Hier kann alles rein, was ihr zur Männerabteilung der TSG besprechen wollt.
Zunächst einmal: @GNetzer , du hast da einen Formatierungsfehler im Einleitungspost.
Mediale Aufmerksamkeit
Max hatte es innerhalb der Saison einmal erwähnt: Hoffenheim hatte die schwerste sportliche Krise aller Vereine der Bundesliga und es hat gefühlt niemanden interessiert. Bei der Rogon-Geschichte weiß ich nicht, wie interessant es für die breite Masse wirklich ist, aber dieser gewaltige Absturz bis zur Entlassung Breitenreiters hat die Öffentlichkeit „nur periphär tangiert“, obwohl es eine wahnsinnige Story war.
Ich finde, dass man darüber noch mal reden sollte. Denn: Egal, wie [beliebiger Kraftausdruck] wir die Kommerzialisierung des Fußballs finden, der Fußball lebt von medialer Aufmerksamkeit. Und zwar im guten wie im schlechten Sinne. Ich denke, viele würden sagen: Was hat ein Verein, der gefühlt niemanden interessiert überhaupt in der Bundesliga zu suchen? Ich halte solches Gerede für Quatsch, denn am Ende hat sich Hoffenheim sportlich qualifiziert. Aber wenn Aki Watzke in der PK nach gescheitertem Investoren-Einstieg sagt, dass ihm „niemand mehr mit Solidarität kommen“ müsse, ist das sicher nicht auf Hoffenheim gemünzt. Aber passen würde es. Es wird dem Hoffenheim-Gast nicht gefallen, aber durch Hoffenheim verliert die Bundesliga wichtige Einnahmen aus den Medienrechten. Es ist schon etwas absurd: Gerade aus der Sicht des „kalten Homo Oeconomicus“ sind Retortenvereine wie Hoffenheim problematisch (es sei denn, sie erzeugen fortlaufend schlechte Presse wie RaBa, aber das ist eine andere Geschichte).
Mich würde vom Gast mal interessieren, ob es in Hoffenheim, abgesehen von sarkastischen „Auswärtssieg“-Gesängen im eigenen Stadion, konstruktive Ideen gibt, wie man in der Liga präsenter wird, ohne ständig Skandale zu provozieren. Mir würden spontan Dinge wie Fanfreundschaften, Benefizspiele oder ähnliches einfallen, aber ich hoffe insgeheim, dass man in Hoffenheim einen Plan dafür hat. Denn sollte es nächsten Saisons wieder eng werden (egal um im Kampf um Europa oder den Klassenerhalt) und die Nation schaut wieder nur auf Köln, Frankfurt und Dortmund wäre das sowohl für die Fußball-Fans wie auch für potentielle Investoren (die ich persönlich nicht gutheiße) kein guter Zustand.
Werkzeug
Dieser billige Akkuschrauber aus der Grabbelkiste. Nicht weil Hoffenheim ein Billigteam ist (auch ein billiger Akkuschrauber kostet Geld), sondern weil nach einigen erfolgreichen Einsätzen das Ding auseinanderfällt, zu massivem Ärger führt, notdürftig repariert/ausgebessert/etc. werden muss, dann wieder halbwegs funktioniert und man dennoch am Überlegen ist, einen neuen zu kaufen.
Da bisher niemand Ausführlicher auf die sportliche Perspektive der TSG in dieser Saison eingegangen ist, werde ich mal meinen Senf dazu abgeben
Ich beginne gleich mit dem Werkzeug, weil sich das auch durch all meine Aspekte ziehen wird: Die Saison der TSG Hoffenheim war eine defekte Wasserwaage!
