Aggressionen um den Fußball

Nach einem Polizeieinsatz in Frankfurt beim Spiel gegen den VfB hat es bei mir nun gereicht, um endlich ein Thema (sogar mein erstes) einzureichen, das mich schon lange beschäftigt.

Es ist sicherlich emotional und daher versuche ich, möglichst ohne Wertungen auszukommen. Gesteht mir bitte zu, dass das höchst schwierig ist und es mir nicht immer vollständig gelingen wird.

Zunehmend erscheint mir der Fußball, besser gesagt das Drumherum, als eine „Collage der Aggression“. Lassen wir also mal das Verhalten auf dem Platz außen vor. (Auch das wäre mal eine Diskussion wert.) Man beobachtet jenseits des Platzes allerhand, was für eine Freizeitbeschäftigung an sich unerwartbar ist:

Polizeieinsätze, eine Unmenge an Sicherheitspersonal, zuweilen deutlich negative Emotionen auf den Rängen und No-Go-Areas vor dem Stadion. Man stelle sich mal dieses Setting bei Kinobesuchen vor.

Dass es nicht nur die große Bühne betrifft kann man ja an den Übergriffen auf die Schiedsrichter im Amateurbereich ablesen. Auch so eine Geschichte, die mE besorgniserregend sind.

Ich habe einen kleinen Sohn und natürlich würde ich ihm gerne den Fußball mal live und direkt anbieten. Nur, ein Kollege gab mir eine sehr nachhallende Warnung: „Willst Du Deinem Kleinen wirklich diese Welt (siehe oben) zeigen? Da verliert der doch eher den Spaß, als dass er ihn findet.“ Und ich fand, da ist was dran.

Dieses Thema begleitet mich eigentlich schon seit einer Tagesschau, die um die Jahrtausendwende eine Fanausschreitung in Italien gezeigt hat. Da hat ein junger Mann ein Waschbecken in einen Polizeieinsatzwagen geschleudert.
Abgesehen davon, dass es insgesamt aussah wie beim 1. Mai in Berlin… Was für eine Energieleistung muss es sein, sich so ein f…ing Waschbecken zu besorgen, es zu schleppen und dann noch mit aller Kraft zu werfen. Was treibt einen in diesem Moment an? Das ist vor langer Zeit, mein Ausgangspunkt gewesen und mehr und mehr Wahrnehmungen verdichten sich zur Frage:

Woran liegt es?

Das würde ich gerne mal mit Euch versuchen, zu ergründen.

Wenn ihr mögt, würde ich gerne anhand dieser Fragen Eure Wahrnehmungen einsammeln. Wem das zu sehr nach Klassengruppenarbeit tönt, kann selbstredend auch frei seine Gedanken wiedergeben.

1.) Ist die vorhandene Aggression spezifisch für den Fußball? Wie sehen Eure Erfahrungen mit anderen Sportarten aus?

2.) Ist es spezifisch für die Region/Kultur? Wird Fußball in anderen Teilen der Welt aggressiver oder weniger aggressiv begleitet?

3.) In einem knackigen Satz: Woran liegt es überhaupt, dass ein lieb gewonnenes Hobby auf einer emotionalen Ebene so aus dem Ruder läuft?

Persönlicher Disclaimer:
Ich möchte dies nicht als eine Ultra-Schelte verstanden wissen. Meiner Meinung nach macht es überhaupt keinen Unterschied, ob aus der Kurve „Komm Ron, mach den Enke!“ megaphoniert wird, oder ob auf der Haupttribühne gefordert wird, dass man „die schwarze Sau aufhängen“ müsse. Also nein, ich glaube nicht, dass Aggressionen Ultra-/Kurven-/Fanblock-/Vereinseigenheiten sind. Ich suche die Spezifität auf einer breiteren Ebene.

Ebensowenig möchte ich hier eine ACAB- Diskussion starten. Es wäre für mich sehr schade, wenn durch meinen Beitrag Öl ins Feuer käme.

