Mal ein wenig Input zur Eintracht:
1. Das Projekt Toppmöller
Bevor man irgendetwas über den Status Quo sagen kann, muss man sich überlegen: "Was war eigentlich die Zielsetzung für das Projekt und was wollten wir zusammen in den nächsten drei Jahren erreichen?" Erst dann kann man sagen, ob man sich momentan auf dem Weg wähnt, ob man die Ziele sogar schneller erreicht als gedacht, oder ob es absehbar ist, sie frühzeitig nicht mehr erreichen zu können.
Und ich würde sagen, dass man sich von der Ära Toppmöller als Nachfolger der Ära Glasner diverse Dinge erhofft hat:
- Etablierung in den Top 6 der Bundesliga
- Integration und Entwicklung junger Talente in die Mannschaft
- Moderierung des Kaderumbruchs und Finden eines neuen Kerns für die nächsten Jahre
- Weiterentwicklung des Kaders zu einer lückenlosen und flexibleren Struktur
- Angleichung des Qualitätsgefälles auf der Bank, um der Dreifachbelastung gerecht zu werden
- Umsetzung eines ballbesitzorientierten, stabilen und offensiv geprägten Fußballs als Anpassung zur Meta der Bundesliga
Und es ist natürlich eine sehr ambitionierte Aufgabenliste, aber deshalb nimmt man sich dafür auch drei Jahre Zeit und schaut dann, was man davon erreicht hat und was eben dann noch gemacht werden muss. Und es ist eben nicht nur das Projekt des Trainers, sondern das Projekt der sportlichen Leitung und der Mannschaft.
2. Der Rückblick auf Glasner
Um zu verstehen, wieso es genau diese Ziele sein sollten, macht es am ehesten Sinn, sich die vergangene Zeit unter Glasner anzuschauen und Revue passieren zu lassen.
Es war sicherlich eine der erfolgreichste Zeit der Eintrachtgeschichte mit dem Gewinn der Europaleague, dem Championsleague Achtelfinale und dem DFB-Pokalfinale und die Fans hatten in dieser Zeit viel zu feiern. Aber ich glaube für die sportliche Führung waren diese Erfolge zwar gerngesehen und haben die Eintracht in einer hervorragende Ausgangslage versetzt, aber langfristig zählt für sie viel mehr der Erfolg in der Liga. Denn nur in der Liga kann man sich wirklich nachhaltig in eine Topmannschaft weiterentwickeln. Das zeigt ja Sevilla, das im letzten Schwerpunkt von Max noch als Vorbild ausgemacht wurde, am allerbesten. Sie gewinnen immer wieder die EL und erreichen so die CL, aber in der Liga bringt das keinen nachhaltigen Erfolg, sondern sie kämpfen im zweiten Jahr in Folge gegen den Abstieg. Das liegt auch daran, dass es oft einen anderen Fußball in der Liga braucht als im Pokal, wo es eben auch viel auf „Wir haben es einfach mehr gewollt“ zurückgehen kann. Und es mag banal klingen, aber wenn man sich über die Liga für international qualifiziert, dann ist man auch automatisch weit weg vom Abstieg, während man wie z.B. auch schon passiert als DFB-Pokalsieger absteigen kann.
Und entsprechend denke ich, dass es den sportlich Verantwortlichen eben wichtig ist, dass man sich in den Top6 der Bundesliga etabliert, und dabei etwaige Erfolge im Pokal eher unter den Tisch fallen lassen wollen, eben weil sie eher eine langfristige Entwicklung im Blick hat. Diese tauchen dann auch nicht in den Zielsetzungen auf. Und das ist sicher einer der Gründe, warum man sich von Glasner verabschiedet hat, der es eben trotz all der Pokalerfolge in der Liga nur auf Platz 11 bzw. 7 erreicht hat (wobei das auch erst durch den Endspurt nach dem angekündigten Abschied erfolgte).
Da die Mannschaft sowieso vor dem Umbruch stand, weil viele Spieler in der Champions League bleiben wollten, dachte man sich, dass man dann auch direkt den Spielstil ändern könnte. Denn es deutete sich vermutlich an, dass die Liga vor einem Wandel stand und viele Mannschaften ihren Stil auf mehr Ballbesitz verändern würden (Leverkusen, Stuttgart, Bremen, Augsburg), und dann funktioniert auch Umschaltfußball immer weniger. Denn dieser will ja Fehler des Gegners ausnutzen, und dann direkt bestrafen, aber was passiert, wenn entweder der Gegner sich nur hinten reinstellt oder einfach keine Fehler im Aufbau macht.
