Sehr interessante Diskussion.
Ich gehöre mit 18 Jahren wohl zu den jüngeren Fans, habe aber ,glaube ich, eher eine traditionelle Auffassung von Fußball. Ich bin zwar kein regelmäßiger Stadiongänger, was aber vor allem damit zusammenhängt, dass ich mehrere Stunden entfernt von meinem Lieblingsverein lebe, aber immer wenn ich im Stadion bin, regt mich die stetige Eventisierung auf, genauso wie über viele andere Entwicklungen des modernen Fußballs. Die Zerstückelung des Spieltags ist als Fan sicherlich kritisch zu sehen, als Nicht-Stadiongänger ist es aber großartig für mich. Ich kann am Wochenende bis zu 10 Spiele schauen und in der gesamten Woche schaue ich so um die 20 Spiele. Dabei setze ich die verschiedensten Schwerpunkte. Ich schaue mir immer meinen Lieblingsverein an und bin emotional voll dabei. Gleichzeitig interessiere ich mich aber auch für Taktik und schaue dementsprechend gerne taktisch interessante Mannschaften aus den verschiedensten Ligen sowie immer wieder auch unterklassige oder U-Mannschaften, um Talente zu beobachten. Die Entwicklung in der Verfügbarkeit von Fußballspielen hat sich meiner persönlichen Wahrnehmung nach enorm verändert/verbessert. Vor ein paar Jahren konnte man sich die Bundesliga über Sky anschauen und das war es gefühlt auch schon. Hatte man kein Sky musste man auf die Sportschau warten. Mittlerweile gibt es Plattformen wie DAZN, auf denen man eine Vielzahl von Spielen sehen kann. Gleichzeitig kann man aber auch über Youtube die 2. spanische oder die russiche Liga sehen. Davon konnte man vor ein paar Jahren nur träumen. Über mehr oder weniger legale Internetseiten kann man mittlerweile praktisch jedes Spiel sehen. Das hat, wie ich glaube, einen riesigen Einfluss darauf, wie Fußball wahrgenommen wird. Es wird in Deutschland nicht mehr nur über die Bundesliga geredet, sondern genauso gerne über die anderen Ligen, weil man diese viel einfacher verfolgen kann. Die digitale Entwicklung hat die Wahrnehmung von Fußball entscheidend beeinflusst und wird dies wohl auch weiterhin tun.
Das prägnanteste Beispiel hierfür ist das Smartphone. Als ich großgeworden bin (ich bin Jahrgang 2000) gab es dieses noch nicht. Wollte man sich über Fußball außerhalb Deutschlands informieren, musste man darauf hoffen, dass auf der letzten Seite des Kicker die Tabellen und Ergebnisse des letzten Spieltags abgedruckt wurden und viel mehr gab es nicht. Fußballblogs oder ähnliches, die sich mit diesen Themen beschäftigen, kannte man damals einfach nicht. In unserer Freizeit haben wir fast immer Fußball gespielt, ob im Garten oder auf dem Bolzplatz. Im Alter von ca. 12,13,14 Jahren haben dann die meisten unserer Altersklasse ihr erstes Smartphone erhalten. Auf einmal kam man viel schneller und einfacher an Informationen und konnte sich vor allem auch einfacher mit Freunden verständigen. Soweit ich das beurteilen kann, hat das Smartphone für die Jahrgänge rund um 2000 nicht den größten Einfluss gehabt. Besonders in jüngeren Jahrgängen (so ab 20003/04) ist dieser Einfluss aber riesig. Das kann man durchaus kritisch sehen, beispielsweise, wenn durch soziale Netzwerke wie (vor allem) Instagram fragwürdige Werte vermittelt werden. Aber auch auf den Fußball wirkte sich das aus. Für viele aus meiner Altersklasse ist das erste Erlebnis mit Fußball wohl, dass der Vater einen mit zum Dorfklub oder ins Stadion nimmt. Mittlerweile kommen Kinder aber bereits in jungem Alter ganz anders mit Fußball in Kontakt. Fußballer werden teils über soziale Netzwerke kennengelernt anstelle über den Fußballplatz. Das sorgt wieder für ganz neue Probleme. So wird von den Spielern selber nur ihre beste Seite gezeigt. Hier kann man zum Beispiel den Steuersünder und mutmaßlichen Vergewaltiger Christiano Ronaldo anführen. Es fällt zudem viel einfacher, junge Menschen zu politisieren (Stichwort: Filterblase), wobei das auch wieder ein anderes Thema ist. Worauf ich damit hinaus will: Es wurde auch in dieser Diskussion angesprochen, dass Vereine immer noch Nachwuchs bekommen. Zumindest in meiner persönlichen Wahrnehmung