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Verständnisfrage: War der Kollege mal beim Fußballspiel oder hat er das auch nur aus den Medien erfahren? Bin persönlich kein regelmäßiger Stadiongänger, habe aber in den paar malen (niedrige zweistellige zahl) noch nie irgendwelche Gewalt oder ähnliches erlebt und habe auch noch nie von Menschen die regelmäßig ins Stadion gehen erfahren, dass sie Fußball als Hort der Aggressionen erleben. Die meisten erzählen eher von den Freunden im Block, die inzwischen eine Art Familie geworden sind. Dieses Bilder der hemmungslosen Aggressionen kenne ich persönlich nur aus den Medien. Möchte aber nicht bestreiten, dass es auch Aggressionen gibt – so wie bei allen anderen Großveranstaltungen mit Alkohol auch (z.B. Oktoberfest). Beim Fußball eventuell etwas mehr, weil es häufiger ist und man per Definition einen Rivalen hat. Aber eine Handvoll Idioten sollten eigentlich nicht das Bild von Millionen von friedlichen Fans prägen.

Bzgl Menschenverachtenden Rufe: Ja, darüber könnte man reden. Habe ich persönlich jetzt auch nicht so viele (wenn überhaupt?) mitbekommen, aber eventuell wissen Dauerkartenbesitzende da mehr?

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Fußball ist der populärste Sport der Welt. Entsprechend ist die Aufmerksamkeit in vielen Ländern der Erde.
In Deutschland ist es Ort von allen Teilen der Gesellschaft. Dazu gehören auch gewaltsuchende Personen. Früher war dieses Problem viel Größer. In den 80er Jahren waren Stadien wirkich „probenatische“ Orte.
Im Verhätnis zur Zahl der Besucher von Fußballspielen, sind es sehr sichere Veranstaltungen, mit wenig Problemen. Die Art wie die Gesellschaft Fußballfans sieht, ist ein Problem. Verhältnismäßig wenige Personen prägen ein allgemeines negatives Bild. Was von Medien und Polizei gefördert wird.

Es gibt viele Länder, wo es echt „gefährlich“ ist zum Fußball zu gehen, wo es „normal“ ist, dass Auswärtsfans verboten sind.

In einer Gesellschaft wo Emotionen eher wenig erwünscht sind, ist der Ort Stadion für viele ein Ventil. Da darf man sich endlich mal benehmen, wie man sich gerade fühlt!

Aus Elternsicht.

Als Kind war ich mit meinem Vater auf diversen Plätzen unterwegs. Aggressionen gab es am Spielfeldrand nicht. Pöbeleien ja. Gegner und Schiedsrichter, aber auch eigene Spieler wurden „angepflaumt“. Oder der Nebenmann: „Hey Du Dackl, du hasch ja au ganz viel Ahnung von nix“. So ganz ernst hat das niemand genommen.

In Stadien war ich so ab 14.
Was es immer gab, egal wann und in welchem Stadion, waren sexualisierte Belästigungen/Übergriffe/Fehlverhalten. Erlebt habe ich das selber sehr häufig.
Verbesserungen heute sind die Anlaufstellen für Betroffene. Aber es findet nach wie vor statt.

Physische Gewalt im Sinne von Angriffen oder Schlägereien, gab es wenn ich im Stadion war, dagegen so gut wie nie.
In kleinerem Umfang vielleicht 5x in 30 Jahren.

Als dann mein Sohn zu spielen begann, gab es deutlich mehr Aggressionen bereits beim Kinder und Jugendfußball.
Eltern die sich überhaupt nicht im Griff hatten und tatsächlich aufeinander losgingen.
Das hat sicher zugenommen.
Genauso wie die Angriffe auf Schiedsrichter im Amateurbereich und rassistische Beleidigungen gegen gegnerische Spieler.

Die problematischsten Begegnungen hatte ich im ÖNPV.
Fußballfans bei An und Heimreise. Das hat aber nichts mit Fußball zu tun, sondern nur mit Alkohol.
Alkoholisierte Männer in Gruppen sind ein Problem.
Im Heidenheimer Stadion fühle ich mich absolut sicher.
Das liegt aber nicht an der Polizeipräsenz.
Hier hätte ich auch überhaupt keine Bedenken Kinder mitzunehmen. Auf die Ost würde ich mich natürlich nicht mit ihnen stellen, aber das liegt daran dass sie ja auch was vom Spiel sehen sollen :wink:. Sicherheitsbedenken hätte ich gar keine.

