Danke an die lesenswerten Kommentare Svolvaer, danke für die Begleitung durch die Saison Max.
Rückblick Mai 2021: In starker Rückrunde die CL erreicht mit einer arbeitenden, eingespielten, selbstbewussten Truppe. Kein schöner Fussball, chancenarme Spiele. Aber die Mannschaft agiert als Einheit. Dennoch hakt es mit dem Trainer, also sich getrennt. Unerfahrenen Trainer geholt, viel Geld ausgegeben, ich war guter Dinge.
Mai 2022: puuh was ein Jahr. Katerjahr. Die letzte Saison im Mittelfeld der Tabelle ist lange her. Eigentlich gäbe es ganz viel zu besprechen. Das Kapitel van Bommel (Auswahl, Höhenflug, Absturz, Kommunikation). Kohfeldt.
Um zu versuchen, nicht der Nacherzählung des Saisonverlauf zu erliegen, hier drei Thesen für den Misserfolg:
I. Saison im Sommer verhauen oder geht Erfolg nur über Kilometer und Sprints?
II. Psyche im Misserfolg oder mit Achsenbruch kommst du nicht weit
III. Svolvaer liegt richtig, aber auch falsch: Die 3er-Kette ist das falsche System gewesen
I.
Die Mannschaft war nicht fit. Letzter Platz in Laufleistung, Absturz in Sprints (?).
Das Problem wurde dann noch weiter verschärft durch die Mehrfachbelastung. Und war besonders relevant, weil das Fundament des Erfolgs der Vorsaisons darauf gebaut war.
Schon in den vergangenen erfolgreichen Jahren wurde kein ansehnlicher Offensivfussball gespielt. Stattdessen wurde gesprintet.
Aber ist das wirklich so einfach?
Mein Eindruck: In der Bundesliga kommst du mit gemächlichen Angriffen nicht weit, wenn du sie nicht technisch perfekt spielst. Aber ja immer noch Platz 11 bei den Sprints.
Und: Wie kann man dann aber als Trainerteam so vorbereiten? Und würde man als Profi, der schon viele Vorbereitungen gemacht hat, dann nicht recht schnell merken, dass das zu wenig ist? Lässt mich ratlos zurück.
II.
Das Team kam mit großer Brust aus der Saison, der Saisonstart glückt (zumindest nach Punkten), du spielst CL. Dann kommt der Knick.
Fussballersprache: Es gab kein Aufbäumen, kein Siegeswille, Lustlosigkeit.
Das sind falsche Bezeichnungen für ein zentrales Problem, was jede ambitionierte Mannschaft im Misserfolg hat.
Der Kopf war nicht auf Abstiegskampf eingestellt, jeder hadert mit dem anderen, die führenden Köpfe sind mit sich selbst beschäftigt. Die Spiele haben sich wiederholt. Ordentlich begonnen, einzelne Chancen gehabt, Gegentor bekommen, Niederlage war sicher.
Letztes Jahr in meinem Kommentar zum Royal war ein Punkt des Erfolgs für mich:
“Achse
Casteels - Lacroix+Brooks – Arnold+Schlager – Weghorst
Gemeinsam hat diese Achse fast alle Spiele bestritten, auch wurde fast nur eine Formation gespielt. So war eine Sicherheit durch die Abläufe und die Struktur gegeben. Dies wäre mit mehr internationalen Auftritten sicher nicht möglich gewesen.
Dass keine leichten oder schwereren Verletzungen für diese Spieler anfielen, ist sicher durch gute Arbeit des Ärtzeteams/Physios im Verbund mit der Trainingssteuerung und auch einer Portion Glück so gekommen.“
Die Achse hat durch die Bank aus verschiedenen Gründen so nicht existiert.
Schlager verletzt, Weghorst ungewohnt Abschlussschwach und im Team und öffentlich hinterfragt, Lacroix fahrig, Arnold und Brooks haben sich dem sinkenden Niveau angepasst, statt Anker für die Mitspieler zu sein.
Der Wechsel von Kruse hat insoweit den Klassenerhalt gebracht. Er war in den ersten Spielen nach seiner Verpflichtung genau dieser Anker. Immer anspielbereit, siegesgewiss, dirigierend, kreativ.
Er hat zum Ende etwas abgebaut, aber für den Februar und März war er der Garant des langsamen Aufwärtstrends. Alles wurde stabiler, die Köpfe gingen hoch, die Pässe kamen wieder an.
III.
Spoiler: ich hab weder groß Taktikahnung, noch tiefere Kenntnisse, wie man verteidigt.
