So, Achtung, könnte länger werden.
Die Saison ist endlich vorbei, man hat den 34. Spieltag gebraucht für die letzte Gewissheit, dass man auch in der nächsten Saison in der ersten Bundesliga spielen wird. Fest steht mittlerweile, dass man Ilzer die Chance einer Sommervorbereitung geben möchte. Die Argumente die die Verantwortlichen selbst dafür anführen sind aus meiner Sicht schon ganz schön dünn, Schicker hat mehrfach betont dass es in den letzten Jahren zu viel hin und her auf dieser Position gab (da kann man ihm nicht widersprechen) und dass man jetzt eine konstantere Arbeit ermöglichen will. Ich verstehe das Argument, ich glaube nicht, dass jetzt ein Wechsel zu bspw. Kwasniok die Lösung für Probleme wäre, würde mir aber auch wünschen, dass Ilzer in seinem ersten halben Jahr auch Argumente für ihn als Person hätte sammeln können. Vielleicht war das unter den Umständen ja auch einfach nicht möglich.
Aber gehen wir erst einmal ein paar Schritte zurück. Die Sommerpause und die dazugehörige Transferperiode war aus meiner Sicht eine Zäsur und höchst relevant für diese Saison. Die Relevanz kommt schon alleine durch die Spielzeit der Neuzugänge zustande, wettbewerbsübergreifend waren das auf 11 Spieler verteilte 14.222 Minuten, etwa ein Drittel der gesamten Spielzeit entfällt also auf Neuzugänge (Jugendspieler die hochgezogen wurden habe ich hierbei nicht mitgezählt). Schaut man sich die Aufstellungen der letzten Saison an, sieht man sehr schnell, dass man von einer Art konstantem Umbruch sprechen kann, der sich in den nächsten Monaten definitiv noch fortführen wird. Die Zäsur ergibt sich auch daraus, dass man erheblich mehr Geld ausgegeben hat als man eingenommen hat und dass man seine bisherige Strategie für Transfers für ein paar Wochen völlig über Bord geworfen hat. Ich habe bereits im Sommer darauf hingewiesen, dass man unter Kramer primär Spieler verpflichtet hat, die ihre bisher stärkste Saison 2023/24 gespielt haben, die zumindest mittelfristige Verträge bei ihren alten Vereinen hatten und dementsprechend auch ziemlich teuer waren. Diese Transfers sind nun teilweise ganz schlimm gealtert, Hranac, Tabakovic und Yardimci konnten bisher kein Bundesliganiveau andeuten, Gendrey und Prass waren maximal Mitläufer, Lenz hat nach langer Verletzung nur etwas Regionalliga gespielt (die Außenpositionen sind ja eh seit Jahren so ein Thema), Chaves und Hlocek haben noch am meisten überzeugt, aber auch die beiden hatten im Laufe der Saison so ihre Probleme.
Mit dieser Transferbilanz, der komplett verlorenen Sommervorbeitung und der internen Unruhe inklusive Stimmungsboykott der Fanszene ist es dann nicht überraschend, dass der Saisonstart schwierig ist. In den ersten 5 Ligaspielen bekommt man 16 Gegentore, gegen die Topteams der Liga ist man unter Matarazzo eine Klasse schlechter, die Niederlagen kommen mit Ansage. Gegen Teams weiter unten sind die Spiele je nach Ansatz des Gegner entweder chaotisch und dadurch auch sehr davon abhängig ob man mehr glückliche Aktionen hat als der Gegner (Kiel, Bremen, Bochum, selbst Würzburg) oder, sobald man selbst das Spiel machen muss, wirklich schwer anzuschauen und größtenteils erfolglos (Pauli, Heidenheim, Augsburg). Der Trainerwechsel hatte hier in den ersten Monaten keinen Effekt, das Spiel gegen Leipzig passt einfach nur ganz gut in die erste Kategorie (zu dem Zeitpunkt wussten halt noch nicht alle, dass Leipzig 24/25 kein Topteam ist).
