Tribünengespräch 104 – Israel, Palästina und der Fußball

deborah feldmann saß vor einigen tagen bei lanz und hat über die aktuelle situation und lehren aus dem holocaust folgendes gesagt: „Ich bin der festen Überzeugung, dass es nur eine einzige legitime Lehre des Holocausts gibt, und das ist die absolut bedingungslose Verteidigung der Menschenrechte für alle".

und ich finde diesen satz absolut richtig und wichtig. israel nicht zu kritisieren wenn es menschenrechtsverletzungen begeht ist genau die falsche lehre aus unserer geschichte.

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Darf ich mal fragen, wer nicht erlaubt Israel zu kritisieren? Weil das impliziert dein Satz für mich.
Bzw. Was willst du damit sagen?

Weil Israels Regierung wird ja massiv kritisiert
Die israelische Regierung wurde insbesondere in den Monaten vor dem 07.10. Sehr massiv zum einen für ihre hardliner Positionen und zum anderen für die auch damit zusammen hängende Siedlungspolitik von überall her kritisiert.
Auch jetzt nach dem 07.10. Wird Israels Regierung und auch teilweise das Vorgehen massiv kritisiert egal ob von Präsidenten(Macron), im Feuilleton(ua. In Literatursendungen von Gästen im DLF) oder es wird in der Tagesschau von Angehörigen der Geiseln berichtet, die demonstrieren, dass versucht wird eine friedliche Lösung zu finden
Die WHO hat kritisiert, der UN Chef bei dessem Namen ich mich jetzt verschreiben würde, usw.

Ich verstehe nicht was der Satz soll, weil Israels Regierung wird sehr prominent und massiv kritisiert

Und ich würde tatsächlich sogar darauf wetten, dass die meisten hier im Forum Netanjahu losgelöst vom 07.10. und seine Regierung kritisch sehen und ich meine nirgendwo hier gelesen zu haben, dass man das handeln der israelischen Politik nicht kritisieren darf

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Das Darmsädter Echo zum Beispiel:

„Solidarität mit Israel heißt nicht, alles gutzuheißen, was Israel jetzt unternimmt“, gibt das DARMSTÄDTER ECHO zu bedenken.
„Es ist jedoch nicht die Zeit für Belehrungen, Israel trage mit seiner Siedlungspolitik ein gehöriges Maß an Mitschuld an der Eskalation. Ermahnungen aus deutschem Mund, im Kampf gegen die Hamas nun bitte das Völkerrecht einzuhalten, sind in diesen Tagen fehl am Platz.“

Quelle: Deutschlandfunk

Diese Stimmen sind (hoffentlich) nicht in der Mehrheit, aber @InspectorGadget meinte vermutlich solche, als er sagte:

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das die Meinung auch vertreten ist in einer diversen Zeitungslandschaft ist doch auch ok, aber Ohne dem Darmstädter Echo zu nahe treten tu wollen, es ist jetzt glaub ich nicht der größte Meinungsmacher

Und auch dies ist nicht die Forderung nach einem Verbot an Kritik, sondern nur die Meinung einesr Autorin, dass Kritik jetzt fehl am platze ist, finde das ist ein gewaltiger Unterschied
(Ich mag blau nicht weil so himmlig vs keiner darf mehr blau tragen)

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habe mich in erster linie auf die position von jansweber bezogen, der für mich irgendwie klang als wäre seine position gerade als deutsche sollten wir uns bei israelischen themen raushalten oder zumindest als würde er das so handhaben.

aber natürlich gibt´s dieses sentiment auch in den medien und vor allem bei unseren aktuell führenden politikern, gibt´s irgendeinen bundesminister der irgendwas außer bedingunsloser solidarität für israel fordert? und sorry aber ich hab keine bedingunslose solidarität für eine regierung in der leute sitzen, die sowas von sich geben „I welcome the initiative of the voluntary emigration of Gaza Arabs to countries around the world,“ Smotrich said in a statement. „This is the right humanitarian solution for the residents of Gaza and the entire region after 75 years of refugees, poverty and danger.“

ich hab bedingungslose solidarität mit allen zivilisten und allen unschuldigen opfern in diesem konflikt aber sicher nicht mit dieser regierung, die hier auf zynische, menschenverachtende art und weise eine ethnische säuberung vorschlägt/durchführt wenn sie niemand daran hindert.

ich hab auch keine bedingungslose solidarität für illegale siedlungen in der westbank mit mehr als 150 toten seit ausbruch des krieges oder apartheid in israel, weil „Ich bin der festen Überzeugung, dass es nur eine einzige legitime Lehre des Holocausts gibt, und das ist die absolut bedingungslose Verteidigung der Menschenrechte für alle".