Ergebnisse/Formkurven
Die Saison der TSG lässt sich ergebnistechnisch sehr gut in drei Teile aufteilen:
- 1.-10. Spieltag: 10 Spiele, 17 Punkte (1,70 Punkte/Spiel), 17:10 Tore (1,7:1 Tore/Spiel)
- 11.-24. Spieltag: 14 Spiele, 2 Punkte (0,14 Punkte/Spiel), 13:34 Tore (0,9:2,4 Tore/Spiel)
- 25.-33. Spieltag: 9 Spiele, 16 Punkte (1,78 Punkte/Spiel), 17:12 Tore (1,9:1,3 Tore/Spiel)
Ich denke allein diese Zahlen beschreiben die Absurdität dieser Saison ganz gut und zeigen, dass die Saison alles andere als ausgeglichen und ausgewogen war. Betrachtet man die xP, xG und xGa, sähen die Saisonabschnitte wie folgt aus (Quelle: understat.com):
- 1.-10. Spieltag: 10 Spiele, 16,60 xP (1,66 xP/Spiel), 17,97:12,49 Tore (1,8:1,25 xG(a)/Spiel)
- 11.-24. Spieltag: 14 Spiele, 13,06 xP (0,93 xP/Spiel), 15,11:25,39 Tore (1,08:1,81 xG(a)/Spiel)
- 25.-33. Spieltag: 9 Spiele, 12,63 xP (1,40 xP/Spiel), 13,07:12,77 Tore (1,45:1,42 xG(a)/Spiel)
Damit möchte ich weder behaupten, dass die Zahlen lügen, noch zeigen, dass man im „zweiten Saisonabschnitt“ gut performt hätte. Über mehrere Spieltage hinweg hatte ich wirklich auch spielerisch den Eindruck, dass Hoffenheim die aktuell schwächste Mannschaft der Bundesliga ist (noch schwächer als es Hertha oder Schalke zu dem Zeitpunkt waren). Trotzdem sind vor allem im zweiten Saisondrittel die Abweichungen zwischen den zu erwarteten Punkten und den tatsächlichen signifikant. Die Ursachen, weshalb man tatsächlich deutlich schlechter abgeschnitten hat von den xG/xP-Werten angezeigt möchte ich in der (subjektiven) Betrachtung der Spiele suchen, womit ich zu meinem nächsten Punkt komme…
Balance zwischen Defensive und Offensive
Auch wenn die Grundausrichtung (5-3-2 bzw. bei Sky nennt man es ja jetzt neuerdings 3-3-2-2) in nahezu jedem Spiel dieselbe war, gab es im Laufe der Saison große Unterschiede mit Blick auf die offensive Gefahr und die defensive Stabilität. Hat man es im ersten Saisondrittel (also ca bis zum 10. Spieltag) noch geschafft, defensiv meist recht solide zu agieren, war davon vor allem im zweiten Segment der oben vorgenommenen Unterteilung kaum noch was zu sehen. Als Laie würde ich dies vor allem an 4 Aspekten festmachen:
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Pressing/Anlaufen: Unter Breitenreiter hatte ich den Eindruck, dass das Anlaufen mit zunehmender Saisondauer immer ineffizienter und leichter überspielt wurde und man dadurch nicht als ein Kollektiv gegen den Ball gearbeitet hat. Oftmals hatte ich den Eindruck, dass im Anlaufen der letzten Kette entweder ein Spieler vorne gefehlt hat oder - wenn das mal nicht der Fall war - ein (oder mehrere) Spieler sich individuell zu leicht aus dem Spiel nehmen ließ, mit der Konsequenz, hinter sich große Räume Preis zu geben.
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Eigener Spielaufbau: Was über die letzten Jahren in meinen Augen eine große Stärke der TSG war, wurde spätestens ab diesem Kalenderjahr zum absoluten Grauen. Man hatte kaum mehr Angriffe durch den Spielaufbau von hinten heraus initiiert (bspw bei kurz ausgeführten Abstößen), auch wenn man es versucht hatte. Viel zu häufig kam man aber gar nicht mehr aus der eigenen Spielhälfte heraus, verlor sehr früh den Ball, teilweise auch im letzten Drittel. Dies kann ich jedoch nicht durch Zahlen untermauern, es waren lediglich subjektive Beobachtungen.
Ab dem Mainz-Spiel am 23. Spieltag hat Matarazzo es schließlich sein lassen und (fast ausnahmslos) alle Abstöße wurden lang ausgeführt, auch allgemein wurde viel häufiger das Glück in langen Bällen (und anschließenden Kopfballduellen vor allem von Kaderabek) gesucht. -
Standards: Auch hier habe ich leider auf die Schnelle keine entsprechende Statistik gefunden (falls die jemand hat, gerne den Link da lassen), aber ich meine bei diversen Sky- und DAZN-Übertragungen gehört zu haben, dass Hoffenheim bei Gegentoren nach Standards in der Spitzengruppe sei - im negativen Sinne. Auch Matarazzo hatte in den ersten Wochen nach Amtsantritt immer wieder die Verteidigung bei Standards auf PKs moniert. Hier hat man definitiv viele unnötige Gegentore kassiert.
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individuelle Aussetzer: Die vielen Gegentore im zweiten (teilweise auch im letzten) Saisondrittel sind nach meiner Wahrnehmung auch auf Situationen zurückzuführen, in denen bspw. Gegenspieler im eigenen 16er trotz Überzahl nicht eng genung gedeckt wurden, Laufwege im 16er nicht aufgenommen wurden oder Kopfballduelle verweigert wurden (Grüße gehen raus an Bebou und Angelino). Natürlich ist Fussball ein Fehlerspiel, aber es war schon auffällig, wie diese krassen Aussetzer sich in der Phase gehäuft haben. Über mögliche Gründe hierfür möchte ich nicht spekulieren, das überlasse ich euch
Dass neben der Defensive auch die Offensive ab dem zweiten Saisondrittel gelitten hat, lässt sich meiner Meinung nach vor allem auf die oben genannten Punkte „Pressing“ und „eigener Spielaufbau“ zurückführen. Hier gehen Offensive und Defensive eben Hand in Hand (Stichwort: Wasserwaage). Auch wenn gegen Saisonende das Pressing wieder „stimmiger“ aussah, sehe ich jedoch im eigenen Spielaufbau wenig Fortschritte, was sich an der Art und Weise zeigt, wie man in den vergangenen 9 Partien (Spieltage 25-33) zu den doch beachtlichen 17 Toren gekommen ist:
5 Elfmeter, 3 Kopfbälle nach Flanken (2x Bremen, 1x Frankfurt), 2 Balleroberungen im vordersten Drittel (2x Union), 2 Eigentore, ein direkter Freistoß (Bayern), ein Einwurf + Doppelpass im vordersten Drittel (Frankfurt), ein Abstoß direkt zum Torschützen (Hertha), ein Konter in der Nachspielzeit (Union) und ein Schuss von außerhalb des 16ers (Köln). Viele herausgespielte Tore gegen eine „geordnete Defensive“ waren nicht dabei. Ich bin sehr gespannt, ob und vor allem wie Matarazzo das in der nächsten Saison - hoffentlich zum Guten - verändern wird.