Wo wir nun bei Ilzer sind möchte ich einen kleinen Sprung machen: Auf der Pressekonferenz nach dem Rückspiel gegen Wolfsburg kam die Frage, ob er davon ausgegangen ist dass man noch so lange im Abstiegskampf ist und wann Ilzer gemerkt hätte, wie viel in der Mannschaft schief läuft. Die Antwort darauf: Eigentlich läuft gar nicht so viel schief, es fehlen vor allem die Ergebnisse, mit dem was die Mannschaft für einen Fußball spielt kann er größtenteils mitgehen. Während ich das hier tippe rekapituliere ich die letzten vier Spiele vor dem 34. Spieltag, in denen man zwölf Gegentore bekommen hat und zwei Punkte geholt hat. In Freiburg war man bis zur Nachspielzeit der ersten Halbzeit defensiv absolut hilflos und macht dann zwei Tore in der Nachspielzeit, wodurch es irgendwie mit 2:2 in die Pause geht. Was diese Tore unterscheidet ist, dass Freiburg sich diese Tore immer wieder mit ähnlichen Mustern herausspielen kann, weil Doan immer wieder Duelle gegen Chaves oder Gendrey gewinnt und man dann Raum hat um zu kombinieren, während Hoffenheims Tore durch Abpraller und abgefältschte Bälle zustande kommen. Alle diese vier Tore sind natürlich gleich viel wert und auch die Hoffenheimer Tore muss man sich erstmal so erarbeiten (häufig sind da dann wieder sehr viele Spieler in Strafraum), trotzdem seh ich hier auf beiden Seiten des Felds bei Hoffenheim ein strukturelles Problem, dass sich trainerübergreifend durch die Saison zieht. Vorne ist man ausschließlich auf Situationen angewiesen wo man Chaos stiftet und/oder ein Spieler individuell Dinge tut, abgesehen davon hat man keine Gelegenheiten die man sich mal über ein paar Stationen erspielt (exposed wird dass dann in Spielen wie gegen Heidenheim und Augsburg, insgesamt vier Unentschieden), hinten kann sich ein guter Gegner einen mehrmals pro Spiel zurechtlegen. Das funktioniert auch, weil in jedem Spiel einer der Defensivspieler nicht auf Bundesliganiveau agiert, gegen Freiburg war das eben Chaves (Sofascore: 5.9). Die Woche drauf ging es gegen Dortmund und ich sehe auch hier wenn ich mir die Tore nochmal anschaue Gemeinsamkeiten: bei den Gegentore ist die Dreierkette bei Dortmunds schnellen Angriffen nicht schnell genug sortiert und man verliert Gegenspieler, bei den Toren kann man sich auf individuelle Klasse von Stach, Hlocek und Kramaric verlassen, am Ende reicht es auch hier nicht für Punkte. Gegen Gladbach ist das Spiel ein komplettes auf und ab, hier kann man sich tatsächlich auch mal Tore mit Abläufen, die man als Spielzüge beschreiben könnte herausspielen, einschränkend muss man aber sagen dass Gladbach zu diesem Zeitpunkt in der Saison genau die gleichen Probleme hat wie die TSG (bei denen sind es in diesen vier Spieltagen 13 Gegentore). Wie schon gegen Dortmund verliert man auch hier wieder Punkte in der Nachspielzeit. Jetzt ist der Reflex natürlich, das als unglückliche Punktverluste zu labeln, ich würde mich dagegen aber wehren. In der Nachspielzeit der zweiten Hälfte hat man halt oft die Situation wo der Gegner mit einem Druck angreift, dem Hoffenheimer Defensivapparate in dieser Saison nur selten gewachsen waren, weshalb man da halt natürlich so viele Punkte abgibt. Gegen Wolfsburg ergibt sich erneut ein Spiel zwischen zwei Teams die auf einem schwachen Niveau agieren, die Passquoten sind in der Anfangsphase auf beiden Seiten gruselig, Østigård nimmt die Rolle des (sorry) Deppen in der Defensive ein mit einem Eigentor und einer Mitschuld am zweiten Gegentor, wieder mal holt man zwei Rückstände auf. Nun kann man Ilzers optimistische Kommunikation (nach dem Bayernspiel spricht er davon, dass man stolz auf den Klassenerhalt sein könnte weil man viele wichtige Prozesse durchlaufen hätte (welche???)) als eine Art der Öffentlichkeitsarbeit deuten die er in einem teilweise chaotischen Umfeld wählt, um nicht noch mehr Unruhe reinzubringen. Bei den Fans hinterlässt das aber halt wieder den Geschmack von Wohlfühloase, von Ambitionslosigkeit und von fehlendem Realitätsbezug, was in den letzten Jahren schon häufig zu sehen war, Ilzer hat sich selbst nun ebenfalls in diese Schublade gesteckt. Wenn er nach dem Spiel gegen Dortmund auf der PK explizit die Leistung von Dennis Geiger lobt ohne nach dieser gefragt worden zu sein dann ist das für mich keine optimistische Öffentlichkeitsarbeit mehr, es ist einfach unehrlich, mir gefällt diese Art der Kommunikation überhaupt nicht.