Ein weiterer Aspekt, den man sich von Toppmöller erhofft hat, ist eben, dass er es schafft einen nachhaltigen Weg zu finden, immer wieder Talenten die Chance zu geben und so dann eben der Talentschmiede Eintracht Leben einhauchen kann und so die Möglichkeiten schafft, dass die Eintracht auch finanziell oben mithalten kann. Auch hier dachte man bei Glasner, dass er zu sehr an seinen Lieblingen festhält, statt anderen eine Chance zu geben.
Es gibt also gute Gründe, warum man von Glasner auf Toppmöller wechselte, auch wenn Toppmöller wenige Erfolge und Erfahrungen vorzuweisen hat, während Glasner viele Erfolge auf seiner Vita hat. Und diese Gründe sind eben nicht die Aussicht auf nächste große Erfolg in dieser Saison, sondern eben der nachhaltige Schritt an die Spitze der Bundesliga über die nächsten Jahre unter Zuhilfenahme der Einnahmen und Erfolge der Vergangenheit. Und dieser Schritt blieb eben die vergangenen Jahre aus und man ist in der Liga immer noch an der selben Stelle wie zur Zeit von Hütter, wo man darum bangen musste, ob man international spielt oder nicht.
3. Die Stimmung im Umfeld
So und nun hat man das erste halbe Jahr Toppmöller hinter sich. Es gab schon sehr viel Höhen und Tiefen, aber ich würde sagen, insgesamt ist es eine okaye Saison. In der Liga besser als den Pokalen, aber ich habe ja oben erklärt, wieso das den Verantwortlichen nun nicht das größte Problem sein sollte.
Aber wenn man ins Umfeld horcht, dann herrscht da momentan sehr viel Frust und Unzufriedenheit über die Eintracht unter Toppmöller. Und nicht wenige Internetkommentierende scheinen schon so satt, dass sie dem paraphrasierten „ewigen Cotrainer ohne Erfahrung“ die Eignung absprechen und am liebsten gestern einen anderen Trainer (und zwar egal wen) sehen wollen würden. Auch im Stadion gabs jetzt wiederholt Beschwerden gegen die Mannschaft.
Dafür gibt es sicher viele Gründe, wovon einige, wie so oft, gar nichts mit dem Trainer zu tun haben, sondern eher einem allgemeinen Gefühl der Unzufriedenheit/emotionalen Leere. Ich hatte dazu ja schonmal etwas Ausführliches geschrieben:
Aber um es für den Kontext diesen Beitrags zusammenzufassen, ich glaube einfach, dass jetzt erst in der ersten kleinen Krise unter Toppmöller, die Fans bemerken, dass sich die Zielsetzung der Verantwortlichen geändert hat und was das alles dann auch erstmal kurzfristig bedeuten wird. Dass eben momentan eher der harte Weg der Entwicklung wichtiger ist, als dass alles einfach so weiter geht wie in der Vergangenheit. Geile Pokalnächte, die durch Elfmeterschießen entschieden wurden sind zwar super toll zum Feiern, aber ich glaube als kühler Geschäftsführer ist das viel zu viel Risiko, und man will sich nicht zu sehr abhängig davon machen.
Bei den Fans ist das, glaube ich noch nicht so angekommen, was auch verständlich ist, da eben einige Dinge, die man ursprünglich als Teil der Eintracht-DNA wahrgenommen hat, nun verändert werden. Entsprechend wird momentan auch wieder vermehrt das Glasner-Aus hinterfragt, einfach weil man einfach insgesamt sich nicht sicher ist, ob das alles wirklich nötig gewesen ist, und wieso sich überhaupt etwas ändern musste. Und wenn sich etwas ändern musste, dann wieso nicht so schnell, dass die Begeisterung direkt wieder da ist.
4. Die Geduld hat sich stellenweise ausgezahlt
Bei so einem Umbruch muss man, denke ich, eben auch aushalten, dass es erst einmal schwieriger wird, statt leichter, und sich die Entwicklung eben erst nach einiger Zeit zeigen wird. Und so eine Entwicklung ist auch nicht gradlinig, und viele hofften, dass nach den ersten Spielen, die nicht so gut liefen, dann im Oktober das Gröbste überstanden war und es dann nur noch gradlinig nach oben ginge. Und das alles soll dann unabhängig davon passieren, ob man nun einen Stürmer hat oder nicht, oder eine Bank, die neue Impulse setzen kann. Auch wurde jetzt erwartet, dass direkt mit Ende des Transferfensters, als dann sehr viele namhafte Spieler verpflichten wurden, die Eintracht diese direkt alle integriert hat und die Spielidee, die vorher eben auf das Fehlen eines Zielspielers ausgelegt war, unmittelbar umgestellt hat.
