not prepared to pay their rising Pay-TV subscription fees any more or a major economic crisis hits the world that has tangible, substantial economic ramifications for professional football. But how big such a crisis would need to be is anybody’s guess. Not even Covid-19 has had this power.

And with large parts of the world not yet explored by professional football - there are huge untapped markets in Asia and Africa yet - where European football and its clubs have still massive, untold growth potential, I personally can’t see the growth of football as a whole, the economic discrepancies, and the sporting gap between the clubs come to an end anytime soon. And I believe that people will for the most part accept it because, in my opinion, the attractiveness of professional football lies less in the evenness of the competition than the spectacle of the occasion.

P.S. Here’s an article in German on the prospects of a salary cap in European football, just in case you are interested:

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