Mich stören einfach mehrere Dinge:
Erstens wird der Veranstalter behandelt, als würde er zum großen Prügeln einladen und deshalb wird er mitverantwortlich gemacht. Das gilt aber dann auch für Volksfeste oder Karnevalsfeiern, die auch mit diesen Problemen zu kämpfen haben. Es muss einen realistischen Präventionsmechanismus geben, mit denen der Veranstalter aus der Mithaftung genommen wird und die Verantwortung wieder auf die Gemeinschaft übertragen wird. Zum Beispiel das was ja schon passiert. Stadionverbote für Gewalttäter, klare Trennung von Fanlagern im Umkreis vom Stadion, Sicherheitskontrollen an den Eingängen usw.
Was soll der Verein noch machen? Das Urteil klingt so, als müsste der Verein einfach die ganze Stadt abriegeln, weil sonst immer die Mitverantwortung vorhanden ist, wenn sich Leute prügeln. Das verhindert auch nicht, das Spiel als Geisterspiel stattfinden zu lassen, weil das interessiert im Zweifel niemand, siehe Eintracht- Neapel.
Es muss viel klarere Kriterien geben als es einfach nur an die Besucherzahlen zu koppeln. Denn das impliziert alles einfach, dass die Stadiongänger im Umfeld des Stadions das Problem darstellen, aber oft sind es auch einfach jene, die weit vor oder nach dem Spiel im Umland für Probleme Sorgen. Und an diesen Orten ist auch keine Polizei, die das dann auch nicht entsprechend verhindert. Wo ist da der Verantwortungsradius des Veranstalters gegenüber Leuten, die nicht in seinem Verantwortungsbereich stehen, oder die nicht einmal eine Karte haben.
Zweitens liegt die Handhabe der Polizei, zu Bewerten welches Spiel Anlass genug ist, ein Hochsicherheitsspiel zu sein und wieviel Aufwand sie fahren müssen, um gewisse Gefahren abzuwehren. Das kann aber dann auch wie in Wolfsburg vor 2.5 Jahren auch bedeuten, dass sie einfach jedes Spiel zum Hochrisikospiel machen, weil sie die Mittel, die sie haben, dann auch gerne einsetzen. Und wenn die DFL mitbeteiligt wird, dann gibt es da auch keine innere Räson mehr zur Verhältnismäßigkeit.
Natürlich macht es Sinn, Geld für Mehrleistungen über die allgemeine Sicherheitspflicht zusätzlich abzurechnen, zum Beispiel wenn es um Begleitschutz für Fanmärsche geht. Aber dann meldet der Verein das an und weiß, dass das zusätzliche Kosten sind, aber ich mag den Gedanken nicht, dass die Polizei oder irgendeine andere Organisation mit Macht, das einfach entscheiden kann, durchsetzen kann und dann auch noch die Rechnung für die Gängelung an Betroffene weiterleitet.
Drittens muss die Polizei dann aber auch erstmal beweisen, dass ihre Art der Prävention wirklich wirksam ist. Aktuell wird ja vor allem im und ums Stadion mit sprichtwörtlich großen Kalibern aufgefahren, aber dort passiert in der Regel nichts, außer die Polizei geht selbst mit Gewalt rein. Hier ist eben auch die Prävention des Vereins am größten. Die große Gewalt, die Abseits der Stadien geschieht, wie jetzt in Hamburg, die kann und wird sie nicht verhindern, also wozu der ganze Terz. Wenn wir allen Menschen Freizügigkeit gewähren, dann auch Fans verschiedenen Lagern zur gleichen Zeit in einer Stadt zu sein. Oder man entzieht ihnen eben jene Freizügigkeit gerichtlich und bestraft sie, wenn sie zuwiderhandeln. Aber einfach nur ums Stadion die Polizei auffahren, und dann sagen, der Einsatz war erfolgreich, weil genauso wenig passiert, wie mit Polizei, finde ich einfach krude. Denn gleichzeitig passiert dann woanders Gewalt, wo die Polizei dann nicht regulär eingreifen kann, weil sie alle Mittel dort bündelt, wo sie einen Teil des Geldes wieder zurückbekommen. Diese kommerzielle Ebene ist einfach komisch und wird vieles weiter verschieben.
So wie ich das Urteil verstehe und vielleicht mache ich da auch Fehler, macht es mich eher traurig, weil es viel der Komplexität des Problems auf die einzige Frage umgemünzt hat: Darf der Staat Geld für Leistungen verlangen? Und diese Frage war ja wie im Podcast erwähnt, schon lange geklärt. Aber hier geht es dann ja doch um mehr, nämlich um Leistungen, um die niemand gebeten hat und inwiefern ist ein Veranstalter verantwortlich für Individuen, die die Veranstaltung zum augenscheinlichen Anlass für Gewalt jenseits der Veranstaltung zu nehmen und wie sehr ist die Polizei verantwortlich, Schutzmaßnahmen zu ergreifen, aus ihrem allgemeinen Schutzauftrags heraus. Kann ich dann auch die Polizei verklagen, wenn ich Opfer von Gewalt werde, obwohl sie allen Aufwand betrieben haben, um mich zu beschützen?