Ach und übrigens :grimacing:, hätte ich noch Teenager Kinder, würde ich mir viel größere Sorgen um sie machen, gingen sie aufs Oktoberfest als ins Stadion.

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Ich bin in der letzten Zeit immer wieder mal bei einem Volleyball-Bundesligisten gewesen und der Kontrast zum Fußball ist schon irre (Bin früher immer mal wieder im Stadion gewesen, auch schon mal bei den Ultras). Polizisten sieht man nirgendwo, es gibt keine dummen Sprüche, keine Beschimpfungen gegen Schiedsrichter und auch keine Beleidigungen in Richtung des Gegners. Gäste- und Heimfans gehen Seite an Seite von und zu ihren Sitzplätzen, es gibt auch keine Zäune um den Gästeblock.

That being said…

Geh in ein beliebiges deutsches Amtsgericht und setz dich in die Verhandlungen zu Gewaltdelikten. Alkohol wird dein ständiger Begleiter sein. Es ist eines meiner fixen Ideen (ich trinke selbst keinen Alkohol), aber ich halte den Umgang unserer Gesellschaft mit Alkohol für verlogen. Und da niemand den Elefanten im Raum ansprechen will, muss der Fußball den Kopf hinhalten. Beim Volleyball gibt es vielleicht auch einmal einen alkoholisierten Fan, aber das wird von den anderen Fans absolut nicht gutgeheißen.

Ich meine, warum wird nicht mal ein Verein nach Ausschreitungen für die nächsten x Heimspiele zu folgendem verdonnert: Alkoholtest am Eingang, wer 0,3 Promille oder mehr hat, kommt nicht rein und kein Verkauf von alkoholischen Getränken im Stadion. Anstatt Vereine ausschließlich wirtschaftlich zu bestrafen, würde man etwas dafür tun, dass die Gewalt wirklich aufhört. Wenn es gewollt wäre, wäre es möglich.

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Bin Deiner Meinung. Verlogen ist das richtige Wort. Versuch mal als Frau durch eine betrunkene Gruppe durchzukommen. No way. Das funktioniert nie ohne Belästigung.
Alkohol funktioniert als Verstärker und enthemmt. Überall.

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Hallo zaunpfahl,

Der Kollege geht seit sicherlich zehn Jahren regelmäßig in die Fankurve des VfB. Als „Ultra“ würde er sich vielleicht nicht bezeichnen, aber der ist lang und tief genug in der erweiterten Fanzszene dabei. Er beschreibt die positiven Erlebnisse auch wie Du (Zusammenhalt, Gemeinschaftserlebnisse).
Allerdings schränkt er eben deutlich ein. In meinen Worten: der ganze Sicherheitszinnober, die berittenen oder behelmten Polizisten, die (mal mehr oder weniger) Schreihälse mit den verunglimpfenden Gesängen, das erzeugt eine Atmosphäre, die auf kleine Kinder bedrohlich wirkt. Muss nicht. Stadionbesuch also erst dann, wenn die Kleinen älter sind und das alles besser einordnen können.

Den Gedankengang finde ich eben interessant. „Das muss man einordnen.“ Ich sage da relativ schnell: Sorry, das ist eine Unterhaltung, ein Hobby. Da sollte ich nicht einordnen müssen, dass sich Menschen eben so verhalten, dass es diesen Aufwand braucht. Mich bestürzt das im Endeffekt.

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Danke für die Klarstellung. Wenn er regelmäßig in der Kurve steht, kann er das sicherlich besser einordnen.

Da gebe ich dir Recht und auch was @frau_neher oben sagte: Mit kleinen Kindern würde ich auch nicht in „große“ Fankurve, aber dafür gibt es ja den Familienblock. Würde mit kleinen Kindern ja auch nicht unbedingt bei einem Rockkonzert ganz vorne an der Bühne stehen.