Analena Baerbock zb.
Bin jetzt zu faul zum googlen der anderen Positionen
Aber Baerbock setzt sich aktuell sehr für die Hilfe für Palästinänser ein
Und appelliert immer wieder an die Israelische Regierung, ich glaube ihre Worte waren, möglichst rücksichtsvoll vorzugehen
Desweiteren ist sie derzeit viel in den Golfstaaten unterwegs um irgendwie Hilfe für Palästinänser zu organisieren
In der UN hat sie nicht für Israels Antrag gestimmt

Also ist schon mal eine Ministerin
(Kann ja nicht sein, dass ich als alter linker radikalinski jetzt ne Grüne verteidigen muss)

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Vielen Dank auch von mir für dieses wirklich sehr gute und differenzierte Tribünengespräch !

ja, allerdings wurd in den letzten Jahren jeglicher Protest auch brutal niedergeschlagen.

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Ein sehr gutes Tribünengespräch und eine noch bessere Empfehlung bzgl. des Aufwachen Podcasts am Ende. Danke dafür!

Als ich den Titel gelesen habe, habe ich mich gefragt welche Perspektive wohl gemeint ist. Die vor Ort in Israel / Palästina oder die Folgen in Europa / Deutschland. Ich möchte fast sagen leider ist es primär zweiteres geworden, denn bei diesem Gedanken ist mir aufgefallen wie unfassbar wenig ich über Fußball in Palästina bzw. um den Nahostkonflikt überhaupt weiß.

Man bekommt hier und da mal mit wenn Sportler nicht gegen isrelische Gegner antreten weil dies untersagt ist oder evtl. auch zT weil Sie es persönlich nicht wollen, oder von Sportlern die nicht mit zu Wettbewerben / Trainingslagern etc. in arabische Staaten einreisen dürfen. Das sind aber lediglich Bezüge auf den Nahostkonflikt und weniger auf Palästina.

Und die gab es ja auch in diesen Fällen schon. Neben El-Ghazi und Mazraoui in der Bundesliga und dem Fall von Liel Abada bei Celtic, die angesprochen wurden, gab es auch noch den von Shon Weissman. Der Israeli, der bei Granada spielt wurde für Palästina-Feindliche Posts angezeigt und konnte aus Sicherheitsbedenken der spanischen Polizei nicht am Auswärtsspiel in Osasuna teilnehmen.

Nochmal anders ist die Lage dann in muslimischen Staaten. In der Süper Lig wurde lediglich den palästinenischen Opfern gedacht, sodass Ramzi Safuri und Sagiv Jehezkel, zwei Israelis die bei Antalyaspor spielen, bei diesem Spiel nicht im Stadion anwesend sein wollten.

Ganz nebenbei versuchen die vielen israelischen Spieler, die teilweise seit Wochen kein Pflichtspiel absolviert haben, sich für die EM 2024 zu qualifizieren. Jedoch auch hier ohne Heimspiele, sondern in Ungarn.

Beim ersten Spiel der Länderspielpause verlor man im Kosovo 1-0 und wurde dabei aus Sicherheitsgründen von Geheimdienstmitarbeitenden begleitet. Ausgepfiffen wurde die Hymne dennoch. Auf Grund der Unmöglichkeit der Austragung der Spiele im vorherigen Länderspielfenster, spielt Israel in den zwei Wochen nun insg. vier Länderspiele.

Über palästinensischen Fußball weiß ich eigentlich nur von einer Nationalmannschaft, die bisher international in Wettbewerben keine Rolle für mich spielte und von CD Palestino, einem chilenischen Erstligisten, der mal in der Copa Libertadores angetreten ist.