Und der Trainer hat ja in den vergangenen Wochen einiges erreicht. Die neuen Schlüsselspieler waren schnell integriert, mit Larsson und Pacho haben direkt Talente ihre Marke hinterlassen, die Mannschaft ist immer noch die drittbeste Abwehr der Liga, mit Platz 6 steht man trotz diversen Rückschlägen total auf Kurs, es sind klare Prinzipien zu erkennen, auch wenn daran noch gefeilt werden muss.
Außerdem spielte für viele Spieler, die im Sommer und Winter gekommen sind, immer das Gespräch mit Toppmöller eine große Rolle, dass sie zur Eintracht gekommen sind, eben weil er die Möglichkeit hat mit ihnen auf Französisch zu reden und eben sie von seinem Konzept überzeugt hat. Das half bei der Moderierung des Kaderumbruchs sicherlich viel und dass so viele Neuzugänge schnell integriert waren lag auch daran, dass er sich immer wieder einzelne (z.B. Nkounkou oder Marmoush) zur Seite nahm und ihnen individuelle Tipps geben konnte, einzelne Situationen besser zu lösen.
Jetzt hat zum ersten Mal diese Saison, wie es Toppmöller eigentlich von Anfang an geplant hatte, ein offensives Sturm-Trio aus Chaibi, Marmoush und Kalajdzic gespielt, das wegen Fehlens eines physischen Wandstürmers bzw. der Abwesenheit von Marmoush als technisch starken Laufstürmer und Chaibi als offensiv Ballverteiler während es Afrikacups einfach noch nicht zusammenspielen konnte. Und wirklich sofort innerhalb von 10 Minuten gelangen zwei Tore in einem schwierigen Auswärtsspiel in Belgien. Mit Nkounkou über links und Götze/Larsson im Mittelfeld existieren auch schon Wege, wie dieses Trio mit Bällen gefüttert werden könnte. Ein dritter Weg über rechts oder direkt von ganz hinten wäre auch noch schön, aber ich vermute, da muss man sich gedulden. Dennoch denke ich, dass die Vertikalität des Spiels sich von alleine lösen wird, sobald eben weniger Bälle in der Offensive verloren gehen wegen technischen Unfeinheiten von z.B. Dina Ebimbe und Knauff, und es mit Kalajdzic eben auch ein neues Offensivelement gibt. Dann wird auch schnell der Vorwurf des Beamtenfußballs verstummen.
5. Die größte Baustelle bleibt der Spielaufbau in der ersten Kette
Natürlich will ich auch nicht alles schönreden. Das größte Problem, dass sich eben auch seit Monaten durchzieht, ist eben die fehlende Pressingresistenz im Spielaufbau, die schon so einige Gegentore eingeleitet hat. Immer wieder flaches Aufbauspiel in der Abwehr, das aber gar nicht so richtig seinen Abnehmer nach vorne findet, und dann ist es ein leichtes, den Druck zu erhöhen und auf einen Fehler im eigenen Strafraum zu warten und die Torchance ist geschenkt. Hier muss man einfach erwachsener werden und auch Alternativen finden, den Ball zu halten, ohne dass man sich im Pressing des Gegners verfängt. Hier kann ich den Frust der Fans verstehen, wenn durch solche Fehler immer wieder Spiele aus der Hand gegeben werden.
Natürlich gibt es für diese Schwäche auch wieder wichtige Gründe. Und zwar ist es eben schwer mit Trapp ein Aufbauspiel zu entlasten, weil wenn dieser dann mal mit einem langen Ball das Pressing überspielen sollte, dann landen die Bälle oft beim Gegner. Die Gerry-Ehrmann-Schule ist eben nicht dafür bekannt spielstarke Torhüter hervorzubringen, sondern eben gute Torhüter auf der Linie. Da mache ich auch niemandem einen Vorwurf. Es bleibt halt ein Manko, dass vieles schwieriger gestaltet und erzwingt, dass man alles flach durch das Pressing hindurch spielen muss. Diese Schwäche im Aufbauspiel hat man auch leider bei der Nationalmannschaft unter Nagelsmann gesehen als Trapp Ter-Stegen ersetzen musste.