Glaube manche Menschen würden sich daran stoßen, wenn man ihre Leidenschaft (vlt sogar ihr Leben) als „Hobby“ bezeichnet. Ob das gesund oder gut ist, ist eine andere Diskussion. Menschenverachtende Rufe kann und ich will nicht gut heißen aber normale „Pöbeleien“ im Stadion empfinde ich als okey. Manche müssen irgendwo Dampf ablassen und dann lieber verbal im Stadion wo ihn eh kaum einer hört als im Straßenverkehr oder der Kneipe. Dazu gehört natürlich wie oben ausführlich beschrieben die Rolle des Alkohols. Meinetwegen kann man da gerne etwas zurückrudern, wobei die Frage dann ist wie man das sinnvoll hinbekommt.

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Spannendes Thema. Als (weißer, junger und männlicher) SC-Fan, der wegen des Wohnortes inzwischen hauptsächlich zu Auswärtsspielen fährt, empfinde ich vor allem zwei Gruppen als sehr unangenehm und/oder bedrohlich. Das sind einerseits stark alkoholisierte Männergruppen (und zwar eher die zwischen 40-60 Jahren als die jungen Ultras) und zweitens die Polizeiaufgebote vor Ort. Als nicht-alkoholisierter und unauffälliger Fan hatte ich schon oft das Gefühl, dass von der Polizei nur darauf gewartet wird, dass man irgendwie einschreiten und „den Fans mal zeigen“ kann, wer hier der Boss ist. Fand da in der jüngeren Vergangenheit insbesondere Hoffenheim und Frankfurt sehr unangenehm.

Zu der Ultra-Diskussion: in Freiburg haben wir vor allem fünf Ultra-Gruppierungen, von denen drei (Corrillo, IWF und die Supporters Crew) sehr aufpassen, dass das Stadionerlebnis für alle Fans, insbesondere aber auch für Betroffene von Diskriminierung und Belästigungen, ein angenehmes ist. Das Schutzkonzept „Fuchsbau“ ist erst auf Druck der aktiven Fanszene entstanden und auch sonst wird sich gegen Sexismus, Aggression und Rassismus eingesetzt. Mit allen drei Gruppen habe ich nur gute Erlebnisse gehabt und dennoch erlebt, wie diese Gängeleien ausgesetzt wurden. Von den beiden anderen Gruppen ist mir bisher nur die FA (Freiburg Asozial) wirklich negativ aufgefallen - bspw. am ersten Spieltag in Hoffenheim, als sie Raketen und Böller aus dem Gästeblock geschossen haben. Da haben dann aber auch die anderen Ultra-Gruppen eingegriffen und das geregelt; seitdem ist die FA auch mehr an den Rand des Ultra-Blocks verdrängt worden.

Was ich damit sagen will: in vielen Kurven sind die Ultras in der Lage, Probleme und schwierige bis inakzeptable Verhalten selbst zu sanktionieren und aufzulösen. Wenn dann aber die Polizei beginnt, in Blöcke zu gehen, Einzelne rauszuziehen oder mit Pfefferspray auf ganze Gruppen (auch Unbeteiligter) zu zielen, dann ist das nicht nur wirklich gefährlich, sondern auch einfach nicht zielführend meiner Meinung nach. Die ganze Diskussion berührt halt das grundsätzliche Thema Fanrechte, zu dem es wirklich viel zu sagen gäbe (Auswärtsfanverbote in CL- und EL-Spielen, Gängelungen durch Ordnungsämter und Polizei, Überwachungen und Durchsuchungen, Situation mit dem Fanprojekt Karlsruhe, Kollektivstrafen…). Fußballfans sind mit die Hauptleidtragenden darunter, dass schrille, öffentlichkeitswirksam harte innenpolitische Maßnahmen von vielen Ministerien, Ämtern und Polizeidirektionen über Prävention, Dialog und Sozialarbeit gestellt werden.

Abschließend: ich gehe prinzipiell noch gerne ins Stadion und mache auch fast nur gute Erfahrungen. Als Nicht-Ultra, weißer Mann und unauffälliger Fan bin ich aber halt auch für die Polizei und betrunkene, übergriffige Männergruppen vergleichsweise uninteressant. Was mir am ehesten die Auswärtsfahrten verleidet, sind die Einschränkungen durch die Polizei und die Unzuverlässigkeit der Deutschen Bahn.

