FCH - FCB
Versuch einer Einordnung.
Ich bin mir bislang nicht sicher, was ich erstaunlicher finde. Ein Spiel gegen Bayern München zu drehen und zu gewinnen, oder wie wenig überrascht da mancher zu sein scheint.
Von: „War doch klar“ bis: „Habe mit höchstens einem Punkt für Bayern gerechnet“, war alles dabei.
Also ich war da eher nicht so zuversichtlich, ich meine, Come on, es sind die Bayern!
Schon die Ankunft der Mannschaftsbusse am Vorabend war der regionalen Presse einen Blick wert.
Zum Stadion waren dann viele Familien mit beiden Trikots unterwegs. Die Eltern oft mit Bayern Trikots, die Kids im FCH Dress.
Bayern-Fan zu sein, hat eine lange Tradition auf der Ostalb. Ein VfB-Fan zu sein, ebenso.
Die Stadion-Ankunft der Bayern glich dann der eines bajuwarischen Heimspiels. Großer Jubel, meist jugendlicher einheimischer Bayern-Fans.
Und die waren dicht dran, alles etwas enger hier oben.
Mehr oder weniger erinnerte das Ambiente an ein Pokalspiel, Bundesligist gegen Amateur. Party-Stimmung, Vorfreude und Heldenverehrung.
Bis auf die Choreo. Chapeau an die Ost. Das war schon groß.
Der Schlosskönig und Ostalbstolz hält den älteren, bayrischen Uli (Vermutung), an den Hosenträgern hoch, um ihn vermutlich aus dem Stadion zu werfen. Darunter ein großes rot-blaues Banner: Heute alles wagen. Die Bayern schlagen.
Da dachte ich mir, Autsch. Hoffentlich fällt uns das nicht auf die Füße, denn ich gebe zu, so zuversichtlich war ich nicht.
Nach der Niederlage in Dortmund erwartete ich die Bayern mit Wut und Vehemenz.
Und machen wir uns mal nichts vor, Harry Kane, Jamie Musiala, Thomas Müller, Joshua Kimmich, Serge Gnabry, und Leon Goretzka, sind auch in Krisenzeiten keine Laufkundschaft der Liga.
So ging es wohl auch der Mannschaft. Die erste Halbzeit erinnert mich an das Spiel in Stuttgart letzte Woche.
Man beschränkte sich auf kompakt stehen und verteidigen.
Lief dem Ball ausdauernd hinterher, verlor ihn zu schnell und wenn man ihn dann mal hatte, dauerte es zu lange, ihn wiederzubekommen.
Bayern mit über 90 % Passquote und 70 % Ballbesitz. Das 1:0, ein typisches Kane-Tor, das 2:0 dann gänzlich ungenügend verteidigt.
Meine Hoffnung in der Halbzeitpause: Kein Klatscherl bitte!
Laut war es in der Kabine. Türen flogen. Schmidt sprach von Mutlosigkeit und Passivität. Wie in einigen Spielen zuvor stellt er auf Raute um und wechselt dreifach. Maximales Risiko.
Schon die erste Minute zeigt, das wird ein anderes Spiel. Heidenheim mit einer veränderten Körpersprache und einem deutlich früheren Attackieren.
Eine Blaupause zum Spiel gegen Stuttgart (eine Woche zuvor):
Innerhalb einer Minute fallen die beiden Tore zum Ausgleich.
Das 2:2 war eine Wiederholung des 2:2 gegen den VfB.
Niklas Beste kommt mit dem Ball über links, die Bayern lassen Tim Kleindienst ungehindert im Sprint Richtung Tor, perfekte Flanke und Kleindienst mit Direktabnahme trocken ins kurze Eck.
Das 3:2 fällt in der 79. Minute. Traoré erobert den Ball, Pieringer mit tollem Assist auf Kleindienst.
Bayern versucht noch einmal zurückzukommen, doch man spürt den Willen der Heidenheimer, das nicht zulassen zu wollen.
Achtung: jetzt kommt der Kitsch.
Das gestern und vergangene Woche war eine Art Wachablösung.
Die FCH Trikots werden künftig die VfB und Bayern-Trikots auf der Ostalb verdrängen.
Was mir auffiel:
Trotz großer Freude gab es auch Unzufriedenheit. Frank Schmidt sprach die ersten Hälften an, in denen die Mannschaft oft zu passiv agiert, den Gegner respektvoll begleitet. Das müsse sich ändern. Es werde Gespräche mit der Mannschaft geben. Vielleicht läge es ja an ihm.
Thomas Tuchel, fast gezeichnet vom Spiel, erklärte, gewusst zu haben, wie Schmidt zur zweiten Hälfte umstellen und spielen würde; ihm sei jedoch unerklärlich, was auf dem Platz passiert sei.
Tim Kleindienst im Interview zu seinem Ausgleichstreffer: „Das macht natürlich was im Kopf. Da denkt sich halt auch der FC Bayern: Boah, kacke, Alter. Das ist doch nicht so ein leichter Aufgalopp, wie in der ersten Hälfte.“
Nicht unerwähnt bleiben sollen die äußeren Umstände. Es war heiß und drückend, das Spiel hinterließ Spuren. Zur Halbzeit musste Schiedsrichter Robert Schröder wegen Kreislaufproblemen ausgewechselt werden.
Zu den von @alex_muc86 beschriebenen Vorfällen:
Warum zum Teufel wurde versucht, ohne Tickets ein Stadion zu stürmen? Und warum setzt die Polizei immer wieder Pfefferspray in Menschenmengen ein? Bisher gibt es keine öffentlichen Darstellungen der Vorkommnisse. Weder von Seiten der Stadt, der Polizei noch von den Heidenheimer Fans. Aber ich versuche es herauszufinden.