SGE: Verdammt, wo ist die Emotion?

Danke für den Royal. Carsten Schellhorn ist ein super Gast gewesen, gerne mehr, denn ich habe die Sendung genossen.

Dennoch sind mir einige Thesen ungut aufgestoßen, auf die ich gerne eingehen wollen würde. Denn das sind momentan so gewisse Klassiker, die überall durch die Medienlandschaft gehen und ich dachte, sie zu diskutieren, würden den Diskurs bereichern.

1. Toppmöller wechselt zu viel

Dieser Aussage kann ich nicht wirklich zustimmen. An sich hatte die Mannschaft schon eine Achse von 6-7 Spielern, die alle mehr als 2/3 der möglichen Spielminuten gespielt haben: Pacho, Trapp, Koch, Tuta, Marmoush, Skhiri, Götze. Mit mehr jeweils mehr als 2800 Minuten haben diese 7 Spieler mehr Saisonminuten gesammelt als Schlüsselspieler anderer Mannschaften in Beste, Undav und Guirassy, nur mal so zum Vergleich. Auf den anderen Positionen, also den Außen und hinter den Spitzen ist dann eben auch Raum, um Spieler zu variieren und so das System auf das spezifische Spiel abzuschmecken (Technik oder Dynamik, Offensive oder Defensive). Denn das Gegenteil, dass man immer mit denselben Spielern komplett durchspielt, wird auch nicht funktionieren, weder taktisch noch mannschaftsintern.

Nkounkou und Ebimbe sind dann diese typischen Beispiele, die herangezogen werden, um diese These relativ plakativ zu untermauern. Aber ich würde behaupten, dass sie die beiden diese Funktion gar nicht erfüllen, sondern rein für sich selbst stehen. Beide Spieler sind einfach von Natur aus inkonstant, und können an einem Tag Weltklasse sein und Spiele entscheiden und an anderen komplett unauffällig oder am Rande eines Platzverweises. Entsprechend ist Fluktuation und Auswechslung fast unumgänglich. Und im Allgemeinen hat Nkounkou defensive Schwächen und da wird auch ein intensives Defensivtraining wie im Winter nicht komplett den Schalter umlegen. Ergo wird dann auch mal Max spielen, wenn man die Seite zumachen will. Bei Dina Ebimbe ist es diese Saison auch nochmal besonders, weil er scheinbar vom Verein im Sommer als ZM eingeplant war, und so hatte man auch nicht noch einen weiteren ZM neben Rode und Larsson im Petto, weil man dort eben eher Dina Ebimbe sah. Und deshalb wurde er dann dort auch ausprobiert, bis man merkte, dass Götze das bessere ZM-Backup ist, als der dünne Kader geflickt werden musste. Aber an sich hat Dina Ebimbe 60% (25/42) der Spiele auf der rechten Seite gespielt, und damit mehr als die 58% der letzten Saison (15/26), als es niemand gestört hat.

2. Toppmöller überfordert die Mannschaft

Generell finde ich es immer unangenehm, wenn aus den Medien häufig das eigene Gefühl der Überforderung, wenn der Trainer von Taktik anfängt, auf die Spieler mit einer professionellen Fußballausbildung übertragen versuchen. Nur weil man nicht jedes Konzept, dass man Tag für Tag an seine Profis vermittelt, einem Laien mit beliebigen Vorwissen auf einem Bierdeckel erklären kann, heißt es nicht, dass man ein schlechter Lehrer und Vermittler wäre. Und entsprechend finde ich so Ausdrücke wie Fußballnerd oder Fußballwissenschaftler eher dispektierlich, denn diese implizieren immer menschliche Schwächen, obwohl man eigentlich nur feststellt, dass es ein Fachmann ist. Natürlich ist Kommunikation wie in jedem Lebensbereich das A und O, aber ich würde dann schon lieber einfach mal die Spieler fragen, wie sie es denn selbst empfinden, statt irgendwelche Ferndiagnosen zu machen. Und die Spieler attestierten Toppmöller immer wieder, dass er bereit ist, zu merken, was bei den vorhandenen Spielern noch nicht geht und entsprechend den Plan umgestellt hat. Das klingt schon ziemlich nach einem kommunikativen und offenen Umgang. Natürlich ist das nicht optimal, nicht direkt schon im Sommer zu wissen, wie weit die Mannschaft ist und was man mit ihr anstellen kann, aber auch das ist ein Kennenlernprozess und die Gesamtkonstitution der Mannschaft war ja bis September nicht klar.