bin ich mir da nicht ganz so sicher. Müsste sich ein 10-Jähriger entscheiden, was er sich lieber anschauen würde, Barcelona mit seinem großen Idol Lionel Messi oder den Verein aus der Region, der in der 3. Liga im Abstiegskampf steckt, entscheidet er sich sicher für Barca und Messi. Der Personenkult hat durch Social Media und Co. nochmal erheblich zugenommen. Noch ein letzter Punkt: Ich habe tatsächlich das Gefühl, dass junge Menschen nicht mehr so viel Zeit draußen verbringen, wie ich in meiner Jugend. Vielleicht habe ich da auch nicht das akkurateste Bild, aber wir mussten uns haben uns häufig getroffen, da dies eine der wenigen Möglichkeiten war, außerhalb der Schule miteinander zu kommunizieren. Oft kam man dann auch zum Fußballspielen. In der heutigen Zeit findet der soziale Kontakt oft per WhatsApp statt. Das hat die Kommunikation sicherlich einfacher gemacht, der direkte soziale Kontakt hat dadurch aber definitiv nachgelassen (nicht nur in der angesprochenen Altersklasse). Junge Menschen können sich so zwar immer noch über Fußball austauschen, aber das Fußballspielen an sich, kommt vielleicht teils etwas kurz. Damit einhergehend las auch die Zahl der Spieler in den U-Mannschaften meines Dorfklubs stetig nach, wobei das auch andere Gründe haben kann (Urbanisierung, etc.). Es wird ja gerne über die Millennial-Generation gesprochen, dabei unterscheiden sich die Jahrgänge 1998-2002 gar nicht so sehr von denen davor (besonders wenn man davon ausgeht, dass hier immer eine natürliche Abweichung vorhanden ist). Die “Generation Smartphone” (klingt leider schrecklich nach Bild-Zeitung, mir fällt aber nichts besseres ein), die bereits im jungen Alter mit Smartphone aufwuchsen, unterscheiden sich dann nochmal elementar von meiner Altersklasse. Ich bin gespannt, wie sich diese Generation weiterentwickelt und wie diese Fußball auffasst.
All diese Gedanken sind natürlich aus meiner eigenen Sicht und vielleicht tue ich damit der angesprochenen Generation etwas Unrecht. Ich versuche hier nur zu dokumentieren, was ich selber, vor allem in der Schule, immer wieder erlebt habe.
Noch ein kleiner Abschnitt zu FIFA (dem Spiel):
FIFA ist meinem Empfinden nach sehr wichtig dabei, wie junge Menschen Fußball wahrnehmen. Ich selber habe seit 2014 FIFA gespielt (vermutlich etwas zu viel), tue dies aber mittlerweile nicht mehr, was grundsätzlich daran liegt, das ich mich mehr für das “richtige” Spiel interessiere und das Gameplay echt schlecht ist, was auch häufig von professionellen Spieler kritisiert wird. Heutzutage sieht man viele Kinder/ Jugendliche, die mehr FIFA spielen als Fußball schauen oder spielen. Somit ist FIFA auch eine wichtige Informationsquelle, um sich über Fußball zu informieren. Hat ein Spieler einen besonders guten Abschluss im Spiel, wird das gleiche auch im “Real Life” erwartet. Wie von euch auch angesprochen, hat das besonders für Talente einen interessanten Effekt. Sobald ein Spieler in FIFA einen hohen Potenzial-Wert wird er unfassbar hochgehyped. Man erwartet wie im Spiel perfekte Karriereentwicklungen, die so aber kaum zu verwirklichen sind. Manche Spieler kennt man nur aus FIFA, hat sie aber noch nie wirklich spielen sehen. Ich selber habe beispielsweise Mbappe oder Renato Sanches erst durch FIFA kennengelernt (wobei sie zu dem Zeitpunkt auch erst ein paar Spiele in der ersten Mannschaft absolviert hatten). Spieler werden tatsächlich immer wieder anhand ihrer FIFA-Werte bewertet. Das mag absurd klingen, ist aber durchaus logisch. Ein Kind von 12 Jahren wird sehr wahrscheinlich noch nie Hirving Lozano gesehen haben. Hat er aber in FIFA eine sehr gute Karte, mit der man vielleicht sogar selber spielt, hat das einen interessanten Effekt auf die Wahrnehmung eines Spielers. Retrospektiv fiel mir zuletzt auf, dass ich eine Sympathie für Spieler entwickelt habe, die mir auch im Spiel gefielen. FIFA ist dabei sicherlich auch ein Weg Fans zu gewinnen. Um es auf den Punkt zu bringen: FIFA trägt maßgeblich dazu bei, wie junge Menschen den Fußball und vor allem einzelne Spieler auffassen.