Also habe ich mal etwas recherchiert und als erstes dann tatsächlich auch einen Beitrag von COPA90 über den CD Palestino gefunden. Dank YouTube Algorythmus ging es direkt weiter zu einem Beitrag des SID: der allerdings wenig zusätzlichen Input liefert:

Anschließend habe ich mir mal die sportliche Lage der Nationalmannschaft angesehen. Diese versucht sich aktuell in Gruppe I der 2. Runde in der Asiatischen WM Qualifikation für ein Ticket 2026 zu qualifizieren.

Beim ersten Spiel konnte man gestern ein 0-0 Auswärts im Libanon holen. Theoretisch würde es nun mit einem Heimspiel gegen Australien am Dienstag weitergehen. Allerdings wird dieses aufgrund des aktuellen Kriegs nach Kuwait verlegt. Ein Weiterkommen in der Qualifikation, insb. in einer Gruppe mit Australien, wäre ein echtes Wunder.

In diesem Zusammenhang bin ich auf ein großes Problem des Fußballs in Palästina gestoßen: Die israelische Kontrolle über und innerhalb der Region. Denn durch die Trennung des Territoriums in Westjordanland und Gaza müssen zwei verschiedene Ligen organisiert weden. Dazu ist die Anreise von Spielern aus Gaza zu Länderspielen nicht immer möglich.

Doch auch innerhalb des Westjordanlands ergeben sich Probleme. Durch diverse militärische Checkpoints ist es nicht immer allen Spielern möglich zu Trainingseinheiten oder Spielen anzureisen, da hier Seitens israelischer Soldaten häufig „Sicherheitsbedenken“ bestehen. Um hier zu helfen wurde eine Nothotline geschaffen, bei der palästinensische Sportler anrufen können. Doch auch die Übernachtung direkt in den Trainingsstätten ist ein genutztes Mittel.

Der schweren Situation steht dann jedoch auch die palästinensische Sportdoktrin gegenüber, die auf 11Freunde mal zitiert wurde:

„Jede Aktivität, die der Normalisierung der sportlichen Beziehungen mit dem zionistischen Feind dient, ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit“

Dies wird auch durch den Präsidenten des Fußballverbandes symbolisiert. Jibril Rajoub warf bereits als Jugendlicher eine Granate auf israelische Soldaten. Während seiner Haft organisierte er Proteste und Hungerstreiks. Nach seiner Freilassung beteiligte er sich 1987 an der ersten Intifada - und wurde erneut inhaftiert. Während der zweiten Intifada 2001 wurde sein Haus beschossen. 2013 sagte er wenn „wir“ Atomwaffen hätten, würden wir sie benutzen. Mittlerweile stellt er als Verbandspräsident Anträge auf Ausschluss des israelischen Verbands und biliigt die Benennung von Sportanlagen nach Selbstmordattentätern.

Doch den hass gibt es auch auf der anderen Seite, bspw. bei Beitar Jerusalem. Im Jahr 2003 stieg der FC Bnei Sachnin als zweiter arabischer Verein in die höchste israelische Liga auf. Ein Jahr später gewann er überraschend den Pokal. Der Kapitän, Abbas Suan, wurde in der Folge Nationalspieler, weigerte sich jedoch die Hymne mitzusingen, da diese ausschließlich das jüdische betont. Insb. bei Beitar Jerusalem war er in der Folge vielen Anfeindungen ausgesetzt. Beitar war immer ein Verein der politisch Rechten und besingt sich selbst als rassistischsten Verein des Landes.

Ich könnte noch mehr schreiben, aber kommt man immer bei zu vielen negativen Beispielen heraus. Die Konfliktlinie verläuft, wie nahezu überall, zwischen progressiven, konservativen oder gar radikalen Gruppen. In einem so lang dauernden Konflikt sind Zweitere und Dritte jedoch zu prägend.

Alle Informationen die ich hier genannt habe, die nicht in den Videos oder Artikeln zu finden sind, stammen übrigens aus „Machtspieler“ von Ronny Blaschke oder „The turbulent world of middle east soccer“ von James Dorsey. Beide Male eine dringende Kaufempfehlung von mir, wenn euch politische Hintergründe zum Fußball im Nahen Osten oder in Diktaturen interssieren.