Nagelsmanns Ansatz ist dahingehend sogar, dass er sehr gerne Spieler mit Inhalten überfrachtet, einfach weil ihm gar nicht so wichtig ist, dass sie 100% verstehen, sondern dass sie sehen, was für Aspekte es alles gibt, und sie sich dann selbstständig heraussuchen können, was sie für interessant halten und selbst anfangen, mitzudenken statt nur auf die Befehlskette zu achten.

3. Toppmöller spielt Anti-Eintracht-Fußball (nicht angebracht)

Aber ich rechne ihm hoch an, dass der dritte Punkt des üblichen „Dreieinigkeit der Pressephrasen“ nicht abgearbeitet wurde. Und zwar, dass Toppmöller völlig ohne Grund Ballbesitz einbauen will, und man doch lieber zum guten alten Fußball der Pokalerfolgsnostalgie zurückkehren. Die Notwendigkeit der spielerischen Weiterentwicklung wurde erkannt und mit eigenen Argumenten untermauert. Und Toppmöller wird von Krösche nicht wegen seines Names verpflichtet worden sein, sondern eben weil er der vielversprechendste Kandidat für den spielerischen Wandel ist. Aber die Kommunikation von Krösche ist dahingehend auch nicht wirklich unterstützend als der Konflikt mit den Faninteressen offenbar wurde.


Ein weiterer guter Punkt der Diskussion war neben der Notwendigkeit der Führungsspielerentwicklung, die nach einem Jahr des Stillstands in der letzten Saison einfach sehr akut ist. Denn Kostic und Hinti gingen und es kam nur Götze, bei dem man sich mehr erhofft hatte. Eigentlich hätten Skhiri und Koch schon unter Glasner der Mannschaft sehr gut getan. Nun durch Abgänge von Hasebe und Rode hat die Problematik nun auch jeder direkt vor Augen, aber eigentlich waren die beiden ja schon diese Saison nicht mehr richtig Teil des Teams. Dahingehend muss ich einwenden, dass Rode in seiner Abschieds-PK schon angekündigt hat, dass er erstmal ein Jahr Pause machen wird und nicht irgendwie direkt im Verein einen Posten einnehmen wird. Und auch Larsson hatte eher nicht mehr viel im Tank und vielleicht war auch eher das Learning aus dem Stuttgartspiel, dass er immer noch nicht ganz fit nach der Verletzung ist und man ihn eher davor schützen sollte, weiter jedes Spiel zu machen.

Ich fand auch gut, dass das Zusammenspiel von Ekitiké und Marmoush erwähnt wurde, denn diesen Eindruck hatte ich ja auch schonmal in einem Spieltagsthread geteilt. Ich bin mal derbe gespannt, ob wir auf der Mittelstürmerposition noch einen weiteren Schritt nach vorne machen werden, oder wir den ganzen Druck auf Matanovic legen werden.

Am Ende der Saison bleibt für mich der Unglaube, dass ein anderer Trainer mit denselben Bedingungen im Sommer mehr anfangen kann. Denn er wieder eine eigene fußballerische Idee mitbringen und der Anspruch wird ja auch an ihn nicht geringer, einfach weil die Eintracht giert nach einer 60 Punkte-Saison und den schon sicher geglaubten Pokalerfolgen on top. Da ist gar kein Raum für weitere Geduldstiraden, egal wem gegenüber. Und deshalb würde eine rituelle Opferung des Trainers zur Beruhigung der bösen Geister überm Waldstadion nicht wirklich Sinn ergeben meiner Meinung nach. Für mich ist völlig logisch, dass das Projekt Toppmöller erst nach der nächsten Saison vollständig bewertet werden kann und ich hoffe mir auch eine klare Weiterentwicklung, aber auch klarere Kommunikation, was eigentlich der Plan ist auch von Krösche. Aber wenn wir 55 Punkte und Platz 6 erreichen, dann reicht das für mich locker und das wäre auch schon diese Saison drin gewesen, wenn man kleine Rädchen dreht. Ich bin gespannt.

Vielen Dank für die Sendung nochmal.

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