Svolvaer hat die gesamte Thematik perfekt beschrieben, insbesondere das blinde Verteufeln der 3er-Kette. Ich würde aber dennoch sagen, dass für diese Truppe die 3er-Kette die falsche Formation ist.
Vorab: Das wurde jetzt etwas ausführlicher. Vieles kam aus dem Bauch und soll eine (kleine) Gegenrede zu Svolvaer sein.
Letztlich stimm ich ihm zu, dass wenn Fitness und Psyche stimmen, die Formation egal ist. Im konkreten Misserfolg aber war der Systemwechsel nicht nur nicht förderlich, sondern verschlimmernd. Die Abläufe waren zentrales Element des Erfolgs in der vergangenen Saison.
Der Einzelne konnte seine Stärken durch das System ausspielen und vertrauen, dass seine Schwächen aufgefangen werden.
a) Roussillon hat keine Puste. Seit mehreren Saisons hat er deshalb aus meiner Sicht seine Offensivstärke nicht mehr gezeigt. Wenn er in dieser Saison lange Wege nach vorn gegangen ist, hat der auffallend lange braucht, um wieder auf seiner Position zu sein. Das ist eine konstante Unwucht. Wenn aber dein Schienenspieler die Offensive meidet (oder meiden soll), dann geht einfach über die Seite zu wenig, weil dir jemand fehlt.
b) Bei Baku war schon letzte Saison (und diese noch mehr) zu sehen, dass er defensiv nicht sattelfest ist. Ich glaube, er profitiert noch enorm von seinen Mitspielern und ist selbst noch nicht in der Lage, Anker zu sein.
Das ist angesichts des Alter okay, angesichts seiner Ambitionen zu wenig.
Letzte Saison hat Mbabu hinter ihm abgesichert, Weghorst für ihn Bälle gesichert, Arnold ihn tief geschickt. Diese Saison wirkte eher aufgrund der größeren Rolle überfordert, das enge Korsett um ihn herum hat ihm gefehlt.
c) Bei Brooks sehe ich seit längerem das Problem des Abstands zu seinem linken Nebenmann. Das ist auch bei einem LV problematisch, bei einem linken Schienenspieler aber noch größer. Wenn der Raum auf der Außenposition offener ist, ist Brooks mit einem Tempodribbling des Angreifers auf ihn als LIV in der 3er-Kette überfordert. Die weitere Absicherung durch den zentralen IV hat aber nicht gewirkt, im Gegenteil erfolgte das Übergeben zu häufig fehlerhaft, sodass ziemlich zentral häufig ein Gegner freistand.
d) Bei Lacroix hatte ich diese Probleme weniger vermutet. Aber er war deutlich luftiger als RIV in der 3er-Kette. Beachtlich war, dass er überraschend viele direkte Laufduelle oder Zweikämpfe verloren hat, die er letzte Saison gewann. In einigen Momenten kam es dann zu Fouls mit entsprechenden Karten.
Ich behaupte, er hätte im letzten Jahr häufig den Ball gewonnen/Gegner abgedrängt.
Aber es kann auch sein, dass der Gegner seltener mit Tempo und Blick Richtung Tor von Außen auf ihn zugedribbelt war, das sich also der Winkel des Angreifers zum Tor sich verschoben hat und es deshalb für Lacroix schwieriger zu verteidigen war.
e) Auch offensiv möchte ich Svolvaer widersprechen. Letzte Saison hatte der VfL eine ganz geringe Restverteidigung. Meist die beiden IV und der jeweils ballferne AV, dazu Arnold alleine im 6er-Raum. Es war also durch den Wechsel zum 343 kein weiterer offensiver Spieler gefunden, weil ein (in dem Aspekt) sehr offensives 4231 gespielt wurde.
Stattdessen war es so, dass die beiden Schienenspieler offensiv blass waren (Roussillon Puste, Baku Unsicherheit). Die hängenden Offensiven in der Hinrunde/Winter durch die Bank mit sich selbst beschäftigt (Waldschmidt, Philipp) oder unkreativ/schwach im Passspiel (Steffen, Baku, Lukebakio) waren. Weghorst abschlussschwach, Nmecha länger verletzt. In einer Phase der Unsicherheit wäre es da angebracht gewesen, auf die verbliebenen Reste des Vorjahres zu setzen und zu dem System und Spielstil zurückzukehren.
f) Zu den Fragen zur Zukunft und Kohfeldt schließe ich mich wieder oben an.
Kleidungsstück:
Getragene Socken. Man fühlt sich unwohl und braucht dringend frische.