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Tennis, Handball, Eishockey, Volleyball, Baseball, Eiskunstlaufen, Ringen, alpines Skirennen… alles live gesehen und dort ist mir eine ausgelassene Stimmung aber keine aggressive Stimmung begegnet.

Schlimmer war es beim Basketball. Das war offen frauenfeindlich, als beide Fanlager gemeinsam sangen: „Schiedsrichtermänner! Wir wollen Schiedsrichtermänner.“ An dem Tag hat eine Frau Feldschiedsrichter gegeben.

Zu Rugby und Aussie Rules Football unten mehr.

Ich habe ein Jahr in Austrailen gelebt und dort öfters Rugby und Australian Rules Football erlebt. Das sind eigentlich Sportarten, die beim Zuschauen automatisch das Adrenalin steigen lassen. Absolut körperbetonte Spielweise und ich kann mir gar nicht erklären, warum das dort so dermaßen freundlich ablief.
Ich hatte einmal das große Glück von einem Fanclubmitglied mitten ins Zentrum der „Szene“ mitgenommen zu werden. Also, vierte/fünfte Reihe hinter den Stangen. Spiel geht los, Gegner scored… Unser Block: applaudiert. Respektvoll, nicht hämisch. Das war einfach nur eins: Sportsgeist!

Jetzt ist es schwierig, eine solche Frage zu beantworten, ohne in Klischees abzudriften oder schlicht blanken Rassismus zu bedienen. Gleichzeitig verorte ich einen Teil dieser positiven Stimmung in der Kultur. In Australien geht es irgendwie einen halben Gang lockerer und freundlicher zu, als bei uns.

Fußball wird viel zu wichtig genommen.

Meine Berührungspunkte mit Fußball hatte ich lange Zeit (in den 90ern und ersten 2000ern) auch nur durch besoffene Fans in öffentlichen Verkehrsmitteln. Stein des Anstoßes waren mehr als einmal meine langen Haare. An Spieltagen vermied ich lieber den ÖPNV. Ich habe Fußball gehasst. Auch als Mann fühlte ich mich sehr verletzlich, wenn ich Gruppen Betrunkener passieren musste. An Christi Himmelfahrt/Vatertag ist das sehr ähnlich.

Dann zog es mich Anfang der 2000er beruflich nach Dortmund. Hier kam man um das Thema Fußball überhaupt nicht mehr herum. Also besuchte ich - damals gab es noch Tickets an Kiosken in der Stadt - ab und an ein Spiel. Seit der Geburt meiner Tochter war ich auch mit ihr ein paar Mal da. Nahezu alle Stadionbesuche im Westfalenstadion saß ich in einem x-beliebigen Nicht-Südkurve-Bereich. Niemals hatte ich hier Probleme mit Gewalt. Zwei Mal durfte ich mit auf die Süd, aber auch da - beim letzten Mal hatte ich einen Union-BVB-Spieltagsschal an - gab es keine Probleme.

Also zum Thema Kind und Stadion: da sehe ich keine Probleme. Es ist sicherlich ein Erlebnis und die Erfahrung lohnt sich. Mickymäuse nicht vergessen! Die Fankurve würde ich aber meiden. Als weiteres, gewaltloses Beispiel seien die Erfahrungen der Wochenendrebellen (Buch, Podcast und Film) genannt.

Einige Jahre habe ich bei Castortransporten in und um Gorleben auf der Straße gestanden. Dort habe ich genau das erlebt, was man in Stadien und drumherum erlebt. Idioten (hier Autonome, im Fußball Hooligans und manchmal Ultras) im Klassenkampfmodus, aber viel mehr friedvolle Demonstranten. Auf der anderen Seite unter Stress und Druck stehende Polizisten, bis auf die Knochen bewaffnet und gepanzert. Manche von Ihnen mit offensichtlicher Lust, das Gelernte anwenden und den linken Zecken mal so richtig eins reinzimmern zu dürfen. Die Parallelen sind verblüffend.

Fußball wird unfassbar von vielen Fans erhöht. Die BVB-Fans singen „unser ganzes Leben, unser ganzer Stolz“. Unser ganzes Leben? Damit kann ich nichts anfangen. Aber, andererseits führt diese unglaubliche Verbundenheit mit dem eigenen Verein zu unfassbaren Fanaktionen:

  • die Choreos
  • die unendlichen Gesänge
  • der Einsatz gegen Nazis im Stadion
  • zunehmend der Einsatz gegen Diskriminierung
  • usw.