Unruhe im Umfeld durch Roger Wittmann
Den Punkt muss ich vermutlich nicht bis ins letzte Detail beschreiben, was Roger Wittmann und Dietmar Hopp vorgeworfen wird und dass auch die Fanszene der TSG dem sehr kritisch gegenübersteht, ist hinreichend bekannt.
Bemerkenswert fand ich jedoch, dass Oliver Baumann nach dem letzten Heimspiel gegen Union über das Stadionmikrofon die Thematik mit dem Brief der Fanszene an den Verein zumindest in einem Nebensatz erwähnt hatte (Link zum Nachhören der „Ansprache“: Stadion Talk | Saison 22/23 - 33. Spieltag - TSG Hoffenheim - Union Berlin - YouTube). Inwieweit die Thematik aber Einfluss auf die Leistungen der Mannschaft hatte, kann und möchte ich als Außenstehender nicht bewerten.
Bei aller berechtigter Kritik an Wittman und seinem Einfluss bin ich jedoch davon überzeugt, dass man ohne den Brooks-Transfer die Klasse nicht gehalten hätte. Er hat nach anfänglichen Schwierigkeiten, die wohl der mangelnden Spielpraxis geschuldet war, die Verteidigung in den letzten Spielen enorm stabilisiert und vor allem den Ausfall von Vogt, der wegen einer Gelbsperre und mehreren Verletzungen in der Rückrunde lediglich 7 Spiele gemacht hat, sehr ordentlich kompensiert. Apropos Verletzungen…
Verletzungen
Da es letzte Saison ein großes Thema war, dass (zu) viele Spieler mit Verletzungen zu kämpfen hatten und die Stabilität darunter sehr gelitten hat, hier ein kurzer Vergleich, wie es dieses Jahr aussah:
- 30 oder mehr Kadernominierungen:
Saison 21/22: 10 Spieler (Baumann, Rutter, Kramaric, Raum, Vogt, Posch, Dabbur, Stiller, Akpoguma, Samassékou)
Saison 22/23: 7 Spieler (Baumann, Angelino, Baumgartner, Kramaric, Akpoguma, Kabak, Rudy) - 30 oder mehr Einsätze:
Saison 21/22: 5 Spieler (Baumann, Rutter, Kramaric, Raum, Vogt)
Saison 22/23: 4* Spieler (Baumann, Angelino, Baumgartner, Kramaric)
*(Kabak könnte mit einem Einsatz am letzten Spieltag noch die 30er Marke erreichen und Rutter kam vor seinem Verkauf in allen 15 BuLi-Spielen zum Einsatz)
Auch wenn die Aufmerksamkeit bisher nicht sonderlich auf diesen Aspekt gelegt wurde, hatte man dieses Jahr noch weniger Spieler „unfallfrei“ durch die Saison gebracht als in der vergangenen Saison. Vor allem der lange Ausfall von Prömel hatte definitiv einen beträchtlichen Einfluss auf den Saisonverlauf gehabt. Genauso das Einsetzen von Spielern auf ungewohnten Positionen - vor allem beim „Joker“ auf rechts wurde viel improvisiert: Neben Kaderabek und Skov, die vermutlich zu Saisonbeginn auch wirklich dort eingeplant waren, spielten auch Akpoguma, Baumgartner, Bebou, Becker je mindestens eine komplette Partie dort, nach Ein- bzw. Auswechslungen hatten aber auch Rudy und Kabak diese Position während einer Partie je einmal zeitweise bekleidet (wenn ich mich nicht irre).
Nichtsdestotrotz reicht das allein nicht als „Erklärung“ oder gar Entschuldigung für den Verlauf der Saison aus.
Ein Randaspekt zum Abschluss: Skov, der in der Hinrunde in meinen Augen der Gewinner unter Breitenreiter war, war in der Rückrunde kaum ein Thema mehr (auch verletzungsbedingt, aber nicht nur).
Fazit:
Keine Kontinuität erkennbar, weder in den Ergebnissen, noch in der Spielweise, noch im Personal auf dem Platz. Alles sehr unausgewogen eben…
Danke für euren Input! Waren übrigens 15 Gegentore nach Standards laut whoscored, damit fünft schlechtestes Team der Liga.
Ab jetzt kann dieser Thread allgemein weiterverwendet werden.