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Einschub mit Buchtipp:
Was uns in solchen Konflikt immer wieder begegnet, ist die Abhängigkeit von der individuellen Perspektive.
Auch hier wurde ja Beispielsweise von persönlichen Gesprächen berichtet, welche den persönlichen Eindruck prägten.
Auf beiden Seiten eines Konflikts gibt es gerechte Erzählungen und berechtigte Anliegen. Auf beiden Seiten existiert vielleicht auch so etwas, was man in der Medizin „sekundären Krankheitsgewinn“ nennt. Das Leiden und die Unterdrückung ist prinzipiel echt, aber es gibt manchmal auch Personen, die sich gut in dem Konflikt einrichten.

In „The Colony“ von Audrey Magee wird während der Hochphase des Nordirland Konflikts eine der letzten gälisch sprechenden Inseln Irlands von einem englischen Künstler besucht. Es geht nicht direkt um die große Politik, sondern um das Verhandeln von eben jener im Kleinen. Wie sehr können die einzelnen Akteure ihrer Identität entkommen, wenn sich alles um Identität polarisiert? Wer hat wo welche Privilegien oder gerechte Ansprüche? Einige der Erzählungen über die persönliche Ebene zum Nahost Konflikt erinnerten mich zuletzt an dieses Buch. Einerseits wollen und können viele einfach zusammen leben, aber dann gibt es doch wieder Situationen bei denen rund um die identitären Grenzen hochkocht.

Makkabipräsident Alon Meyer wurde interviewt

Denke passt zum Thema

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Ein wirklich tolles, lohnenswertes Gespräch. Eigentlich möchte man angesichts der scheinbaren Unlösbarkeit dieses Konflikts nur noch schreien…

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Ich weiß nicht ob es hier hin gehört, aber ich finde es zumindest erwähnenswert.

Das passt leider auch zu diesem wertvollen Tribünengespräch, das mir damals den entscheidenden Ruck zur finanziellen Unterstützung des Rasenfunks gegeben hat.

(Text ist hinter der Paywall, der Kern des Textes wird aber im Teasertext genannt. Zusätzlich noch die Info vom Ende des Textes, dass der Polizei in Halle die Vorfälle bis zur Nachfrage der Journalist:innen nicht bekannt waren.)

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Warum fand das Spiel eigentlich in Halle statt?

Gibt es bei solchen Spielen gar kein Fingerspitzengefühl beim DFB?
(Halle hat ein Naziproblem, die Identitären haben oder hatten da ihren Sitz und den hools vom Halleschen FC willst jetzt auch nicht alleine irgendwo begegnen(ist jetzt etwas arg alles verkürzt, aber reicht für mich um ein Spiel gegen Israel aktuell woanders zu spielen))

Also da gibt es ne Menge aufzuarbeiten bei dem Thema

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In der aktuellen Situation sind antisemitische Vorfälle leider ja fast überall in Deutschland (und darüber hinaus) bei so einem Spiel zu befürchten - auch an Orten mit starker linker oder starker arabischer Community (was natürlich genauso wenig heißt, dass alle Linken und alle arabisch stämmigen Menschen antisemitisch sind, wie du alle Menschen in Halle für antisemitisch hältst).
Die von dir genannten Punkten sprechen aber natürlich auch komplett abseits aller Ereignisse seit dem 7. Oktober gegen eine Austragung eines solchen Spiels in Halle.

Was seit den 7 Oktober für eine antisemitische und israelhassende Welle an Gewalt und Hetze (hier ist das Wort wirklich mal angebracht) nicht nur durch Deutschland, sondern weltweit und bis heute anhält, ist echt nicht in Worte mehr zu fassen und zu ertragen. Diese feinsinige Aufteilung nach rechten und linken Antisemitismus bringt einen am Ende nicht weiter.

Klar, man sollte nie verallgemeinern, aber bei vielen Arabern kann man denen deren israelhassende Einstellung soweit verstehen, dass denen aus dem sozialen Umfeld ständig etwas von den „Kindermörder“ Israel erzählt wird, und das seit Kindestagen an, und aus diesem Sozialen Umfeld ist es nun mal sehr schwer rauszukommen. Wenn man uns sowas seit Klein auf erzählen würde, wäre es genauso (und war und ist es ja noch bis heute, daher ist eine Fixierung auf eine Gruppe nicht möglich, da es ein gesamt gesellschaftliches Problem ist)

Es ist echt traurig, dass das Kalkül der Hamas hinter dem Terroranschlag somit voll aufgegangen ist.