Die positiven Seiten des Fußballfantums (in D) sind genauso einzigartig wie die negativen Seiten. Etwas vergleichbares findet man in keinem anderen Sport.

Kein Sport ist seit so langer Zeit so populär wie Fußball. Ausgenommen vielleicht Cricket. Folgende Google-Suche zeigt auch hier schockierende Treffer: cricket ausschreitungen - Google Suche Ist es einfach eine Kombination aus gesellschaftlicher Bedeutung und anhaltender Popularität?

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Schöner Kommentar. Die Zeiten hat ich fast „verdrängt“. Aber ich sehe die Parallelen auch.

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Bei solchen Posts wünsche ich mir immer, dass es neben dem Herzen noch eine weitere Möglichkeit des Feedbacks gibt. Denn ein Herz dafür fühlt sich falsch an. Dann eher ein irgendwie geartetes „Das stimmt“-Symbol.

Eine Ergänzung dazu: Auch betrunkene Frauengruppen trifft man gefühlt immer häufiger. Meist zum Junggesellinnenabschied. Auch das ist oft sehr unangenehm, aber nie bedrohlich.

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Die Attraktivität von Fußball-Fan-Kultur, wie ich sie seit den späten 80ern kennenlernte (übrigens u.a. auf dem „Wasen“), habe ich als Ausbruch aus der sonstigen Lebenswelt kennengelernt, sei sie behütet-bürgerlich, proletarisch-ärmlich oder was auch immer gewesen.

Man sah Leute (und sei es nur von Ferne), über die man staunte, die sich was trauten, die Grenzen überschritten. Da waren auch verstörende Begegnungen darunter und welche zum Fremdschämen. Aber es war neu, aufregend und hatte den Reiz des Unerlaubten, des Bösen. War dadurch wohl eskapistisch, befreiend, gerade auch im manchmal Destruktiven.

Die Szenen scheinen längst konstruktiver geworden zu sein. Agieren als solidarische Gruppen, engagieren sich sozial. Haben den Rechtsradikalismus, wie ich ihn in den späten 80ern als tief verankert wahrgenommen habe, glücklicherweise aus vielen Kurven verbannt.

Mir sind Aggressionen zuwider, ich verabscheue Gewalt und bedrohliche Situationen. (Zu denen ich z.B. Pyro zähle, für das ich kein Verständnis habe). Provokationen gegen und Auseinandersetzungen mit der Polizei erscheinen mir müßig und sinnfrei.

Dennoch habe ich bis heute ein Herz für diese Subkulturen, und möchte auf die Frage „Woran liegt es (dass es manchmal aus dem Ruder läuft)?“ o.g. Facette mit einbringen.

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Erfrischend dass auch mal die Rolle des Pfeffersprays angesprochen wird.

Noch zum Thema, insbesondere über „Stadionallianzen“ auf lokaler Ebene, das Konzept kannte ich noch nicht und finde ich ganz interessant: Soziologe über Gewalt im Fußballstadion: „Eskalation durch Nichtigkeiten“ - taz.de

Polizei hält es Zug mit HSV-Fans stundenlang fest, um nach Gewalttätern zu suchen.

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Über 600 Personen sitzen mehrere Stunden fest wegen eines Vorfall im letzten Jahr mit dem die überwiegende Mehrheit gestern nix zu tuen hatte…

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Ey es konnten immerhin 15 Personen festgestellt werden, die bestimmt damals dabei waren(oder in der nähe oder zumindest mit der Idee gespielt haben zum Spiel zu fahren)

Haben sich bestimmt auch alle anderen reisenden gefreut, die über Bergedorf mussten

mal abgesehen davon, dass ich schon die Verhältnismäßigkeit bei einen Zug fragwürdig finde, aber mal eben eine der Hauptzugachsen von Hamburg lahm zu legen…

Will ja die 15 nicht unter Druck setzen, aber mindestens 1/15 staub muss da schon jeder sein

Interessant: Fußballfans: Dritte Halbzeit für Polizeidateien? – netzpolitik.org