Ebenfalls in der Schlussphase der Saison sehe ich das Spiel zwischen Heidenheim und Bochum (beide können Hoffenheim zu diesem Zeitpunkt noch überholen), zwei Teams die finanziell viel schmalere Möglichkeiten haben und die einen ziemlich schwer anzuschauenden Fußball anbieten. Ich sehe, wie diese Vereine sich Abwehrreihen mit kleinen Mitteln zusammenbauen, die aber offensichtlich besser funktionieren als die von Hoffenheim (klar kann man das wegen unterschiedlichen Spielsystemen nicht 1:1 vergleichen), ich sehe den 40-Mann Kader und die Herausforderungen für die Kaderplanungen in der Zukunft (wer soll einem denn A. Szalai, Grillitsch oder Berisha bitte zu Konditionen abnehmen, bei denen die einen Vertrag unterschreiben?), ich sehe die Berichte über die finanzielle Qualität der ROGON Deals am Beispiel von Rutter, ich spüre nach wie vor das fehlende Vertrauen zwischen Fanbasis und Verein und ich habe wirklich Angst um die Zukunft der TSG. Der Klassenerhalt sollte sich für mich nach einer großen Erleichterung anfühlen, ich wollte mich wirklich drüber freuen weiter erste Liga zu spielen, grade bin ich aber einfach wahnsinnig skeptisch was die Zukunftsaussichten der TSG angeht und das trübt die Stimmung dann zu sehr. Es sind einfach so viele Zutaten da von Vereinen, die in der Versenkung verschwunden sind, einige dieser Zutaten habe ich jetzt mal genannt, einige davon sind auch schon bei @DukNukem oder @Nagelsmann1899 erwähnt worden oder in den Hoffenheim Schwerpunkten, man muss ja auch nicht alles wiederholen.
In dieser Saison war man in der Bundesliga mit Abstand der Verein, der aus meiner Sicht am schlechtesten performed hat. Der einzige Grund dass man noch erste Liga spielt ist, dass es Vereine gibt, die qua ihrer Rahmenbedingungen viel besser performen müssen, um auf die selbe Punktzahl wie Hoffenheim zu kommen. Oft wird man sich diesen Luxus aber nicht mehr leisten können, irgendwann ist es halt keine Krise mehr sondern ein Downfall, über den auch das Erreichen der Europa League letztes Jahr nicht hinwegtäuschen kann. Die Punktzahl reicht nicht immer für den Klassenerhalt, Kramaric und Baumann werden auch älter. Es gibt einfach so viele offene Fragen, von denen viele wahrscheinlich nochmal im Laufe der Saisonvorbereitung hier besprochen werden. Vor einem Umbruch jetzt hier große Prognosen aufzustellen ist denke ich nicht so zielführend, deshalb höre ich hier jetzt erstmal auf und komme noch zu den lustigen Kategorien, bisschen Spaß möchte ich hier auch haben.
Als Fortbewegungsmittel war Hoffenheim in dieser Saison ein Autoscooter. Überall war es sehr unübersichtlich, häufig gab es Crashs und es gibt aktuell nicht die Möglichkeit, mit dem Setup was man ja zur Verfügung hat den aktuell bestehenden Rahmen zu verlassen, egal wer da als Cheftrainer am Steuer sitzt. Und: die Crashs waren vorprogrammiert, man hat sie kommen sehen und hat voll draufgehalten.
MVP: Anton Stach. Unterschiedsspieler, hat Punkte gerettet wie kein zweiter in dieser Saison. In den Spielen wo er nicht da war hat man schon gesehen, was da fehlt.
Unsung Hero: Luca Philipp. Schon als Stammtorwart mit Spitzenleistungen über Jahre hinweg fällt man ja in Hoffenheim wenig auf, Eigengewächs Luca Philipp kannten vor Beginn der Saison deshalb wahrscheinlich quasi ausschließlich Hoffenheim Fans. Gegen Würzburg ein schwaches Spiel gemacht, dann verletzt sich Baumann tatsächlich mal und Philipp muss nach Jahren als Ersatzkeeper mal ran, insgesamt waren es sieben Spiele. Von den sieben Spielen waren nicht alle fehlerfrei, spätestens im Spiel gegen Stuttgart ist er aber zum Helden geworden.
Moment der Saison: Viele Momente aus dieser Saison werde ich nicht so schnell vergessen, als erstes fallen mir auf der negativen Seite die Stimmungsboykotte der Fanszene ein. Nicht, weil ich sie nicht nachvollziehen konnte, es ist nur einfach ein wirklich beschissenes Gefühl wenn der Verein hinter dem man steht so zerstritten ist. Auch, dass die 125-Jahres Feier von Auseinandersetzungen zwischen Verantwortlichen und Fans überschattet war und das zugehörige Spiel gegen Bremen dann so lief wie es lief bleibt im Kopf. Positiv das Tor von Tohumcu zum 2:2 gegen Lyon. Am Ende zwar vollkommen bedeutungslos, die Fankurve ist da aber wirklich mal völlig durchgedreht und das hat mir sehr viel Spaß gemacht. Persönlich war das für mich als Fan der weiter weg lebt auch eine sehr seltene Chance, mal ein Europapokalspiel im Stadion zu erleben. Mal schauen, ob es diese Chance nochmal geben wird.