Nun wird Trapp nicht von heute auf morgen auszutauschen sein, und dieses Fass sollte man auch nicht wirklich aufmachen, da es die Ausgangslage des Trainers nicht einfacher machen würde, so eine Figur im Verein aus dem Tor nehmen zu wollen. Aber es wird wohl jetzt die wichtigste Aufgabe für den Rest der Saison und eventuell darüber hinaus sein eine Lösung unter den sowieso zementierten Bedingungen zu finden und die individuellen Fehler im Aufbau zu unterbinden. Toppmöller hat das auch erkannt und bei der PK vor Freiburg angesprochen:
„Total fokussiert“ I Pressekonferenz vor SC Freiburg - Eintracht Frankfurt (youtube.com)
Aber die Torwartthematik wird spannend bleiben und uns bestimmt auch nicht nur diese Saison beschäftigen. Es bleibt zumindest anzumerken, dass Stuttgart, Bremen (und Augsburg) erst so richtig mit dem neuen Ballbesitzfußball zu blühen begannen, nachdem sie einen spielstärkeren Torwart ins Tor gestellt haben.
Fazit: Was langfristig geplant ist, sollte auch langfristig umgesetzt werden
Wie man merkt, ich bin ziemlich irritiert von der schlechten Stimmung im Umfeld, die sogar so weit geht, dass man den Trainer gerne entlassen möchte. Ich halte es für sehr falsch, eine Entwicklung, die man jetzt erst mit sehr viel Investment gestartet hat und sich in ein paar Jahren auszahlen soll, direkt wieder abzubrechen, nur weil weil es einem nicht schnell genug mit dem Fortschritt geht. Mit Platz 6 und der aktuellen Entwicklung ist man sicherlich im Soll und ich denke sogar, man könnte sich auch ein Platz 8 leisten. Denn einerseits sind finanziell die Rücklagen der vergangenen Saison groß und der UEFA-Koeffizient ist auch ohne direkte Qualifikation eine gute Stütze und ich vermute mal, dass man mit den neuen Spielern offen und ehrlich umgegangen ist, und ihnen nichts vorgemacht hat, dass man nun direkt im ersten Jahr Champions League spielen will.
Auch sollte man sich nicht verrückt machen lassen, dass Stuttgart in einer absoluten Wundersaison uns überholt hat. Da zeigt sich halt, dass sie schon immer gute Arbeit in der Kaderzusammenstellung gemacht haben und sie der Eintracht auf gewissen Positionen wie Trainer, Stürmer und Torwart einfach voraus sind. Auch sollten die langfristigen Ziele nicht darunter leiden, dass sich spontan für ein paar Wochen die Möglichkeit gab, an Leipzig oder Dortmund vorbeizuziehen. Das ist einfach nicht das Ziel, sondern das Ziel ist Platz 5 oder 6.
Insgesamt bin ich froh, dass augenscheinlich eine langfristige spielerische Entwicklung im Fokus steht. Denn man sieht zum Beispiel in der zweiten Liga, dass diese Vereine erfolgreich sind, die einen Entwicklungsplan haben und sich nach diesem dann auch einspielen, während Absteiger, die erst einmal einen Kaderumbruch und Trainerwechsel hinter sich haben, selten direkt oben mitspielen können. Auch in der Bundesliga gibt es ja viele Vereine, die eher die kurzfristigen Erfolge im Blick haben und dabei eine langfristige Entwicklung aus dem Auge verlieren. Also zum Beispiele Mannschaften im Abstiegskampf, die sich nur irgendwie Jahr für Jahr festkrallen wollen, statt auch mal weiter nach oben zu kommen. Stuttgart hatte ja den Vorteil, dass sie die Entwicklung schon seit dem letzten Abstieg angestoßen hatten, nur war diese Entwicklung durch zwei Jahre Abstiegskampf unterbrochen, aber es geht dann doch auf einmal schnell und aus den geschlagenen Wurzeln sprießen die Pflanzen, sobald die Zeit reif ist. Aber auch an der Tabellenspitze bei Dortmund und Bayern hat man langfristig stagniert und nur auf das Erreichen der kurzfristig notwendigen Ziele geachtet. Und was hat es gebracht? Nun kommt eventuell der Rückschlag bei der CL-Qualifikation oder der Meisterschaft trotzdem, aber man hat nicht die Entwicklung in der Rückhand, sodass man sagen kann, dass man nächste Saison wieder gut aufgestellt ist. Es ist eben ein Unterschied, ob man mit der Entwicklung geht, oder von ihr eingeholt wird und erst danach reagieren muss, sodass weitere Rückschläge folgen können, auf dem Weg, der dann erst dort begonnen wird.
Ich bin zumindest gespannt, wie sich die Eintracht in den nächsten Jahren entwickelt und habe Vertrauen in alle handelnden Personen.
(@zaunpfahl Soviel zu: „Ich glaube ich schreibe mal keinen Input“ )