Es war bis jetzt gleichzeitig interessant, ermüdend und bewegend, sich vor dem Fernseher anzuschauen, wie auch an diesem Spieltag die verschiedenen Akteure versuchen, sich einen Reim auf die Geschehnisse auf und neben dem Platz zu machen und eine Haltung dazu zu finden. Hier meine Gedanken zu drei verschiedenen Gruppen:
Die Trainer: Manche wie Ole Werner und Niko Kovač versuchen möglichst alles von sich wegzuhalten: Meine Meinung zu den Protesten? Ist nicht mein Aufgabenbereich. Oder: Wie ich damit umgehe, dass Ihr mich jede Woche, nach jedem weiteren Sieglos-Spiel, darauf ansprecht, dass ich wahrscheinlich bald entlassen werde? Ich wiederhole mich darin, zu betonen, dass ich mich wiederhole und dass die Mannschaft sich einfach nicht für ihre Arbeit belohnt. Außerdem: Die Protest-Unterbrechungen werden mehr und mehr fester Bestandteil des In-Game-Coachings.
Die Spieler: Einige bemerkenswerte Interviews direkt nach dem Spiel. Florian Kainz absolut aufgewühlt, dass seine Mannschaft für das Foul Zetterers an Kilian keinen Elfmeter bekommt, sein Kollege Schwäbe dagegen aufgeräumt, sodass er nüchtern schildern kann, wie es aus seiner Sicht zum Gegentor kam. Die Leipziger erfahren in der Halbzeitpause von den Teamkollegen auf der Ersatzbank, warum die Fans schweigen, und müssen sich trotzdem weiter auf ihre sportliche Leistung fokussieren. Keine Ahnung, wie viel Openda mitbekommen hat; sein ausgelassener Jubel nach dem Tor wirkte jedenfalls ziemlich deplatziert in dieser Lichterketten-Atmosphäre, aber ich will ihm da auch keinen Vorwurf machen: Wie soll ein Spieler das alles unmittelbar einordnen, wenn ich das zu Hause am Fernseher auch nicht schaffe?
Dazu ein Gregor Kobel mit Adduktorenproblemen, der sein Tor sauberhalten und nebenbei den vielen Gegenständen im Strafraum ausweichen muss. Der seit letzter Woche ohnehin lädierte Lovro Majer bekommt ein Utensil sogar noch an den Kopf geschmissen.
Die Kommentatoren: Beim Ansehen des Einzelspiels in Wolfsburg habe ich noch immer keine halbwegs annehmbare Haltung zu den Protesten vorgefunden. Der Sprecher muss sich ja nicht solidarisieren, aber wenn er sich schon inhaltlich nicht richtig damit befasst, soll er wenigstens auch nicht werten und sein diffuses Gefühl preisgeben, dass die Mehrheit der Protestierenden gar keine Ahnung von Sinn und Zweck der Proteste hätten, sondern bloß machttrunken wären, weil sie merkten, dass sie ein ganzes Spiel bis zum Abbruch bringen könnten. Zum Schluss kann ich seinen Ärger dann doch verstehen, als Majer vom Gegenstand getroffen wird. Solche Massen agieren eben nicht mit einer Stimme, haben auch nicht alle eine klare Haltung zum Thema, gar zu ihren eigenen Handlungen.
Warum muss der Konflikt trotzdem derart vereinfacht werden, dass man als Zuschauer vor dem Fernseher wieder und wieder mit undurchdachten Gefühlsregungen der Sprecher bombardiert wird? Dann lieber nur beschreiben, ohne einzuordnen. Die Zuschauerschaft ist durchaus in der Lage, sich ein eigenes Bild zu machen.
Zu behandeln wären auch noch die Schiedsrichter, natürlich das Publikum, die Medienlandschaft, die Funktionäre… mein Input ist ja auch nur der Versuch, das irgendwie zu ordnen, ohne zu sehr zu vereinfachen